Original des Berichts ist hier
Die im April vom Bildungsministerium zusammengestellte Arbeitsgruppe zur Analyse der Situation beim Übergang der russischen Schulen zur estnischen Unterrichtssprache stellte heute ihren Bericht vor, in dem geschrieben steht, dass die Ergebnisse des Übergangs häufig von den Schulen stark beschönigt wurden. Unter anderem wurde angemerkt, dass die Schüler selbst ihre Erfolge im Estnischen nicht mit dem Bemühungen in der Schule verbinden, sondern eher mit den ausserschulischen Begegnungen mit den Muttersprachlern.
Im Abschluss der Arbeit der Experten wurde offiziell eine Menge Unzulänglichkeiten beim Übergang auf die estnische Unterrichtssprache erläutert, was schon früher häufig und ergebnislos von Lehrern selbst, den Schülern und den Eltern angemerkt wurde.
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe betonten, dass auch wenn nach formalen Merkmalen das Ziel des Übergangs man als erreicht betrachten kann, doch tatsächlich wird in den Schulen nur das Auswendiglernen von Fachwörtern und typischen Antworten für die Prüfungen geübt, anstatt dass man die estnische Sprache für Gespräche und Kommunikation benutzt.
„Die Schüler lernen während des Unterrichts die passive Sprache - sagen „Ja“, „Nein“, geben Standardantworten, doch hauptsächlich hören sie zu“ - sagte einer der Mitglieder der Arbeitsgruppe Einar Värä von SA Innove.
Laut der Aussage des Bildungsministers Evgenij Ossinovski, sollte die formelle Erfüllung des Gesetzes nicht in Vordergrund stehen - das Ministerium interessiert sich, dass die Schüler qualitativ gute Bildung bekommen und die estnische Sprache auf sehr gutem Niveau beherrschen.
„Das Ministerium betrachtet sehr ernsthaft die Aussagen und Vorschläge der Arbeitsgruppe, man muss eine sorgfältige Analyse und eine öffentliche Diskussion führen“, unterstrich Ossinovski.
Einen Durchbruch bei Estnisch-Kenntnissen gab es nicht
Laut der Bewertung der Experten hat die Behauptung, dass ein teilweiser Übergang auf die estnische Unterrichtssprache, die Beherrschung der Staatssprache verbessert, keiner Überprüfung standgehalten, es hängt von dem grundsätzlichen Progress an den Schulen ab.
„Einen besonderen Durchbruch in Beherrschung der estnischen Sprache wurde nicht festgestellt. Die Schüler selbst verbinden ihre Erfolge bei der estnischen Sprache kaum mit der Schule, hier spielt die ausserschulische Kommunikation mit den estnischen Muttersprachlern die entscheidende Rolle“, bemerkt der Direktor des russischen Gymnasiums in Kiviõli Arne Piirimägi.
Die Arbeitsgruppe merkt an, dass es notwendig ist, ausserschulische Kommunikation mit den Trägern der estnischen Sprache zu entwickeln, denn das ist ein Faktor, der das Erlernen der Sprache begünstigt.
Die Schulen sollen für die Ergebnisse der Ausbildung verantwortlich sein
Häufig erfüllen die Schulen zu pflichtbewusst den Übergang auf die estnische Unterrichtssprache in dem Verhältnis 60:40, ohne genügend Ressourcen dafür zu haben. Das zeigt sich während des Unterrichts: vor der Schulklasse steht ein hilfloser Lehrer, der Stoff wird unqualifiziert beigebracht, sagen die Experten. Ihrer Meinung nach nutzt es niemandem, wenn das Fach in einem gebrochenem Estnisch unterrichtet wird. Die Schulen müssen für die Ergebnisse der Ausbildung verantwortlich sein, unabhängig von der Unterrichtssprache.
Laut der Meinung des stellvertretenden Direktors für Lehr- und Erziehungsarbeit des russischen Gymnasiums in Kohtla-Järve Ulvi Vilumets, sollte man den Schulen freie Hand geben und sie selbst auswählen lassen, welche Fächer sie auf Russisch und welche auf Estnisch unterrichten wollen, in Abhängigkeit von dem Sprachniveau der Lehrer und dem Vorhandensein von Lehrbüchern.
Ausserdem unterstrich Vilumets das Problem der niedrigen Anzahl der Lehrer, an den russischen Schulen, die estnische Muttersprachler sind, und die Notwendigkeit die estnische Lehrkräfte zusätzlich zu motivieren mit den russischen Kindern zu arbeiten.
Experten meinen, dass die Situation mit den schwachen Kenntnissen der estnischen Sprache zweisprachige Gymnasien und kurzfristige Programme zum Schüler- und Lehrertausch zwischen den russischen und estnischen Schulen lösen können.
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Bekannter estnisch-russischer Publizist Rodion Denissov kommentierte diesen Artikel.
Der Blitz schlug aus dem heiteren Himmel ein. Das Bildungsministerium hat teilweise anerkannt, dass der Übergang der russischen Schulen auf estnische Unterrichtssprache um jeden Preis, keinen Nutzen für die russisch-sprachigen Schüler hat. Werden aus dieser „Jahrhundertentdeckung“ die richtigen Schlüsse für die russischen Schulen gezogen?
Wahrscheinlich war die Situation mit der Ausbildung der russischen Schüler in Fächern in gebrochenen estnischen Sprache für niemanden ein Geheimnis, doch bis jetzt gehörte es sich nicht, darüber öffentlich zu sprechen. Ausserdem musste man die Politik „Der Partei und der Regierung“ erfüllen. Und das tat man auch, ausgehend aus der persönlichen Verdorbenheit bestimmter Beamten und Schuldirektoren. Die Kinder beherrschten nicht die Grundfächer auf dem erforderlichen Level, der Fluchtgeschwindigkeit der Lehrkräfte wuchs, doch die Schulen berichteten über die Einführung von immer neuen Fächern auf Estnisch. Doch, trotz allen Bemühungen erhöhte sich der reale Wissensstand der estnischen Sprache bei den russischen Schülern nicht? Was es der Mühe wert?
Auf eigener Haut
Als ein Elternteil von meinem Sohn, der Schüler ist, bekam ich sämtliche Freuden des Experimentierens mit der Unterrichtssprache hautnah mit.
Zuerst hat man den Schülern der Grundschule vorgeschlagen die Regeln der technischen Arbeitssicherheit im Werkunterricht auf Estnisch zu lernen. In der nächsten Klasse mussten sie das unsterbliche Werk der modernen estnischen Klassik „Kaka ja Kevad“ („Frühling und Scheißhaufen“) detailliert wiedergeben.
Schon in der Grundschule hat man den Schülern im Fach „Menschenkunde“ ein Lehrbuch und ein Arbeitsheft komplett in Estnisch gegeben und sagte: „Kommt damit zurecht, wie ihr wollt! Alle Beschwerden - direkt ins Ministerium!“ Dazu noch ein Arbeitsheft für Erdkunde, auch komplett in Estnisch. Dazu alle Erläuterungen und das Wörterbuch im Lehrbuch für Englisch, wieder in der Staatssprache.
Im Ergebnis haben die Eltern (diejenigen, die wenigsten etwas Estnisch beherrschen) abends eine nützliche Beschäftigung, sie übersetzen nach ihren Möglichkeiten für ihre Kinder die Texte aus den Lehrbüchern und die Aufgaben aus den Arbeitsheften. Die Kinder und die Heranwachsenden sind nicht in der Lage komplizierte Texte in fremden Sprache zu lesen. Man hat das Gefühl, dass das Ministerium auf diese Weise ausser dem eigentlichen politischen Problem, noch gleichzeitig einige andere lösen möchte, endlich die russisch-sprachigen Erwachsenen mit den Schülern zwingen abends die Staatssprache zu lernen, als auch die Ausgaben für die Übersetzung der Schulbüchern ins Russisch zu sparen.
Im Prinzip habe ich nichts gegen das Lernen von Fachwörtern in Estnisch. Davon dass der Schüler wissen wird, dass ein Hammer haamer, der Regenbogen vikerkaar und das Herz süda heisst, gibt es nur Nutzen. Doch muss jede bilinguale Ausbildung einer ausgearbeiteten Methodik folgen, die es an den Schulen nicht gibt. Genauer gesagt es gibt welche, doch entweder nicht ausgearbeitet oder zusammengesetzt aus persönlichen Vorstellungen von konkreten Lehrkräften.
Die Freizeit der Eltern ist ausgefüllt
So kommt es dann, dass der russisch-sprachiger Lehrer während des Unterrichts vor russischen Schülern sich in der estnischen Sprache eins abbricht, oder der estnische Lehrer „in die Leere“ spricht, während die nichtsverstehenden Schüler ihren persönlichen Beschäftigungen nachgehen. Abends bringen die Eltern (diejenigen, die wirklich ihren Kindern gute Ausbildung geben wollen) die fehlenden Kenntnisse aus der Schule bei, dabei mit Wörterbüchern und Nachschlagewerken bewaffnet. Mein Sohn hatte Glück, ich spreche frei Estnisch und habe sogar einen pädagogischen Diplom, doch was sollen die Kinder von Verkäufern, Schweissern und Schustern machen? Ja und warum müssen die Eltern sich mit dem beschäftigen, was die Schule nicht in der Lage zu geben ist? Letztendlich macht für uns niemand die Arbeit, die wir an unserem Arbeitsplatz erledigen sollen.
In der vorhandenen Situation gibt es noch ein nicht unwichtiger Aspekt, über den nicht alle bescheid wissen: wenn im Gymnasium die Proporz des Unterrichts in estnischen und russischen Sprachen vom Gesetz her streng vorgegeben sind, in der Grundschulen gibt es diese Regelung nicht. So sind alle Experimente mit dem Übergang der Fächer auf Estnisch für die Schüler der 1-9 Klassen, eine private Initiative der Schulen, die vom Ministerium zusätzliche Finanzierung bekommen wollen.
Ich bitte mich richtig zu verstehen. Ich trete nicht gegen das Erlernen der estnischen Sprache auf. Das wird kein normerdenkender Mensch in Estland tun. Man muss Estnisch können und man muss es gut können. Doch die Sprache wird nicht verständlicher, wenn man gedankenlos die Regeln des Feuerschutzes oder Benutzeranleitung für Staubsauger auswendig lernt. Für das Erlernen der Sprache braucht man bewährte Lehrmethoden plus gut motivierte Lehrer der estnischen Sprache. Ich würde mir sehr wünschen, wenn man es auch auf dem höchsten Staatslevel verstehen würde.
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