Dienstag, September 01, 2015

Worte der Woche

Wo siehst Du Flüchtlinge? Nach Europa dringt eine ansteckende Krankheit ein, die Flüchtlinge sitzen mit ihren Familien an der syrischen Grenze, sie warten auf die Möglichkeit wieder nach Hause zu kommen. Zu uns schlägt sich der menschliche Abfall durch, den wir mit allen möglichen Mitteln zurückschlagen müssen. In Estland parasitieren 300.000 Tiblen*, die sich nicht adoptieren können, wie meinst Du kann man die Millionen von Kakerlaken, die hierher kommen wollen und nach Luxus jagen in Leute verwandeln?

* Tibla = beleidigende Bezeichnung für einen Russen oder russisch-sprachigen Einwohner Estlands

Urmas Reitelmann, Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit von Kaitseliit, der estnischen Bürgerwehr

Montag, August 17, 2015

Droht Baltikum Terror von Flüchtlingen?

Dieser Artikel, der von mir geschrieben wurde, ist in der Zeitschrift „Baltijskij Mir“ erschienen.

In der Statistik über die Aufnahme von Flüchtlingen in der EU, besetzen Baltikum und Polen regelmäßig die letzten Plätze, unabhängig von der Berechnungsmethode, sowohl in absoluten Zahlen, wo Deutschland mit 65 Tausend Flüchtlingen im Jahr führend ist, als auch in relativen Zahlen, wo die Anzahl der aufgenommenen Flüchtlingen pro eine Million Einwohner berechnet wird, hier führen Schweden und kleines, dichtbesiedeltes Malta, das 27 Mal Flüchtlinge aufnimmt, als das relativ leeres Estland. Doch wenn man die Kommentare unter den Artikeln über die Flüchtlinge liest, dann trifft man unbedingt auf Kommentare, dass sowohl die estnisch-, als auch die russischsprachige Bevölkerung überhaupt keine Flüchtlinge sich wünschen, besonders keine aus islamischen Ländern. Die Meinungsumfragen bestätigen das Bild, das anonyme Kommentatoren im Internet hinterlassen, die Mehrheit der Baltikumeinwohner hat Angst vor Flüchtlingen. Neben den ökonomischen Gründen, dem Verlust der Arbeitsplätze zugunsten der günstiger arbeitenden Flüchtlinge oder Sozialkassen sich, die sich wegen den kinderreichen Flüchtlingsfamilien, die nicht arbeiten wollen, leeren, gibt es Aussagen über die Gefahr der terroristischen Anschläge, die von radikalen Islamisten ausgeführt werden könnten, die sich für Flüchtlinge ausgegeben haben. Um zu verstehen, ob Baltikum die Gefahr von Islamismus droht, schlage ich vor den islamistischen Terror in Westeuropa zu untersuchen, seine Wurzeln, seine Teilnehmer zu verstehen, um dann Aussagen machen zu können, ob das für Baltikum auch gültig ist.

In der Zeit, als Russland mit den Auswüchsen vom radikalen Islamismus schon während der Kriege in Tschetschenien kämpfte und unter den Terroranschlägen in Budjonowsk, Beslan und Moskau gelitten hat, hat die westliche Welt erst nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in USA die Gefahr des radikalen Islamismus vollständig begriffen. Seit dieser Zeit haben das westliche Europa und die USA grosse Verluste von Menschenleben wegen Terror, der von islamistischen Fanatikern verübt wurde, davontragen müssen. Hier eine kleine Aufzählung der schlimmsten Terroranschläge:

7.07.2005 — Explosionen in der U-Bahn und Bussen in London, 52 Tote. Drei Selbstmörder wurden in Großbritannien geboren, doch waren sie pakistanischer Herkunft, der vierte war ein zu Islam konvertierter Jamaikaner

2.11.2004 — Mord an Theo van Gogh in den Niederlanden. Der Mörder, Mohammed Bouyeri wurde in Amsterdam geboren, marokkanischer Herkunft

11.03.2004 — Explosionen in den Zügen in Spanien, 191 Tote. Der Hauptorganisator der Anschläge Serhane Ben Abdelmajid kam Anfang der 90-er als Student aus Tunis nach Madrid

15.04.2013 — Anschlag auf Marathon in Boston, drei Tote. Die Brüder Zarnajew kamen nach USA, als sie noch Jugendliche waren

7.01.2015 — Die Erschiessung der Redaktion von Charlie Hebdo in Paris. Die Brüder Kouachi (algerische Herkunft) sind in Paris geboren

Wenn man die Biografien der Terroristen genauer anschaut, sieht man eine Gemeinsamkeit, keiner von ihnen wurde als ein Flüchtling im Erwachsenenalter aufgenommen. Der Organisator von 9/11 Mohammed Atta kam nach Deutschland als Student, die Brüder Zarnajew waren kleine Kinder, als sie nach USA kamen, Brüder Kouachi wurden in Frankreich geboren und wuchsen dort auf. Das heisst die Radikalisierung geschah bei der zweiten Generation von Flüchtlingen, oder bei der ersten Generation von Flüchtlingen, die in einer Umgebung aufgewachsen sind, die den Islam nicht als führende oder staatliche Religion anerkannt haben. Es ist auch nicht logisch, dass Leute, die grosse Anstrengungen und Verzicht auf sich genommen haben, um islamischen Ländern zu entkommen, den radikalen Islam auf einmal unterstützen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass ihre Kinder aus verschiedenen Beweggründen das tun werden, die wir weiter unten betrachten. Das heisst, für Baltikum droht es keine Gefahr von den Flüchtlingen selbst, die Gefahr könnte von ihren Kindern in 20 Jahren drohen.

Doch das Alte Europa ist heutzutage in Panik. Die Jugend radikalisiert sich und unterstützt geistige Führer allein von deren Namen anderen Leuten Angst und Bange wird. Grosse Terroranschläge mit Tötungen und Geiselnahmen und andere Aktionen von Islamisten erschüttern die Gesellschaft. Dabei gibt es viele, die zwar die Terroristen nicht direkt unterstützen, doch insgeheim ihre Gesellschaftsansichten teilen. Die europäischen Mächte führen verschiedene polizeiliche Maßnahmen zur Terrorbekämpfung ein, die einen Sturm an Entrüstung hervorrufen, da sie den Level der staatlichen Überwachung über den Bürger steigert und die Freiheit beschränkt. Einen großen Nutzen haben diese Maßnahmen nicht, da die Terroristen unter der Schwelle des Überwachungsradars agieren.

Doch für die Leute der alten Generation ist das alles nicht unbekannt! Willkommen in Europa der 70er Jahre! Die Jugend skandiert auf den Demonstrationen: „Es leben die grossen Führer Mao Tse Dun und Ho Chi Minh“. Die Terrorgruppe RAF tötete den Generalstaatsanwalt Siegfried Bubak und den Mitglied des Verwaltungsrates der Dresdener Bank Jürgen Pronto, nahm den Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Hans Martin Schleyer als Geisel und stürmte das Flugzeug der Lufthansa in Mogadischu im Jahr 1977, um die verhafteten Terroristen gegen die Passagiere des Flugzeuges zu tauschen. Das Flugzeug wurde vom deutschen Sondereinsatzkommando gestürmt und die Terroristen begingen im Gefängnis Selbstmord.

An den zahlreichen Universitäten gab es Arbeitskreise, die sich öffentlich der Sympathien zu Kommunismus bekannten, die Mitglieder nannten sich Maoisten und solidarisierten insgeheim RAF. Der Staat führte die Rasterfahndung ein, das heisst es wurde versucht gemeinsame Merkmale von Leuten zu finden, die für Terrorismus anfällig waren und diese Leute zu beobachten, ohne dass sie einen konkreten Anlass dazu geliefert hätten. Diese Maßnahme führe zu Massenprotesten seitens der Bevölkerung, war aber ineffektiv.

37 Jahre nach dem Schwarzen Herbst hat niemand mehr Angst vor RAF, deren Reste haben sich 1998 selbst aufgelöst. Niemand sympathisiert mehr mit Mao oder Ho Chi Minh oder den verbleibenden kommunistischen Führern wie Fidel Castro. Einige bekannte Maoisten wurden zu bekannten Politikern, der leuchtendste Beispiel ist Joschka Fischer, der Aussenminister des Bundeskanzlers Schröder in den Jahren 1998-2005, als auch Jürgen Trittin, der langjährige Vorsitzender der Grünen. Doch welche Motive hatten die damaligen Regimegegner? Wollten sie wirklich in Westeuropa Kommunismus nach vietnamesischen Vorbild einführen?

Höchstwahrscheinlich eher nicht. Die Verbeugung vor diesen kommunistischen Führern war die maximale Form der Provokation gegen die damaligen Mächte in Westeuropa. Die Unterstützung des Hauptfeindes der USA, war ein Protest gegen den Krieg in Vietnam, dem ersten Krieg in dem es klar wurde, dass eigene Soldaten, die für die Ideen der westlichen Welt kämpfen, dabei schreckliche Kriegsverbrechen begehen, wie der Massenmord in dem Dorf My Lai. Die Emanzipation von den konservativen Ansichten der Elterngeneration und der Gesellschaft war das Hauptziel der jungen kommunistischen Radikalen.

Die Notwendigkeit der Emanzipation von den Eltern ist zumindest in einem Teil der Jugend angelegt. Ist das biologisches Verhalten, wenn die Jungtiere die Alten herausfordern, oder ist das ein Phänomen der Neuzeit, als der Begriff „Die Jugend“, die definitionsgemäß gegen die Älteren sich auflehnen muss, überhaupt hochkam, das kann ich nicht sagen. Das Beispiel einen jungen Aufrührers (oft sinnlos) ist ein fester Motiv in der westlichen Kultur, „Das Leiden des jungen Werthers“ ist Pflichtliteratur an den deutschen Schulen.

Schauen wir uns den heutigen Tag an. Auf welche Weise kann man sich von den Eltern emanzipieren, die seinerzeit schon Erfahrung mit radikalen Emanzipation von ihren Eltern hatten? Sich ausziehen und nackt auf den Demos rumlaufen? Die Omas haben das schon in den 60ern gemacht. Sich die Haare färben, mit Sicherheitsnadeln die Ohren durchstechen, ein zerrissenes Shirt anziehen und ein Lächeln vom Vater bekommen, der in den 80-ern Pank war? Die zweifelnde Jugend bekam die Antwort nach dem 11. September 2001. Die Provokation, auf die zweifellos sowohl die Eltern, als auch die Lehrerin in der Schule, als auch die freie, demokratische Gesellschaft reagieren, ist radikaler Islamism, der Verzicht auf Demokratie, auf Freiheit, auf Atheismus, auf alle Errungenschaften der vorherigen Emanzipationsbewegungen, auf all das, woran die Eltern glauben, worauf die Gesellschaft sich gründet, auf die sogenannte europäische Werte. Die Versuche die Taten der Väter zu übertrumpfen führen zu den Exzessen der rohen Gewalt, die auf Video aufgezeichnet und Dank Internet in der ganzen Welt verbreitet wird. Hier kann als Beispiel wieder die RAF dienen, die Fotos mit dem in Geiselhaft sich befindendem Hans Martin Schleyer an die Presse schickte, die sie mit Freude im Namen der Sensation, druckte.

Ein anderer Faktor warum die Kinder der Flüchtlinge zu radikalen Islamisten werden ist die Interesse zu dem verlassenen Land ihrer Vorfahren und das Nichtverstehen der Prozesse, die in diesen Ländern stattfinden. Aus der Ferne auf diese Länder schauend, die von dem „Arabischen Frühling“ erschüttert wurden, kann man leicht eine radikale Problemlösung vorschlagen, zum Beispiel die Rückkehr zu den Ursprüngen der islamischen Religion, doch ist es eine sehr vereinfachte Sicht auf diese Länder, die eine grosse Anzahl von Faktoren nicht berücksichtigen, wo auch die Experten versagen (doch dabei ihre Sicht in Massenmedien verlautbaren). Als sehr kritisch wird die Einmischung der westlichen Länder in die innere Angelegenheiten dieser Länder gesehen (inwiefern das den Tatsachen entspricht, oder von Propaganda aufgeblasen wurde, ist eine andere Frage) und dieser Protest wird zu einem Kampf gegen das Land, das seinerzeit die Eltern der Flüchtlinge beherbergt hat.

Wie soll die Gesellschaft gegen dieses Phänomen des sinnlosen Aufstands kämpfen und kann sie es überhaupt? Man soll sich von der Vorstellung lösen, dass Terroristen Leute sind, denen nicht alle Chancen wegen ihrer Herkunft gegeben wurden. Natürlich wäre es eine Illusion zu behaupten, dass die Kinder der Flüchtlinge, die mit ein paar Koffern ins Land kamen und das Leben von vorne anfingen, dieselben Chancen wie reiche native Einwohner haben, doch die Integration in Westeuropa und USA arbeitet so gut, dass talentierte Migranten und erst recht ihre Kinder, die meistens die Sprache des Landes beherrschen, können durchaus die soziale Treppe hochsteigen (wie es bei den Terroristen meistens der Fall gewesen ist). Es ist also naiv zu glauben, dass ein erhöhter Aufwand bei der Integration, die Radikalisierung der Jugend aufhalten wird. Es wird immer ein bestimmter Prozentsatz bleiben, der nicht integrierbar ist, wer wenn nicht die Balten sollten das wissen. Man sollte sich von der Vorstellung lösen, dass Terroristen Leute mit niedrigem IQ sind, dass man sie einfach vom rechten Weg abbringen und aus ihnen eine dumpfe Waffe machen kann, die den Willen der unbekannter Meister ausführt. Vielleicht ist das der Fall für die Dzihad-Selbstmörder in arabischen Ländern, doch in Westeuropa, der Mensch, der den Weg des Terrors wählt, macht es eher selbstbestimmt. Er sucht selbst im Internet die propagandistische Information heraus, er organisiert selbst die Fahrt in den Dzihad, es plant selbst der Terrorakt, er organisiert selbst die Waffen für den Angriff, er konstruiert die Bombe, er führt das Attentat durch. Das alles geschieht in völliger Geheimhaltung, besonders nach dem Bekanntwerden der Möglichkeiten von NSA und anderer Geheimdienste. Man sollte begreifen, dass ein Terrorist politisch recht aktiv ist, er ist klug, er hat Organisationstalent und Hartnäckigkeit bei der Verfolgung seiner Ziele. Wenn er seine Talente für andere Zwecke genutzt hätte, könnte er bestimmt Erfolg in der modernen Gesellschaft haben. Es gibt nicht wenig populär-wissenschaftliche Literatur, die Psychopaten (es könnte ein Terrorist, aber auch ein erfolgreicher Manager oder politischer Führer sein) betrachtet und ihre Methoden für das Erreichen ihrer Ziele diskutiert. Doch die Terroristen sind nicht in der Gesellschaft isoliert, sie haben Mitfühlende, die die Videos der Terrorattacken im Internet anschauen und sie kommentieren. Das zählt schon als moralische Unterstützung. Ohne sie, ohne den positiven Hintergrund wäre der Terrorist bei dem Arbeiten an seinem Ziel viel weniger motiviert.

Es ist naiv zu denken, dass man alle Terrorakten effektiv verhindern kann. Die moderne Gesellschaft ist zu offen und von dieser Offenheit zu abhängig, sonst hört sie auf zu funktionieren. Die Offenheit bedeutet auch die Verwundbarkeit und die Möglichkeit der Radikalisierung. Die Geheimdienste tun alles mögliche um die potentielle Terroristen zu entlarven, doch solange sie nicht gelernt haben, die Gedanken der Leute zu lesen, ist der Terrorismus als solcher nicht zu verhindern. Andererseits ist es wohl anzunehmen, dass die Welle des radikalen Islamismus genauso vorübergehen wird, wie die Welle des radikalen Kommunismus vorbeiging, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde endgültig klar, dass Kommunismus nicht der Schlüssel zur Lösung der Probleme ist, die Anzahl der linksextremen Straftaten ging rapide zurück. Es ist recht wahrscheinlich, dass die Illusion ein Leben nach den Gesetzen des 7. Jahrhunderts in der modernen Welt aufzubauen, selbst für die aktivsten Befürworter der radikal-islamistischen Bewegung klar sein wird und ihr Gedankengebäude wie ein Kartenhäuschen einstürzt. Es ist auch möglich, dass die heutigen Radikalen, ihre Glut reduzieren und in die Politik wechseln, wie der französische Autor Michel Houellebecq in seinem neuen Roman „Unterwerfung“ vorhersagt, doch ist dabei die Wahrscheinlichkeit der Umwandung der europäischen Länder in islamische Republiken in den nächsten Jahrzehnten recht gering, wegen der immer noch recht niedrigem Anteil der Bevölkerung islamischen Glaubens, die noch eine sehr lange Zeit benötigen wird, um eine fühlbare Masse an Wählern zu erreichen. Genauso unvorhersehbar ist es, wie in zwanzig Jahren die aufwachsende Generation von der Idee des radikalen Islamismus halten wird, denn laut der Theorie des Aufbegehrens der Jugend gegen die Erwachsenen, müssen sie gegen ihre Eltern aufbegehren, die islamischen Radikalen sind.

Doch unabhängig davon, in wessen Namen der aufgrund der schnellen Ideenverbreitung immer globalere Protest der Jugend, geführt wird, kann man vermuten, dass der Terrorismus als solcher immer brutaler, immer angsteinflössender, immer ausgeklügelter sein wird. Terrorismus hat eine gewisse Bedeutung in den Zeiten von Guerilla-Krieg, doch als Mittel des Informationskrieges, des Krieges um die Köpfe ist der Terrorismus jetzt schon sehr effektiv und wird in der Zukunft noch viel effektiver. Es ist schrecklich sich vorzustellen zu was das Vorstellungsvermögen ein Psychopaten-Terroristen fähig ist, um berühmt zu werden und auf diese Weise in die Geschichtsbücher einzugehen. Die Markierung steht nach wie vor am 11. September 2001, doch werden in der Welt schon wahrscheinlich Pläne für Terrorakten noch viel grösseren Massstabs mit höherer Opferzahl und mehr Medieneffekten geschmiedet.

Was bedeutet das fürs Baltikum? Es ist unbekannt, was die Köpfe der Jugend in zwanzig Jahren aufregen wird. Momentan droht dem Baltikum kaum die Gefahr seitens des radikalen Islamismus: Die Flüchtlinge die froh sind, einen ruhigen Platz für sich und ihre Angehörigen zu finden, werden kaum die Gastfreundschaft der sie aufnehmenden Länder missbrauchen. Eine gewisse Gefahr kann man von den Angehörigen der zweiten Generation erwarten, doch das ist eine reine Spekulation, die auf der Extrapolation der heutigen Ereignisse in Westeuropa zwanzig Jahre im voraus basiert. Es ist naiv zu hoffen, dass der Ansturm der Flüchtlinge auf die „Festung Europa“ in der nächsten Zukunft sich verringern wird, wenn man die Kriege in Syrien und Jemen, die Bildung des Islamischen Staates in Irak, die Feindschaft zwischen Iran und Saudi-Arabien, die glühende Krise in Libyen, instabile Regierung in Ägypten und eine mögliche Entflammung von anderen Feuern im Nahen Osten wie zum Beispiel in Jordanien und Libanon berücksichtigt. Die Länder, die die Hauptlast der Flüchtlinge wegen ihrer geografischen Lage wie Italien, Malta, Griechenland, Spanien tragen, können wegen der eigenen ökonomischen Probleme den wachsenden Flüchtlingsstrom nicht aufnehmen und rufen die Europäische Gemeinschaft zur Hilfe.Die entsprechenden Quoten zur Verteilung der Flüchtlinge zwischen den Ländern – EU-Mitgliedern, werden angenommen und es wird Baltikum nichts übrigbleiben, als viel mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als die sieben Leute, die Estland 2013 aufgenommen hat. Die Bedingungen in denen die Flüchtlinge in Estland leben, wird schon lange von Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Baltikum bleibt nichts anderes übrig als in bessere Bedingungen für die Aufnahme von Flüchtlingen aus allen Regionen der Welt zu investieren. Die EU wird wahrscheinlich Finanzhilfe für den Bau von Flüchtlingsheimen zur Verfügung stellen, doch das Problem der Integration muss von Balten selbst gelöst werden.

Mittwoch, Juli 01, 2015

Wie konnte es soweit kommen?

Als ich diesen Blog angefangen habe, konnte ich nicht im schlimmsten Alptraum vorstellen, dass man ersthaft jemals sich ausdenken würde, dass das Problem der russisch-sprachigen Minderheit in Estland Anlass zum Dritten Weltkrieg werden könnte. Nun, diese Grafik, die auf vox.com veröffentlicht wurde, zeigt, dass ein Konflikt in Narva zu weltweiten Folgen führen kann.

Ich persönlich glaube nicht daran, dass ein Konflikt ohne äußere Einmischung entfacht werden kann, besonders wenn jetzt die Weltöffentlichkeit recht genau nach Estland schaut. Eine Provokation wie Bronzener Soldat wird sich Estland nicht mehr erlauben können. Wenn allerdings äußere Kräfte sich massiv einmischen, dann kann es durchaus zu einem Konflikt kommen, mit allen Folgen, wie sie in der Grafik dargestellt werden.

Donnerstag, Mai 28, 2015

Worte der Woche

Wieder einmal sehe ich wie ein absolut arbeitsfähiger Schwarzer in Italien bei den Leuten um Geld bettelt, die ehrlicher Arbeit nachgehen. Ich denke, dass man eine europäische Unterschriftensammlung starten sollte, damit nicht ein einziger der sogenannten Flüchtlinge das Mittelmeer überqueren könnte. Es reicht mit dem Blödsinn!

Alle, die denken, dass ich nur rumschwätze, irren sich zum Glück. Die Frage der Schwarzen ist für Estland existenziell und unumkehrbar. Wenn wir sie reinlassen, kann man die Geschichte nicht mehr ändern.

Heute fühle ich als ein weisser Mensch, dass die weisse Rasse in Gefahr ist. Ist das Hirn der Esten derart gewaschen, dass sie irgendwelches politkorrektes Schleim absondern?

Wir müssen was unternehmen. Wenn diese Immigranten nach Estland kommen, wird es zu einer Katastrophe.

Kristina Ojuland, ehemalige Aussenministerin, ehemalige EU-Abgeordnete Estlands. Eine Stimme in der immer schriller werdenden Debatte in Estland, wieviele Flüchtlinge Estland aufnehmen kann. Momentan sind die Zahlen von 300 bis 1000 im Umlauf.

Samstag, Mai 09, 2015

9. Mai 2015, Tallinner Soldatenfriedhof, Bronzener Soldat

Flüchtlinge gegen Russland

Mit welchem Recht verlangt die estnische Regierung, dass die Flüchtlinge an der Mittelmerküste bleiben sollen, oder in ihre Heimatländer zurückkehren müssen? Das spottet dem Schicksal der zehntausenden estnischen Bürger, die nach dem Zweiten Weltkrieg Zuflucht im Westen fanden. Es gibt Höllen, wo es keine Alternative zur Flucht gibt und unsere Moralpredigten zeugen von größter Abwesenheit von Moral. Die Position Estlands, die die Aufnahme jeglicher Flüchtlinge ablehnt, ist auch politisch kurzichtig. Wir brauchen im Widerstand gegen Russland die Solidarität der westeuropäischen Länder. Fünfzig bis hundert Flüchtlinge würden das Rückgrat Estlands nicht brechen, wären aber ein mächtiges Arguemnt für unsere Zugehörigkeit zu Europa.

Kolumnist Ahto Lobjakas in Postimees

Sonntag, April 26, 2015

Worte der Woche

Wir müssen aggressiv proamerikanisch sein

Jüri Luik, der estnische Botschafter in Russland auf der Lennart Meri Konferenz in Tallinn

Montag, April 06, 2015

Das Ende der Hoffnung

Heute wurden Gerüchte publik, wie die neue estnische Regierung aussehen soll. Es wurde schon im Vorfeld bekannt, dass der einizge russisch-sprachige Minister Ossinovski gewisse Zweifel hatte, ob er noch Bildungsminister sein wollte, doch die heute veröffentlichten Ergebnisse wurden noch schlimmer als gedacht.

Erinnern wir uns: Vor einem Jahr ging die Koalition von Reformisten und IRL in die Brüche und die Sozialdemokraten nahmen den Platz von IRL ein. Der erste russisch-sprachige Minister in der Estnischen Republik wurde Bildungsminister. Das hat sofort Hoffnungen geweckt, dass er die 60-40 Regel zurücknehmen wird, nach der in Gymnasien 60% aller Fächer auf Biegen und Brechen auf Estnisch gelehrt wird. Ossinovski gab Studien in Auftrag, die größtenteils das bestätigten, was die Schüler, Eltern und Lehrer schon immer gesagt haben, es macht keinen Sinn wenn russisch-sprachige Lehrer, russisch-sprachigen Schülern Fächer auf Estnisch unterrichten. Das Vokabular ist viel zu komplex, die Schüler verstehen viel zu wenig und lernen ausser der Sprache kaum was vom Fach selbst. Die Eltern, die die Sprache können, müssen abends den Stoff nochmal mit den Schülern durchgehen, diejenigen, die die Sprache nicht können, haben Pech. Ausser den Studien wurde nichts in Angriff genommen, sondern bis nach den Wahlen verschoben. Bekannt wurde Ossinovski, als wegen ihm der damalige Finanzminister von den Reformisten Jürgen Ligi zurücktreten musste. Er beschimpfte Ossinovski via Facebook als Immigratensohn von der Rosa-Partei, der aufpassen muss, was er sagt. So viel politisch inkorrektes in einem Satz war selbst für die estnische Politik, die eigentlich hart im Nehmen ist, zu viel, also musste Ligi seinen Hut nehmen.

Dreimal dürfen die verehrten Leser raten, wer heute der Bildungsminister geworden ist? Richtig, es ist Jürgen Ligi.

Als wenn das nicht genug wäre, wurde der frühere Verteidigungsminister von IRL Reinsalu, der aus seiner russophobie noch nie einen Hehl gemacht hat, auch noch Justizminister. Das bedeutet, das sämtliche juristischen Kämpfe des Vereins der Russischen Schulen Estlands von vornerein zum Scheitern verurteilt sind.

RIP russische Schulbildung in Estland!

Samstag, April 04, 2015

Worte der Woche

Leb Wohl Europa, ich habe Dich auf meine Art geliebt!

German Sadulaev, der russisch-tschetschenische Schriftsteller, dem estnische Behörden bei seiner Ausreise aus Estland das Schengen-Visum annullierten. War ihre Reaktion auf den Auftritt Sadulaevs beim Presse-Club Impressum.

Ich bin kein junger Mann und kann mich an die sowjetischen Zeiten gut erinnern, als das KGB Jagd auf die Schriftsteller veranstaltete, doch auch im Alptraum konnte ich mir nicht vorstellen, dass KAPO zu so einem vorbildlichen Schüler seiner älteren Kollegen werden wird.

Kalle Käsper, estnischer Schriftsteller als Reaktion auf die Ausweisung Sadulaevs

Montag, März 30, 2015

Bild der Woche

Die drei künftigen Herrscher in Estland, Sven Mikser von SDE, Taavi Rõivas von Reformpartei und Urmas Reinsalu von IRL

Sonntag, März 22, 2015

Liebe Freundinnen und Freunde,
“!ליזאַ רופט” - “Liza ruft!” ist ein Dokumentarfilm über Fania Brancovskaja, die aus dem Wilnaer Ghetto floh und sich den Partisan_innen anschloss. Heute, mit 92 Jahren, ist sie eine der letzten Augenzeug_innen des Holocausts in Litauen und engagiert sich tagtäglich, um die Erinnerung wachzuhalten und historische Gerechtigkeit zu finden. "Liza ruft!" ist das erste Porträt einer ehemaligen jüdischen Partisanin überhaupt.

Nach erfolgreichem Abschluss der Dreharbeiten in Litauen, Israel und Kanada haben wir die Post-Produktion begonnen. Trotz Unterstützung von Einzelspender_innen und Stiftungen, darunter die "Conference on Jewish Material Claims Against Germany", fehlen noch 8000 $. Aus diesem Grunde bitten wir Sie, einen Blick auf unsere Crowdfunding-Kampagne https://www.indiegogo.com/projects/liza-ruft-the-movie zu werfen. Sie finden dort ausführliche Informationen zu unserem Projekt.

Wir glauben, dass Fanias einzigartige Geschichte erzählt und erhalten bleiben muss. Geschichtsrevisionistische Bestrebungen machen dieses Anliegen aktueller denn je. Durch Interviews mit Fania Brancovskaja, ihren Angehörigen und früheren Partisan_innen zeichnet "Liza ruft!” das intime und lebhafte Bild einer außergewöhnlich faszinierenden Frau, einer Persönlichkeit, von der Generationen lernen können.

Weiter Informationen finden Sie auf unserer Website: www.lizaruft.blogspot.de und auf Facebook: www.facebook.com/Liza.ruft

Wir wären Ihnen überaus dankbar, wenn Sie unser Projekt finanziell unterstützen und/oder unser Anliegen an Ihre Community weiterleiten würden.

Herzlichen Dank für Ihre Mühe.

Mit besten Grüßen

Simon Baruch Stein
Co-Produzent

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Dear friends,
“!ליזאַ רופט” - “Liza ruft!” is a documentary about Fania Brantsovskaya, a Vilna Ghetto survivor, former partisan and one of the last witnesses to the Holocaust in Lithuania. At the age of 92 years, she continues her daily struggle to keep the memory alive and find historical justice. "Liza ruft! is the first-ever portrait of a former female partisan.

After successfully completing the filming in Lithuania, Israel and Canada, we have started with the editing. Though we have been supported by a number of individual donors and foundations, i.e. "The Conference on Jewish Material Claims Against Germany" , we are still lacking $ 8000 to complete the post-production. For this reason, we kindly ask you to take a look at our crowdfunding-campaign https://www.indiegogo.com/projects/liza-ruft-the-movie. You will find detailed information on the movie, Fania Brantsovskaya and the filmmakers.

We believe that Fania's unique story has to be brought out to the world and passed on to future generations. Given the current climate of intolerance in Europe, this concern is more urgent than ever. By interviewing Fania Brantsovskaya, her loved ones and former fellow partisans, "Liza ruft!" creates an intimate and vivid picture of an outstandingly fascinating woman, a personality that generations can learn from.

For further information see also our Blog www.lizaruft.blogspot.com and follow us on Facebook: www.facebook.com/Liza.ruft

We are very grateful for any donation and/or for sharing our project with your community.

Thank you very much for your effort.

Best wishes,

Simon Baruch Stein
Co-Producer

Documentary film project Liza ruft!
c/o FilmArche e.V.
Lahnstraße 25
12055 Berlin
Germany

Phone: +49 172 18 79 400 (Simon Stein, Co-Producer)

E-Mail: lizaruft.film@gmail.com
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donations account / Spendenkonto:
Diana Schäfer
IBAN: DE66100777770491643300
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Norisbank Berlin (Kontonummer 491643300 | BLZ 10077777)

Samstag, März 21, 2015

Bild des Tages

Reaktion des estnischen Präsidenten Toomas Ilves auf die Frage warum die EU-Abgeordneten Yang Tool aus Estland und Tatjana Zhdanok aus Lettland Interessen Russlands vertreten.

Freitag, März 20, 2015

Analyse der estnischen Parlamentswahlen 2015

Lieber später als nie, hier kommt meine Analyse der Parlamentswahlen in Estland 2015. Schon ein Jahr vor den Wahlen habe ich die Prognose abgegeben, dass IRL die stärkste Partei werden wird. Wie es aber so schön heisst, es kommt ganz anders als man denkt. Hier sind die endgültigen Ergebnisse:

Reformisten: 27,7%, 30 Sitze, -3

Zentristen: 24,8%, 27 Sitze, +1

Sozialdemokraten: 15,2%, 15 Sitze, -4

IRL: 13,7%, 14 Sitze, -9

Freie Partei Estlands: 8,7%, 8 Sitze, neu im Parlament

Konservative Partei Estlands: 8,1%, 7 Sitze, neu im Parlament

Man sieht also, dass IRL gewaltig verloren hat. Doch der rechte Flügel, der früher alleine durch IRL repräsentiert wurde hat gut gewonnen, anstatt 23 Sitze, haben die Rechten jetzt 29 Sitze. Schauen wir uns die Newcomer etwas genauer an:

Der Gründer der Freien Partei Estlands ist Andres Herkel, der IRL verlassen hat, um eine eigene konservative Partei zu gründen. Sonst gibt es zumindest unter den estnischen Mitgliedern kaum bekannte Persönlichkeiten. Die russischen Parteimitglieder sind dagegen der russisch-sprachigen Bevölkerung sehr wohl bekannt, es ist Evgeny Kristafovitch, Sergej Metlev und Eugen Zibulenko, das Trio Infernale. Kristafovitch und Metlev äußerten sich mehrfach, dass sie die russischen Schulen, deren Absolventen sie sind, am liebsten niederbrennen würden, Eugen Zibulenko träumt in seinem Privatblog, den er „Aufzeichnungen eines estnischen Bandera-Fans“ betitelt, dass Ukraine NATO Mitglied wird und die russisch-sprachige Bevölkerung als Erben der Okkupanten und fünfte Kolonne beschimpft.


Wahlvideo von Zibulenko

Die Konservative Partei Estlands ist ebenfalls eine Abspaltung der IRL, denen selbst die sehr konservative IRL nicht rechts genug war. Die Gründer der Partei sind russophoben Mart und Martin Helme. Die Jugendorganisation der Partei „Sinine Äratus“ - Das Blaue Erwachen, marschiert regelmäßig mit Fackeln am Tag der Unabhängigkeit durch Tallinn, was schon Efraim Zuroff vom Simon Wiesenthal Zentrum zum sorgenvollen Artikel in Jerusalem Post veranlasst hat.

Dass die Partei xenophob, homophob und europafeindlich ist, braucht eigentlich nicht extra betont zu werden.

Nun zum meinem Lieblingsthema E-Wahlen. 19,6% der Wähler haben ihre Stimme auf diesem Weg abgegeben. Dabei traten große Unterschiede zu den tatsächlichen Ergebnissen auf:

Reformisten: 37,5%

IRL: 17,2%

Sozialdemokraten: 16,9%

Freie Partei: 12,0%

Zentrumspartei: 7,7%

Konservative Partei Estlands: 6,9%

Wie erklärt man solche Unterschiede, die besonders gravierend bei der Zentrumspartei sind? Bisher wurde das damit erklärt, dass die Wähler der Zentrumspartei wenig internetaffin sind, weil sie älter sind. Doch dagegen sprechen Statistiken, die Altersverteilung bei den E-Wahlen zeigen:

Diese Grafik zeigt, dass mehr über 60-jährigen an E-Wahlen teilgenommen haben, als unter 24-jährigen.

Und spätestens bei dieser Grafik sollte man stutzig werden. 690 Esten, die über 90 Jahre alt sind, stimmten über Internet ab. Ich sage es mal so, meine Oma ist noch keine 90, sie hat in ihrem Leben noch kein Computer angefasst, geschweige denn im Internet gesurft. Mehr 85-89-jährigen haben ihre Stimme im Internet abgegeben, als unter 19-jährigen. Selbst wenn die absoluten Zahlen klein erscheinen, zählt in Estland jede Stimme, weniger als Tausend Stimmen reichen schon aus, um ins Parlament zu kommen, deswegen lohnt sich schon das Fälschen in kleinen Massstäben. Und das Argument, dass man seine Stimme nachverfolgen kann, gilt im Fall der 90-jährigen nicht, denn sie wissen höchstwahrscheinlich nicht mal, dass irgendjemand eine Stimme für sie abgegeben hat.

Eindeutigen Verlierer der Wahl sind die russisch-sprachigen Politiker. Zwar ist es noch nicht klar, wie das Parlament sich zusammensetzen wird, in Estland ist es populär bekannte Politiker kandidieren zu lassen, die eigentlich schon eine feste Position haben, wie EU-Abgeordneter oder Bürgermeister, und dann den Platz einem Nachzügler zu überlassen. Doch ausser zahlreichen russisch-sprachigen Kandidaten aus der Zentrum-Partei gibt es bei den Reformisten, Sozialdemokraten und IRL jeweils nur einen russisch-sprachigen Abgeordneten, bei den Neulingen wahrscheinlich gar keinen. Früher waren erheblich mehr Kandidaten bei den Reformisten und Sozialdemokraten russischen Ursprungs, aber das ist erstmal vorbei.

Vorbei ist es auch mit der Klarheit, wie die Koalition aussehen wird. Durch die neuen Parteien ist gewaltige Unruhe in die politische Landschaft reingekommen, die sehr schwierig aufzulösen sein durfte.

Reformisten und Sozialdemokraten können die Koalition alleine nicht fortsetzen. Die estnischen Sozialdemokraten sind zwar sehr rechts für eine Partei, die einen solchen Namen trägt, aber eine Koalition mit IRL oder anderen rechten Parteien ist zwar vorstellbar, wird aber sehr instabil.

Reformisten könnten versuchen eine Vierer-Koalition aus rechten Parteien zu zimmern. Doch in der letzten Regierungsperiode ging die Koalition mit IRL in Brüche, so dass es auch eine recht instabile Konstellation geben wird. Die Freie Partei ziert sich noch überhaupt zu einer Regierungspartei zu werden. Die Einbeziehung der Konservativen Partei könnte einen Aufschrei im Ausland auslösen.

Es gibt immer noch die Option der großen Koalition mit Reformisten und Zentristen, zumindest ist die Atmosphäre zwischen den Parteivorsitzenden Taavi Rõivas und Edgar Savisaar nicht so vergiftet, wie damals zwischen Andrus Ansip und Savisaar. Das Savisaar gerade mit schweren Lungenentzündung im Krankenhaus liegt, macht die Situation nicht einfacher. Es bleibt also alles offen und spannend.

Dienstag, Februar 24, 2015

Donnerstag, Januar 29, 2015

Dafür hat Estland Euro und die niedrigsten Staatsschulden

In relativen Armut lebten im Jahr 2013 22%, in absoluten Armut 8% der Bevölkerung Estlands. Dabei ist unter den Esten das Armutsrisiko geringer

Ein Artikel aus Postimees.

Staatliche Beihilfen und Renten halfen der Armutsfalle zu entkommen, denn ohne sie würden in relativen Armut 41% und in absoluten Armut 33% der Bevölkerung leben, berichtet der Statistikamt. Im Jahr 2013 unterschieden sich die Einkünfte zwischen den reichsten 20% und den ärmsten 20% um das 6,6-fache.

Die relative Armut ist besonders unter den Älteren verbreitet. Ca. 30% der Einwohner des Landes, die 65 und älter sind, leben in relativen Armut. Die absolute Armut ist vor allen bei den Kindern und Jugendlichen (0-24 Jahre) als auch bei den Einwohner im Vorruhestandsalter (50-64) sehr hoch, in diesen Gruppen war jeder zehnte in der Risikozone.

Der Bildungsstand zeigt hohen Einfluss auf das Risiko arm zu werden. Von den Leuten mit Grundschuld-bildung, war jeder dritte in der ärmsten Gruppe und nur jeder zwölfte in der reichsten. Gleichzeitig war jede dritte Person mit Hochschulbildung in den reichsten 20% vertreten. Deswegen ist bei ihnen die relative und absolute Armut (14,6% bzw. 4,1%) zweieinhalb Mal seltener als bei den Personen mit niedrigem Bildungsstand (33% bzw. 10,4%). Ein höherer Bildungslevel ist eine wichtige Voraussetzung, um der Armut zu entkommen.

Die Einkünfte von Esten waren höher, als bei Nichtesten und das Risiko in Armutsfalle zu fallen war bei ihnen auch geringer. Der Level der relativen Armut war bei den Esten im Jahr 2013 um 9% geringer als bei den Nichtesten und der Level der absoluten Armut um 4% niedriger. Von den Esten lebten in relativen Armut 19,5%, in absoluten 6,8%, bei den Nichtesten waren die Werte 28,6% bzw. 11%.

Im Jahr 2013 wurde als relative Armut als Netto-Einkünfte von weniger als 358 Euro definiert, die absolute Armut von weniger als 205 Euro.

Samstag, Januar 24, 2015

UNESCO Holocaust exhibition nixed following Latvian protests

An article from JTA

Latvian officials prevented the opening of an exhibition about the Holocaust that Russia wanted to host at a United Nations building.

The exposition, titled “Stolen childhood: Holocaust victims Seen by Child Inmates of Salaspils Nazi Concentration Camp,” was canceled following objections by Latvian officials to its scheduled opening on Sunday at the Paris seat of UNESCO, the United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, a UNESCO spokesman told JTA on Wednesday.

The exposition’s curator, historian Alexander Dioukov, told RIA Novosti that Latvia’s chief delegate to UNESCO, Sanita Pavluta-Deslandes, said the exposition risked damaging her country’s image during its presidency of the European Union, which the Baltic country assumed on Jan. 1 and will hold until July. 1. Dioukov, who heads the Historical Memory association, said the exposition was co-sponsored by the UNESCO missions of Russia and Belarus.

UNESCO policy gives member states veto powers over events organized by other member states, a UNESCO spokesman told JTA.

“It wasn’t UNESCO’s decision to cancel, it was simply protocol,” spokesman Roni Amelan said. “Latvia opposed an exhibition by the Russian Federation that included photos from a concentration camp in Latvia.” In an unsigned email to JTA, Latvia’s delegation to UNESCO said it offered to its Russian counterpart “to cooperate in order to organize in the future the event devoted to Holocaust remembrance, including by showing the film ‘The Controversial History’ about Latvia’s inhabitants, Holocaust survivors, Salaspils concentration camp survivors [and] Soviet deportation survivors.”

The email author did not answer JTA’s question as to why Latvia opposed the “Stolen childhood” exhibition. Speaking to the LETA news agency on Wednesday, Karlis Eihenbaums, a spokesman for the Latvian Foreign Ministry, confirmed Riga’s opposition to the exhibition, adding that Dioukov “expressed openly hostile and unfriendly statements about Latvia and its people.”

Long burdened by bitter memories of Russia’s occupation of Latvia and Latvian complicity in Nazi war crimes during World War II, the two countries have had a tense relationship. Latvian leaders often have accused Moscow of expansionism and equated Nazism to communism despite protests by the Simon Wiesenthal Center and other Jewish groups.

In turn, Moscow hit back at what it called government support for the popular glorification of Nazi Latvians, including some who murdered Jews.

Sonntag, Januar 18, 2015

Statistik über Flüchtlinge

Im letzten Jahr hat Estland 20 Ausländern Asyl gewährt, die Mehrheit von ihnen hat sudanesische Staatsbürgerschaft. Es wurden insgesamt 157 Anträge gestellt.

Estland hat 20 Anträgen stattgegeben, sieben aus Sudan, vier aus Syrien und vier aus Kosovo. Auch wurde den Anträgen von zwei Bürger aus Bangladesch, zwei Palästinenser und ein Russländer stattgegeben. Die meisten Anträge haben ukrainische Staatsbürger gestellt, von 58 Anträgen wurde keinem einzigen stattgegeben.

Im Jahr 2013 wurden sieben Anträge von 97 anerkannt.

Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden in Deutschland im Jahr 2014 173.072, also mehr als 1000 mal mehr Anträge gestellt. 40.563 Anträge wurden positiv bewertet, also hat Deutschland 2000 Mal mehr Flüchtlingen aufgenommen als Estland!

Die Stiftung Wissenschaft und Politik vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit hat einen Verteilungsschlüssel erarbeitet, wieviele Flüchtlinge ein Land aufnehmen kann, um eine faire Verteilung in Europa zu erreichen. Verglichen mit den realen Zahlen landet Estland auf dem letzten Platz (letzte Seite im verlinkten Dokument), während Schweden um 266% zu viele Flüchtlinge aufnimmt.

Dienstag, Januar 06, 2015

Das Spiel

Die estnische Firma Gamerton OÜ brachte zum Jahreswechsel ein Brettspiel auf den Markt, das für einiges Stirnrunzeln gesorgt hat. Der Name des Spiels ist „Seltsimees Puu Eestit vallutamas“, also „Der Genosse Puu besetzt Estland“, die Parallelen zu realexistierenden Personen sind unübersehbar. Das Szenario besteht darin, dass „der Genosse Puu“ ganz Estland besetzt hat, nur die Hauptstadt von Saaremaa Kuresaare ist noch in Hand des Spielers. Die Aufgabe ist nun, Estland die Freiheit wiederzubringen. Schauen wir uns das Spiel etwas genauer an:

Die Schachtel

Estland ist in Not! Durch schnelles Vordringen besetzte der mystische Genosse Puu ganz Estland. Der letzte freie Ort ist Kuresaare (Insel Saaremaa). Von hier fangen die Spieler an Estland zu befreien. (Die Autoren bitten darum, dass niemand auf sie beleidigt ist, denn alles ist ausgedacht, sie wollen niemanden beleidigen).

Die maximale Augenanzahl auf den Würfeln ist drei.

Links: Der Genosse Puu spaziert mit seinem neuen Liebchen. Puu behauptet Dir gegenüber, Liebe ist alles was man braucht, und ihr schliesst einen zeitlich befristeten Waffenstillstand

Rechts: Du gründest einen Verband der Fallschirmjäger. Beim ersten Absprung wird klar, dass die Energie-Drinks keine Flügel verleihen.

Links oben: Der Genosse Puu sprengt beide Gasleitungen an der Ostgrenze. Lettland setzt die Gaslieferungen nach Estland über Karksi fort.

Rechts oben: Der Genoss Puu schafft in Estland Steuern auf Alkohol ab. Anstatt zu kämpfen, laufen Soldaten auf beiden Seiten in die Läden

Links unten: Tallinn gründet eine Stadtarmee. Diese Armee begrenzt ihre Tätigkeit auf die Bewachung der städtischen Läden

Rechts unten: Eurovision. Du schliesst en Abkommen mit Puu, dass ihr euch gegenseitig 12 Punkte zuschustert

Links: Die Studenten der Tallinner Uni schicken Satelliten in den Orbit, jetzt hast Du ein Netz aus Aufklärungssatelliten

Rechts: Du bist nicht mehr in der 4G-Empfangszone. Jetzt kämpfen Deine Soldaten, anstatt in Facebook sich rumzutreiben

Links: Lettland schickt seine Panzer. Du setzt Dich in den einzigen Panzer und bewegst Dich vorwärts

Mitte: Die Fans von Genossen Puu feiern einen Fest neben dem Bronzenen Soldaten. Für Alkoholkonsum an einem öffentlichen Ort verteilt die Stadtpolizei Strafen und jagt sie auseinander

Rechts: Pussy Riot treten in der Tallinner Kirche auf. Der Genosse Puu und die Stadtpolizei müssen die Mädchen fangen

Links: Der Präsident macht ein Selfie in Twitter. Die Studenten der Columbia-Universität sehen, dass ihr ehemaliger Kommilitone in Gefahr ist und kommen zur Hilfe

Rechts: Tausende von finnischen Touristen können nicht aufs Schiff, um in die Heimat zurückzukehren. Nach ein Gins, gründen sie einen estnischen Verband und schliessen sich Dir an

Links: Der Genosse Puu sabotiert die beiden EstLink Kabel. Anstatt Krieg zu führen, musst Du Dich mit dem Energieverkäufer streiten

Links von der Mitte: Ein WM-Qualifikationsspiel Estland - England. Anstatt gegen den Genossen Puu, musst Du gegen die Engländer kämpfen

Rechts von der Mitte: Der Genosse Puu verdreifacht den Mindestlohn in Estland. Die Arbeitnehmer verstopfen den ganzen Sängerplatz

Rechts: Die Mitstreiter des Genossen Puu haben jahrelang grosse Grundstücke in Estland zusammengekauft. Rund um die wichtigen Verteidigungsanlagen befindet sich das Land im Eigentum des Gegners

Aus Schweden kommen Soldaten, die Regenbogenfahnen schwenken. Der Gegner nimmt sie nicht ernst und greift stärker an

Links: Der Genosse Puu greift Deine Stellungen aus der Luft um 4:20 nachmittags an. Die holländischen Piloten, die Estland verteidigen sollen, sind zu diesem Zeitpunkt schon high.

Mitte: Der Genosse Puu erklärt den Ländern Westeuropas ein Ultimatum, die Gaspreise verdoppeln sich und die Lieferungen werden eingestellt. Der Winter nähert sich, deswegen wird der Vorschlag angenommen und der Genosse Puu schwimmt im Geld

Rechts: In der Armee von Genosse Puu ist Urlaubszeit. Die Soldaten, die in den Urlaub gegangen sind, kommen her, um zu kämpfen

Links: Die NATO ist bereit ihre Seeflotte Dir zur Unterstützung zu schicken, deswegen fängt Genosse Puu an, in die Ostsee Minen zu legen. Der Genosse Puu schafft es Admiral Cowan (der estnische Flaggschiff) zu versenken und nimmt Dir die Möglichkeit gegen die Minen zu kämpfen

Mitte: In der Bucht von Pärnu wurde ein fremdes U-Boot bemerkt. Es stellte sich heraus, dass der Genosse Puu baden wollte

Rechts: Studien besagen, dass nur jeder 10. Amerikaner weiss, wo Estland sich befindet. Der Genosse Puu verspricht, dass es niemanden beunruhigen soll, denn bald wird niemand Estland auf der Karte finden.

Samstag, Dezember 20, 2014

Weihnachten 2014

Das Jahr ist schon wieder fast rum, es wird Zeit zurückzuschauen und nach vorne zu blicken.

Das ganze Jahr war eigentlich nur von einem Thema beherrscht: der Konflikt in der Ukraine. Es gab mehrere Stadien in diesem Konflikt, es war ein Prozess, bei dem verschiedene Seiten im Konflikt verschiedene Aktionen durchführten, die die öffentliche, als auch meine persönliche Meinung beeinflussten, so dass nach einem Jahr was ich sage und schreibe sich ganz anders liest, als im Dezember letzten Jahres. Schauen wir die einzelnen Stadien des Konflikts durch:

1. Maidan: Die Zivilgesellschaft der Ukraine versammelt sich am Maidan Platz in Kiev, um gegen gegen den Präsidenten Janukowitsch und für den Assozierungsvertrag mit der EU zu demonstrieren. Die Zivilgesellschaft ist per se unvorbereitet gegen die Polizeigewalt, allerdings mischen sich unter die Demonstranten gut vorbereitete Mitglieder des Rechten Sektors, die die Verteidigung des Maidan organisieren und sich politische Vorteile nach dem Sturz von Janukowitsch versprechen. Dadurch wird auch der Ton vorgegeben, der in der Menge vorherrscht. Der Gruß, der durch die Strassen schallt ist: „Слава Украине, героям слава!“, was man auch als „Heil der Ukraine, heil den Helden“ übersetzen kann, denn genau dieser Ruf wurde von der Ukrainischen Aufständischen Armee verwendet, die während des Zweiten Weltkriegs Verbrechen an Juden und Polen verübt hat und teilweise mit der Wehrmacht kollaborierte. Poster mit Stepan Banderas wurden angebracht und dadurch wurde klar, dass es zwei Lager in der Ukraine geben wird, Maidan und Antimaidan. Es gab überhaupt keine Gedanken, wie man die beiden Lager zu einem gemeinsamen Ziel führen kann. Das hat sich dann bitter gerächt.

2. 18. Februar: Ca. 60 Demonstranten sterben im Kugelhagel, wobei bis heute nicht klar ist, wer denn nun geschossen hat. Am naheliegensten waren es die Schergen von Janukowitsch, die den Blutbad angerichtet haben, allerdings gibt es auch Berichte über die Schiessereien aus dem Hotel „Ukraina“, das unter der Kontrolle der Demonstranten war, auch gab es auf der Seite der Polizei mind. 10 Tote. Bis heute wurden keine Schuldigen präsentiert. Wenn man sich die Videoaufnahmen von diesem Tag anschaut, die erste Frage, die ich mir gestellt habe: „Wohin geht ihr denn!!?“ Nur mit Holzschildern bewaffnet, gehen (nicht schleichen) die Demonstranten in den Kugelhagel, um einer nach dem anderen abgeknallt zu werden. Wozu? Hat jemand einen Befehl dazu gegeben? Unter den Demonstranten gab es genügend Leute mit Kriegserfahrung, die hinterher mit schlauer Miene die Art der Waffen aufgrund der Löcher in den Schildern beurteilt haben. Wo wart ihr denn vorher?

3. 21. Februar: Janukowitsch, der deutsche Aussenminister Steinmeier und ukrainische Opposition unterzeichnen ein Abkommen, um die Krise zu lösen. Das Abkommen ist das Papier nicht wert auf dem es unterzeichnet wurde, denn am nächsten Tag flüchtet Janukowitsch nach Russland. Es findet ein Regierungssturz statt. Das Parlament wird zwar nicht aufgelöst, aber derart von den Vertretern des Maidans unter Druck gesetzt (manchmal mit Gewalt gegen Abgeordnete), so dass das erste Gesetz, das verabschiedet wird, der russischen Sprache jeglichen Status als offizielle Sprache, aberkennt. Das war ein fataler Fehler mit grosser Signalwirkung. Ein anderer Fehler war die Auflösung der Berkut-Einheiten, die für die Polizeigewalt auf dem Maidan verantwortlich gemacht wurden. Viele der arbeitslosen Mitglieder der Berkut-Einheiten formten den Widerstand auf der Krim und im Süd-Osten der Ukraine.

4. Besetzung der Krim durch „höfliche Leute“: Über den Wert der Krim für Russland schrieb ich schon 2008. Auf der Krim ist die russische Schwarzmeerflotte stationiert und es bestand eine reale Gefahr, dass das neue ukrainische Parlament sämtliche Verträge mit Russland auflöst und möglichst schnell den Hafen für die Streitkräfte der NATO öffnet. Russland hat keine Alternative zum Sevastopol, deswegen mussten Schritte unternommen werden, um die Krim aus dem Einflussbereich der Ukraine herauszulösen. War das von langer Hand geplant? Wer weiss es schon, aber man muss anerkennen, dass die Operation die Ukrainer komplett überrascht hat und sie nichts entgegenzusetzen hatten.

5. 2. Mai - Massaker von Odessa: Es gibt sehr unterschiedliche Ansichten, was da genau passiert ist, aber Fakt bleibt bestehen, mehrere dutzend Menschen sind verbrannt, einige wurden angeblich bei der Flucht aus dem brennenden Gebäude erschossen. Dieser Tag und die Reaktionen darauf war die endgültige Spaltung der pro-Maidan und anti-Maidan Gruppen in der Ukraine, als auch im Ausland. Der Moralkompass wurde umgestellt, es gab kein „gut“ oder „böse“, es gab nur noch „die“ gegen „uns“.

6. Besetzung von Regierungsgebäuden in Donezk und Lugansk: Pavel Gubarjev und andere Aktivisten, mutmasslich unterstützt von russischen Spezialeinheiten besetzen Regierungsgebäude in Lugansk und Donezk. Es gibt kaum Widerstand von der offiziellen Macht, aber auch kaum Versuche mit den Aufständischen zu kommunizieren. Wegen des Symbols der Aufständischen, dem orange-schwarzem Georg-Band werden sie von Maidan-Aktivisten als Koloraden bezeichnet, also als Kartoffelkäfer, die vernichtet werden müssen. Es wird die anti-terroristische Operation ausgerufen, die mehr schlecht als recht durchgeführt wird. Gubarjev und andere Aktivisten werden verhaftet.

7. Igor Girkin (Kampfname Strelkov, also Schütze), ehemaliger Agent des FSB, Anhänger der Idee des Zarentums in Russland und einige seiner Anhänger besetzten die Stadt Slavjansk in der Donezkaja Oblast. Woher er und seine Männer Geld und Waffen haben, ist unklar, mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er vom russischen Oligarchen Konstantin Malofeev gesponsert. In wieweit offizielles Russland in diese Pläne eingeweiht ist und Strelkov unterstützt, ist bis heute nicht klar. Nach der Wahl des ukrainischen Präsidenten, aktiviert der neue Präsident Poroschenko die ATO. Strelkov wird gezwungen Slavjansk zu verlassen und kommt mit seinen Leuten nach Donezk, um die Verteidigung der Stadt zu organisieren.

8. Abschuss des MH17: Eine Menge der Versionen und Legenden ranken sich um den Abschuss des malaysischen Boeings. Am meisten Versionen gibt es auf der russischen Seite, es wird mit Fakebildern gearbeitet, die bis in die staatlichen Fernsehkanäle schaffen, als nach kürzester Zeit klar ist, dass es Fakes sind, werden die Verantwortlichen nicht entlassen. Russland drängt auf der Aufklärung, obwohl es allgemein bekannt ist, dass solche Untersuchungen Jahre dauern (siehe Lokerbie-Anschlag, wo es drei Jahre gedauert hat, bis Anklage erhoben wurde. Und damals war es bedeutend einfacher Spuren zu sichern.) Natürlich sollte man die Untersuchung der offiziellen Kommission abwarten, aber bis dahin erscheint mir die Untersuchung der Seite www.bellingcat.com noch am glaubwürdigsten, wenn auch der Motiv des Abschusses nicht klar ist.

9. 18. August: Trotz des katastrophalen Zustands der ukrainischen Armee, ist der Zustand der Aufständischen noch katastrophaler und ihre Lage rund um Donezk und Lugansk wird immer verzweifelter. Es ist ein offenes Geheimnis, dass russische Freiwillige die Grenze überquert haben und sich den Aufständischen angeschlossen haben. Sie werden als „Urlauber“ bezeichnet, also als professionelle Soldaten, die von ihren Einheiten Urlaub genommen haben und ohne Sold für die Idee des unabhängigen oder an Russland angeschlossenen Süd-Ostens Ukraine kämpfen. Doch ab dem 18. August ändert sich die Situation an der Front. Mehrere ukrainische Einheiten werden eingekesselt, die Aufständischen verfügen auf einmal über Raketenwerfersysteme Grad und andere schwere Technik, mit der sie schwere Verluste den ukrainischen Streitkräften und Freiwilligenverbänden zufügen. Ende August bewegt sich eine Panzerkolonne Richtung Mariupol, wenn diese Stadt fällt, dann ist der Weg nach Süden offen. Poroschenko trifft sich in Minsk mit Unterhändlern der Aufständischen und es wird ein brüchiger Waffenstillstand vereinbart. Was ist am 18. August geschehen? Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat Russland reguläre Truppen eingesetzt, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Von Russland wird der Einsatz strikt bestritten.

10. Herbst: Der Westen führt wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland ein, Russland verbietet den Einfuhr von Lebensmitteln aus dem Westen. Bis heute sind laut OSZE mind. 4700 Leute bei dem Konflikt ums Leben gekommen, es gibt hundert tausende von Flüchtlingen, die Infrastruktur von Donezk und Lugansk sind zerstört. Bei der Parlamentswahl in der Ukraine gewinnen rechts-liberale Kräfte und bilden eine stabile Mehrheit. Allerdings ist Ukraine fast pleite und muss sehr schmerzhafte wirtschaftliche Reformen durchführen.

Wie man sieht, haben zu unterschiedlichen Zeitpunkten verschiedene Seiten Fehler begangen und mussten dafür zahlen. Die Maidan-Revolutionäre haben in ihrem Führungsanspruch die Opposition im Süd-Osten des Landes und der Krim unterschätzt. Russlands Anspruch auf die Krim wurde verdrängt. Als Ergebnis fiel Krim an Russland und viele Einwohner Süd-Ostens griffen zu den Waffen. Als die ATO beschlossen wurde, wurde der Zeitpunkt versäumt, den Konflikt mit friedlichen Mitteln zu regeln, auch wurde wieder Russland unterschätzt (trotz Beratern wie der Ex-Präsident Georgiens Saakaschwilli, der es eigentlich besser wissen müsste). Als Ergebnis haben wir tausende Tote, hundert tausende Flüchtlinge und zerstörte Infrastruktur, die Ukraine kaum wiederherstellen kann. Russlands Fehler bestehen in Werfen von Nebelkerzen bei der Untersuchung von MH17 Absturz, was die Glaubwürdigkeit Russlands immer weiter untergräbt und im Einsatz von Soldaten (ob regulär oder „Urlauber“ lassen wir offen) im Konflikt. Genau diese Politik des Nichtzugebens und Verleugnens macht den Westen äußerst nervös und rechtfertigt eine Verschiebung der NATO-Kräfte nach Osten. Auf das was Russland als „hybrider Krieg“ bezeichnet, muss die NATO eine adäquate Antwort finden und genau das passiert gerade. Hier hat Russland im Bestreben seine Grenzen abzusichern, genau das Gegenteil bewirkt und die Eskalationsspirale erst richtig losgetreten. Die Unfähigkeit den Fehler zuzugeben und dafür den politischen Preis (wie immer er auszusehen mag) zu zahlen, führt zu weiterer Verschärfung der Sanktionen.

Wie wird sich der Konflikt weiterentwickeln? Die Forderungen des Westens hören sich plakativ und auf den ersten Blick gut an, sind aber momentan unerfüllbar. Ukraine ist kompromisslos, also werden die Forderungen der Aufständischen, wie besonderer Status der russischen Sprache oder weitreichende Autonomie von Donezk und Lugansk unerfüllt bleiben. Russland scheint auch nicht genau zu wissen, was es mit diesen zerstörten Provinzen soll. Es wird angemahnt, dass die Ukraine ganz bleiben soll (Krim wird dabei ausgelassen), aber wie das konkret gehen soll, die Antwort bleibt auch Russland schuldig. Was die Krim angeht, selbst wenn Russland die Halbinsel räumen soll, so geht es auch nur über mehrere Jahre, die Flotte muss irgendwohin umgezogen werden, denn jetzt will Ukraine definitiv keine russischen Stützpunkte dort haben. Ausserdem wird die Mehrheit der Einwohner was dagegen haben, denn im Vergleich zu dem Leben in der Ukraine unter der Fuchtel des IWF, mit Anhebung des Rentenalters um 10 Jahre und anderen Überraschungen, ist das Leben auf der russischen Krim zwar kein Zuckerschlecken, aber immer noch besser. Es gibt also keine Garantie, dass bei der Rückgabe Krims zu Ukraine, dort nicht erst richtig ein Bürgerkrieg mit tausenden von Toten ausbrechen wird.

Das offene Geheimnis ist, dass die vom Westen verhängten Sanktionen nur mittelbar was mit der Ukraine zu tun haben. Das Ziel ist es Putins Regime zu destabilisieren und entweder eine Revolution von unten oder von oben anzuzetteln. Das Vorbild ist offenbar Südafrika, wo die Sanktionen freie Wahlen und das Ende des Apartheids herbeigeführt haben. Natürlich ist recht viel Risiko im Spiel, denn niemand weiss, wie Putins Nachfolger aussehen mag, aber trotz allem ist Putin als Gesprächspartner für den Westen verbrannt. Putins größter Fehler war es, 2012 wieder anzutreten, ohne zu merken, dass seine Zeit vorbei war. Er gehört noch zu der alten Riege der Regierenden wie George Bush, Gerhard Schröder, Silvio Berlusconi, Nicolas Sarkozy, doch in die Welt von Angela Merkel, Francois Hollande, Barak Obama passt er nicht mehr rein. Wird Putin das merken und zurück oder zumindest in Hintergrund treten? Ich wage da keine Voraussage.

Der ukrainische Konflikt wird uns also auch im Jahr 2015 beschäftigen. Ganz in seinem Schatten werden die Parlamentswahlen in Estland im März stattfinden. Sehr interessant wird das Abschneiden der IRL-Partei sein. Denn sie haben mehrere russisch-sprachige Journalisten als Kandidaten für Parlament in ihre Reihen aufgenommen, mit dem Ziel die konservative Teile der russisch-sprachigen Bevölkerung für sich zu gewinnen. Das Kalkül geht folgendermassen: im Hintergrund des Streites um die Gleichstellung der eingetragenen Gemeinschaften (also auch homosexuellen Gemeinschaften) und der Ehe, sollen die als konservativ bekannte Persönlichkeiten IRL als Partei vorstellen, die von Anfang an für die Familienwerte gekämpft hat (was auch stimmt, dass muss man IRL lassen). Gleichzeitig ist IRL als zutiefst russophob bekannt, also stellt sich für den konservativen russisch-sprachigen Wähler die Frage, vor was habe ich mehr Angst, vor Russophoben oder vor Schwulen?

Ein anderer Punkt ist sicherlich die Flüchtlingsproblematik. Estland versucht den Flüchtlingszustrom auf ein Minimum zu begrenzen, es wurde kein einziger ukrainischer Flüchtling aufgenommen, doch denke ich, dass die EU früher oder später hier tätig werden wird, denn z.B. im Vergleich zum dichtbesiedeltem Malta hat das leere Estland 2013 27 Mal weniger Flüchtlinge aufgenommen! Dabei vergessen die Esten wieviele von ihnen seinerzeit flüchten mussten, unter anderem auch die Eltern des estnischen Präsidenten und sie wurden dabei von anderen Ländern aufgenommen.

In diesem Sinne wünsche ich allen meinen Lesern Frohe Weihnachten und einen guten, friedlichen neuen Jahr 2015!

Montag, Dezember 15, 2014

Giulietto Chiesa in Estland verhaftet

Giulietto Chiesa ist eine Galionsfigur der Linken in Europa. Er ist italienischer Journalist, Autor mehrerer Bücher über neuere Geschichte, war Abgeordneter des Europaparlaments. Er wurde nach Estland von dem Club Impressum eingeladen. Er konnte problemlos einreisen, ein Interview einem Fernsehsender geben, doch kurz vor seinem Auftritt vor 280 Zuhörern wurde er von der estnischen Polizei in seinem Hotel festgesetzt, seine Frau informierte die Presse, dass er innerhalb von 48 Stunden Estland verlassen muss.

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass den Gästen des Clubs Impressum die Einreise nach Estland verweigert wird. Jüngstes Beispiel ist der russische Professor Valery Tischkov, der vom estnischen Kollegen Professor an der Uni in Tartu Urmas Sutrop als „Rindvieh“ beschimpft wurde, nicht weil er seine Arbeiten schlecht fand (die hat er laut eigenem Geständnis gar nicht gelesen), sondern weil er die Einladung des Clubs Impressum angenommen hat.

Doch bisher waren hauptsächlich Gäste aus Russland betroffen, denen man die Einreise recht einfach verweigern konnte. Mit Giulietto Chiesa, der ein EU-Bürger ist und visumfrei in Europa reisen darf, ist es schon viel skandalöser. Zwar wurde in der Vergangenheit auch mehreren Antifa-Aktivisten aus Lettland und Johan Bäckman aus Finnland die Einreise verweigert, doch Giulietto Chiesa ist mit Abstand der bekannteste Aktivist, der aus Estland ausgewiesen wird. Ob es ein Racheakt seitens KAPO für den gestrigen Film ist, kann ich nicht sagen, aber ich denke das wird Nachspiel haben.

Update: Inzwischen ist Chiesa nach 6-stündigen Aufenthalt bei der estnischen Polizei, drei davon in einer Gefängniszelle wieder auf freiem Fuß, muss allerdings Estland in nächsten 13 Stunden verlassen. Gründe für diese Entscheidung wurden keine angegeben. Interveniert haben sowohl der italienischer Botschafter in Estland, als auch das italienische Aussenministerium. Die Behauptung der estnischen Polizei, dass Chiesa schon letzte Woche zur unerwünschten Person in Estland erklärt wurde, stimmen nicht, denn eine Datenbankabfrage zeigt, dass Chiesa nicht in der Liste der unerwünschten Personen auftaucht. Chiesa kommentiert seine Verhaftung und Abschiebung folgendermassen: "Estland befindet sich ausserhalb europäischer Gesetzgebung. Estland hat heute Europa verlassen".