Sonntag, September 28, 2014

Die Sklaverei des XXI Jahrhunderts

Das ist eine Übersetzung eines Kapitels des Buches von Vladimir Buzaev „Правовое положение русскоговорящего меньшинства в Латвии“ „Die rechtliche Lage der russisch-sprachigen Minderheit in Lettland“. Vladimir Buzaev ist der Leiter des Zentrums für Menschenrechte in Lettland und setzt sich besonders für die Belange der russisch-sprachigen Bevölkerung Lettlands ein.

Zum Anfang des Jahres waren unter den lettischen Staatenlosen die Letten zu 0,3% vertreten, die Vertreter der drei brüderlichen slawischen Völker waren mit 89% vertreten. Der Fakt, dass den Status „Staatenloser Lettlands“ zum Beispiel acht Araber und drei Assyrer, als auch 1304 Tataren (einer von ihnen ein Krimtatare) innehaben, macht nicht viel aus.

Im Jahr 2012 waren 40% von den Staatenlosen diejenigen, die in Lettland, nicht selten in der dritten oder vierten Generation geboren wurden.

  Der Älteste unter ihnen, der nicht den hohen Rang eines Bürgers würdig ist, kam 1892 auf die Welt, als es Lettland noch gar nicht gegeben hat!

Die Durchschnittsdauer des Aufenthaltes in Lettland für Staatenlose, die ausserhalb Lettlands geboren wurden, beträgt 47 Jahre. Das ist mehr als zweimal so lange, wie die Zweite Lettische Republik existiert, die mit Sturheit versucht, sie für Immigranten zu halten.

  Im Jahr 1942 kamen nach Lettland 1003, im Jahr 1943 1576 Personen, die im Jahr 1993 als künftige Staatenlose registriert wurden. Das war die Periode des Vernichtungsfeldzuges auf dem Gebiet der benachbarten Republiken (hauptsächlich Weißrussland), mit zwangsweiser Umsiedelung aufs Territorium Lettlands. Lettland hat ihnen politische Rechte entzogen und zeigte sich damit solidarisch mit den Nazis.

  Staatenlose und die EU

In der Presse und sogar in der Statistik des Eurostates werden ganz unerwartete Daten über die Anzahl der Staatenlosen in der EU verbreitet. Lettland kommt zum Beispiel was den Anteil der Staatenlosen angeht erst auf den dritten Platz nach Luxemburg und Zypern.

Das geschieht deswegen weil man zu den Staatenlosen, die keine Staatsangehörigkeit von IRGENDEINEM Land haben, auch Bürger von Ländern ausserhalb der EU dazugezählt werden. Wenn man das korrigiert, dann stellt es sich heraus, dass die Staatenlose Lettlands 70% aller Staatenlosen im 500 Mio. Einwohner zählendem EU stellen, zusammen mit den Staatenlosen Estlands sind es 92%!

In seiner Publikation für das Jahr 2013, hat sich der Eurostat „korrigiert“ und hat keine Angst den Tatsachen ins Auge zu sehen. Die Eurobeamten haben nicht nur verstanden, wer diese „non-citizens“ jetzt sind, sie haben sogar erklärt, dass in Lettland und in Estlands sie 96% bzw. 88% von denjenigen Personen sind, die die Staatsbürgerschaft im Jahr 2011 angenommen haben. Schon 20 Jahre lang gibt man ihnen auf individueller Basis und gegen Bezahlung diejenigen Rechte zurück, die ihnen auf kollektiven Basis und ohne Kompensation weggenommen wurden.

Lettland und Estland vergaben im Jahr 2011 Staatsbürgerschaft an 12 Personen auf 10 000 Einwohner, bei einem mittleren Niveau in EU von 16. Wenn man die Anzahl der Einwohner nimmt, die nicht die Staatsbürgerschaft des Landes haben in dem sie wohnen, dann waren es in Lettland 6 von 1000, die eingebürgert wurden, das ist der drittletzte Platz nach Tschechien und Slowakien, und viermal weniger als im EU-Mittel. In Schweden ist dieser Wert der Einbürgerung, den man nicht an die im Land geborenen, sondern an die richtigen Ausländer anwendet, 10 Mal so hoch wie in Lettland.

  Die internationale Institutionen geben selbstverständlich Lettland Empfehlungen, wie die Staatenlosigkeit verringert werden kann. In der Sammlung von Aleksander Kuzmin gibt es schon 37. Doch trotz aller Aufrufe die Rechte von Bürgern und Staatenlosen nur bei den Wahlen ins Parlament zu unterscheiden, zählen wir 80 solcher Unterscheidungen in allen Lebensbereichen auf. Zum Beispiel gibt es einen Unterschied bei der Höhe der Rente, der Prozess wurde beim Europäischen Gericht für Menschenrechte vom Autor des Buches gewonnen, das Urteil wird schon seit fünf Jahren nicht umgesetzt.

  Unter den 80 Einschränkungen gibt es 17, die nicht für die EU-Bürger gelten, die zeitweise in Lettland leben. Zum Beispiel das Recht in kommunale Verwaltungen gewählt zu werden. Und das ist ein direkter Merkmal von europäischen Rassismus.

  Die Kinder der Staatenlosen 

Das gebildete Europa schluckte schweigsam die Problematik der Massenstaatenlosigkeit und schlug verschämt vor, das Problem innerhalb einer Generation zu lösen und die Staatsbürgerschaft denjenigen zu geben, die nach der Unabhängigkeit Lettlands geboren wurden.

  Solche Empfehlungen wurden dem Sejm letztes Jahr vorgestellt, als das Parlament nach 15-jährigen Pause sich endlich entschloss Änderungen in das Gesetz „Über die Staatsbürgerschaft“ reinzubringen. Mit Unzufriedenheit stelle ich fest, dass unter den Hundert Abgeordneten des Sejms, es nicht einen einzigen gegeben hat, der wenigstens einen Vorschlag initiiert hätte, der eine radikale Änderung der Situation mit der Staatenlosigkeit bewirkt hätte. Gerechtigkeitshalber muss ich anmerken, dass die Harmoniepartei den Vorschlag, der den internationalen Empfehlungen über die Anerkennung der Staatsbürgerschaft für die in Lettland geborenen Kinder der Staatenlosen folgt, einbrachte, doch bekam er nicht die Unterstützung der Mehrheit.

Die Situation mit den Kindern von Staatenlosen ist in der nachfolgenden Tabelle, die auf den Daten des ZSB und dem Einwohnermeldeamt basiert, dargestellt.


Kinder der Staatenlosen im XXI Jahrhundert 

Die zweite und dritte Kolumnen der Tabelle zeigen die minimal und die die maximale Anzahl der Kinder, die den Status des Staatenlosen zum Zeitpunkt der Geburt bekommen. Mit der Zeit stirbt ein Teil der Kinder, emigriert mit ihren Eltern oder werden lettische Staatsbürger. Diese Veränderungen zeigen sich in den nachfolgenden Kolumnen der Tabelle.

Die Anzahl der Staatenlosen, die im XXI Jahrhundert geboren wurden und die weiterhin staatenlos geblieben sind, hat sich in den vergangenen sechs Jahren nur um 191 Personen, oder um 3% verringert. Dieser Fakt zeigt alle „Bemühungen“ Lettlands die Massenstaatenlosigkeit zu verringern.

  Zum ersten Juli 2013 gab es im Einwohnerverzeichnis 112 Staatenlose, die im Jahr 2013 geboren wurden und 12610 Staatenlose, die nach dem ersten Januar 1992 geboren wurden.

  Und wie ist es in Estland?

  In den letzten vier Jahren war unter den Staatenlosen die Annahme einer fremden Staatsbürgerschaft (vor allem der russländischen) populärer, als die Prüfungen zur Annahme der lettischen Staatsbürgerschaft. Zumeist hat es wohl was mit dem Unterschied im Renteneintrittsalter zwischen Russland und Lettland zu tun.

Viel weiter auf diesem Weg ist die russisch-sprachige Gemeinde in Estland. Insgesamt bekamen in den Jahren 1992-2008 149.351 Personen die estnische Staatsbürgerschaft, die Gesamtanzahl der Leute, die die russländische Staatsbürgerschaft in Jahren 1992 bis zum Ende 2007 angenommen haben, beträgt 147.659 Personen. Zum Anfang des Jahres 2009 lebten in Estland 110.284 Personen mit „unbestimmter Staatsangehörigkeit“ und 96.616 der russländischen Staatsbürger mit gültiger Aufenthaltserlaubnis.

  Das Verhältnis der verschiedenen Kategorien der „nicht-nativen“ Bevölkerung in Lettland und Estland in den Jahren 2011-2012 ist in der folgenden Tabelle angeben

 
Vergleichsdaten über den Status der Bevölkerungsgruppen in Estland und Lettland (2011-2012)

Es ist offensichtlich, dass unsere Freunde im Unglück aus Estland sich viel energischer ihr Rechtsstatus (Entscheidung zwischen der Staatsbürgerschaft Estlands oder Russlands) bestimmt haben als wir. Besonders gut sieht man das am Diagramm, dass die Anzahl der Personen zeigt, die jedes Jahr die estnische bzw. lettische Staatsbürgerschaft bekommen haben.

 

In Estland wurde schon alles in der ersten Hälfte der 90er Jahre beschlossen, als man „die unentschlossenen“ Personen, im Gegensatz zu den staatenlos gewordenen Letten, zur Aufenthaltsgenehmigung gezwungen hat.

In Lettland gab es zwei Peaks der Annahme der Staatsbürgerschaft. Der erste hat mit der Abschaffung der Rahmenbedingungen zu tun, die es den Personen älteren Alters, die nicht in Lettland geboren wurden, nicht erlaubten, die Staatsbürgerschaft anzunehmen. Den zweiten erklärt man gewöhnlich mit dem Beitritt Lettlands in die EU.  

Der Autor ist wohl der einzige, der die erhöhte Interesse zur Annahme der Staatsbürgerschaft nicht mit der tiefen Verehrung der EU erklärt, sondern mit dem wachsenden Selbstbewusstsein der russischen Letten, das mit dem Kampf um den Erhalt der russischen Schulen einhergeht. Zumindest sieht man in Estland, das gleichzeitig mit uns in die EU eingetreten ist, keinen entsprechenden Anstieg der Staatsbürgerschaften. Und das folgende Nachlassen des Interesses zur Annahme der Staatsbürgerschaft fällt recht genau in die Zeit mit dem Nachlassen der Proteste zusammen. Zumindest sind wir 2007 ganz sicher nicht aus der EU ausgetreten.

  Nach 2008 wirkt sich der Prozess der Annahme der Staatsbürgerschaft kaum auf die Verminderung der Massenstaatenlosigkeit aus. Doch wir müssen anmerken, dass bei fast der gleichen Anzahl der neuen Staatsbürger in dieser Periode, das potentielle Kontingent der zur Annahme berechtigten ist in Estland dreimal so klein wie in Lettland.

  Die Null-Variante

  Die Fraktion PCTVL (Für Menschenrechte im vereinten Lettland), als sie noch in Sejm war, hat mehrmals Anträge zur Gesetzgebung über die Null-Variante der Staatsbürgerschaft, d.h. zur automatischen Anerkennung (mit Antrag oder ohne) als Staatsbürger für alle oder der überwältigenden Mehrheit der Staatenlosen, eingereicht. Besonders effektiv sah unsere gesetzgebende Initiative im September 2005 aus, als die Einreichung des Gesetzesvorschlags von einer Massendemonstration (bis zu 1000 Leute) im Zentrum von Riga begleitet wurde. Den Antrag hat der Fraktionsvorsitzender Yakov Pliner eingereicht. Der Rigaer Stadtrat verbot den Marsch, doch wir haben einen Tag vor dem Beginn der Veranstaltung das Verbot vor dem Gericht gekippt.

Als wir uns ausserhalb des Sejms wiederfanden, haben wir unsere „schädliche“ Gewohnheiten nicht geändert und haben eine ähnliche Gesetzesvorlage, die vom Kollegen Aleksander Kuzmin verfasst wurde, als eine Volksinitiative eingereicht. Dazu wurden zum September 2012 als Unterstützung 12.000 notariell beglaubigten Unterschriften der Bürger gesammelt.

  Die Gesetzesvorlage geisterte lange Zeit in verschiedenen Gerichtsinstanzen, inklusive dem Verfassungsgericht. Am 12 Februar 2014 hat der Senat des Obersten Gerichts dem Herumgeistern ein Ende bereitet und erkannte die Gesetzesvorlage als nicht verfassungsgemäß an.

Genauer gesagt, nicht mal der Verfassung selbst widersprechend, sondern einer Präambel, die noch nicht verabschiedet wurde, die die Kontinuität der Existenz der Lettischen Republik während der 50 Jahre der „Okkupation“ unterstreicht.

Es ist interessant dass die Null-Variante der Staatsbürgerschaft für bestimmte Kategorien von Personen, vom obersten Sowjet Lettlands am 15. Oktober 1991 verabschiedet wurde. Im Gegensatz zu den sklavenhalterischen Athens, wurde die Staatsbürgerschaft denjenigen gegeben, bei denen nur ein Elternteil ein Staatsbürger des Vorkriegs-Lettlands gewesen ist. Solcher gab es fast 400.000. Was schlechtes ist deswegen mit der Lettischen Republik nicht geschehen. Heute gibt es noch 280.000 Staatenlose.

Der Unwille der Regierung die Staatenlosigkeit der nationalen Minderheiten, sogar unter den minderjährigen Kindern zu beseitigen, ist genauso irrational, wie die Theorie der Kontinuität. Von der Schande wäscht man sich nicht rein und die Auswirkung der Stimmen dieser potentieller Wähler, selbst wenn man annehmen dürfte, dass sie aktive Gegner der Regierungsparteien sind, ist nicht sonderlich hoch. In jedem Fall haben in Estland sowohl die Staatenlosen, als auch die Staatsbürger Russlands von Anfang an Stimmrechte bei den Kommunalwahlen. Und Estland wurde deswegen nicht ein Teil der Russischen Föderation.

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