Übersetzung aus stolitsa.ee
Die Problematik der Beziehung zwischen Esten und in Estland lebenden Russen kann man erst lösen, wenn man die Besonderheit des Prozesses der Formierung des estnischen Volkes und des nationalen Selbstverständnisses begriffen hat. Das ist die Meinung des französischen Historikers Jean-Pierre Minaudier, der letzte Woche eine offen zugängliche Vorlesung im Konferenzsaal des Auswärtigen Amtes Estlands gehalten hat.
"Deutsches Produkt"
Es gab keine Nation. Gar keine. Nur Leute, die auf dem Lande und in den ärmlichen Vorstädten gelebt haben, die sich von der vermögenden Klasse hauptsächlich durch ihre Sprache und ihren sozialen Status unterschieden haben. "Estländer" - also Bewohner Estlands nannten sch öfters örtliche Deutsche, die sich von Preussen, Sachsen und Bayern absetzen wollten. Vorfahren jetziger Esten, die auf der sozialen Treppe aufsteigen konnten, wollten aus allen Kräften umgekehrt sich für Deutsche ausgeben…
Mit solchen Worten beschreibt Professor Minaudier die Sachlage auf dem Territorium des modernen Estlands vor zwei Jahrhunderten. "Man kann nur in dem Fall über eine Nation sprechen, wenn sich das Volk als solche begriffen hat - bemerkt der französische Historiker. Bei den Esten lief das Prozess des "Selbstverständnisses" in einer sehr kurzen historischen Periode ab. Die Epoche der nationalen Erweckung vollzieht sich in wenigen Jahrzehnten des XIX Jahrhunderts. Im Vergleich zu den Völkern des so genannten alten Europas ist diese Zeitdauer praktisch rekordverdächtig.
Zweifellos ist die Selbstfindung der Esten als eine eigene Nation keine einmalige Erscheinung in Europa. Parallel zu ihnen haben ähnliche Prozesse zum Beispiel die Finnen, die Letten, die Slowaken, die Kroaten durchlaufen. "Nationale Erweckungen" vor anderthalb Jahrhunderten sind Nebenwirkungen der Philosophie der nationalen Romantik, die zwischen XVIII-XIX Jahrhunderten in dem in hunderte Kleinfürstentümern zerteilten Deutschland geboren wurde. Das "Deutsche Produkt" wurde plötzlich zwischen Mittelmeer und der Ostsee gebraucht. Als das "ihriges" wurde es von Dutzenden von Völkern vereinnahmt, die in der Regel nicht in ihren nationalen Staaten, sondern unter einer fremden Herrschaft lebten.
Sprachstolz
"Das nationale Selbstbewusstsein der Esten hat sich in "vorstaatlichen" Ära formiert", unterstreicht Minaudier. "Das Bewusstsein als Nation wurde nicht mittels der Politik, sondern mittels der Kultur und der Sprache erreicht. Das ist eins der Unterschiede des Selbstbewusstseins der Esten und der "alten Europäer". Das nationale Selbstbewusstsein der Franzosen, zum Beispiel, basiert auf dem Fundament des Staates. Das ist kein Zufall, denn das Königreich Frankreich wurde mehrere Jahrhunderte vor dem Zeitpunkt erschaffen, als sich die Franzosen als eine Nation begriffen haben. Deswegen ist das wichtigste für einen Franzosen das Leben auf dem Gebiet des Staates, der Besitz des französischen Passes und nicht das Können der Sprache".
Bei den Esten ist es umgekehrt: Ein Mensch, der estnisch spricht, wird als "unser Este" angenommen, unabhängig von seiner ethnischen Herkunft oder Staatsangehörigkeit. Und sogar vom Wohnort. "Für einen Franzosen ist es sehr schwer zu verstehen: ein französisch-sprechender Schweizer oder Belgier oder gar Einwohner des französisch-sprechenden Teils Kanadas kann kein Franzose sein", gibt Minaudier offen zu. "Umgekehrt, der in Frankreich lebender Baske oder Bretagner, der nicht die literarische französische Sprache spricht, wird unabhängig von seinem eigenen Verständnis von der Umgebung als Franzose wahrgenommen."
Die durch die Philosophen-Romantikern ausgerufene Treue zur Altertümlichkeit, hat ihren Eindruck auf das Verhältnis der Esten zu der Muttersprache geprägt und durch sie auf das ganze Modell des nationalen Selbstbewusstseins. "Finno-Ugrische Sprachen sind mit die archaischsten" - erinnert uns Minaudier. In Augen eines Esten gibt das ihr zusätzliche Wertigkeit und gibt einen Grund für Stolz: "Wir konnten etwas sehr Altes aufbewahren, trotz aller Widrigkeiten". Doch die Bewahrung der estnischen Sprache im Laufe der sieben Jahrhunderte fremdländischen Besatzung wurde durch zwei Faktoren ermöglicht: das Fehlen der deutschen Bauernschaft im mittelaltrigen Livonien (Fremdländischen wohnten in den Städten und mischten sich nicht mit der örtlichen Bevölkerung) und das Fehlen einer zielgerichteten Sprachpolitik bei den Mächtigen Livoniens - solchen Sachen schenkte man im Mittelalter überhaupt keine Beachtung.
Die Treue zu Anachronismen
Wie Professor Minaudier glaubt, wurde eines der ernsthaften Schläge für das nationale Selbstbewusstsein der Esten im XX Jahrhundert durch die Sowjetmacht zugefügt. Als Estland durch UdSSR geschluckt wurde, blieb vom erklärten "proletarischen Internationalismus" der zwanzigen Jahre keine Spur übrig. Die proklamierte Gleichheit aller Kulturen und Sprachen war ein Lippenbekenntniss der Regierung der Sowjetunion, tatsächlich hat sie nach dem Krieg das Model des "älteren Bruders - des russischen Volkes" und des "jüngeren Bruders - die Rolle der anderen Völker der UdSSR" angewendet.
"Das bedeutet nicht, dass die Sowjetmacht zielgerichtet das Baltikum russifizieren und Estland in ein "Kleinrussland" verwandeln wollte", unterstreicht Minaudier. Estnische Sprache und estnische Ausbildung waren niemals in der Sowjetunion verboten und die Politik Moskaus gegenüber Tallinn war viel weniger brutal als die Politik von Paris gegenüber Tunesien und Algerien. Doch die offiziell erklärte Zweisprachigkeit hat im realen Leben bedeutet, dass man ohne die Kenntnisse des Estnischen in Estland leben konnte, doch ohne die Kenntnisse des Russischen wurde es immer komplizierter. Der Bevölkerungszufluss, der die estnische Sprache nicht kannte und nicht lernen wollte, wurde von den Esten als ein Angriff auf das Fundament der estnischen Kultur gesehen, als "kulturelles Genozid".
Die Ursache der modernen Widersprüche zwischen Esten und örtlichen Russen entsteht nach Meinung Minaudiers mehrheitlich daraus, dass zwei nationale Ideen aufeinanderstossen - die "kulturelle" und die "staatliche". Um einander zu verstehen, müssen die Träger anerkennen, dass sie beide Recht auf Existenz haben. Obwohl sie in modernen, postmodernistischen Gesellschaft immer mehr und mehr zu einem Anachronismen werden.
Lion, Paris und Tallinn
Wie es aussieht hegt der französische Historiker die meiste Hoffnung auf Zeit. "Die Zeit der größten nationalen Traumas für Franzosen, die Epoche des Zweiten Weltkrieges, wird schon als Geschichte wahrgenommen", führt er aus. "Die Geschehnisse der vierziger Jahre ist das Erbe der Generation meiner Eltern. In Estland erinnert sich die Generation der Kinder an die Sowjetzeiten, sie sind meine Zeitgenossen. Dabei sind die Erinnerungen der Vertreter der beiden Gemeinden öfter diametral gegensätzlich. Das was für die einen eine "normale", "naturgegebene" Situation ist, wird von den anderen als Attentat auf die Existenz der Nation gesehen."
"Die Berührungspunkte zwischen der beiden Gemeinden werden immer mehr", erkennt Minaudier an. Dies kann man zum Beispiel beim Sport gut sehen, wo russisch-stämmige Sportler unter der estnischen Fahne auftreten, wobei sowohl die estnische, aber auch die russische Zuschauer für sie, wie für die "ihre" eintreten. Ich wurde angenehm über die Ergebnisse des Wettbewerbs über das Muster der estnischen Euro-Münzen überrascht: Die Einwohner haben sich für ein Symbol entschieden, das nicht einen nationalen, sondern geografischen Merkmal trägt - die Siluette der Grenzen der Estnischen Republik".
"Man kann sagen, dass das sprachliche Fundament des nationalen Selbstbewusstseins bei den Esten zum territorialem zu wechseln anfängt", stellt der französische Forscher fest. Doch ist dieser Prozess noch ganz am Anfang. Esten und Russen werden noch lange sich nicht zueinander so verhalten, wie die Einwohner von Paris und Lion."
Autor: Josef Kaz
Jean-Pierre Minaudier ist 1961 geboren.
Historiker-Diplom bekam er an der Hochschule Ecole Normale Supérieure.
Erlernte estnische Sprache im Pariser Institut für Ostsprachen. Zur Zeit unterrichtet er die estnische Geschichte und allgemeine Geschichte in Lycée La Bruyère in Versailles
2007 gab er das ausführlichste Werk über die Geschichte Estlands in französische Sprache heraus: Histoire de l'Estonie et de la nation estonienne.
Übersetzte vom estnischen ins französische historische und literarische Texte, darunter den dritten Teil des Werkes von A.H.Tammsaare "Wahrheit und Gerechtigkeit".
Dienstag, September 22, 2009
Samstag, September 19, 2009
Die Sicherheitspolizei kam zu den Historikern des Clubs "Front-Line"
Übersetzung von baltija.eu-Artikel
Mitarbeiter der Sicherheitspolizei Estlands (KAPO) haben eine Durchsuchung im Office des Militär-Historischen Clubs "Front-Line" in Tallinn durchgeführt. Das hat dem Korrespondenten des Informationsportals der Russischen Gemeinde Estlands (baltija.eu) ein Mitglied des Verwaltungsrates des Clubs, Kandidat in Tallinner Stadtrat Maksim Demidov berichtet.
Laut seinen Worten sind Vertreter der KAPO am 17.September diesen Jahres in das Office der Organisation eingedrungen und fingen ohne irgendwelche Erklärungen an eine Durchsuchung durchzuführen und Objekte zu konfiszieren, die "Front-Line" gehörten und als Exponate im improvisieren Museum ausgestellt wurden.
Nach der Forderung der "Front-Line" Mitglieder einen Durchsuchungsbefehl vorzuzeigen und den Grund des Eindringens zu begründen, hat das einer der Polizisten in Zivil abgelehnt. Ausserdem wurde Demidov, obwohl er zu der Verwaltung des Clubs gehört, in grober Form vorgeschlagen "den Raum zu räumen".
Im Verlauf der Polizeiaktion wurde eine einzigartige Waffenkollektion des Zweiten Weltkrieges konfisziert. Nach Aussage von Demidov hatten alle Objekte, die die Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte auf sich gezogen haben, Zertifikate und Erlaubnis zur Aufbewahrung als Museumsexponate.
Ausserdem wurde ein Computer beschlagnahmt, der zu der Organisation gehörte.
Auf die Frage des Korrespondenten von baltija.eu über die mögliche Gründe der KAPO-Aktion hat der Kandidat in Tallinner Stadtrat nicht ausgeschlossen, dass sie mit der kommenden Teilnahme der Mitglieder des Militär-Historischen Clubs an Veranstaltungen, die dem 65-jährigen Befreiung Tallinns von Faschisten am 22. September zu tun haben könnten.
"Ich kann nicht mit Bestimmtheit die Gründe nennen, die die Sicherheitskräfte gezwungen haben auf unsere unpolitische Organization ihre Aufmerksamkeit zu lenken. Ich kann nicht ausschliessen, dass die Handlungen der KAPO ein Versuch darzustellen einen Druck auf uns auszuüben, als auf eine Bewegung, die traditionell an allen Veranstaltungen teilnimmt, die mit der Erinnerung an die Helden des Grossen Vaterländischen Krieges zu tun haben. Gerade weil der 22. September ein bemerkenswertes Datum ist - Tag der Befreiung Tallinns von Faschisten und unser Club konnte selbstverständlich dieses Datum nicht ohne Aufmerksamkeit lassen" - sagte Maksim Demidov.
Der Militär-Historische Club "Front Line" wurde 2004 gegründet. Der Club vereinigte Aktivisten, die sich ernsthaft mit der Militärgeschichte auseinandersetzen. Bei der Gründung des Clubs wurde die Idee realisiert Menschen zu vereinen, die ihre Freizeit der Geschichtsforschung über die Armeen der auf der estnischen Teritorium kämpfenden Seiten widmen. Der Club führt regulär "militär-historische Rekonstruktionen" und "taktische Übungen im Gelände" in Estland und nimmt aktiv an ähnlichen Unternehmungen in Lettland, Litauen, Russland, Ukraine, Tschechien und anderswo teil.
Der Club führt ausserdem folgende zusätzliche Arbeit durch:
Suche, Identifizierung und Beerdigung der Überreste der Soldaten, die auf den Schlachtfeldern umgekommen sind, Archivforschungen;
Erkundung, Beschreibung und Pflege der Soldatenfriedhöfe auf Teritorium Estlands.
Treffen mit den Veteranen des Zweiten Weltkriegs, Videoaufzeichnung der Erinnerungen der Veteranen und Schlachtteilnehmer.
Vorlesungen über Militärgeschichte.
Für aktive Tätigkeit bei der Pflege der Soldatenbegräbnisse wurde der Vorsitzende des Clubs Andrej Lazurin 2008 mit Dankesurkunde des Präsidenten der Russischen Föderation Dmitjij Medvedev ausgezeichnet, 2009 wurde er mit der Gedächtnismedalie Arnold Meries ausgezeichnet. Die Medalie wurde durch die Tallinner Gemeinschaft der Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges der Länder der Anti-Hitler Koalition und dem estnischen antifaschistischen Komitees zu Ehren des ersten estnischen Helden der Sowjetunion Arnold Meri geprägt.
------------------
Die Presseabteilung KAPO teilte mit, dass die Durchsuchung im Office des Clubs "Front Line" im Rahmen einer Untersuchung über illegale Lagerung von Sprengstoff, Waffen, Munition und ihrer Bestandteile (Paragrafen 414 und 418 des Strafgesetzbuches) durchgeführt wurde.
Mitarbeiter der Sicherheitspolizei Estlands (KAPO) haben eine Durchsuchung im Office des Militär-Historischen Clubs "Front-Line" in Tallinn durchgeführt. Das hat dem Korrespondenten des Informationsportals der Russischen Gemeinde Estlands (baltija.eu) ein Mitglied des Verwaltungsrates des Clubs, Kandidat in Tallinner Stadtrat Maksim Demidov berichtet.
Laut seinen Worten sind Vertreter der KAPO am 17.September diesen Jahres in das Office der Organisation eingedrungen und fingen ohne irgendwelche Erklärungen an eine Durchsuchung durchzuführen und Objekte zu konfiszieren, die "Front-Line" gehörten und als Exponate im improvisieren Museum ausgestellt wurden.
Nach der Forderung der "Front-Line" Mitglieder einen Durchsuchungsbefehl vorzuzeigen und den Grund des Eindringens zu begründen, hat das einer der Polizisten in Zivil abgelehnt. Ausserdem wurde Demidov, obwohl er zu der Verwaltung des Clubs gehört, in grober Form vorgeschlagen "den Raum zu räumen".
Im Verlauf der Polizeiaktion wurde eine einzigartige Waffenkollektion des Zweiten Weltkrieges konfisziert. Nach Aussage von Demidov hatten alle Objekte, die die Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte auf sich gezogen haben, Zertifikate und Erlaubnis zur Aufbewahrung als Museumsexponate.
Ausserdem wurde ein Computer beschlagnahmt, der zu der Organisation gehörte.
Auf die Frage des Korrespondenten von baltija.eu über die mögliche Gründe der KAPO-Aktion hat der Kandidat in Tallinner Stadtrat nicht ausgeschlossen, dass sie mit der kommenden Teilnahme der Mitglieder des Militär-Historischen Clubs an Veranstaltungen, die dem 65-jährigen Befreiung Tallinns von Faschisten am 22. September zu tun haben könnten.
"Ich kann nicht mit Bestimmtheit die Gründe nennen, die die Sicherheitskräfte gezwungen haben auf unsere unpolitische Organization ihre Aufmerksamkeit zu lenken. Ich kann nicht ausschliessen, dass die Handlungen der KAPO ein Versuch darzustellen einen Druck auf uns auszuüben, als auf eine Bewegung, die traditionell an allen Veranstaltungen teilnimmt, die mit der Erinnerung an die Helden des Grossen Vaterländischen Krieges zu tun haben. Gerade weil der 22. September ein bemerkenswertes Datum ist - Tag der Befreiung Tallinns von Faschisten und unser Club konnte selbstverständlich dieses Datum nicht ohne Aufmerksamkeit lassen" - sagte Maksim Demidov.
Der Militär-Historische Club "Front Line" wurde 2004 gegründet. Der Club vereinigte Aktivisten, die sich ernsthaft mit der Militärgeschichte auseinandersetzen. Bei der Gründung des Clubs wurde die Idee realisiert Menschen zu vereinen, die ihre Freizeit der Geschichtsforschung über die Armeen der auf der estnischen Teritorium kämpfenden Seiten widmen. Der Club führt regulär "militär-historische Rekonstruktionen" und "taktische Übungen im Gelände" in Estland und nimmt aktiv an ähnlichen Unternehmungen in Lettland, Litauen, Russland, Ukraine, Tschechien und anderswo teil.
Der Club führt ausserdem folgende zusätzliche Arbeit durch:
Suche, Identifizierung und Beerdigung der Überreste der Soldaten, die auf den Schlachtfeldern umgekommen sind, Archivforschungen;
Erkundung, Beschreibung und Pflege der Soldatenfriedhöfe auf Teritorium Estlands.
Treffen mit den Veteranen des Zweiten Weltkriegs, Videoaufzeichnung der Erinnerungen der Veteranen und Schlachtteilnehmer.
Vorlesungen über Militärgeschichte.
Für aktive Tätigkeit bei der Pflege der Soldatenbegräbnisse wurde der Vorsitzende des Clubs Andrej Lazurin 2008 mit Dankesurkunde des Präsidenten der Russischen Föderation Dmitjij Medvedev ausgezeichnet, 2009 wurde er mit der Gedächtnismedalie Arnold Meries ausgezeichnet. Die Medalie wurde durch die Tallinner Gemeinschaft der Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges der Länder der Anti-Hitler Koalition und dem estnischen antifaschistischen Komitees zu Ehren des ersten estnischen Helden der Sowjetunion Arnold Meri geprägt.
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Die Presseabteilung KAPO teilte mit, dass die Durchsuchung im Office des Clubs "Front Line" im Rahmen einer Untersuchung über illegale Lagerung von Sprengstoff, Waffen, Munition und ihrer Bestandteile (Paragrafen 414 und 418 des Strafgesetzbuches) durchgeführt wurde.
Montag, September 14, 2009
Mein Land ist zerbrochen
Wenn man morgen an meine Tür klopft,
werde ich nicht mehr sein - ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen ehemaligen Hotelwächter,
der in "Viru" arbeitete. Er hiess Jüri. Jetzt ist Jüri Minister,
und alle seine Träume sind nur über eins: Ein Hotel namens Estland,
in dem er zum allmächtigen Besitzer werden könnte.
Wenn man mich morgen verhaften wird,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen ehemaligen Kommunisten aus der Stadt Tartu
namens Andrus. Heutzutage ist er Premierminister.
und träumen tut er nur, wie man Hunde, wie früher, losläßt,
auf alle, die er zu seinen Feinden zählt
Wenn man mir morgen früh Handschellen anlegen wird,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen Journalisten aus der örtlichen Zeitung,
heutzutage ist er Minister. Über Reino. Denjenigen,
der darüber träumt jeden hinter Gitter zu bringen,
der riskiert ein Photo von ihm zu machen.
Wenn man mich morgen verhaftet,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über ehmals ehrlichen Bauern Ivari,
der jetzt für den Premier zum Prügelknaben geworden ist
und nur davon träumt sich den Koffer vollzustopfen,
und nach Brüssel mit der ersten Maschine abzuhauen.
Wenn man mir morgen die Klappe halten befiehlt,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen Staatsmann. Entwaffnend ehrlich,
mit dem Namen Mart. Der jetzt unter dem Premier dient,
und nur davon träumt, wie
man Russland Krieg erklärt.
Wenn man mir morgen die Seele rausreißt,
werde ich nicht mehr sein. Und ich kann nicht flüstern,
dass meinem Land schlecht ist,
dass mein Land in Haft ist
und dass seine Arme hinter seinem Rücken zusammengebunden sind.
Ich kann nicht flüstern,
dass mein Land
am Boden eines Polizeiautos ist
halbtod verprügelt
mit trockenem Hals
und will nur verschwinden
Ich kann nicht flüstern,
über die blauen Spuren der Schlagstöcke
auf seiner Brust. Und über die Rippen,
die sie auch gebrochen haben.
Und über zerrissene Knorpel. Ich kann nicht flüstern,
dass seine Füsse zusammengebunden,
die Knie zerschlagen sind und Knochen gründlich zertrümert wurden
Ich kann nicht flüstern,
welche Krämpfe seine Muskeln zerrten,
wie seine Zunge angebissen ist
und wer ihm die Augen auspickte
Ich kann nicht schreiben,
denn meine Arme werden zusammengebunden sein
Ich kann nicht erzählen,
denn man hat mir befohlen zu schweigen
Ich kann nicht flüstern,
denn meine Seele wurde mir rausgerissen
Mein Land ist gebrochen,
seine Seele traf der Schlag
Irja Tähismaa, Bloggerin, Coautorin "Vaba ühiskonna raamatust" (Buch der freien Gesellschaft)
werde ich nicht mehr sein - ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen ehemaligen Hotelwächter,
der in "Viru" arbeitete. Er hiess Jüri. Jetzt ist Jüri Minister,
und alle seine Träume sind nur über eins: Ein Hotel namens Estland,
in dem er zum allmächtigen Besitzer werden könnte.
Wenn man mich morgen verhaften wird,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen ehemaligen Kommunisten aus der Stadt Tartu
namens Andrus. Heutzutage ist er Premierminister.
und träumen tut er nur, wie man Hunde, wie früher, losläßt,
auf alle, die er zu seinen Feinden zählt
Wenn man mir morgen früh Handschellen anlegen wird,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen Journalisten aus der örtlichen Zeitung,
heutzutage ist er Minister. Über Reino. Denjenigen,
der darüber träumt jeden hinter Gitter zu bringen,
der riskiert ein Photo von ihm zu machen.
Wenn man mich morgen verhaftet,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über ehmals ehrlichen Bauern Ivari,
der jetzt für den Premier zum Prügelknaben geworden ist
und nur davon träumt sich den Koffer vollzustopfen,
und nach Brüssel mit der ersten Maschine abzuhauen.
Wenn man mir morgen die Klappe halten befiehlt,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen Staatsmann. Entwaffnend ehrlich,
mit dem Namen Mart. Der jetzt unter dem Premier dient,
und nur davon träumt, wie
man Russland Krieg erklärt.
Wenn man mir morgen die Seele rausreißt,
werde ich nicht mehr sein. Und ich kann nicht flüstern,
dass meinem Land schlecht ist,
dass mein Land in Haft ist
und dass seine Arme hinter seinem Rücken zusammengebunden sind.
Ich kann nicht flüstern,
dass mein Land
am Boden eines Polizeiautos ist
halbtod verprügelt
mit trockenem Hals
und will nur verschwinden
Ich kann nicht flüstern,
über die blauen Spuren der Schlagstöcke
auf seiner Brust. Und über die Rippen,
die sie auch gebrochen haben.
Und über zerrissene Knorpel. Ich kann nicht flüstern,
dass seine Füsse zusammengebunden,
die Knie zerschlagen sind und Knochen gründlich zertrümert wurden
Ich kann nicht flüstern,
welche Krämpfe seine Muskeln zerrten,
wie seine Zunge angebissen ist
und wer ihm die Augen auspickte
Ich kann nicht schreiben,
denn meine Arme werden zusammengebunden sein
Ich kann nicht erzählen,
denn man hat mir befohlen zu schweigen
Ich kann nicht flüstern,
denn meine Seele wurde mir rausgerissen
Mein Land ist gebrochen,
seine Seele traf der Schlag
Irja Tähismaa, Bloggerin, Coautorin "Vaba ühiskonna raamatust" (Buch der freien Gesellschaft)

Donnerstag, September 10, 2009
Die seltsame Geschichte der Arctic Sea
Über das Schiff Arctic Sea wurde schon in allen Weltsprachen sehr viel geschrieben, viel klarer ist die Geschichte deswegen nicht geworden. Ich verfolge recht aufmerksam die Geschehnisse, erstens weil sie mit Estland und Russland zu tun haben und zweitens weil ich eine gewisse Schwäche für Seegeschichten habe, und der erste Piratenangriff auf ein Schiff in der Ostsee seit dem 18.Jahrhundert ist ein sehr aussergewöhnliches Ereignis. Ausserdem kann man sehr interessante Beobachtungen über verschiedene politische Gruppen anstellen, wie sie mangels echter Fakten, ihnen ins Raster passende Interpretation der Ereignisse liefern. Ich werde versuchen, kurz die wenigen Anhaltspunkte zu berichten und danach viele Fragen stellen, auf die wir keine Antwort haben und wahrscheinlich nicht so schnell bekommen werden.
Am 08.08 hat die Zeitschrift "Морской Бюллетень Совфрахт" (See Bulletin Sovfracht) mit dem Hauptredakteur Michail Vojtenko berichtet, dass das Schiff Arctic Sea (Tragfähigkeit 4706 Tonnen, gebaut in Türkei 1992, 97.80m Länge), der unter maltesischer Flagge fährt und zwei russische Eigentümer hat, vermisst wird. Das Schiff sollte am 2-3-4(?).August den algerischen Hafen Bedjaia erreichen, ist dort aber nicht angekommen. Das Schiff hatte am 23.Juli Holz (Eigentum der finnisch-schwedischen Firma Enso Oyi, der größte europäische Papierproduzent) im finnischen Hafen Pietarsaari geladen, die finnische Firma Botnia Shipping, die die Beladung durchgeführt hat, sagte aus, dass das Schiff komplett unbeladen war. Davor wurde das Schiff in Kaliningrad repariert. Der Wert der Holzladung beläuft sich auf 1.3 Mio. EUR. Auf dem Schiff war eine 15-köpfige Besatzung, alles Staatsbürger der Russischen Föderation, die jedoch wohl zum ersten Mal in der Ostsee waren, normalerweise waren sie in der Nordsee, oder Schwarzem Meer eingesetzt. Ab jetzt wird vieles unklar.
Wie Daily Telegraph berichtet, wurde am 24.Juli das Schiff von 8-10 bewaffneten Männern geentert. Sie kamen mit einem Gummiboot mit der Aufschrift "police", stellten sich als Drogenfahnder vor und sprachen schlechtes Englisch. Angeblich wurde eine Nachricht darüber von der Besatzung an die Schiffseigentümer geschickt, woraufhin sie Polizei informierten. Ausserdem entstand der Eindruck, dass die Angreifer nachdem sie das Schiff durchsucht und die Teile der Besatzung verletzten, das Schiff verlassen haben. Ebensowenig klar ist, warum Schweden in dessen Territoralgewässern das Schiff sich zu dem Zeitpunkt befunden hat, nicht reagiert hat. Es scheint, dass man nichts Verdächtiges feststellen konnte, die Position des Schiffes wurde korrekt durchgegeben, es gab keine Alarmsignale und die Erkennung des Schiffes (das so genannte AIS-System) wurde nicht ausgeschaltet.
Die Abschaltung erfolgte wohl erst, nachdem das Schiff den Ärmel-Kanal passiert hat, also am 29.Juli.
Am 12.08 haben Verwandte der vermissten Seemänner einen offenen Brief an Ministerpräsident Putin geschrieben in dem sie ihn um Hilfe baten. Am selben Tag gibt Präsident Medwedjew einen Befehl an den Verteidigungsminister Anatolij Serjukov alle erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, um das verschwundene Schiff zu finden. An der Suche nahmen angeblich zwei atomare U-Boote teil, plus die Anti-Uboot-Fregatte Ladnyj.
Am 14. August wurde das Schiff in der Nähe von West-Afrikanischen Inselgruppe Kape Verde von der Küstenwache gesichtet. Am 15. August wurde bekannt, dass bei den Schiffseigentümern Geldforderung in Höhe von 1.5 Mio. EUR eingegangen ist. Falls das Geld nicht bezahlt werde, wird man das Schiff versenken und die Mannschaft töten. Am 17. August wurde das Schiff von Besatzung des Anti-Uboot-Fregatte Ladnyj gestürmt und sie überwältigten die "Piraten", die in ihren Kajüten waren, ohne einen einzelnen Schuss abzugeben. Ein interessanter Fakt ist auch, dass nachdem Ladnyj über Funk um die Identifizierung des Schiffes gebeten hat, kam als Antwort, dass es sich um ein nordkoreanisches Schiff mit einer Ladung Palmenholz handle. Nachdem die Überprüfung ergeben hat, dass das tatsächlich existierende nordkoreanische Schiff in einem angolanischen Hafen liegt, wurde ein Boot zum Schiff geschickt, die Besatzung des Bootes überwältigte dann die "Piraten". Die "Piraten" und 11 Mann der Besatzung wurden mit zwei IL-76 (eines der größten Transportflugzeuge) nach Moskau gebracht und ins Gefängnis Lefortovo verlegt. Vier Besatzungsmitglieder blieben auf dem Schiff, das nach Novorossijsk (russischer Hafen am Schwarzen Meer) bugsiert wird. Angeblich ist das Schiff beschädigt (durch was und wie schwer)? Zur Zeit wird das Schiff von russischen Experten untersucht, bisher haben laut Berichten nichts Verdächtiges gefunden. Nachdem die 11 Mann der Besatzung einige Tage von der Öffentlichkeit isoliert wurden, konnten 8-9(?) von ihnen inzwischen nach Archangelsk zu ihren Familien zurückkehren. Jedoch weigern sie sich Journalisten Interviews zu geben.
Jetzt zu den "Piraten". Inzwischen sind die Namen bekannt. Es sind Evgenij Mironov (31), Dmitrij Savin, Vitalij Lepin, Andrej Lunev (44), Dmitrij Bartenev (41), Aleksej Buleev (30), Igor Borisov (45) und Aleksej Andrjushin (28). Mironov ist estnischer Staatsbürger, Lepin lettischer Staatsbürger, Bartenev und Lunev sind russische Staatsbürger, die in Estland leben, Borisov, Buleev und Savin sind staatenlos, leben aber in Estland, die Staatsbürgerschaft von Andrjushin ist unklar, er lebte wohl auch in Estland oder Lettland. Wie die russische Presse schreibt, gaben sie folgende Version der Geschehnisse zu Protokoll: Sie sind Ökologen und starteten in Pärnu. Als ihnen Benzin ausgegangen ist, sind sie an Bord von Arctic Sea gekommen und fragten den Kapitän, ob er sie an einem europäischen Hafen absetzen könnte. Das hat der Kapitän jedoch verneint und hat sie mit nach Westafrika mitgenommen (Jack Londons Seewolf lässt grüßen). Direkt nachdem die Namen bekannt wurde, hat die KAPO die Wohnungen der Beschuldigten in Lasnamäe durchsucht und wie der Bruder von Dimitrij Bartenev, Aleksej sagte, wurde der Computer und einige persönliche schriftliche Aufzeichnungen mitgenommen. Laut dem Bruder, der auch einige andere der "Piraten" kannte, hatten sie vor am 17. Juli nach Spanien zu fahren, um dort Geld zu verdienen. Wie die estnische Staatsanwaltschaft berichtet hat (grobe Verletzung des Datenschutzes übrigens), waren zwei von ihnen vorbestraft und sassen im Gefängnis, Mironov wegen Totschlags, Bartenev wegen Fahren im betrunkenen Zustand, die anderen hatten Probleme mit Justiz wegen kleineren Vergehen. Verschiedene Zeitungen fanden andere Bekannte der "Piraten", keiner von ihnen konnte sich eine Aktion solchen Massstabes von diesen Leuten vorstellen, soweit ich verstanden habe, hatte keiner von ihnen grosse Seefahrtserfahrung.
Soweit die Fakten. Sie werfen eine Menge Fragen auf, die ich in chronologischen Folge zu stellen versuche:
1. Woher wussten die Piraten, wo das Schiff sich befunden hat? Es war dunkel, die Frachtschiffe sehen sich zum Verwechseln ähnlich aus
2. Warum hat der Kapitän nicht VORHER der Küstenwache bescheid gegeben, dass er Leute an Bord nehmen wird? Laut estnischen Seefahrtexperten ist es eine Standardprozedur.
3. Wie wahrscheinlich ist es, dass die "Piraten" tatsächlich mit einem Gummiboot aus Pärnu sich nach Schweden aufmachen? Russisch-sprachige Männer, die aus Estland in den See stechen, erregen weniger Verdacht, als in Schweden oder Finnland, aber trotzdem ist es ein grosses Risiko. Und wie gesagt, viel Seefahrterfahrung hatten die Leute nicht.
4. Wenn die Piraten bewaffnet waren, hatten sie die Waffen noch, als die Leute von Ladnyj das Schiff stürmten? Oder haben sie die Waffen weggeworfen, damit sie die Ökologen-Story besser erklären können?
5. Woher kamen die Gerüchte auf, dass das Schiff von Piraten verlassen wurde? Warum passierte nichts zwischen 24-29. Juli? Nach einem Piratenangriff hätte das Schiff doch sofort den nächsten Hafen anlaufen müssen, wegen polizeilichen Untersuchung und evtl. ärztlicher Hilfe, denn Teil der Besatzung wurde ja zusammengeschlagen? Wenn das nicht geschehen war, warum hat kein Anrainerstaat reagiert?
6. Wie hat ein Schiff unter fremdem Kommando es geschafft von der Ostsee in die Nordsee und danach durch Ärmelkanal ins Atlantik zu kommen, ohne dass eines der Anrainerstaaten Lunte gerochen hätten?
7. Laut estnischen Experten haben heutige Schiffe mind. 2x-fach abgesicherte Alarmsysteme, deren Abschaltung alles andere als trivial ist. Also müssen die Angreifer gute Elektronik-Kenntnisse gehabt haben, um beide Systeme zu überlisten.
8. Wo war das Schiff zwischen 29.Juli und 14.August? Warum verliess es nicht die Kabo-Verdschen Inseln zwischen 14-17. August? Wurde da irgendwas abgewartet?
Jetzt ein paar Fragen zu Verhalten Russlands
9. Wie erklärt man, dass die Suche nach einem unbedeutendem Schiff sowohl den Ministerpräsidenten, als auch Präsidenten Russlands beschäftigt? Medvedev beauftragt medienwirksam den Verteidigungsminister nach dem Schiff zu suchen, er schickt Atom-U-Boote (die angeblich von der amerikanischen Küste abgezogen wurden) und Fregatten der Schwarzmeerflotte. Ist das nicht etwas Overkill?
10. Ist es nicht Overkill gleich 2 der größten Transportmaschinen nach Kapo Verde zu schicken, um 20-30 Leute abzuholen?
11. Recht primitiv ist dagegen der Trick, den Akt der Piraterie aus den schwedischen Territorialgewässern in internationales Gewässer zu verlagern, damit sich die Schweden nicht möglicherweise einmischen.
12. Ist es vielleicht auch ein Trick, 4 Leute der Besatzung auf Arctic Sea zu lassen? Es sind die Leute, die, falls es Komplizen an Bord gab, noch am ehesten in Frage kommen könnten. Dazu passt es, dass sie wohl nicht frei nach Hause telefonieren dürfen. Ausserdem sind 2 oder 3 Mitglieder der nach Moskau ausgeflogenen Mannschaft nicht nach Archangelsk zu ihren Familien zurückgekehrt.
13. Russland hat zugegeben, dass sie die ganze Zeit über den Verbleib des Schiffs wusste, es war wohl auch eine Zusammenarbeit von 20 Geheimdiensten, die ständig Informationen ausgetauscht haben. Warum wurde nicht früher eingegriffen? Wurde Zermürbungstaktik gewählt? Einfach abgewartet, bis Piraten müde und unachtsam werden? Normalerweise sind die russischen Sondereinsatzkräfte bei der Befreiung von Geiseln nicht sehr zimperlich.
14. Was passierte mit dem Hauptredakteur von See Bulletin Michail Vojtenko? Nach seinen Berichten über Arctic Sea, flüchtete er plötzlich in die Türkei (ein Land ohne Visum-Pflicht für Russen), wo er noch lautstark Interviews gab, dass einflussreiche Leute ihm nahegelegt hätten das Land zu verlassen. Nach ein paar Tagen Istanbul befindet er sich wohl jetzt in Thailand (ein anderes Visum-freies Land), hier versteckt er sich tatsächlich, ich habe noch keine Interviews mit ihm gesehen.
Bei so vielen offenen Fragen, ist es klar, dass alle möglichen Theorien blühen, wobei selbst seriöse Journalisten, die durchaus was zu verlieren haben, wie Julia Ladynina (für die, die sie nicht kennen, sie war die erste russische Journalistin, die die Zahl der Todesopfer in russisch-georgischen Krieg stark bezweifelte und nach unten korrigierte) behauptet, dass auf dem Schiff illegale Waffen geschmuggelt wurden. Die Rede ist manchmal von Flugabwehrraketen für Iran oder Syrien, oder von Flugzeugraketen für biologisch-chemische Massenvernichtungswaffen, bis zu Marschflugkörpern für palästinensische Terroristen aus der russischen Produktion. Alle diese Waffen sollen in Kaliningrad während der Reparaturarbeiten ans Bord gebracht worden sein. Doch die finnische Beladefirma behauptet, dass das Schiff leer gewesen sei. Die Meinungen gehen auch auseinander, ob die russische Regierung davon von vornherein was wusste, oder erst später davon erfuhr und grosse Flugzeuge schickte, um das Zeug wieder mitzunehmen. Angenommen es war wirklich der Fall, das erklärt auch die grossen Anstrengungen Russlands mit den Atom-U-Booten. Doch warum hängen es die Russen dann an die grosse Glocke? Ist so was nicht eher peinlich und soll unter allen Umständen vertuscht werden? Und wie passen die estnischen Amateurpiraten dazu? Und wenn man wirklich Iran mit Waffen versorgen möchte, warum muss es über Algerien, an Israel vorbei nach Iran geschmuggelt werden, wenn das Kaspische Meer doch viel näher ist?
Es könnte irgendwas kleines sein, was man leicht verstecken kann und trotzdem einen grossen Wert hat. Doch braucht man für so was wirklich ein Schiff, per Flugzeug notfalls im Diplomatengepäck sind solche Sachen genauso transportierbar.
Aus obergenannten Gründen kann man Transport von etwas regierungswichtigem ausschliessen. Und die Reaktion Russlands kann man mit purem Populismus und politischen Berechnungen erklären. Schon während des Süd-Ossetischen Konflikts hat Russland erklärt, keinen russischen Staatsbürger im Stich zu lassen. Der Fall Arctic Sea war ideal, diese Strategie nochmals lautstark zu bekräftigen. Sehr passend dazu wurde gestern ein Gesetz in der ersten Lesung verabschiedet, der es den russischen Streitkräften erlauben würde, andere Länder zu betreten, ohne diesem Land Krieg zu erklären, um die in Schwierigkeiten sich befindende russische Staatsbürger zu retten. Arctic Sea war PR für dieses Gesetz.
Die zweite Theorie ist Transport von Drogen oder anderen illegalen Sachen, die aber nicht Interessen von Staaten betreffen. Wiedermal ist es unklar, wie grosse Mengen Drogen aufs Schiff gekommen sein können. Auch stellt sich die Frage, was die Angreifer denn vorhatten? Warum war es notwendig mit dem Schiff nach Afrika zu schwimmen? Wo sind die Drogen jetzt?
Die dritte Theorie, die mit Vorliebe von estnischen Politikern erzählt wird, ist die Vermutung, Russland hat diesen Zwischenfall inszeniert, um die militärische Präsenz in der Ostsee zu erhöhen, auch in Hinblick auf Nordstream-Pipeline Projekt. Das setzt voraus, dass russischer Geheimdienst mit "Piraten" aus Estland zusammengearbeitet hätte, was eine schallende Ohrfeige für KAPO bedeuten würde, wenn sie so was übersehen hätte. Für eine Inszenierung hätte es komplett gereicht, das Schiff pro forma zu besetzen und ein paar Tage in der Ostsee zu driften, um sich dann von der russischen Marine festnehmen zu lassen, die ganze Jagd in Atlantik und vor allen die Durchfahrt dorthin wäre komplett unnötig und viel zu gefährlich gewesen. Ausserdem scheint Russland bisher mit Beschuldigungen jeglicher Art stillzuhalten.
Die vierte Theorie ist Geiselnahme und evtl. Versicherungsbetrug. Wie stolitsa.ee schreibt, ist bekannt, dass die Schiffseigentümer zerstritten sind und die Firma grosse finanzielle Sorgen hat. Deswegen war evtl. der Plan, das Schiff zu kapern, nach Afrika zu schwimmen, es dort zu verkaufen und Teile der Mannschaft das nicht in den Plan eingeweiht ist, zu töten oder Lösegeld für sie zu verlangen. Damit passen einige Puzzle-Stücke. Entweder der Kapitän, oder einer der hochrangigen Offiziere waren in den Plan eingeweiht, sie gaben die Koordinaten für die Piraten durch, die notwendig waren, um das Schiff zu finden und den Rest der Mannschaft zu überwältigen. Vielleicht wussten gar nicht alle Piraten, auf was sie sich da einlassen. Der hochrangige Mitwisser konnte das Schiff in Atlantik rausnavigieren und dann die Ortung ausschalten. Doch womit keiner gerechnet hat, war die Tatsache, dass die Entführung früher bekannt wurde und Russland Arctic Sea zur Demonstration seiner neuen Politik erwählt hat. Viel hat die Besatzung Michail Vojtenko zu verdanken, durch den der Fall Arctic Sea überhaupt bekannt wurde. Doch seine Theorien über Waffen an Bord, passten nicht ins Konzept, also wurde beschlossen, ihn mit psychischen Terror zum Schweigen zu bringen, was auch gelungen ist. Die russische Opposition hat sich blamiert, indem es unbegründete wilde Theorien in die Welt setzte und die russische Flotte hat sich mit Ruhm bedeckt.
Beenden möchte ich diesen Artikel mit einem Zitat aus dem Film Burn After Reading, die Schlussszene:
Kabinett CIA
Chef: Leck mich am Arsch, und was lernen wir daraus Palmer?
Palmer: Ich weiss es nicht Sir
Chef: Scheisse, Ich weiss es auch nicht. Schätze wir sollten das nicht wiederholen
Palmer: Ja, Sir
Chef: Wenn ich nur wüsste was eigentlich
Palmer: Ja, Sir, das ist schwer zu sagen
Chef: Gott, was für ein Riesenscheissdreck
Am 08.08 hat die Zeitschrift "Морской Бюллетень Совфрахт" (See Bulletin Sovfracht) mit dem Hauptredakteur Michail Vojtenko berichtet, dass das Schiff Arctic Sea (Tragfähigkeit 4706 Tonnen, gebaut in Türkei 1992, 97.80m Länge), der unter maltesischer Flagge fährt und zwei russische Eigentümer hat, vermisst wird. Das Schiff sollte am 2-3-4(?).August den algerischen Hafen Bedjaia erreichen, ist dort aber nicht angekommen. Das Schiff hatte am 23.Juli Holz (Eigentum der finnisch-schwedischen Firma Enso Oyi, der größte europäische Papierproduzent) im finnischen Hafen Pietarsaari geladen, die finnische Firma Botnia Shipping, die die Beladung durchgeführt hat, sagte aus, dass das Schiff komplett unbeladen war. Davor wurde das Schiff in Kaliningrad repariert. Der Wert der Holzladung beläuft sich auf 1.3 Mio. EUR. Auf dem Schiff war eine 15-köpfige Besatzung, alles Staatsbürger der Russischen Föderation, die jedoch wohl zum ersten Mal in der Ostsee waren, normalerweise waren sie in der Nordsee, oder Schwarzem Meer eingesetzt. Ab jetzt wird vieles unklar.
Wie Daily Telegraph berichtet, wurde am 24.Juli das Schiff von 8-10 bewaffneten Männern geentert. Sie kamen mit einem Gummiboot mit der Aufschrift "police", stellten sich als Drogenfahnder vor und sprachen schlechtes Englisch. Angeblich wurde eine Nachricht darüber von der Besatzung an die Schiffseigentümer geschickt, woraufhin sie Polizei informierten. Ausserdem entstand der Eindruck, dass die Angreifer nachdem sie das Schiff durchsucht und die Teile der Besatzung verletzten, das Schiff verlassen haben. Ebensowenig klar ist, warum Schweden in dessen Territoralgewässern das Schiff sich zu dem Zeitpunkt befunden hat, nicht reagiert hat. Es scheint, dass man nichts Verdächtiges feststellen konnte, die Position des Schiffes wurde korrekt durchgegeben, es gab keine Alarmsignale und die Erkennung des Schiffes (das so genannte AIS-System) wurde nicht ausgeschaltet.
Die Abschaltung erfolgte wohl erst, nachdem das Schiff den Ärmel-Kanal passiert hat, also am 29.Juli.
Am 12.08 haben Verwandte der vermissten Seemänner einen offenen Brief an Ministerpräsident Putin geschrieben in dem sie ihn um Hilfe baten. Am selben Tag gibt Präsident Medwedjew einen Befehl an den Verteidigungsminister Anatolij Serjukov alle erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, um das verschwundene Schiff zu finden. An der Suche nahmen angeblich zwei atomare U-Boote teil, plus die Anti-Uboot-Fregatte Ladnyj.
Am 14. August wurde das Schiff in der Nähe von West-Afrikanischen Inselgruppe Kape Verde von der Küstenwache gesichtet. Am 15. August wurde bekannt, dass bei den Schiffseigentümern Geldforderung in Höhe von 1.5 Mio. EUR eingegangen ist. Falls das Geld nicht bezahlt werde, wird man das Schiff versenken und die Mannschaft töten. Am 17. August wurde das Schiff von Besatzung des Anti-Uboot-Fregatte Ladnyj gestürmt und sie überwältigten die "Piraten", die in ihren Kajüten waren, ohne einen einzelnen Schuss abzugeben. Ein interessanter Fakt ist auch, dass nachdem Ladnyj über Funk um die Identifizierung des Schiffes gebeten hat, kam als Antwort, dass es sich um ein nordkoreanisches Schiff mit einer Ladung Palmenholz handle. Nachdem die Überprüfung ergeben hat, dass das tatsächlich existierende nordkoreanische Schiff in einem angolanischen Hafen liegt, wurde ein Boot zum Schiff geschickt, die Besatzung des Bootes überwältigte dann die "Piraten". Die "Piraten" und 11 Mann der Besatzung wurden mit zwei IL-76 (eines der größten Transportflugzeuge) nach Moskau gebracht und ins Gefängnis Lefortovo verlegt. Vier Besatzungsmitglieder blieben auf dem Schiff, das nach Novorossijsk (russischer Hafen am Schwarzen Meer) bugsiert wird. Angeblich ist das Schiff beschädigt (durch was und wie schwer)? Zur Zeit wird das Schiff von russischen Experten untersucht, bisher haben laut Berichten nichts Verdächtiges gefunden. Nachdem die 11 Mann der Besatzung einige Tage von der Öffentlichkeit isoliert wurden, konnten 8-9(?) von ihnen inzwischen nach Archangelsk zu ihren Familien zurückkehren. Jedoch weigern sie sich Journalisten Interviews zu geben.
Jetzt zu den "Piraten". Inzwischen sind die Namen bekannt. Es sind Evgenij Mironov (31), Dmitrij Savin, Vitalij Lepin, Andrej Lunev (44), Dmitrij Bartenev (41), Aleksej Buleev (30), Igor Borisov (45) und Aleksej Andrjushin (28). Mironov ist estnischer Staatsbürger, Lepin lettischer Staatsbürger, Bartenev und Lunev sind russische Staatsbürger, die in Estland leben, Borisov, Buleev und Savin sind staatenlos, leben aber in Estland, die Staatsbürgerschaft von Andrjushin ist unklar, er lebte wohl auch in Estland oder Lettland. Wie die russische Presse schreibt, gaben sie folgende Version der Geschehnisse zu Protokoll: Sie sind Ökologen und starteten in Pärnu. Als ihnen Benzin ausgegangen ist, sind sie an Bord von Arctic Sea gekommen und fragten den Kapitän, ob er sie an einem europäischen Hafen absetzen könnte. Das hat der Kapitän jedoch verneint und hat sie mit nach Westafrika mitgenommen (Jack Londons Seewolf lässt grüßen). Direkt nachdem die Namen bekannt wurde, hat die KAPO die Wohnungen der Beschuldigten in Lasnamäe durchsucht und wie der Bruder von Dimitrij Bartenev, Aleksej sagte, wurde der Computer und einige persönliche schriftliche Aufzeichnungen mitgenommen. Laut dem Bruder, der auch einige andere der "Piraten" kannte, hatten sie vor am 17. Juli nach Spanien zu fahren, um dort Geld zu verdienen. Wie die estnische Staatsanwaltschaft berichtet hat (grobe Verletzung des Datenschutzes übrigens), waren zwei von ihnen vorbestraft und sassen im Gefängnis, Mironov wegen Totschlags, Bartenev wegen Fahren im betrunkenen Zustand, die anderen hatten Probleme mit Justiz wegen kleineren Vergehen. Verschiedene Zeitungen fanden andere Bekannte der "Piraten", keiner von ihnen konnte sich eine Aktion solchen Massstabes von diesen Leuten vorstellen, soweit ich verstanden habe, hatte keiner von ihnen grosse Seefahrtserfahrung.
Soweit die Fakten. Sie werfen eine Menge Fragen auf, die ich in chronologischen Folge zu stellen versuche:
1. Woher wussten die Piraten, wo das Schiff sich befunden hat? Es war dunkel, die Frachtschiffe sehen sich zum Verwechseln ähnlich aus
2. Warum hat der Kapitän nicht VORHER der Küstenwache bescheid gegeben, dass er Leute an Bord nehmen wird? Laut estnischen Seefahrtexperten ist es eine Standardprozedur.
3. Wie wahrscheinlich ist es, dass die "Piraten" tatsächlich mit einem Gummiboot aus Pärnu sich nach Schweden aufmachen? Russisch-sprachige Männer, die aus Estland in den See stechen, erregen weniger Verdacht, als in Schweden oder Finnland, aber trotzdem ist es ein grosses Risiko. Und wie gesagt, viel Seefahrterfahrung hatten die Leute nicht.
4. Wenn die Piraten bewaffnet waren, hatten sie die Waffen noch, als die Leute von Ladnyj das Schiff stürmten? Oder haben sie die Waffen weggeworfen, damit sie die Ökologen-Story besser erklären können?
5. Woher kamen die Gerüchte auf, dass das Schiff von Piraten verlassen wurde? Warum passierte nichts zwischen 24-29. Juli? Nach einem Piratenangriff hätte das Schiff doch sofort den nächsten Hafen anlaufen müssen, wegen polizeilichen Untersuchung und evtl. ärztlicher Hilfe, denn Teil der Besatzung wurde ja zusammengeschlagen? Wenn das nicht geschehen war, warum hat kein Anrainerstaat reagiert?
6. Wie hat ein Schiff unter fremdem Kommando es geschafft von der Ostsee in die Nordsee und danach durch Ärmelkanal ins Atlantik zu kommen, ohne dass eines der Anrainerstaaten Lunte gerochen hätten?
7. Laut estnischen Experten haben heutige Schiffe mind. 2x-fach abgesicherte Alarmsysteme, deren Abschaltung alles andere als trivial ist. Also müssen die Angreifer gute Elektronik-Kenntnisse gehabt haben, um beide Systeme zu überlisten.
8. Wo war das Schiff zwischen 29.Juli und 14.August? Warum verliess es nicht die Kabo-Verdschen Inseln zwischen 14-17. August? Wurde da irgendwas abgewartet?
Jetzt ein paar Fragen zu Verhalten Russlands
9. Wie erklärt man, dass die Suche nach einem unbedeutendem Schiff sowohl den Ministerpräsidenten, als auch Präsidenten Russlands beschäftigt? Medvedev beauftragt medienwirksam den Verteidigungsminister nach dem Schiff zu suchen, er schickt Atom-U-Boote (die angeblich von der amerikanischen Küste abgezogen wurden) und Fregatten der Schwarzmeerflotte. Ist das nicht etwas Overkill?
10. Ist es nicht Overkill gleich 2 der größten Transportmaschinen nach Kapo Verde zu schicken, um 20-30 Leute abzuholen?
11. Recht primitiv ist dagegen der Trick, den Akt der Piraterie aus den schwedischen Territorialgewässern in internationales Gewässer zu verlagern, damit sich die Schweden nicht möglicherweise einmischen.
12. Ist es vielleicht auch ein Trick, 4 Leute der Besatzung auf Arctic Sea zu lassen? Es sind die Leute, die, falls es Komplizen an Bord gab, noch am ehesten in Frage kommen könnten. Dazu passt es, dass sie wohl nicht frei nach Hause telefonieren dürfen. Ausserdem sind 2 oder 3 Mitglieder der nach Moskau ausgeflogenen Mannschaft nicht nach Archangelsk zu ihren Familien zurückgekehrt.
13. Russland hat zugegeben, dass sie die ganze Zeit über den Verbleib des Schiffs wusste, es war wohl auch eine Zusammenarbeit von 20 Geheimdiensten, die ständig Informationen ausgetauscht haben. Warum wurde nicht früher eingegriffen? Wurde Zermürbungstaktik gewählt? Einfach abgewartet, bis Piraten müde und unachtsam werden? Normalerweise sind die russischen Sondereinsatzkräfte bei der Befreiung von Geiseln nicht sehr zimperlich.
14. Was passierte mit dem Hauptredakteur von See Bulletin Michail Vojtenko? Nach seinen Berichten über Arctic Sea, flüchtete er plötzlich in die Türkei (ein Land ohne Visum-Pflicht für Russen), wo er noch lautstark Interviews gab, dass einflussreiche Leute ihm nahegelegt hätten das Land zu verlassen. Nach ein paar Tagen Istanbul befindet er sich wohl jetzt in Thailand (ein anderes Visum-freies Land), hier versteckt er sich tatsächlich, ich habe noch keine Interviews mit ihm gesehen.
Bei so vielen offenen Fragen, ist es klar, dass alle möglichen Theorien blühen, wobei selbst seriöse Journalisten, die durchaus was zu verlieren haben, wie Julia Ladynina (für die, die sie nicht kennen, sie war die erste russische Journalistin, die die Zahl der Todesopfer in russisch-georgischen Krieg stark bezweifelte und nach unten korrigierte) behauptet, dass auf dem Schiff illegale Waffen geschmuggelt wurden. Die Rede ist manchmal von Flugabwehrraketen für Iran oder Syrien, oder von Flugzeugraketen für biologisch-chemische Massenvernichtungswaffen, bis zu Marschflugkörpern für palästinensische Terroristen aus der russischen Produktion. Alle diese Waffen sollen in Kaliningrad während der Reparaturarbeiten ans Bord gebracht worden sein. Doch die finnische Beladefirma behauptet, dass das Schiff leer gewesen sei. Die Meinungen gehen auch auseinander, ob die russische Regierung davon von vornherein was wusste, oder erst später davon erfuhr und grosse Flugzeuge schickte, um das Zeug wieder mitzunehmen. Angenommen es war wirklich der Fall, das erklärt auch die grossen Anstrengungen Russlands mit den Atom-U-Booten. Doch warum hängen es die Russen dann an die grosse Glocke? Ist so was nicht eher peinlich und soll unter allen Umständen vertuscht werden? Und wie passen die estnischen Amateurpiraten dazu? Und wenn man wirklich Iran mit Waffen versorgen möchte, warum muss es über Algerien, an Israel vorbei nach Iran geschmuggelt werden, wenn das Kaspische Meer doch viel näher ist?
Es könnte irgendwas kleines sein, was man leicht verstecken kann und trotzdem einen grossen Wert hat. Doch braucht man für so was wirklich ein Schiff, per Flugzeug notfalls im Diplomatengepäck sind solche Sachen genauso transportierbar.
Aus obergenannten Gründen kann man Transport von etwas regierungswichtigem ausschliessen. Und die Reaktion Russlands kann man mit purem Populismus und politischen Berechnungen erklären. Schon während des Süd-Ossetischen Konflikts hat Russland erklärt, keinen russischen Staatsbürger im Stich zu lassen. Der Fall Arctic Sea war ideal, diese Strategie nochmals lautstark zu bekräftigen. Sehr passend dazu wurde gestern ein Gesetz in der ersten Lesung verabschiedet, der es den russischen Streitkräften erlauben würde, andere Länder zu betreten, ohne diesem Land Krieg zu erklären, um die in Schwierigkeiten sich befindende russische Staatsbürger zu retten. Arctic Sea war PR für dieses Gesetz.
Die zweite Theorie ist Transport von Drogen oder anderen illegalen Sachen, die aber nicht Interessen von Staaten betreffen. Wiedermal ist es unklar, wie grosse Mengen Drogen aufs Schiff gekommen sein können. Auch stellt sich die Frage, was die Angreifer denn vorhatten? Warum war es notwendig mit dem Schiff nach Afrika zu schwimmen? Wo sind die Drogen jetzt?
Die dritte Theorie, die mit Vorliebe von estnischen Politikern erzählt wird, ist die Vermutung, Russland hat diesen Zwischenfall inszeniert, um die militärische Präsenz in der Ostsee zu erhöhen, auch in Hinblick auf Nordstream-Pipeline Projekt. Das setzt voraus, dass russischer Geheimdienst mit "Piraten" aus Estland zusammengearbeitet hätte, was eine schallende Ohrfeige für KAPO bedeuten würde, wenn sie so was übersehen hätte. Für eine Inszenierung hätte es komplett gereicht, das Schiff pro forma zu besetzen und ein paar Tage in der Ostsee zu driften, um sich dann von der russischen Marine festnehmen zu lassen, die ganze Jagd in Atlantik und vor allen die Durchfahrt dorthin wäre komplett unnötig und viel zu gefährlich gewesen. Ausserdem scheint Russland bisher mit Beschuldigungen jeglicher Art stillzuhalten.
Die vierte Theorie ist Geiselnahme und evtl. Versicherungsbetrug. Wie stolitsa.ee schreibt, ist bekannt, dass die Schiffseigentümer zerstritten sind und die Firma grosse finanzielle Sorgen hat. Deswegen war evtl. der Plan, das Schiff zu kapern, nach Afrika zu schwimmen, es dort zu verkaufen und Teile der Mannschaft das nicht in den Plan eingeweiht ist, zu töten oder Lösegeld für sie zu verlangen. Damit passen einige Puzzle-Stücke. Entweder der Kapitän, oder einer der hochrangigen Offiziere waren in den Plan eingeweiht, sie gaben die Koordinaten für die Piraten durch, die notwendig waren, um das Schiff zu finden und den Rest der Mannschaft zu überwältigen. Vielleicht wussten gar nicht alle Piraten, auf was sie sich da einlassen. Der hochrangige Mitwisser konnte das Schiff in Atlantik rausnavigieren und dann die Ortung ausschalten. Doch womit keiner gerechnet hat, war die Tatsache, dass die Entführung früher bekannt wurde und Russland Arctic Sea zur Demonstration seiner neuen Politik erwählt hat. Viel hat die Besatzung Michail Vojtenko zu verdanken, durch den der Fall Arctic Sea überhaupt bekannt wurde. Doch seine Theorien über Waffen an Bord, passten nicht ins Konzept, also wurde beschlossen, ihn mit psychischen Terror zum Schweigen zu bringen, was auch gelungen ist. Die russische Opposition hat sich blamiert, indem es unbegründete wilde Theorien in die Welt setzte und die russische Flotte hat sich mit Ruhm bedeckt.
Beenden möchte ich diesen Artikel mit einem Zitat aus dem Film Burn After Reading, die Schlussszene:
Kabinett CIA
Chef: Leck mich am Arsch, und was lernen wir daraus Palmer?
Palmer: Ich weiss es nicht Sir
Chef: Scheisse, Ich weiss es auch nicht. Schätze wir sollten das nicht wiederholen
Palmer: Ja, Sir
Chef: Wenn ich nur wüsste was eigentlich
Palmer: Ja, Sir, das ist schwer zu sagen
Chef: Gott, was für ein Riesenscheissdreck
Mittwoch, August 26, 2009
Appeal to the progressive world community
24th of August, 2009, Vilnius, Lithuania
On the signs of revanshisme and fascisme in Lithuania
On 9th of June, 2009 the Parliament of the Republic of Lithuania gave his initial approval, and at the autumn session which starts in September it plans the final approval of the amendments to the Penal Code of Lithuania which will criminalise public approval, negation,belittling or justification of "genocide committed by communism and fascisme". The draft amendments, if approved, will also criminalise the public "blackmail" of so-called "members of Lithuania's freedom fights movement - volunteer fighters, who in the years 1944 - 1953 were fighting with weapons against soviet occupation". The amendments to the article 154 of the Penal Code, submitted by members of the party "Homeland Union - Lithuanian Christian democrats" Paulius Saudargas and Petras Luomanas, foresee a fine, or a limitation of person's freedom, or arrest, or jailing for up to 3 years.
If these amendments come into force, the Parliament of the Republic of Lithuania, which is currently dominated by Homeland Union - Lithuanian Christian democrats, will: a) equally treat communism and fascisme which are incomparable; b) forbid to raise doubts about the reputation and investigate the biographies of members of so-called "Lithuania's freedom fights movement", although a big part of them were nazi collaborators and took part in mass killings of civil population of Lithuania during the WW II thus committing crime against humanity; many of them, having no choice as the war was coming to its end, were trained by the retreating nazi army and special services for the diversion ant terrorist fights, which they perpetrated also during
the post-war years, mainly against the civilians.
Bearing all this in mind, the mentioned amendments should be regarded as signs of revanshisme and fascisme, as a direct assault against freedom of opinion and human rights, to which there should be a categorical negative reaction. One cannot allow the coming into force of the amendments. The political party "Frontas" and Socialist party of Lithuania appeal to all progressive organisations in the world, to all Parliaments and Governments, to human rights organisations, in particular to those that chase and help bringing to justice hiding war criminals and those that committed crimes against humanity, with the request to react to the intentions of the Parliament of the Republic of Lithuania to approve the mentioned amendments to the Penal Code, by using all possible legal pressure and influence so that the regrettable and shameful amendments do not come into force. We suggest and immediate creation of International Commission for investigation of biographies of "members of Lithuania's freedom fights movement", investigating on a case by case basis and without bias, using information available in different countries. Only by going this way shall we stop the resurrection of facsisme and revanchisme.
Presidium of the political party "Frontas" Board of Socialist
party of Lithuania
Contacts: + 370 698 772 42; + 370 686 902 93; algirdas.paleckis@gmail.com
On the signs of revanshisme and fascisme in Lithuania
On 9th of June, 2009 the Parliament of the Republic of Lithuania gave his initial approval, and at the autumn session which starts in September it plans the final approval of the amendments to the Penal Code of Lithuania which will criminalise public approval, negation,belittling or justification of "genocide committed by communism and fascisme". The draft amendments, if approved, will also criminalise the public "blackmail" of so-called "members of Lithuania's freedom fights movement - volunteer fighters, who in the years 1944 - 1953 were fighting with weapons against soviet occupation". The amendments to the article 154 of the Penal Code, submitted by members of the party "Homeland Union - Lithuanian Christian democrats" Paulius Saudargas and Petras Luomanas, foresee a fine, or a limitation of person's freedom, or arrest, or jailing for up to 3 years.
If these amendments come into force, the Parliament of the Republic of Lithuania, which is currently dominated by Homeland Union - Lithuanian Christian democrats, will: a) equally treat communism and fascisme which are incomparable; b) forbid to raise doubts about the reputation and investigate the biographies of members of so-called "Lithuania's freedom fights movement", although a big part of them were nazi collaborators and took part in mass killings of civil population of Lithuania during the WW II thus committing crime against humanity; many of them, having no choice as the war was coming to its end, were trained by the retreating nazi army and special services for the diversion ant terrorist fights, which they perpetrated also during
the post-war years, mainly against the civilians.
Bearing all this in mind, the mentioned amendments should be regarded as signs of revanshisme and fascisme, as a direct assault against freedom of opinion and human rights, to which there should be a categorical negative reaction. One cannot allow the coming into force of the amendments. The political party "Frontas" and Socialist party of Lithuania appeal to all progressive organisations in the world, to all Parliaments and Governments, to human rights organisations, in particular to those that chase and help bringing to justice hiding war criminals and those that committed crimes against humanity, with the request to react to the intentions of the Parliament of the Republic of Lithuania to approve the mentioned amendments to the Penal Code, by using all possible legal pressure and influence so that the regrettable and shameful amendments do not come into force. We suggest and immediate creation of International Commission for investigation of biographies of "members of Lithuania's freedom fights movement", investigating on a case by case basis and without bias, using information available in different countries. Only by going this way shall we stop the resurrection of facsisme and revanchisme.
Presidium of the political party "Frontas" Board of Socialist
party of Lithuania
Contacts: + 370 698 772 42; + 370 686 902 93; algirdas.paleckis@gmail.com
Dienstag, August 25, 2009
Zentrale EU-Sicherheitsdatenbank in Estland?
Laut heise.de bewirbt sich Estland als einziges EU-Land als Standort für die geplante "Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen" im Bereich Innere Sicherheit. Neben dem Schengener Informationssystem (SIS, künftig SIS II) mit seinen allgemeinen Fahndungsdaten sind von Anfang an das "Visa-Informationssystem" (VIS) und das EURODAC-Register dabei. In den beiden Datenbanken werden biometrische Merkmale von Einreisenden aus Nicht-Mitgliedsstaaten beziehungsweise Fingerabdrücke von Asylbewerbern und illegalen Einwanderern gespeichert. Später soll der Zentralstelle das Management von weiteren Datenbanken und IT-Großsystemen im Bereich "Freiheit, Sicherheit und Recht" übertragen werden.
Nachdem ich das gelesen habe, musste ich nur durch meine im Laufe der Jahre zusammengekommene Artikel durchgehen und folgende Links raussuchen, wie in Estland mit Daten umgegangen wird und wer alles auf diese höchstsensiblen Daten aus ganz Europa Zugriff haben wird:
Einreiseverbot für Bürger aus Schengen-Staaten
Mundtotmachung von unbequemen Journalisten
Analyse des Jahresberichts der KAPO
Vetternwirtschaft bei den Sicherheitsorganen
Propaganda um jeden Preis
Einschüchterung von politischen Gegnern
Totale Überwachung durch die KAPO
Noch nicht erwähnt sind die zahlreichen Skandale im Zusammenhang mit Zuspielen von geheimen Informationen an die Presse, um den politischen Gegner zu schaden, der laute Spionage-Skandal um Herman Simm der für Russland spionierte und die engsten Verbindungen nach USA, die sich für diese Art von Daten auch brennend interessieren würden.
Ich bin normalerweise nicht pathetisch, doch das ist eine Sache gegen die es sich zu Kämpfen lohnt. Es reicht nicht, dass so eine Datenbank für alle Europäer überhaupt angelegt wird, die eventuelle Entscheidung sie in so einem Land zu installieren in dem das Wort Datenschutz und -nichtweitergabe nur auf dem Papier steht und jetzt schon klar ist, dass die Datensicherheit kaum gewährleistet werden kann, der gröbste Fehler der EU werden kann, den man sich überhaupt vorstellen kann.
Hiermit kündige ich an, mit allen mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dagegen vozugehen, dass diese Entscheidung zugunsten Estlands gefällt wird und bitte meine Leser um Unterstützug. Spread the word, schreibt alle politischen und gesellschaftlichen Organisationen an, die ihr kennt, damt diese Entscheidung nicht getroffen wird.
Euer kloty
Nachdem ich das gelesen habe, musste ich nur durch meine im Laufe der Jahre zusammengekommene Artikel durchgehen und folgende Links raussuchen, wie in Estland mit Daten umgegangen wird und wer alles auf diese höchstsensiblen Daten aus ganz Europa Zugriff haben wird:
Einreiseverbot für Bürger aus Schengen-Staaten
Mundtotmachung von unbequemen Journalisten
Analyse des Jahresberichts der KAPO
Vetternwirtschaft bei den Sicherheitsorganen
Propaganda um jeden Preis
Einschüchterung von politischen Gegnern
Totale Überwachung durch die KAPO
Noch nicht erwähnt sind die zahlreichen Skandale im Zusammenhang mit Zuspielen von geheimen Informationen an die Presse, um den politischen Gegner zu schaden, der laute Spionage-Skandal um Herman Simm der für Russland spionierte und die engsten Verbindungen nach USA, die sich für diese Art von Daten auch brennend interessieren würden.
Ich bin normalerweise nicht pathetisch, doch das ist eine Sache gegen die es sich zu Kämpfen lohnt. Es reicht nicht, dass so eine Datenbank für alle Europäer überhaupt angelegt wird, die eventuelle Entscheidung sie in so einem Land zu installieren in dem das Wort Datenschutz und -nichtweitergabe nur auf dem Papier steht und jetzt schon klar ist, dass die Datensicherheit kaum gewährleistet werden kann, der gröbste Fehler der EU werden kann, den man sich überhaupt vorstellen kann.
Hiermit kündige ich an, mit allen mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dagegen vozugehen, dass diese Entscheidung zugunsten Estlands gefällt wird und bitte meine Leser um Unterstützug. Spread the word, schreibt alle politischen und gesellschaftlichen Organisationen an, die ihr kennt, damt diese Entscheidung nicht getroffen wird.
Euer kloty
Dienstag, Juli 28, 2009
Sinimäe, 26.07.09
Vergangenes Wochenende fand die alljährliche Versammlung der Veteranen der Waffen-SS in Sinimäe (Estland) statt. Dieses Jahr wurde das 65. Jubiläum der Kampfhandlungen gegen die Rote Armee bedacht, deswegen kamen mehr Teilnehmer als üblich (die Zahlen schwanken zwischen 400-1500). Neben den estnischen Veteranen, Parlamentsabgeordneten Trivimi Velliste und Mitgliedern der estnischen Armee, nahmen auch Vertreter aus anderen baltischen Ländern, Holland, Norvegen, Dänemark und sogar Georgien teil. Die Organisation hat eine Jugendorganisation "Club der Freunde des Estnischen Legions" übernommen, für Nachwuchs ist also gesorgt. Das Gelände wurde gesperrt, nur eingeladene Personen hatten Eintritt, Journalisten aus Russland werden nicht durchgelassen, die Bewachung übernimmt neben der estnischen Polizei, eine privates Sicherheitsunternehmen.
Die Protestveranstaltung der antifaschistischen Organisationen aus Estland, Lettland und Finnland, bei der sich die Protestierenden als KZ-Häftline verkleidet haben und mit Schildern an die Geschehnisse im KZ Klooga erinnern wollten, wurden von der Polizei daran gehindert. Mehrere Teilnehmer aus Lettland wurden festgenommen und als unerwünschte Personen vom Grenzschutz nach Lettland zurückgebracht.
Gemeinsame Erklärung der baltischen Antifaschisten
Jährlich werden in Estland Versammlungen ehemaliger SS-Mitglieder abgehalten, Kollaborateure, die während des zweiten Weltkrieges auf der Seite der Hitler-Armee gekämpft haben, die der Welt und Europa millionenfache Opfer und Zerstörungen gebracht hat. Kein Land der Welt erlaubt oder begrüßt solche Versammlungen auf seinem Territorium, nur in Estland und Lettland mit dem schweigenden Einverständnis der Regierung und ihrer Gleichgesinnter, mehr noch, mit der Teilnahme der Vertreter der Exekutive sind solche Veranstaltungen erst möglich geworden.
Diese Feier, die nicht nur Veteranen der SS-Kräfte, sondern auch alle Anhänger der nazistischen und neonazistischen Ideologien aus verschiedenen Ländern anziehen, wurden ein Infektionsherd der für die Welt und Menschheit todgefährlichen Ideen.
Die UNO-Generalversammlung hat in ihren Resolutionen mehrfach diese Länder aufgerufen, solche Versammlungen nicht zuzulassen. Doch ignorieren die Regierungen Estlands und Lettlands die Resolutionen dieser mächtigen Organisation. Umgekehrt versucht die estnische Exekutive tüchtig die Aktivitäten der antifaschistischen Organisationen zu verhindern, die gegen die Durchführung von Festivitäten, die die nazistische Vergangenheit feiern, vorgehen.
Die Aktivisten der antifaschistischen Bewegungen aus Nachbarländern werden a priori als Personen "non grata" erklärt, die den estnischen Staat bedrohen würden und werden aus dem Land abgeschoben. Die Regierung Estlands schafft es in die "schwarze Schengen-Liste" (SIS) Bürger der Schengen-Zone einzutragen, die hier geboren sind und ständigen Wohnsitz haben. Dies ist nicht nur eine Verletzung der Bürgerrechte und Freiheiten, sondern auch des Schengen-Abkommens, das für die Teilnehmer-Länder verpflichtend sind. Die Aktivisten der antifaschistischen Bewegung Estlands werden ständigen Repressionen und Verfolgungen ausgesetzt.
So wurden auch in diesem Jahr unbegründet, wegen "Personenkontrolle", die Aktivisten der Bürgerbewegung "Notchnoj Dozor" und Mitglieder des finnischen antifaschistischen Komitees festgehalten, obwohl sie legale, über jeden Zweifel erhabene estnische Dokumente vorgezeigt haben, die lettischen Antifaschisten wurden einfach des Landes verwiesen.
In ihren Pressemitteilungen bezeichnen die Leiter des estnischen Innenministeriums die Aktivisten der antifaschistischen Bewegung nicht anders als "Extremisten", obwohl keiner von ihnen weder in ihrem eigenen Land, noch auf dem estnischen Gebiet sich hat was zuschulden kommen lassen, die Organisation "Notchnoj Dozor" wurden von der höchsten Instanz des Estnischen Gerichts komplett freigesprochen. Gleichzeitig erzeugt die estnische Exekutive für die aus ganz Europa auf die SS-Versammlungen angereisten Neonazisten mit allen Kräften ein "Klima der größtmöglichen Unterstützung". Niemals wurde auch nur ein Neonazi, die offen Rassenhass sähen und "die herrliche Nazi-Vergangenheit" propagieren, festgenommen.
Wir finden, dass solche Versammlungen von Nazi-Anhängern in Estland auf Sinimäe, als auch der Marsch der Legionäre im Zentrum von Riga, die Verherrlichung der Nazisten in den Augen der jungen Generation in Estland, eine Gefahr für die Stabilität dieser Länder darstellt und die Werte auf denen eine moderne, tolerante, europäische Gemeinschaft basiert, untergräbt.
Wir erklären, dass die Aktivitäten der estnischen Exekutive gegen unsere Aktivisten ein Verbrechen ist und den menschlichen Grundrechten widerspricht. Die Zusammenstellung der "schwarzen Listen" durch das estnische Innenministerium und die nachfolgende Deportation aus Estland von Personen, die dem regierenden Regime nicht genehm sind, ist ein Erbe des Totalitarismus.
Wir, die Einwohner der Europäischen Union wenden uns an das Europäische Parlament mit der Bitte die Fakten der Heroisierung der Naziverbrecher in Estland und Lettland, die verbrecherischen Versuche der Geschichtsverzerrung und Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und der Fakt der Deportation der EU-Einwohner aus einem EU-Land für ihre antifaschistische Aktivität, zur Kenntnis zu nehmen.
27 Juli 2009
Mitvorsitzender des Lettischen Antifaschistischen Komitees Josif Koren
Geschäftsführer des Arnold Meri estnischen antifaschistischen Komitees Andrej Zarenkov
Vorsitzender des Antifaschistischen Komitees Finnlands Johan Bekman
Mitglied des Führungsgremiums der Organisation Notchnoj Dozor Maksim Reva
Mitglied des Führungsgremiums der Organisation Notchnoj Dozor Dmitrij Linter


Die Protestveranstaltung der antifaschistischen Organisationen aus Estland, Lettland und Finnland, bei der sich die Protestierenden als KZ-Häftline verkleidet haben und mit Schildern an die Geschehnisse im KZ Klooga erinnern wollten, wurden von der Polizei daran gehindert. Mehrere Teilnehmer aus Lettland wurden festgenommen und als unerwünschte Personen vom Grenzschutz nach Lettland zurückgebracht.
Gemeinsame Erklärung der baltischen Antifaschisten
Jährlich werden in Estland Versammlungen ehemaliger SS-Mitglieder abgehalten, Kollaborateure, die während des zweiten Weltkrieges auf der Seite der Hitler-Armee gekämpft haben, die der Welt und Europa millionenfache Opfer und Zerstörungen gebracht hat. Kein Land der Welt erlaubt oder begrüßt solche Versammlungen auf seinem Territorium, nur in Estland und Lettland mit dem schweigenden Einverständnis der Regierung und ihrer Gleichgesinnter, mehr noch, mit der Teilnahme der Vertreter der Exekutive sind solche Veranstaltungen erst möglich geworden.
Diese Feier, die nicht nur Veteranen der SS-Kräfte, sondern auch alle Anhänger der nazistischen und neonazistischen Ideologien aus verschiedenen Ländern anziehen, wurden ein Infektionsherd der für die Welt und Menschheit todgefährlichen Ideen.
Die UNO-Generalversammlung hat in ihren Resolutionen mehrfach diese Länder aufgerufen, solche Versammlungen nicht zuzulassen. Doch ignorieren die Regierungen Estlands und Lettlands die Resolutionen dieser mächtigen Organisation. Umgekehrt versucht die estnische Exekutive tüchtig die Aktivitäten der antifaschistischen Organisationen zu verhindern, die gegen die Durchführung von Festivitäten, die die nazistische Vergangenheit feiern, vorgehen.
Die Aktivisten der antifaschistischen Bewegungen aus Nachbarländern werden a priori als Personen "non grata" erklärt, die den estnischen Staat bedrohen würden und werden aus dem Land abgeschoben. Die Regierung Estlands schafft es in die "schwarze Schengen-Liste" (SIS) Bürger der Schengen-Zone einzutragen, die hier geboren sind und ständigen Wohnsitz haben. Dies ist nicht nur eine Verletzung der Bürgerrechte und Freiheiten, sondern auch des Schengen-Abkommens, das für die Teilnehmer-Länder verpflichtend sind. Die Aktivisten der antifaschistischen Bewegung Estlands werden ständigen Repressionen und Verfolgungen ausgesetzt.
So wurden auch in diesem Jahr unbegründet, wegen "Personenkontrolle", die Aktivisten der Bürgerbewegung "Notchnoj Dozor" und Mitglieder des finnischen antifaschistischen Komitees festgehalten, obwohl sie legale, über jeden Zweifel erhabene estnische Dokumente vorgezeigt haben, die lettischen Antifaschisten wurden einfach des Landes verwiesen.
In ihren Pressemitteilungen bezeichnen die Leiter des estnischen Innenministeriums die Aktivisten der antifaschistischen Bewegung nicht anders als "Extremisten", obwohl keiner von ihnen weder in ihrem eigenen Land, noch auf dem estnischen Gebiet sich hat was zuschulden kommen lassen, die Organisation "Notchnoj Dozor" wurden von der höchsten Instanz des Estnischen Gerichts komplett freigesprochen. Gleichzeitig erzeugt die estnische Exekutive für die aus ganz Europa auf die SS-Versammlungen angereisten Neonazisten mit allen Kräften ein "Klima der größtmöglichen Unterstützung". Niemals wurde auch nur ein Neonazi, die offen Rassenhass sähen und "die herrliche Nazi-Vergangenheit" propagieren, festgenommen.
Wir finden, dass solche Versammlungen von Nazi-Anhängern in Estland auf Sinimäe, als auch der Marsch der Legionäre im Zentrum von Riga, die Verherrlichung der Nazisten in den Augen der jungen Generation in Estland, eine Gefahr für die Stabilität dieser Länder darstellt und die Werte auf denen eine moderne, tolerante, europäische Gemeinschaft basiert, untergräbt.
Wir erklären, dass die Aktivitäten der estnischen Exekutive gegen unsere Aktivisten ein Verbrechen ist und den menschlichen Grundrechten widerspricht. Die Zusammenstellung der "schwarzen Listen" durch das estnische Innenministerium und die nachfolgende Deportation aus Estland von Personen, die dem regierenden Regime nicht genehm sind, ist ein Erbe des Totalitarismus.
Wir, die Einwohner der Europäischen Union wenden uns an das Europäische Parlament mit der Bitte die Fakten der Heroisierung der Naziverbrecher in Estland und Lettland, die verbrecherischen Versuche der Geschichtsverzerrung und Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und der Fakt der Deportation der EU-Einwohner aus einem EU-Land für ihre antifaschistische Aktivität, zur Kenntnis zu nehmen.
27 Juli 2009
Mitvorsitzender des Lettischen Antifaschistischen Komitees Josif Koren
Geschäftsführer des Arnold Meri estnischen antifaschistischen Komitees Andrej Zarenkov
Vorsitzender des Antifaschistischen Komitees Finnlands Johan Bekman
Mitglied des Führungsgremiums der Organisation Notchnoj Dozor Maksim Reva
Mitglied des Führungsgremiums der Organisation Notchnoj Dozor Dmitrij Linter



Mittwoch, Juli 22, 2009
Was für einen litauischen Russen gut ist, ist nicht so gut für den estnischen
Von Andrjus Kaluginas, BaltInfo
In der letzten Zeit spricht man in den baltischen Ländern viel über das Problem der Integration der russisch-sprachigen Bevölkerung in das Leben der Länder. In dieser Beziehung gibt es in allen drei Ländern gemeinsame Tendenzen, aber auch prinzipielle Unterschiede.
Der größte Level der Integration der russisch-sprachigen Bevölkerung in die lokale Umgebung ist in Litauen. Hier erzeugen die Russen, die sich um die Erhaltung ihrer kulturellen Identität sorgen, praktisch nie Gegensätze zu Litauern, ja öfters unterscheiden sie sich kaum von ihnen. In Lettland sind die Russen bereit zur Kooperation und offenem Dialog mit den Letten. Gleichzeitig kann man in Estland bei ihnen völlige Ablehnung, und teilweise offene Konfrontation mit Esten beobachten.
Russen in Litauen und Lettland nehmen vollwertig an dem Leben des Landes teil, wenn auch in unterschiedlichen Bereichen. In Estland ist der Level der Integration sehr niedrig. Das merkt man an den gesellschaftlichen Debatten und in alltäglichen Situationen. Eine typische Situation, die ich in Baltikum beobachtet habe: wenn auf der Strasse in Vilnus zu den zwei miteinander auf Russisch sprechenden ethnischen Russen ein Litauer dazustösst, wird das Gespräch fast immer ohne Probleme auf Litauisch weitergeführt. In ähnlichen Situation in Riga wird der Lette ins Russische wechseln und das Gespräch geht auf Russisch weiter.
In Tallinn ist die russische Sprache unter den Esten wenig verbreitet und zu den zwei auf Estnisch Sprechenden, wird ein ethnischer Russe eher überhaupt nicht dazustossen. Genauso wird ein Este russisch-sprechende Leute auf den Strassen von Narva nicht ansprechen. In diesem Sinne bezeichnend war die Situation, die ich in einem Bus St.Petersburg - Tallinn beobachtet habe. Unter den Reisenden war eine Ausflugsgruppe von Schülern aus Estland, die sich demonstrativ in zwei Lager aufgeteilt hatte - Russen und Esten. Den ganzen Weg lang haben die Jugendliche aus beiden "Clans" böse einander angemacht, jeder in seiner Sprache. Über einen gemeinsamen Austausch von Eindrücken aus Petersburg konnte keine Rede sein. Das heisst im normalen Leben in Lettland und Litauen betrachten sich die Russen und die titelgebende Nationen als Mitglieder einer Gemeinschaft. Das kann man über Estland nicht behaupten, hier gibt es nicht nur strikte Abgrenzung, sondern auch eine prinzipielle Opposition. Russen und Esten nennen einander "die" und verstecken ihre Ambitionen nicht, die teilweise zu Hochmut werden.
Die Mehrheit der ethnischen Russen in Estland lernt aus Prinzip weder die Staatssprache Estnisch, noch die Kommunikationssprache Englisch. Im Süd-Osten des Landes sind diese Sprachen kaum notwendig (dort leben fast nur Russen) und diese Region zu verlassen haben die Einwohner weder den Wunsch noch die Möglichkeit. Auf die Frage über die sprachlichen Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit der Esten, sagt man hier: "Das ist ihr Problem". Und Geschäfte treiben sie entweder zwischeneinander oder mit Russland.
Im gesellschaftlichen Zusammenleben ist der Level der Integration der russisch-sprachigen mit den titelgebenden Nationen in Lettland und Litauen auch recht hoch - im Gegensatz zu Estland. So gab es zum Beispiel in Riga und Vilnus während der Krawallen neben der Parlamentsgebäuden keine ethnischen Unterschiede. Die Leute haben gemeinsam ihre Unzufriedenheit mit der Sozial- und Wirtschaftspolitik ausgedrückt, denn: "Das geht uns alle an, das ist unsere Sache!" In Estland haben an den Protestaktionen während der "Bronzenen Nacht" ausschliesslich die Russen teilgenommen, ohne die Unterstützung durch die Esten. Auf den Strassen und von den Fernsehschirmen sagten die Esten: "Das ist nicht unsere Sache".
Den Level der Integration der ethnischen Russen in das politische Leben der drei baltischen Länder haben die vor Kurzem durchgeführten Wahlen ins Europäische Parlament gezeigt. In Estland haben die Vereinigte Linke Partei und die Russische Partei Estlands, die die russische Wählerschaft vertreten haben, weniger als ein Prozent der Stimmen bekommen. Den "estnischen" Russen war es wiedermal nicht möglich sich untereinander abzusprechen und eine einzige Wahlliste aufzustellen. Und sich, auch nur zum Schein, mit einer estnischen Partei zu konsolidieren, darüber konnte keine Rede sein. Persönliche und parteiliche Ambitionen (die öfters zu gegenseitigen Ultimatums führten) nahmen überhand. So sind die Vertreter der russischen Gemeinde (mit der Ausnahme von einigen Leuten, die Mitglieder der estnischen Parteien sind) weder im lokalen, noch im europäischen Parlamenten vertreten. In der Zeit, in der die Russen wollen, dass man sie "nicht stört", bauen die Esten Dominierung in politischen und wirtschaftlichen Domänen aus.
In Lettland kann man umgekehrt über den "Triumph der Russen" bei den Wahlen in das Europäische Parlament sprechen. Nach Brüssel fahren gleich drei Kandidaten von zwei russisch-sprachigen Vereinigungen: "Harmoniezentrum" und "Für Menschenrechte in vereinigtem Lettland". Und bei den Wahlen in die Rigaer Duma hat die Vereinigung "Harmoniezentrum" die Führung übernommen, deren traditionelle Wählerschaft "Russische Letten" sind. Den Bürgermeisterposten von Riga wird der Vorsitzender der Vereinigung, ein ethnischer Russe Nil Uschakov einnehmen. Die Experten haben diese Tendenz als "der russische Umsturz in Lettland" bezeichnet.
In Litauen hat einen der Mandate ins Europäische Parlament der Vorsitzende der Arbeitspartei, ethnischer Russe Viktor Usspaskih bekommen. Doch hat dieser Politiker und Businessmen nichts mit der russischen Wählerschaft zu tun. Er spricht litauisch mit Akzent, versteckt seine russischen Wurzeln nicht und achtet die kulturellen Traditionen, doch positioniert er sich als "echter russischer Litauer". Diese Fakten zeigen nicht nur den Level der inneren Integration der Russen in das politische Leben ihrer Länder, doch auch den Level der inneren Konsolidierung.
In Lettland konnte die russische Wählerschaft sich für die Unterstützung ihrer Kandidaten vereinen und bedeutende Erfolge erzielen. In Estland ist der Level der Zersplitterung derart gross, dass selbst die Wahlen nicht die verschiedenen russischen Vereinigungen des Landes befrieden konnten. Und in Litauen gibt es nicht mal eine ernsthafte Partei oder politischen Figur, die die Interessen der russisch-sprachigen Bevölkerung vertreten würde. In Estland leben Russen und Esten in "parallelen Welten", deshalb gibt es zwischen ihnen keine politische Konkurrenz. Umgekehrt schafft die Tatsache, dass die Russen in ihrer Welt untereinander konkurrieren, die Zersplitterung der Gemeinde.
In Lettland leben die Russen und die Letten in einer sozial-politischen Gemeinschaft. Doch haben auch ethnische Russen hier viele Probleme, wie Ausbildung in russischen Sprache in den Schulen, Möglichkeiten einer Karriere, Erlangung der Staatsangehörigkeit usw. Sie begreifen, dass diese Probleme gelöst werden können, wenn man an dem politisch-sozialem Leben des Landes aktiv teilnimmt. Dabei reden in Privatgesprächen die "russischen Rigaer" öfters über die stille Diskriminierung zu ihnen. Für sie ist praktisch der Weg zum Beruf als Arzt, Feuerwehrmann, Polizist, Lehrer an einer Hochschule, Kindergärtnerin usw. versperrt. In Litauen ist der Level der Integration der Russen derartig hoch, dass sie keine Notwendigkeit in einer politischen Vereinigung sehen. Der Staat hat ihnen alle Möglichkeiten eingeräumt, um vollwertiger Mitglied in litauischen Gesellschaft zu werden - die "Nullvariante" (also ohne Vorbedingungen Anm. des Übersetzers) der Erlangung der Staatsbürgerschaft, Bewahrung der russischen Schulen, staatliche Unterstützung der gesellschaftlichen Vereinigungen, Loyalität der Massenmedien zu den Russen usw. Deswegen ziehen sie es vor nicht aus ihrer ethnischen Angehörigkeit zu wählen, sondern aus ideologischen Bevorzugungen.
Die Vorsitzende und Mitglieder der russischen Vereinigungen in Litauen beschweren sich oft über die Zersplitterung der "lokalen Russen" und "nicht adäquaten Blick" auf sie aus Russland. Auf die Frage wie sie die Nichtadäquität zeigt, antworten sie: "Wir fühlen uns nicht als entrechtetes Opfer". Sie bitten Russland nicht um Geld, um die Arbeit oder Aufnahme der Flüchtlinge - sie brauchen eher eine moralische Unterstützung. So wie eine vereinfachte Ausgabe des Visums (laut Statistik waren 40 Prozent der "litauischen Russen" noch nie in ihrer historischen Heimat), Hilfe bei der Organisation von Tourneen der Theater und Sänger aus Russland.
- Laden sie uns zu sich ein in Russland zu lernen, Berufspraxis zu bekommen. Seit offen nicht mit Wörtern, sondern mit Taten, - sagen heute litauischen Russen.
In der letzten Zeit spricht man in den baltischen Ländern viel über das Problem der Integration der russisch-sprachigen Bevölkerung in das Leben der Länder. In dieser Beziehung gibt es in allen drei Ländern gemeinsame Tendenzen, aber auch prinzipielle Unterschiede.
Der größte Level der Integration der russisch-sprachigen Bevölkerung in die lokale Umgebung ist in Litauen. Hier erzeugen die Russen, die sich um die Erhaltung ihrer kulturellen Identität sorgen, praktisch nie Gegensätze zu Litauern, ja öfters unterscheiden sie sich kaum von ihnen. In Lettland sind die Russen bereit zur Kooperation und offenem Dialog mit den Letten. Gleichzeitig kann man in Estland bei ihnen völlige Ablehnung, und teilweise offene Konfrontation mit Esten beobachten.
Russen in Litauen und Lettland nehmen vollwertig an dem Leben des Landes teil, wenn auch in unterschiedlichen Bereichen. In Estland ist der Level der Integration sehr niedrig. Das merkt man an den gesellschaftlichen Debatten und in alltäglichen Situationen. Eine typische Situation, die ich in Baltikum beobachtet habe: wenn auf der Strasse in Vilnus zu den zwei miteinander auf Russisch sprechenden ethnischen Russen ein Litauer dazustösst, wird das Gespräch fast immer ohne Probleme auf Litauisch weitergeführt. In ähnlichen Situation in Riga wird der Lette ins Russische wechseln und das Gespräch geht auf Russisch weiter.
In Tallinn ist die russische Sprache unter den Esten wenig verbreitet und zu den zwei auf Estnisch Sprechenden, wird ein ethnischer Russe eher überhaupt nicht dazustossen. Genauso wird ein Este russisch-sprechende Leute auf den Strassen von Narva nicht ansprechen. In diesem Sinne bezeichnend war die Situation, die ich in einem Bus St.Petersburg - Tallinn beobachtet habe. Unter den Reisenden war eine Ausflugsgruppe von Schülern aus Estland, die sich demonstrativ in zwei Lager aufgeteilt hatte - Russen und Esten. Den ganzen Weg lang haben die Jugendliche aus beiden "Clans" böse einander angemacht, jeder in seiner Sprache. Über einen gemeinsamen Austausch von Eindrücken aus Petersburg konnte keine Rede sein. Das heisst im normalen Leben in Lettland und Litauen betrachten sich die Russen und die titelgebende Nationen als Mitglieder einer Gemeinschaft. Das kann man über Estland nicht behaupten, hier gibt es nicht nur strikte Abgrenzung, sondern auch eine prinzipielle Opposition. Russen und Esten nennen einander "die" und verstecken ihre Ambitionen nicht, die teilweise zu Hochmut werden.
Die Mehrheit der ethnischen Russen in Estland lernt aus Prinzip weder die Staatssprache Estnisch, noch die Kommunikationssprache Englisch. Im Süd-Osten des Landes sind diese Sprachen kaum notwendig (dort leben fast nur Russen) und diese Region zu verlassen haben die Einwohner weder den Wunsch noch die Möglichkeit. Auf die Frage über die sprachlichen Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit der Esten, sagt man hier: "Das ist ihr Problem". Und Geschäfte treiben sie entweder zwischeneinander oder mit Russland.
Im gesellschaftlichen Zusammenleben ist der Level der Integration der russisch-sprachigen mit den titelgebenden Nationen in Lettland und Litauen auch recht hoch - im Gegensatz zu Estland. So gab es zum Beispiel in Riga und Vilnus während der Krawallen neben der Parlamentsgebäuden keine ethnischen Unterschiede. Die Leute haben gemeinsam ihre Unzufriedenheit mit der Sozial- und Wirtschaftspolitik ausgedrückt, denn: "Das geht uns alle an, das ist unsere Sache!" In Estland haben an den Protestaktionen während der "Bronzenen Nacht" ausschliesslich die Russen teilgenommen, ohne die Unterstützung durch die Esten. Auf den Strassen und von den Fernsehschirmen sagten die Esten: "Das ist nicht unsere Sache".
Den Level der Integration der ethnischen Russen in das politische Leben der drei baltischen Länder haben die vor Kurzem durchgeführten Wahlen ins Europäische Parlament gezeigt. In Estland haben die Vereinigte Linke Partei und die Russische Partei Estlands, die die russische Wählerschaft vertreten haben, weniger als ein Prozent der Stimmen bekommen. Den "estnischen" Russen war es wiedermal nicht möglich sich untereinander abzusprechen und eine einzige Wahlliste aufzustellen. Und sich, auch nur zum Schein, mit einer estnischen Partei zu konsolidieren, darüber konnte keine Rede sein. Persönliche und parteiliche Ambitionen (die öfters zu gegenseitigen Ultimatums führten) nahmen überhand. So sind die Vertreter der russischen Gemeinde (mit der Ausnahme von einigen Leuten, die Mitglieder der estnischen Parteien sind) weder im lokalen, noch im europäischen Parlamenten vertreten. In der Zeit, in der die Russen wollen, dass man sie "nicht stört", bauen die Esten Dominierung in politischen und wirtschaftlichen Domänen aus.
In Lettland kann man umgekehrt über den "Triumph der Russen" bei den Wahlen in das Europäische Parlament sprechen. Nach Brüssel fahren gleich drei Kandidaten von zwei russisch-sprachigen Vereinigungen: "Harmoniezentrum" und "Für Menschenrechte in vereinigtem Lettland". Und bei den Wahlen in die Rigaer Duma hat die Vereinigung "Harmoniezentrum" die Führung übernommen, deren traditionelle Wählerschaft "Russische Letten" sind. Den Bürgermeisterposten von Riga wird der Vorsitzender der Vereinigung, ein ethnischer Russe Nil Uschakov einnehmen. Die Experten haben diese Tendenz als "der russische Umsturz in Lettland" bezeichnet.
In Litauen hat einen der Mandate ins Europäische Parlament der Vorsitzende der Arbeitspartei, ethnischer Russe Viktor Usspaskih bekommen. Doch hat dieser Politiker und Businessmen nichts mit der russischen Wählerschaft zu tun. Er spricht litauisch mit Akzent, versteckt seine russischen Wurzeln nicht und achtet die kulturellen Traditionen, doch positioniert er sich als "echter russischer Litauer". Diese Fakten zeigen nicht nur den Level der inneren Integration der Russen in das politische Leben ihrer Länder, doch auch den Level der inneren Konsolidierung.
In Lettland konnte die russische Wählerschaft sich für die Unterstützung ihrer Kandidaten vereinen und bedeutende Erfolge erzielen. In Estland ist der Level der Zersplitterung derart gross, dass selbst die Wahlen nicht die verschiedenen russischen Vereinigungen des Landes befrieden konnten. Und in Litauen gibt es nicht mal eine ernsthafte Partei oder politischen Figur, die die Interessen der russisch-sprachigen Bevölkerung vertreten würde. In Estland leben Russen und Esten in "parallelen Welten", deshalb gibt es zwischen ihnen keine politische Konkurrenz. Umgekehrt schafft die Tatsache, dass die Russen in ihrer Welt untereinander konkurrieren, die Zersplitterung der Gemeinde.
In Lettland leben die Russen und die Letten in einer sozial-politischen Gemeinschaft. Doch haben auch ethnische Russen hier viele Probleme, wie Ausbildung in russischen Sprache in den Schulen, Möglichkeiten einer Karriere, Erlangung der Staatsangehörigkeit usw. Sie begreifen, dass diese Probleme gelöst werden können, wenn man an dem politisch-sozialem Leben des Landes aktiv teilnimmt. Dabei reden in Privatgesprächen die "russischen Rigaer" öfters über die stille Diskriminierung zu ihnen. Für sie ist praktisch der Weg zum Beruf als Arzt, Feuerwehrmann, Polizist, Lehrer an einer Hochschule, Kindergärtnerin usw. versperrt. In Litauen ist der Level der Integration der Russen derartig hoch, dass sie keine Notwendigkeit in einer politischen Vereinigung sehen. Der Staat hat ihnen alle Möglichkeiten eingeräumt, um vollwertiger Mitglied in litauischen Gesellschaft zu werden - die "Nullvariante" (also ohne Vorbedingungen Anm. des Übersetzers) der Erlangung der Staatsbürgerschaft, Bewahrung der russischen Schulen, staatliche Unterstützung der gesellschaftlichen Vereinigungen, Loyalität der Massenmedien zu den Russen usw. Deswegen ziehen sie es vor nicht aus ihrer ethnischen Angehörigkeit zu wählen, sondern aus ideologischen Bevorzugungen.
Die Vorsitzende und Mitglieder der russischen Vereinigungen in Litauen beschweren sich oft über die Zersplitterung der "lokalen Russen" und "nicht adäquaten Blick" auf sie aus Russland. Auf die Frage wie sie die Nichtadäquität zeigt, antworten sie: "Wir fühlen uns nicht als entrechtetes Opfer". Sie bitten Russland nicht um Geld, um die Arbeit oder Aufnahme der Flüchtlinge - sie brauchen eher eine moralische Unterstützung. So wie eine vereinfachte Ausgabe des Visums (laut Statistik waren 40 Prozent der "litauischen Russen" noch nie in ihrer historischen Heimat), Hilfe bei der Organisation von Tourneen der Theater und Sänger aus Russland.
- Laden sie uns zu sich ein in Russland zu lernen, Berufspraxis zu bekommen. Seit offen nicht mit Wörtern, sondern mit Taten, - sagen heute litauischen Russen.
Dienstag, Juli 21, 2009
Gemeinsamer Tag des Gedenkens an Opfer des Nazismus und Kommunismus?
12 Juli 2009
Efraim Zuroff, THE JERUSALEM POST
Obwohl es schwer zu glauben ist, ist es durchaus möglich, dass in einigen Jahren in Europa es keinen eigenen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts geben wird. Stattdessen werden die Europäer den 23. August im Kalender ankreiden als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nazismus und Kommunismus.
An diesem Tag wurde der Molotov-Ribbentrop Vertrag unterzeichnet - ein Nichtangriffspakt zwischen dem nazistischem Deutschland und der Sowjetunion, der den Weg zum Angriff auf Polen durch die beiden Länder eröffnet hat.
Wenn man das erhöhte Interesse zum Holocaust in den letzten 10 Jahren berücksichtigt, erscheint solch eine Vermutung nicht sehr wahrscheinlich. Doch eine Campagne zur Gleichstellung von Kommunismus und Nazismus nimmt erschreckende Ausmasse in Litauen, Lettland und Estland an, auch mit der Unterstützung der anderen Länder des postkommunistischen Lagers. Und diese Neuerung wird vielleicht nur eines der vielen widersprüchlichen Änderungen in der Sicht der Europäer auf die Vernichtung der jüdischen Gemeinde auf dem Kontinent sein.
Die größte Sorge ist eine andere: eine praktisch komplette Uninformiertheit und Apathie Israels und jüdischen Gemeinschaft als Antwort auf diese Campagne, ungeachtet dessen, dass sie schon im Laufe des letzten Jahrzehnts durchgeführt wurde und in der letzten Zeit sich ganz alarmierende Ergebnisse zeigen. Zum Beispiel hat letzte Woche die Parlamentarische Versammlung der OSZE auf einer Sitzung in Vilnus (Litauen) eine Resolution zur Installierung des 23. August als Gedenktag der Opfer des Kommunismus und Nazismus verabschiedet, dabei haben nur Russland und einige europäische Kommunisten "gegen" gestimmt.
Die Wahrheit besteht darin, dass schon vom Moment der Wiedererrichtung der Unabhängigkeit Baltikums an, sind wir zu etwas ähnlichem verdammt worden. Vom Jahr 1991 an haben wir auf den Treffen mit den Regierungen der baltischen Staaten gefordert die Tatsache anzuerkennen, dass Balten aktiv mit Nazisten zusammengewirkt und an den von Nazisten ausgeführten Verbrechen mitgewirkt haben, wir haben gefordert die örtlichen Nazisten - Kriegsverbrecher zu bestrafen und die Schulbücher umzuschreiben, so dass sie das obengenannte beinhalten würden. Doch haben unsere Gesprächspartner als Antwort jedes Mal den Fokus der Diskussion auf eigene Verluste während der Okkupationszeit und die Rolle der jüdischen Kommunisten an den sowjetischen Verbrechen ausgerichtet.
Deswegen ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass die Regierungen der baltischen Länder den Beschluss gefasst haben, Kommissionen zur Erforschung der Verbrechen gegen Baltikum in Jahren der Okkupation einzusetzen, sie beharrten, trotz der Proteste seitens des Wiesenthal-Zentrums und anderen Organisationen, an der gemeinsamen Erforschung der lokalen Verbrechen des Holocausts und der Verbrechen des Kommunismus.
Aus dieser Serie auch die regelmäßige Wiederholung der Behauptung durch die baltischen Leader über den genoziden Charakter der Verbrechen des Kommunismus, die historisch falsch ist. Ich werde niemals das Treffen mit Vitaus Landsbergis anfang der Neunziger in Vilnus vergessen - damals war er das Staatsoberhaupt - als er als Antwort auf das von mir geschenktes Buch über die Erforschung des Holocausts, mir ein anderes Buch geschenkt hat - über die massenhafte Aussiedlung der Litauer nach Sibirien, dabei sprach er darüber, als über "unseren Holocaust".
Dazu kommt das völlige Versagen Baltikums bei der Versuchen die Helfer zu Nazisten für ihre Verbrechen während des Krieges zu bestrafen, Versuch die Schuld für das Morden ausschliesslich auf die Deutschen und Österreicher umzulegen, Gründung der Museen des Holocausts und der Okkupation, wo die lokalen Verbrechen des Holocausts und die Zusammenarbeit mit Nazis völlig ignoriert werden. Das Bild wird klar.
Vor circa zwei Jahren, durch das völlige Versagen der EU, USA, Israels und Jüdischen Weltgemeinschaft in ihren Versuchen Baltikum zur Verantwortung für zahlreiche Fehler in Fragen zum Holocausts (Verfolgung, Restitution, Dokumentation usw.) zu ziehen, ermutigt, haben diese Regierungen eine Campagne zur Erschaffung einer offiziell anerkannten Symmetrie zwischen Kommunismus und Nazismus gestartet.
Der erste bedeutungsvolle Erfolg kam am 3. Juni 2008 - als Ergebnis der Konferenz "Europäisches Bewusstsein und Kommunismus" haben Vazlav Havel und anderen Mitglieder des Europäischen Parlaments die Prager Erklärung unterzeichnet. In diesem Dokument wird die Forderung gestellt, den 23. August als den offiziellen Gedenktag der Opfer des Nazismus und Kommunismus zu etablieren, "ähnlich dem, wie Europa die Opfer des Holocausts am 27. Januar gedenkt" und ein "Institut des Europäischen Gedächtnisses und Bewusstseins" zu erschaffen, der als Museum, Forschung- und Bildungszentrum auf dem Gebiet der obengenannten Verbrechen tätig sein soll.
Die Begründung für diese Beschlüsse spricht über "bedeutende Ähnlichkeiten zwischen Nazismus und Kommunismus" und warnt, dass Europa sich nicht vereinen könne, wenn es nicht ihre Geschichte vereint und Nazismus und Kommunismus als gemeinsames Erbe betrachtet".
Man kann mit den Opfern des Kommunismus mitfühlen und ihren Wunsch verstehen, sie als solche anzuerkennen. Doch ist die obenbeschriebene Begründung bei weitem nicht so harmlos - hier sieht man klar den Versuch Holocaust als einzigartige historische Tragödie umzuinterpretieren und es als relative Erscheinung darzustellen, die Aufmerksamkeit von breitangelegter Kollaboration und Zusammenarbeit der Balten mit den Nazisten abzulenken und völliges Versagen aller Regierungen von der Zeit der Wiederherstellung der Unabhängigkeit an, eine adäquate Lösung der Fragen zu diesem Thema zu finden.
Am 23. September 2008 haben mehr als vierhundert Mitglieder des Europäischen Parlaments eine Deklaration unterschrieben als Unterstützung zur Erklärung des 23. Augusts als "Gedenktag der Opfer des Nazismus und Kommunismus", am 2. April 2009 wurde eine Deklaration, die ähnlich der Prager Erklärung ist, vom Europäischen Parlament mit dem Abstimmungsergebnis 533-44 mit 33 Enthaltungen angenommen. Doch vor einem Monat, als ich die Frage den Mitgliedern des Israelischen Globalen Forums über Antisemitismus gestellt habe, ob sie über die Prager Erklärung was gehört haben, hat keiner eine positive Antwort gegeben.
Es wird klar, dass die Zeit gekommen ist, eine erhöhte Aufmerksamkeit dieser gefährlichen Campagne zu widmen, die hauptsächlich von Kräften in Litauen, Lettland und Estland durchgeführt wird, die darauf gerichtet ist, die Schuld für Holocaust von sich zu weisen und die Einzigartigkeit des historischen Ereignisses des Genozids an den Juden in der Periode des Zweiten Weltkriegs abzuerkennen. Sonst werden wir bald mit Verleugnung der zahlreichen wichtigsten Erkenntnisse des letzten Jahrzehnts auf dem Gebiet der Aufklärung und Achtung des Gedenkens der Opfer des Holocausts zu tun haben, und auch in den schweren Kampf gegen die neue verzerrte Geschichte des Zweiten Weltkriegs treten müssen.
Obwohl es schwer zu glauben ist, ist es durchaus möglich, dass in einigen Jahren in Europa es keinen eigenen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts geben wird. Stattdessen werden die Europäer den 23. August im Kalender ankreiden als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nazismus und Kommunismus.
An diesem Tag wurde der Molotov-Ribbentrop Vertrag unterzeichnet - ein Nichtangriffspakt zwischen dem nazistischem Deutschland und der Sowjetunion, der den Weg zum Angriff auf Polen durch die beiden Länder eröffnet hat.
Wenn man das erhöhte Interesse zum Holocaust in den letzten 10 Jahren berücksichtigt, erscheint solch eine Vermutung nicht sehr wahrscheinlich. Doch eine Campagne zur Gleichstellung von Kommunismus und Nazismus nimmt erschreckende Ausmasse in Litauen, Lettland und Estland an, auch mit der Unterstützung der anderen Länder des postkommunistischen Lagers. Und diese Neuerung wird vielleicht nur eines der vielen widersprüchlichen Änderungen in der Sicht der Europäer auf die Vernichtung der jüdischen Gemeinde auf dem Kontinent sein.
Die größte Sorge ist eine andere: eine praktisch komplette Uninformiertheit und Apathie Israels und jüdischen Gemeinschaft als Antwort auf diese Campagne, ungeachtet dessen, dass sie schon im Laufe des letzten Jahrzehnts durchgeführt wurde und in der letzten Zeit sich ganz alarmierende Ergebnisse zeigen. Zum Beispiel hat letzte Woche die Parlamentarische Versammlung der OSZE auf einer Sitzung in Vilnus (Litauen) eine Resolution zur Installierung des 23. August als Gedenktag der Opfer des Kommunismus und Nazismus verabschiedet, dabei haben nur Russland und einige europäische Kommunisten "gegen" gestimmt.
Die Wahrheit besteht darin, dass schon vom Moment der Wiedererrichtung der Unabhängigkeit Baltikums an, sind wir zu etwas ähnlichem verdammt worden. Vom Jahr 1991 an haben wir auf den Treffen mit den Regierungen der baltischen Staaten gefordert die Tatsache anzuerkennen, dass Balten aktiv mit Nazisten zusammengewirkt und an den von Nazisten ausgeführten Verbrechen mitgewirkt haben, wir haben gefordert die örtlichen Nazisten - Kriegsverbrecher zu bestrafen und die Schulbücher umzuschreiben, so dass sie das obengenannte beinhalten würden. Doch haben unsere Gesprächspartner als Antwort jedes Mal den Fokus der Diskussion auf eigene Verluste während der Okkupationszeit und die Rolle der jüdischen Kommunisten an den sowjetischen Verbrechen ausgerichtet.
Deswegen ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass die Regierungen der baltischen Länder den Beschluss gefasst haben, Kommissionen zur Erforschung der Verbrechen gegen Baltikum in Jahren der Okkupation einzusetzen, sie beharrten, trotz der Proteste seitens des Wiesenthal-Zentrums und anderen Organisationen, an der gemeinsamen Erforschung der lokalen Verbrechen des Holocausts und der Verbrechen des Kommunismus.
Aus dieser Serie auch die regelmäßige Wiederholung der Behauptung durch die baltischen Leader über den genoziden Charakter der Verbrechen des Kommunismus, die historisch falsch ist. Ich werde niemals das Treffen mit Vitaus Landsbergis anfang der Neunziger in Vilnus vergessen - damals war er das Staatsoberhaupt - als er als Antwort auf das von mir geschenktes Buch über die Erforschung des Holocausts, mir ein anderes Buch geschenkt hat - über die massenhafte Aussiedlung der Litauer nach Sibirien, dabei sprach er darüber, als über "unseren Holocaust".
Dazu kommt das völlige Versagen Baltikums bei der Versuchen die Helfer zu Nazisten für ihre Verbrechen während des Krieges zu bestrafen, Versuch die Schuld für das Morden ausschliesslich auf die Deutschen und Österreicher umzulegen, Gründung der Museen des Holocausts und der Okkupation, wo die lokalen Verbrechen des Holocausts und die Zusammenarbeit mit Nazis völlig ignoriert werden. Das Bild wird klar.
Vor circa zwei Jahren, durch das völlige Versagen der EU, USA, Israels und Jüdischen Weltgemeinschaft in ihren Versuchen Baltikum zur Verantwortung für zahlreiche Fehler in Fragen zum Holocausts (Verfolgung, Restitution, Dokumentation usw.) zu ziehen, ermutigt, haben diese Regierungen eine Campagne zur Erschaffung einer offiziell anerkannten Symmetrie zwischen Kommunismus und Nazismus gestartet.
Der erste bedeutungsvolle Erfolg kam am 3. Juni 2008 - als Ergebnis der Konferenz "Europäisches Bewusstsein und Kommunismus" haben Vazlav Havel und anderen Mitglieder des Europäischen Parlaments die Prager Erklärung unterzeichnet. In diesem Dokument wird die Forderung gestellt, den 23. August als den offiziellen Gedenktag der Opfer des Nazismus und Kommunismus zu etablieren, "ähnlich dem, wie Europa die Opfer des Holocausts am 27. Januar gedenkt" und ein "Institut des Europäischen Gedächtnisses und Bewusstseins" zu erschaffen, der als Museum, Forschung- und Bildungszentrum auf dem Gebiet der obengenannten Verbrechen tätig sein soll.
Die Begründung für diese Beschlüsse spricht über "bedeutende Ähnlichkeiten zwischen Nazismus und Kommunismus" und warnt, dass Europa sich nicht vereinen könne, wenn es nicht ihre Geschichte vereint und Nazismus und Kommunismus als gemeinsames Erbe betrachtet".
Man kann mit den Opfern des Kommunismus mitfühlen und ihren Wunsch verstehen, sie als solche anzuerkennen. Doch ist die obenbeschriebene Begründung bei weitem nicht so harmlos - hier sieht man klar den Versuch Holocaust als einzigartige historische Tragödie umzuinterpretieren und es als relative Erscheinung darzustellen, die Aufmerksamkeit von breitangelegter Kollaboration und Zusammenarbeit der Balten mit den Nazisten abzulenken und völliges Versagen aller Regierungen von der Zeit der Wiederherstellung der Unabhängigkeit an, eine adäquate Lösung der Fragen zu diesem Thema zu finden.
Am 23. September 2008 haben mehr als vierhundert Mitglieder des Europäischen Parlaments eine Deklaration unterschrieben als Unterstützung zur Erklärung des 23. Augusts als "Gedenktag der Opfer des Nazismus und Kommunismus", am 2. April 2009 wurde eine Deklaration, die ähnlich der Prager Erklärung ist, vom Europäischen Parlament mit dem Abstimmungsergebnis 533-44 mit 33 Enthaltungen angenommen. Doch vor einem Monat, als ich die Frage den Mitgliedern des Israelischen Globalen Forums über Antisemitismus gestellt habe, ob sie über die Prager Erklärung was gehört haben, hat keiner eine positive Antwort gegeben.
Es wird klar, dass die Zeit gekommen ist, eine erhöhte Aufmerksamkeit dieser gefährlichen Campagne zu widmen, die hauptsächlich von Kräften in Litauen, Lettland und Estland durchgeführt wird, die darauf gerichtet ist, die Schuld für Holocaust von sich zu weisen und die Einzigartigkeit des historischen Ereignisses des Genozids an den Juden in der Periode des Zweiten Weltkriegs abzuerkennen. Sonst werden wir bald mit Verleugnung der zahlreichen wichtigsten Erkenntnisse des letzten Jahrzehnts auf dem Gebiet der Aufklärung und Achtung des Gedenkens der Opfer des Holocausts zu tun haben, und auch in den schweren Kampf gegen die neue verzerrte Geschichte des Zweiten Weltkriegs treten müssen.
Samstag, Juli 11, 2009
Anno 1989
Es ist sauere Gurkenzeit in Estland, die Wirtschaftskrise ist durchgekaut und schmeckt immer noch nicht, deswegen heute ein kleiner Blick in nicht so ferne Vergangenheit, genauergesagt 20 Jahre zurück. Auf www.baltija.ee wurden einige Zahlen aus dem Almanach "Vokswirtschaft in UdSSR in 1989" veröffentlicht, die ich hier wiedergeben möchte. Natürlich bin ich mir bewusst, dass trotz Perestroika und Glasnost die Zahlen mit Vorsicht zu geniessen sind und ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, dass ich dieser Zeit nachtrauere, aber zumindest werden einige Legenden über diese Zeit widerlegt, die von Leuten erzählt werden, die während dieser Periode in Estland gar nicht gelebt haben alá "man konnte sich mit dem Arzt nicht auf Estnisch unterhalten" © by Ilves, "die estnische Sprache war am Sterben", "die Esten haben im eigenen Land nichts zu sagen gehabt". Zum Vergleich zu der heutigen Situation füge ich in Klammern die Zahlen aus World Factbook an. Da ich nicht alle Daten für 2009 gefunden habe, bitte ich die Leser mir Ergänzungen oder Korrekturen zu schicken. Nun fangen wir an:
Bevölkerungsanzahl1: 1 573 000 Personen (1 299 371 Personen)
Anzahl der Männer 735 000 Personen (593 050 Personen)
Anzahl der Frauen 838 000 Personen (706 321 Personen)
Bevölkerung von Tallinn 505 000 Personen (403 505 Personen)
-----------------------------------
Laut Volkszählung 1989 haben 1,27 Mio Leute mit der estnischen Nationalität in UdSSR gelebt.
-----------------------------------
Anzahl der Familien in ESSR 427 000
Mittlere Mitgliederanzahl in einer Familie 3,1 Personen
Anzahl der Geborenen pro 1000 Einwohner 15,4 Geborene (10,37 Geborenen)
Anzahl der Verstorbenen pro 1000 Einwohner 11,7 Verstorbene (13,35 Verstorbene)
Natürlicher Zuwachs pro 1000 Einwohner 3,7 Personen (-2,98 Personen, Bevölkerungsrückgand in Estland ist 2009 -0.63%, was Platz 230 von 234 Ländern bedeutet)
Anzahl der Neugeborenen, die bei der Geburt oder im ersten Lebensjahr verstorben sind gerechnet auf 1000 Neugeborenen:
14,7 Verstorbene (7.32 Verstorbene)
-----------------------------------
Durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt:
Gesamtbevölkerung 70,6 Jahre (72,82 Jahre)
Männer 65,8 Jahre (67,45 Jahre)
Frauen 75,0 Jahre (78,53 Jahre)
-----------------------------------
Mittlere Wohnfläche pro Kopf in m²
UdSSR 16,8
Estnische SSR 25,9 (die höchste in UdSSR)
-----------------------------------
Anzahl der Arbeiter und Angestellten 675 000 Personen (686 000 Personen)
Davon Frauen 55%
Davon mit Hochschulausbildung 127 100 Personen
-----------------------------------
Anteil der estnischen Führungskräfte, die in der Produktionszweigen der Volkswirtschaft tätig waren: 82,2%
Anteil der Esten an der Gesamtbevölkerung 61,5% (67,9%)
-----------------------------------
Durchschnittlicher Gehalt Arbeiter und Angestellten (kein Vergleich mit 2009 möglich, da keine Aussage über Kaufkraft)
UdSSR 240,4 Rubel
ESSR 270,1 Rubel (der höchste in ganz UdSSR)
-----------------------------------
Durchschnittlicher Monatsgehalt der Arbeiter in Sovchosen (kein Vergleich mit 2009 möglich, da keine Aussage über Kaufkraft)
UdSSR 235,8 Rubel
ESSR 300,9 Rubel
-----------------------------------
Durchschnittler Monatsgehalt der Bauern in Kolchosen (kein Vergleich mit 2009 möglich, da keine Aussage über Kaufkraft)
UdSSR 200,8 Rubel
ESSR 317,6 Rubel
-----------------------------------
Anzahl der Rentner in ESSR, gesamt 378 000 Personen
Davon aufgrund des Alters 287 000 Personen
-----------------------------------
Gerechnet auf die Gesamtbevölkerung haben folgender Prozentsatz an Bevölkerung ein Einkommen über 200 Rubel
UdSSR 21,8%
ESSR 41,4%
-----------------------------------
Durchschnittliche Anlage auf dem Sparbuch
UdSSR 1624 Rubel
ESSR 2039 Rubel
-----------------------------------
Umsatz des staatlichen und privaten Handels pro Person
UdSSR 1406 Rubel
ESSR 2164 Rubel
-----------------------------------
Verkauf von alkoholischen Getraenken pro Person im reinen Alkohol
UdSSR 4,4 Liter
ESSR 6,8 Liter
-----------------------------------
In der Periode vom 1975-1989 wurden in der ESSR 104 Gesamtschulen gebaut
1989 wurden in ESSR 2070 Bücher und Broschüren verlegt mit der Gesamtauflage von 18,3 Mio Stück, davon in estnischen Sprache 1316 Bücher mit der Gesamtauflage von 13,3 Mio.
1989 wurden in Estland 161 Zeitschriften und andere Periodikas herausgegeben
Davon in estnischen Sprache 116, in Gesamtauflage von 32,5 Mio
1989 wurden in Estland 111 Zeitungen herausgeben, davon 75 in estnischen Sprache mit der Gesamtauflage 284 Mio.
-----------------------------------
Es wurden in Estland produziert:
Elektrische Energie 1989 17,6 Mlrd. Kilowatt/Stunden (12.16 Mlrd Kilowatt/Stunden)
Stahl 11,1 Tausend Tonnen
Sägeholz (1986) 708 000 m³
Papier 92 000 Tonnen
Zement 1 129 000 Tonnen
Konsumwaren
Stoffe 235 Mio m²
Bekleidung 23,6 Mio Teile
Socken und Strümpfe 17,0 Mio Paar
Schuhe 7,1 Mio Paar
-----------------------------------
Folgende Fläche wurde 1989 für Getreideanbau in Estland benutzt: 926 Tausend ha
Insgesamt wurden 1989 in ESSR 1 000 000 Tonnen an Getreide geerntet
Pro ha war der Ertrag 24,4 Zentner
Es wurden 864 Tausend Tonnen Kartofel geerntet
Es wuden 144 Tausend Tonnen Gemüse geerntet
1989 gab es in Estland 800 000 Einheiten Vieh, davon 300 000 Kühe
Zum 1. Januar 1989 gab es 1 100 000 Schweine
Schafe und Ziegen: 100 000
Vögel: 6 900 000
Pferde: 9 000
-----------------------------------
1989 wurden in Estland erzeugt:
Fleisch 229 000 Tonnen
Milch 1 277 000 Tonnen
Eier 600 Mio Stück
Wolle 200 000 Tonnen
Tierisches Öl 187 000 Tonnen
Konserven 355 Millionen Stück
Eine Kuh hat 4198 kg Milch erzeugt
-----------------------------------
1989 wurden 7,2 Tausend ha Wald neu bepflanzt.
-----------------------------------
Im Blog von Stalnuhhin wurden folgende Entwicklung der estnischen Landwirtschaft aufgezeigt:
Als ich diese Zahlen mir durchgeschaut habe, fielen mir zwei Gedanken ein:
- Der Traum eins der 5 reichsten Länder in der EU zu sein, stammt noch aus der Sowjetzeit, als Estland durchaus eins der 5 reichsten Republiken der Sowjetunion war
- R.I.P estnische Landwirtschaft
Bevölkerungsanzahl1: 1 573 000 Personen (1 299 371 Personen)
Anzahl der Männer 735 000 Personen (593 050 Personen)
Anzahl der Frauen 838 000 Personen (706 321 Personen)
Bevölkerung von Tallinn 505 000 Personen (403 505 Personen)
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Laut Volkszählung 1989 haben 1,27 Mio Leute mit der estnischen Nationalität in UdSSR gelebt.
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Anzahl der Familien in ESSR 427 000
Mittlere Mitgliederanzahl in einer Familie 3,1 Personen
Anzahl der Geborenen pro 1000 Einwohner 15,4 Geborene (10,37 Geborenen)
Anzahl der Verstorbenen pro 1000 Einwohner 11,7 Verstorbene (13,35 Verstorbene)
Natürlicher Zuwachs pro 1000 Einwohner 3,7 Personen (-2,98 Personen, Bevölkerungsrückgand in Estland ist 2009 -0.63%, was Platz 230 von 234 Ländern bedeutet)
Anzahl der Neugeborenen, die bei der Geburt oder im ersten Lebensjahr verstorben sind gerechnet auf 1000 Neugeborenen:
14,7 Verstorbene (7.32 Verstorbene)
-----------------------------------
Durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt:
Gesamtbevölkerung 70,6 Jahre (72,82 Jahre)
Männer 65,8 Jahre (67,45 Jahre)
Frauen 75,0 Jahre (78,53 Jahre)
-----------------------------------
Mittlere Wohnfläche pro Kopf in m²
UdSSR 16,8
Estnische SSR 25,9 (die höchste in UdSSR)
-----------------------------------
Anzahl der Arbeiter und Angestellten 675 000 Personen (686 000 Personen)
Davon Frauen 55%
Davon mit Hochschulausbildung 127 100 Personen
-----------------------------------
Anteil der estnischen Führungskräfte, die in der Produktionszweigen der Volkswirtschaft tätig waren: 82,2%
Anteil der Esten an der Gesamtbevölkerung 61,5% (67,9%)
-----------------------------------
Durchschnittlicher Gehalt Arbeiter und Angestellten (kein Vergleich mit 2009 möglich, da keine Aussage über Kaufkraft)
UdSSR 240,4 Rubel
ESSR 270,1 Rubel (der höchste in ganz UdSSR)
-----------------------------------
Durchschnittlicher Monatsgehalt der Arbeiter in Sovchosen (kein Vergleich mit 2009 möglich, da keine Aussage über Kaufkraft)
UdSSR 235,8 Rubel
ESSR 300,9 Rubel
-----------------------------------
Durchschnittler Monatsgehalt der Bauern in Kolchosen (kein Vergleich mit 2009 möglich, da keine Aussage über Kaufkraft)
UdSSR 200,8 Rubel
ESSR 317,6 Rubel
-----------------------------------
Anzahl der Rentner in ESSR, gesamt 378 000 Personen
Davon aufgrund des Alters 287 000 Personen
-----------------------------------
Gerechnet auf die Gesamtbevölkerung haben folgender Prozentsatz an Bevölkerung ein Einkommen über 200 Rubel
UdSSR 21,8%
ESSR 41,4%
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Durchschnittliche Anlage auf dem Sparbuch
UdSSR 1624 Rubel
ESSR 2039 Rubel
-----------------------------------
Umsatz des staatlichen und privaten Handels pro Person
UdSSR 1406 Rubel
ESSR 2164 Rubel
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Verkauf von alkoholischen Getraenken pro Person im reinen Alkohol
UdSSR 4,4 Liter
ESSR 6,8 Liter
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In der Periode vom 1975-1989 wurden in der ESSR 104 Gesamtschulen gebaut
1989 wurden in ESSR 2070 Bücher und Broschüren verlegt mit der Gesamtauflage von 18,3 Mio Stück, davon in estnischen Sprache 1316 Bücher mit der Gesamtauflage von 13,3 Mio.
1989 wurden in Estland 161 Zeitschriften und andere Periodikas herausgegeben
Davon in estnischen Sprache 116, in Gesamtauflage von 32,5 Mio
1989 wurden in Estland 111 Zeitungen herausgeben, davon 75 in estnischen Sprache mit der Gesamtauflage 284 Mio.
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Es wurden in Estland produziert:
Elektrische Energie 1989 17,6 Mlrd. Kilowatt/Stunden (12.16 Mlrd Kilowatt/Stunden)
Stahl 11,1 Tausend Tonnen
Sägeholz (1986) 708 000 m³
Papier 92 000 Tonnen
Zement 1 129 000 Tonnen
Konsumwaren
Stoffe 235 Mio m²
Bekleidung 23,6 Mio Teile
Socken und Strümpfe 17,0 Mio Paar
Schuhe 7,1 Mio Paar
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Folgende Fläche wurde 1989 für Getreideanbau in Estland benutzt: 926 Tausend ha
Insgesamt wurden 1989 in ESSR 1 000 000 Tonnen an Getreide geerntet
Pro ha war der Ertrag 24,4 Zentner
Es wurden 864 Tausend Tonnen Kartofel geerntet
Es wuden 144 Tausend Tonnen Gemüse geerntet
1989 gab es in Estland 800 000 Einheiten Vieh, davon 300 000 Kühe
Zum 1. Januar 1989 gab es 1 100 000 Schweine
Schafe und Ziegen: 100 000
Vögel: 6 900 000
Pferde: 9 000
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1989 wurden in Estland erzeugt:
Fleisch 229 000 Tonnen
Milch 1 277 000 Tonnen
Eier 600 Mio Stück
Wolle 200 000 Tonnen
Tierisches Öl 187 000 Tonnen
Konserven 355 Millionen Stück
Eine Kuh hat 4198 kg Milch erzeugt
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1989 wurden 7,2 Tausend ha Wald neu bepflanzt.
-----------------------------------
Im Blog von Stalnuhhin wurden folgende Entwicklung der estnischen Landwirtschaft aufgezeigt:
Anzahl der Farmen | Anzahl der Farmen mit Nutztieren | |
---|---|---|
2001 | 55 748 | 32 362 |
2003 | 36 859 | 22 776 |
2005 | 27 747 | 18 417 |
2007 | 23 336 | 13 793 |
Vieh (in Klammern Melkkühe) | Schweine | Schafe | |
---|---|---|---|
1987 | 800 000 (300 000) | 1 100 000 | 100 000 |
2001 | 280 237 (127 969) | 328 920 | 43 775 |
2003 | 274 211 (119 805) | 356 899 | 46 892 |
2005 | 261 226 (115 230) | 355 242 | 65 592 |
2007 | 253 230 (107 844) | 369 735 | 83 179 |
Anzahl der Tätigen in der Landwirtschaft | |
---|---|
2001 | 140 643 |
2003 | 107 953 |
2005 | 90 849 |
2007 | 73 343 |
Als ich diese Zahlen mir durchgeschaut habe, fielen mir zwei Gedanken ein:
- Der Traum eins der 5 reichsten Länder in der EU zu sein, stammt noch aus der Sowjetzeit, als Estland durchaus eins der 5 reichsten Republiken der Sowjetunion war
- R.I.P estnische Landwirtschaft
Mittwoch, Juni 10, 2009
Wer ist Indrek Tarand?
Die Wahlen ins Europäische Parlament endeten mit einen dicken Überraschung. Den zweiten Platz nach Zentristen erreichte ein unabhängiger Kandidat Indrek Tarand. Sein Vorsprung war so hoch, dass er ausreichend Stimmen für zwei Sitze im Europaparlament hatte. Zugegeben, bisher war mir der Kandidat komplett unbekannt, das einzige was ich über ihn während des Wahlkampfes gelesen habe, war ein Streit während der TV-Übertragung der Debatten zwischen den unabhängigen Kandidaten, als er sich strikt weigerte neben Juri Zhuravljev Platz zu nehmen, weil er ein Teilnehmer der Bronzenen Nacht Krawalle war. Also stellte er die Tisch-Schilder um.
Nachdem auch die anderen Blogs herzlich wenig (1,2,3) zu berichten hatten und Wikipedia auch nur einige biografische Details enthält, habe ich mich in Archiven von rus.delfi.ee umgeschaut, was ich über Tarand finden kann. Dabei sind einige Details rausgekommen, die andere Quellen verschweigen. Nichts liegt mir ferner als schmutzige Wäsche zu waschen, aber vielleicht zeigen gerade diese Details, warum er gewählt wurde.
Die Suche gestaltete sich nicht einfach, weil es mindestens drei Tarands gibt, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, Andres Tarand (Vater von Indrek) ist ehemaliger Ministerpräsident (1994-1995) und derzeit noch Mitglied des Europäischen Parlaments. Ausserdem gibt es noch Kaarel Tarand (Bruder von Indrek), der vielzitierte Hauptredaktor der Zeitung Sirp. Indrek begann seine politische Karriere 1994 als Staatskanzler im Aussenministerium. Eines seinen Ziele war der Ausschuss Russlands aus dem G8 Verband. 2002 beschuldigte ihn seine Chefin Kristiina Ojuland, dass er im angetrunkenen Zustand sie als vene (russische) [zensiertes Wort] beschimpft hatte und sie tätlich angegriffen hat. Ausserdem war vom Autofahren im betrunkenen Zustand die Rede. Das führte zu fristlosen Kündigung. Pikanterweise sind Ojuland und Tarand jetzt Kollegen im Europ'ischen Parlament und werden vermutlich viel Zeit im selben Flugzeug verbringen. Die Kündigung hat gewitzten Tarand nicht erschüttert, er wurde in der Personalabteilung der estnischen Zentralbank angestellt und machte als Showmaster beim Fernsehen solche Karriere, dass er irgendwann vor die Wahl gestellt wurde, Bank oder TV. Er hat sich für TV entschieden, allerdings wurde er 2005 Direktor des Laidoner Museums, das dem Verteidigungsministerium unterstellt ist. Da passierte schon der nächste Skandal. Wieder angetrunken erschien Tarand zu einem Fussball-Spiel mit einem T-Shirt bekleidet, wo auf der Vorderseite die Aufschrift "Kommunisten in den Ofen" und auf der Rückseite ein Grossteil der politischen Elite Estlands (Saavisaar, Ansip, Rüütel, Rejljan) aufgezählt wurde. Dies war der offizielle Grund für den Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Jõeruuts. Ab 2007 war Tarand Berater des georgischen Präsidents Saakashwilli.
Bei einem Interview zu seiner Aufstellung als unabhängiger Kandidat (est, russ) sagte er über seine politische Ausrichtung, dass er in einigen Fragen ohne Zweifel konservativ wäre, in anderen recht liberal, die Ideen der Sozialdemokratie sind ihm nicht fremd und er habe Achtung vor den Grünen. Der Wunsch in die Politik zu gehen erklärt er damit, dass es ihm nicht gefalle, wie die jetzigen Parteien sich mit der Politik beschäftigen würden.
Mehr ist über sein Programm nicht zu erfahren, ausser, dass er 40000 Kronen für den Wahlkampf verbraucht habe.
Aus allem obengeschriebenen kann man sagen, dass Tarand, ob bewusst oder nicht, Regeln befolgt ist, die nahezu von jedem Populisten angewendet werden, um Erfolg zu haben:
- Sei beliebig, lasse Dich nicht festnageln und sei wählbar für die Leute, die auf die Frage, was für Musik sie hören: "Alles was im Radio kommt" antworten, also common sense
- Besetze ein Thema, für das man maximale Zustimmung an den Stammtischen bekommt, in dem Fall strikte Ablehnung von Kommunismus, Russland und estländischen Russen
- Sei präsent in den Medien, gutes Aussehen, flotte Sprüche und persönliche Ausstrahlung schaden auch nicht
- Schimpfe auf die etablierten, verfetteten, korrupten und geldgeilen Parteien, die keine Ahnung haben und den kleinen Mann nicht verstehen
- Sorge für Skandale
- Sage immer Deine Meinung, auch Deinem Chef gegenüber ohne Rücksicht, entweder gehst Du oder Dein Chef, aber die Aufmerksamkeit ist Dir gewiss und damit verkörperst Du den Traum jeren, die schon immer mal dem Chef die Meinung sagen wollten
- Sei ein Lebemann, in dem Land mit dem höchsten Alkoholkonsum, vielen schnellen Autos und Verkehrstoten ist ein bisschen Trunkenheit am Steuer doch nichts Schlimmes
- Einflussreiche Verwandtschaft ist auch nicht zu verachten
Mit diesem Rezept ist Tarand zwar nicht in die Liga von Möllemann, Haider oder Wilders angekommen, aber wenn ich ihn mit jemandem aus Deutschland vergleichen würde, fällt mir die "schöne Landrätin" Gabriele Pauli ein. Auf ähnliche Art und Weise ist sie bekannt geworden und wäre Franken unabhängig, wäre sie auch im Europaparlament. Ich schätze von Indrek Tarand werden wir von einiges zu hören bekommen, wenn auch nicht unbedingt was positives.
Wer hat Tarand denn gewählt? Ich habe noch keine Wahlanalyse mit handfesten Zahlen gesehen, wer die Gruppe war, die Tarand ihre Stimme gegeben hat, deswegen bin ich hier auf Spekulationen angewiesen. Es handelte sich um eine Protestwahl und die Tarand-Wähler würden unter anderen Umständen ihre Stimmen Reformpartei oder der Partei von Mart Laar geben, doch momentan sind sie nur frustriert. Die Regierungskrise hat keinerlei Änderung in die Politik gebracht, die Parteiführungen sind verbraucht, Savisaar genauso wenig wählbar, wie Kohl nach 16 Jahren Regierungszeit. Tarand spielte auf dem Gefühlsklavier der Wähler genau die richtigen Noten, er ist nicht dogmatisch, sympatisch, nicht auf den Kopf gefallen, erreichte mit wenig Geld sehr viele Köpfe und Herzen, ist nicht parteien-verbunden und hat den Aussenseiterbonus. Das hat viele überzeugt. Mit dem Drive den der Mann jetzt hat, ist er ein Kandidat auf den Posten des Präsidenten der Estnischen Republik.
Nachdem auch die anderen Blogs herzlich wenig (1,2,3) zu berichten hatten und Wikipedia auch nur einige biografische Details enthält, habe ich mich in Archiven von rus.delfi.ee umgeschaut, was ich über Tarand finden kann. Dabei sind einige Details rausgekommen, die andere Quellen verschweigen. Nichts liegt mir ferner als schmutzige Wäsche zu waschen, aber vielleicht zeigen gerade diese Details, warum er gewählt wurde.
Die Suche gestaltete sich nicht einfach, weil es mindestens drei Tarands gibt, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, Andres Tarand (Vater von Indrek) ist ehemaliger Ministerpräsident (1994-1995) und derzeit noch Mitglied des Europäischen Parlaments. Ausserdem gibt es noch Kaarel Tarand (Bruder von Indrek), der vielzitierte Hauptredaktor der Zeitung Sirp. Indrek begann seine politische Karriere 1994 als Staatskanzler im Aussenministerium. Eines seinen Ziele war der Ausschuss Russlands aus dem G8 Verband. 2002 beschuldigte ihn seine Chefin Kristiina Ojuland, dass er im angetrunkenen Zustand sie als vene (russische) [zensiertes Wort] beschimpft hatte und sie tätlich angegriffen hat. Ausserdem war vom Autofahren im betrunkenen Zustand die Rede. Das führte zu fristlosen Kündigung. Pikanterweise sind Ojuland und Tarand jetzt Kollegen im Europ'ischen Parlament und werden vermutlich viel Zeit im selben Flugzeug verbringen. Die Kündigung hat gewitzten Tarand nicht erschüttert, er wurde in der Personalabteilung der estnischen Zentralbank angestellt und machte als Showmaster beim Fernsehen solche Karriere, dass er irgendwann vor die Wahl gestellt wurde, Bank oder TV. Er hat sich für TV entschieden, allerdings wurde er 2005 Direktor des Laidoner Museums, das dem Verteidigungsministerium unterstellt ist. Da passierte schon der nächste Skandal. Wieder angetrunken erschien Tarand zu einem Fussball-Spiel mit einem T-Shirt bekleidet, wo auf der Vorderseite die Aufschrift "Kommunisten in den Ofen" und auf der Rückseite ein Grossteil der politischen Elite Estlands (Saavisaar, Ansip, Rüütel, Rejljan) aufgezählt wurde. Dies war der offizielle Grund für den Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Jõeruuts. Ab 2007 war Tarand Berater des georgischen Präsidents Saakashwilli.
Bei einem Interview zu seiner Aufstellung als unabhängiger Kandidat (est, russ) sagte er über seine politische Ausrichtung, dass er in einigen Fragen ohne Zweifel konservativ wäre, in anderen recht liberal, die Ideen der Sozialdemokratie sind ihm nicht fremd und er habe Achtung vor den Grünen. Der Wunsch in die Politik zu gehen erklärt er damit, dass es ihm nicht gefalle, wie die jetzigen Parteien sich mit der Politik beschäftigen würden.
Mehr ist über sein Programm nicht zu erfahren, ausser, dass er 40000 Kronen für den Wahlkampf verbraucht habe.
Aus allem obengeschriebenen kann man sagen, dass Tarand, ob bewusst oder nicht, Regeln befolgt ist, die nahezu von jedem Populisten angewendet werden, um Erfolg zu haben:
- Sei beliebig, lasse Dich nicht festnageln und sei wählbar für die Leute, die auf die Frage, was für Musik sie hören: "Alles was im Radio kommt" antworten, also common sense
- Besetze ein Thema, für das man maximale Zustimmung an den Stammtischen bekommt, in dem Fall strikte Ablehnung von Kommunismus, Russland und estländischen Russen
- Sei präsent in den Medien, gutes Aussehen, flotte Sprüche und persönliche Ausstrahlung schaden auch nicht
- Schimpfe auf die etablierten, verfetteten, korrupten und geldgeilen Parteien, die keine Ahnung haben und den kleinen Mann nicht verstehen
- Sorge für Skandale
- Sage immer Deine Meinung, auch Deinem Chef gegenüber ohne Rücksicht, entweder gehst Du oder Dein Chef, aber die Aufmerksamkeit ist Dir gewiss und damit verkörperst Du den Traum jeren, die schon immer mal dem Chef die Meinung sagen wollten
- Sei ein Lebemann, in dem Land mit dem höchsten Alkoholkonsum, vielen schnellen Autos und Verkehrstoten ist ein bisschen Trunkenheit am Steuer doch nichts Schlimmes
- Einflussreiche Verwandtschaft ist auch nicht zu verachten
Mit diesem Rezept ist Tarand zwar nicht in die Liga von Möllemann, Haider oder Wilders angekommen, aber wenn ich ihn mit jemandem aus Deutschland vergleichen würde, fällt mir die "schöne Landrätin" Gabriele Pauli ein. Auf ähnliche Art und Weise ist sie bekannt geworden und wäre Franken unabhängig, wäre sie auch im Europaparlament. Ich schätze von Indrek Tarand werden wir von einiges zu hören bekommen, wenn auch nicht unbedingt was positives.
Wer hat Tarand denn gewählt? Ich habe noch keine Wahlanalyse mit handfesten Zahlen gesehen, wer die Gruppe war, die Tarand ihre Stimme gegeben hat, deswegen bin ich hier auf Spekulationen angewiesen. Es handelte sich um eine Protestwahl und die Tarand-Wähler würden unter anderen Umständen ihre Stimmen Reformpartei oder der Partei von Mart Laar geben, doch momentan sind sie nur frustriert. Die Regierungskrise hat keinerlei Änderung in die Politik gebracht, die Parteiführungen sind verbraucht, Savisaar genauso wenig wählbar, wie Kohl nach 16 Jahren Regierungszeit. Tarand spielte auf dem Gefühlsklavier der Wähler genau die richtigen Noten, er ist nicht dogmatisch, sympatisch, nicht auf den Kopf gefallen, erreichte mit wenig Geld sehr viele Köpfe und Herzen, ist nicht parteien-verbunden und hat den Aussenseiterbonus. Das hat viele überzeugt. Mit dem Drive den der Mann jetzt hat, ist er ein Kandidat auf den Posten des Präsidenten der Estnischen Republik.
Dienstag, Juni 02, 2009
Droht Estland Staatsbankrott?
noch vor 2 Wochen hätte ich nicht für möglich gehalten, dass Estland Staatsbankrott drohen könnte, doch nachdem der estnische Ministerpräsident Andrus Ansip in einer Fernsehansprache den Staatsbankrott kategorisch ausgeschlossen hat, bin ich mir nicht mehr so sicher. Denn haben sich bisher so ziemlich alle wirtschaft-betreffende Prognosen von Ansip ins Gegenteil verkehrt (Euro-Einführung 2007, Zugehörigkeit zu 5 reichsten Ländern Europas, Unwichtigkeit des Transits, Leugnen der Krise). Deswegen beschäftigt sich dieser Artikel mit dem Wesen eines Staatsbankrotts und dessen Folgen. Ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler, deswegen können einige Schlussfolgerungen und Erklärungen falsch sein, deswegen bitte ich die Leser ihre Kritik in den Kommentaren zu schreiben.
Was genau ist ein Staatsbankrott? Grob gesagt gibt es drei Aufgabenfelder, wo der Staat unbedingt seinen Verpflichtungen nachgehen muss, tut er das nicht, kann man von einem Staatsbankrott sprechen. Die ersten zwei Verpflichtungen ist die Auszahlung von Staatsbediensteten, die die staatlichen Aufgaben übernehmen und ausüben und die Versorgung von Rentnern und sozial Schwachen. Natürlich lassen sich viele von den Aufgaben privatisieren, doch im Ernstfall muss der Staat die privaten Firmen bezahlen, damit sie die Leistung erbringen und falls die private Renten- oder Arbeitslosenversicherung zahlungsunfähig sind, muss der Staat einspringen, um soziale Unruhen oder womöglich Hungerkatastrophen abzuwenden. Das dritte Aufgabenfeld ist die Bezahlung der Auslandsschulden, die oft in ausländischen Währung gewährt werden, so dass in diesem Fall der Staat kein Einfluss auf die Inflation dieser Währung hat. Am Beispiel von Argentinien oder Island hat man gesehen, was passiert, wenn ein Staat kein Geld zur Begleichung der Auslandsschulden hat, die Gläubiger verlangen die Auszahlung und werden oft von den Regierungen ihres Landes unterstützt, was zu diplomatischen Verwerfungen führt.
Wie ist das momentane Szenario in Estland? Nach dem Bruch der Regierungskoalition mit den Sozialdemokraten verriet der designierte Finanzminister von der Volksunionpartei Aivar Sõerd den aktuellen Stand der Staatsfinanzen in Estland. Momentan verbrennt Estland eine-zwei Milliarde Kronen pro Monat mehr, als es einnimmt. Die fehlende Summe wird aus dem Stabilitätsfond entnommen, der in fetten Jahren vorausschauend angelegt wurde. Zu Beginn der Krise hatte der Fond 23 Mlrd. Kronen, inzwischen ist der Stand bei 10 Mlrd. Kronen. Wenn das Geld in diesem Tempo verbraucht wird, hätte Estland zum Jahresende ein Budgetdefizit von 15 Mldr. Kronen. Es wurden bereits 1,55 Mlrd Kronen aus der Pensionskasse entnommen (was ungefähr einem Drittel der Gesamtsumme entspricht), um die Löcher zu stopfen, was Schlimmes für die Zukunft der Rentenkasse erahnen lässt. Die Arbeitslosenkasse ist schon überschuldet, dabei wird befürchtet, dass das Schlimmste noch bevorsteht, wenn zum 1. Juni ein neuer Arbeitsschutzgesetz verabschiedet wird, der die Entlassungen erleichtert. Momentan ist die Auslandsverschuldung recht gering, doch hat Estland gerade ein Kredit in Höhe von 11 Mlrd. Kronen von der Europäischen Bank für Investitionen bekommen. Wie der Name der Bank besagt, sollte das Geld eigentlich für Investitionen in die Zukunft verwendet werden, doch lässt die verzweifelte Lage im Haushalt ahnen, für was dieses Geld ausgegeben wird.
Was wird denn passieren, falls die Budgetkürzungen und die Kredite nicht ausreichen und der Staat tatsächlich seinen Verpflichtungen nicht nachkommen wird was im ungünstigsten Fall Ende des Jahres der Fall sein dürfte? Um die Staatsbedienstete und sozial Schwachen auszahlen zu können, kann der Staat die Notenpresse anwerfen, was zu einer Inflation und letztlich zum Abschied vom festen Wechselkurs zwischen Euro und Krone führen dürfte (so geschehen in Argentinien, als der feste Wechselkurs zwischen US-Dollar und Peso aufgehoben wurde). Als Reaktion wird die Bevölkerung versuchen die Ersparnisse zu retten und in andere Währungen tauschen, was aber nicht möglich ist, da der Staat keine Reserven in Fremdwährungen mehr hat. Das dürfte den Wertverfall der Krone rasant beschleunigen. Die Entwertung passiert nicht kontrolliert wie in den Nachbarländern Schweden und Russland, sondern rasant und weitaus schmerzvoller. Die Kreditlast der in fremden Währung aufgenommenen Privatkredite steigt an, so dass sie nicht mehr bedient werden können. Um die Staatsverschuldung abzahlen zu können, werden verbliebene Staatsbetriebe privatisiert und Staatsbeteiligungen verkauft, damit verliert der Staat die Kontrolle über die Leistungen und Preise der oft monopolistischen Betriebe.
Natürlich kommt wieder die unvermeidliche Frage: "Was tun?" Es hat schon nicht an vielen Ratschlägen gemangelt, die aus allen politischen und ideologischen Lagern kamen, deswegen präsentiere ich auch meine Vorschläge. Als erstes sollte man unbeschönigt die derzeitige Lage anschauen, um festzustellen zu was estnische Wirtschaft überhaupt noch in der Lage ist. Zuallererst betrachten wir die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Welche Industrie passt zu estnischen Arbeitskräften? Ganz sicher keine Schwerindustrie, die nach vielen Arbeitskräften verlangt und kapitalintensiv ist, estnischer Arbeitsmarkt braucht sofort eine Belebung, es gibt wenig Kapital und sehr gross ist der Markt nicht. Eine wissens-basierte Industrie, wie sie von estnischen Politikern erträumt wird, wird Estland auch nur am Rande haben, es fehlen gut ausgebildete Fachkräfte aus dem Inland, viele gehen ins Ausland. Es gibt auch kaum Anreize für ausländische Facharbeitskräfte nach Estland einzuwandern, weder ökonomischer Natur, noch werden sie von der Bevölkerung erwartet und akzeptiert. Es bleiben drei Bereiche übrig, wo Estland noch mithalten kann, das wären Tourismus, Transit und Landwirtschaft. Mit Wodka und Zigarettentourismus ist Estland in den 90ern Jahren berühmt-berüchtigt geworden, mit demselben Wodka und Zigaretten wird sich Estland auch dieses Mal retten müssen. Natürlich träumt jedes Land von nachhaltigem Tourismus und verantwortungsbewussten Bildungsreisenden, doch der schnelle Euro ist damit nicht verdient. Deswegen muss Estland wieder für die skandinavische Entsprechung des deutschen Ballermann-Besuchers attraktiv werden. Also runter mit Alkohol- und Zigarettenakzisen, Abschaffung des Verbots des nächtlichen Alkoholverkaufs, günstige Übernachtungs- und Einkaufsmöglichkeiten (die nur mit der Entwertung der Währung möglich sind). Oder wie wäre es mit Legalisierung von leichten Drogen alá Holland? Tallinn als Amsterdam des Nordens? Sicher waren viele Esten froh, als der Proll-Tourismus abgenommen hat und die Briten ihre Junggesellenfeiern nicht mehr auf dem Rathausplatz gefeiert haben, doch haben diese Leute viel Fremdwährung nach Estland gebracht und gelassen. Was Transit angeht, Estland hat immer noch eine gute Verkehrsinfrastruktur, wie deutet sich an, dass die russischen Häfen nicht rechtzeitig fertig werden, so dass obwohl wegen der Wirtschaftskrise weniger Waren transportiert werden müssen, immer noch Bedarf besteht und mit dem Anziehen der Erdölpreise Russland bald wieder viel zu transportieren haben wird. Was dringend modernisiert werden müssen, sind die Eisenbahngleise und die Verkehrsanbindung an Russland. Deswegen sollte die Eisenbahn an einen verantwortungsvollen! Investor verkauft werden (hat eigentlich schon die DB AG angefragt?), der die Infrastruktur modernisiert. Und natürlich müssen die politischen Beziehungen mit Russland wieder aufgetaut werden, damit die faktische Blockade aufhört. Was die Landwirtschaft angeht, sollten wieder wenige, aber schlagkräftige Gemeinschaften entstehen, die zu konkurrenzfähigen Preisen zumindest den Binnenmarkt mit Nahrung versorgen können, was bei der Entwertung der Krone wichtig wird, damit wenigstens die Nahrungsmittel nicht teurer werden. Zusätzlich könnte mit der Landwirtschaft auch die Nutzung der alternative Energien entwickelt werden, was oft zusammenhängt (Biodiesel, bzw. Nutzung der Abfälle aus der Landwirtschaft für Strom- und/oder Wärmeerzeugung).
Ob diese Massnahmen ausreichen werden? Diese Frage kann ich ebensowenig beantworten wie alle anderen, die alternative Konzepte entwickeln. Eines ist jedoch sicher, falls es nicht schleunigst zu Entwicklung und Umsetzung von Alternativplänen kommt und der Übergang zu Euro als Währung als die einzige Rettungsmassnahme angepriesen wird (wobei immer noch nicht klar ist, vor was rettet der Euro eigentlich?), ist ein Staatsbankrott ein durchaus realistisches Szenario
Was genau ist ein Staatsbankrott? Grob gesagt gibt es drei Aufgabenfelder, wo der Staat unbedingt seinen Verpflichtungen nachgehen muss, tut er das nicht, kann man von einem Staatsbankrott sprechen. Die ersten zwei Verpflichtungen ist die Auszahlung von Staatsbediensteten, die die staatlichen Aufgaben übernehmen und ausüben und die Versorgung von Rentnern und sozial Schwachen. Natürlich lassen sich viele von den Aufgaben privatisieren, doch im Ernstfall muss der Staat die privaten Firmen bezahlen, damit sie die Leistung erbringen und falls die private Renten- oder Arbeitslosenversicherung zahlungsunfähig sind, muss der Staat einspringen, um soziale Unruhen oder womöglich Hungerkatastrophen abzuwenden. Das dritte Aufgabenfeld ist die Bezahlung der Auslandsschulden, die oft in ausländischen Währung gewährt werden, so dass in diesem Fall der Staat kein Einfluss auf die Inflation dieser Währung hat. Am Beispiel von Argentinien oder Island hat man gesehen, was passiert, wenn ein Staat kein Geld zur Begleichung der Auslandsschulden hat, die Gläubiger verlangen die Auszahlung und werden oft von den Regierungen ihres Landes unterstützt, was zu diplomatischen Verwerfungen führt.
Wie ist das momentane Szenario in Estland? Nach dem Bruch der Regierungskoalition mit den Sozialdemokraten verriet der designierte Finanzminister von der Volksunionpartei Aivar Sõerd den aktuellen Stand der Staatsfinanzen in Estland. Momentan verbrennt Estland eine-zwei Milliarde Kronen pro Monat mehr, als es einnimmt. Die fehlende Summe wird aus dem Stabilitätsfond entnommen, der in fetten Jahren vorausschauend angelegt wurde. Zu Beginn der Krise hatte der Fond 23 Mlrd. Kronen, inzwischen ist der Stand bei 10 Mlrd. Kronen. Wenn das Geld in diesem Tempo verbraucht wird, hätte Estland zum Jahresende ein Budgetdefizit von 15 Mldr. Kronen. Es wurden bereits 1,55 Mlrd Kronen aus der Pensionskasse entnommen (was ungefähr einem Drittel der Gesamtsumme entspricht), um die Löcher zu stopfen, was Schlimmes für die Zukunft der Rentenkasse erahnen lässt. Die Arbeitslosenkasse ist schon überschuldet, dabei wird befürchtet, dass das Schlimmste noch bevorsteht, wenn zum 1. Juni ein neuer Arbeitsschutzgesetz verabschiedet wird, der die Entlassungen erleichtert. Momentan ist die Auslandsverschuldung recht gering, doch hat Estland gerade ein Kredit in Höhe von 11 Mlrd. Kronen von der Europäischen Bank für Investitionen bekommen. Wie der Name der Bank besagt, sollte das Geld eigentlich für Investitionen in die Zukunft verwendet werden, doch lässt die verzweifelte Lage im Haushalt ahnen, für was dieses Geld ausgegeben wird.
Was wird denn passieren, falls die Budgetkürzungen und die Kredite nicht ausreichen und der Staat tatsächlich seinen Verpflichtungen nicht nachkommen wird was im ungünstigsten Fall Ende des Jahres der Fall sein dürfte? Um die Staatsbedienstete und sozial Schwachen auszahlen zu können, kann der Staat die Notenpresse anwerfen, was zu einer Inflation und letztlich zum Abschied vom festen Wechselkurs zwischen Euro und Krone führen dürfte (so geschehen in Argentinien, als der feste Wechselkurs zwischen US-Dollar und Peso aufgehoben wurde). Als Reaktion wird die Bevölkerung versuchen die Ersparnisse zu retten und in andere Währungen tauschen, was aber nicht möglich ist, da der Staat keine Reserven in Fremdwährungen mehr hat. Das dürfte den Wertverfall der Krone rasant beschleunigen. Die Entwertung passiert nicht kontrolliert wie in den Nachbarländern Schweden und Russland, sondern rasant und weitaus schmerzvoller. Die Kreditlast der in fremden Währung aufgenommenen Privatkredite steigt an, so dass sie nicht mehr bedient werden können. Um die Staatsverschuldung abzahlen zu können, werden verbliebene Staatsbetriebe privatisiert und Staatsbeteiligungen verkauft, damit verliert der Staat die Kontrolle über die Leistungen und Preise der oft monopolistischen Betriebe.
Natürlich kommt wieder die unvermeidliche Frage: "Was tun?" Es hat schon nicht an vielen Ratschlägen gemangelt, die aus allen politischen und ideologischen Lagern kamen, deswegen präsentiere ich auch meine Vorschläge. Als erstes sollte man unbeschönigt die derzeitige Lage anschauen, um festzustellen zu was estnische Wirtschaft überhaupt noch in der Lage ist. Zuallererst betrachten wir die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Welche Industrie passt zu estnischen Arbeitskräften? Ganz sicher keine Schwerindustrie, die nach vielen Arbeitskräften verlangt und kapitalintensiv ist, estnischer Arbeitsmarkt braucht sofort eine Belebung, es gibt wenig Kapital und sehr gross ist der Markt nicht. Eine wissens-basierte Industrie, wie sie von estnischen Politikern erträumt wird, wird Estland auch nur am Rande haben, es fehlen gut ausgebildete Fachkräfte aus dem Inland, viele gehen ins Ausland. Es gibt auch kaum Anreize für ausländische Facharbeitskräfte nach Estland einzuwandern, weder ökonomischer Natur, noch werden sie von der Bevölkerung erwartet und akzeptiert. Es bleiben drei Bereiche übrig, wo Estland noch mithalten kann, das wären Tourismus, Transit und Landwirtschaft. Mit Wodka und Zigarettentourismus ist Estland in den 90ern Jahren berühmt-berüchtigt geworden, mit demselben Wodka und Zigaretten wird sich Estland auch dieses Mal retten müssen. Natürlich träumt jedes Land von nachhaltigem Tourismus und verantwortungsbewussten Bildungsreisenden, doch der schnelle Euro ist damit nicht verdient. Deswegen muss Estland wieder für die skandinavische Entsprechung des deutschen Ballermann-Besuchers attraktiv werden. Also runter mit Alkohol- und Zigarettenakzisen, Abschaffung des Verbots des nächtlichen Alkoholverkaufs, günstige Übernachtungs- und Einkaufsmöglichkeiten (die nur mit der Entwertung der Währung möglich sind). Oder wie wäre es mit Legalisierung von leichten Drogen alá Holland? Tallinn als Amsterdam des Nordens? Sicher waren viele Esten froh, als der Proll-Tourismus abgenommen hat und die Briten ihre Junggesellenfeiern nicht mehr auf dem Rathausplatz gefeiert haben, doch haben diese Leute viel Fremdwährung nach Estland gebracht und gelassen. Was Transit angeht, Estland hat immer noch eine gute Verkehrsinfrastruktur, wie deutet sich an, dass die russischen Häfen nicht rechtzeitig fertig werden, so dass obwohl wegen der Wirtschaftskrise weniger Waren transportiert werden müssen, immer noch Bedarf besteht und mit dem Anziehen der Erdölpreise Russland bald wieder viel zu transportieren haben wird. Was dringend modernisiert werden müssen, sind die Eisenbahngleise und die Verkehrsanbindung an Russland. Deswegen sollte die Eisenbahn an einen verantwortungsvollen! Investor verkauft werden (hat eigentlich schon die DB AG angefragt?), der die Infrastruktur modernisiert. Und natürlich müssen die politischen Beziehungen mit Russland wieder aufgetaut werden, damit die faktische Blockade aufhört. Was die Landwirtschaft angeht, sollten wieder wenige, aber schlagkräftige Gemeinschaften entstehen, die zu konkurrenzfähigen Preisen zumindest den Binnenmarkt mit Nahrung versorgen können, was bei der Entwertung der Krone wichtig wird, damit wenigstens die Nahrungsmittel nicht teurer werden. Zusätzlich könnte mit der Landwirtschaft auch die Nutzung der alternative Energien entwickelt werden, was oft zusammenhängt (Biodiesel, bzw. Nutzung der Abfälle aus der Landwirtschaft für Strom- und/oder Wärmeerzeugung).
Ob diese Massnahmen ausreichen werden? Diese Frage kann ich ebensowenig beantworten wie alle anderen, die alternative Konzepte entwickeln. Eines ist jedoch sicher, falls es nicht schleunigst zu Entwicklung und Umsetzung von Alternativplänen kommt und der Übergang zu Euro als Währung als die einzige Rettungsmassnahme angepriesen wird (wobei immer noch nicht klar ist, vor was rettet der Euro eigentlich?), ist ein Staatsbankrott ein durchaus realistisches Szenario
Montag, Juni 01, 2009
Gesucht
es wird eine deutsch-sprachige/r Fremdenführer/in für Estland gesucht. Es soll ein mehrtägiges Programm für den Besuch einer deutsch-sprachigen Gruppe ausgearbeitet werden. Bei Interesse bitte eine Mail an anton.klotz@believe.de schreiben.
Vielen Dank,
Anton
Vielen Dank,
Anton
Sonntag, Mai 24, 2009
Russisch-sprachige Massenmedien in Estland
Nachdem ich vor kurzem ein Artikel über die Situation der russisch-sprachigen Presse übersetzt habe, komme ich nicht umhin einen neuen Artikel darüber zu schreiben, weil die Situation sich wieder verschlimmert hat.
Kaum hat sich die Aufregung über die Schliessung von "Vesti Dnja" gelegt, wurde bekannt, dass die älteste tägliche russisch-sprachige Zeitung "Molodjezh Estnonii" zumindest bis zum 1. Juni nicht mehr erscheinen wird. Und es gibt einige Vermutungen, dass falls keine Investoren gefunden werden, auch dieser Termin verstreichen wird. Damit ist die einzige russisch-sprachige, überregionale tägliche Zeitung in Estland die russische Version von Postimees, die größtenteils aus den Übersetzungen der estnisch-sprachigen Nachrichten besteht. Postimees zeigt grosse Affinität zu der Reformpartei, so dass viele Artikel wenn auch nicht explizit Russland-feindlich sind, so ist die Tendenz zu ständigen kleinen Ausfällen gegenüber Russland offensichtlich, was einen Grossteil der russisch-sprachigen Leser über Zeit vergraulen dürfte.
Es stellen sich zwei Fragen: Wie wichtig ist eine unabhängige Tageszeitung und welche Alternativen gibt es? Die erste Frage ist nicht nur für die russisch-sprachige Gemeinde in Estland aktuell, auch weltweit befindet sich der Zeitungsmarkt in der Krise und viele Zeitungen stellen ihr Erscheinen ein, weil ihnen durch die Wirtschaftskrise, aber auch durch Internet die finanzielle Grundlage entzogen wird. Viele Abonnenten kündigen das Abo mit der Begründung, dass Internet und Nachrichtensender viel aktuellere Informationen haben und die Nachbereitung der Informationen, der Hintergrund der Geschehnisse, auch in einem Wochenblatt erscheinen können, während den Arbeitstagen ist die Lesezeit eher begrenzt, dafür kann man am Wochenende die Geschehnisse der Woche gut aufbereitet und recherchiert nachlesen. Dieses Argument gilt natürlich, wenn man die Zeitung als Einwegkanal betrachtet, von der Redaktion zum Leser. Allerdings hat die Zeitung auch oft einen Rückkanal, nämlich der Leser kann einen Leserbrief an die Zeitung schreiben und auf ein Misstand hinweisen, den die Redaktion dann aufgreifen kann, wenn sie es für berichtenswert hält. Eine Zeitung hat zumindest noch in Europa einen höheren Stellenwert als ein Blogger, oder ein unabhängiges Nachrichtenportal, das über denselben Misstand schreibt, so dass die öffentliche Kritik und eine Reaktion darauf mit einem Zeitungsartikel eher zu erzeugen ist, als mit einem in Internet veröffentlichten Artikel. In USA ändert sich dieser Zustand, Blogger werden immer mächtiger, doch Europa hinkt hinterher. Durch diesen Rückkanal, als auch allgemeine Stimmungen der Zielgruppe, die eine Zeitung aufgreifen muss, damit sie gelesen wird, kann auch ein Aussenstehender die Meinungen der Zielgruppe nachvollziehen. Im Fall von übersetztem Postimees fehlt dieser Rückkanal, so dass den estnischen Politikern, Demoskopen, Politikwissenschaftlern eine wichtige Grundlage für die Beobachtung der Stimmung in der russisch-sprachigen Bevölkerung fehlen wird.
Was sind die Alternativen? Es gibt den PBK (Pervij Baltijskij Kanal), der hauptsächlich die Inhalte des "Pervij Kanal" des russländischen Fernsehens übernimmt. Es gibt "Aktualnaja Kamera" auf ETV2, wo in 15 Minuten in russischen Sprache die aktuellen Nachrichten aus Estland gezeigt werden. Und es gibt "Sud Prisjazhnyh" ("Geschworenengericht") eine politische Talkshow, wo viele aktuelle Themen, die die russisch-sprachige Bevölkerung unmittelbar betreffen, von estnischen, als auch nichtestnischen Gästen besprochen werden. Die Zuschauer können abstimmen, so dass ein gewisser Rückkanal besteht, um die Stimmung der Bevölkerung grob zu testen. Es gibt Radio 4, einen staatlichen Radiokanal in russischen Sprache, der grösstenteils aus Nachrichten besteht.
Ein Wochenblatt in russischen Sprache, der überregional vertrieben wird, ist Den za Dnjem. Die Zeitung gehört Postimees, so dass die politische Richtung ähnlich ist, doch ist der Anteil der Artikel, die von russisch-sprachigen Redakteuren geschrieben wurden höher, als in Postimees. Überregional vertrieben wird die wöchentlich erscheinende "MK-Estonija". MK steht für Moskovskij Komsomoletz, eine Zeitung in Russland, so dass die Hauptredaktion in Russland ansässig ist und die estnische Redaktion Inhalte beisteuert. Alle anderen Wochenblätter sind regional. "Stoliza" ist eine kostenlose Zeitung, die in Tallinn vertrieben wird und teils aus kommunalen Nachrichten, teils aus Werbung für Zentristen-Partei besteht. Narvskaja Gazeta erscheint 2x wöchentlich und ist eher dem Regierungslager zuzurechnen. Fünf Mal die Woche erscheint die Zeitung "Severnoje Poberezhje" in der Region Ida-Virumaa. Walk ist ein wöchentlich erscheinendes gemeinsames estnisch-lettisches Projekt für Süd-Estland und Nord-Lettland. Peipsirannik ist monatlich erscheinende Zeitung für die Bewohner der Küste des Peipus-Sees.
Eine Zeitschrift, die einen besonderen Status einnimmt, ist "Baltijskij Mir". Diese einmal in zwei Monaten erscheinende Zeitschrift wird zu 100% von der russländischen Regierungskomission für Compatrioten im Ausland finanziert und kostenlos von russländischen Botschaften und Organisationen der Compatrioten vertrieben. Die Zeitschrift ist sehr professionell gemacht und beleuchtet sehr ausführlich die Geschehnisse in baltischen Staaten natürlich aus streng russland-freundlichen Sicht. Ich kann nicht sagen, wie populär die Zeitschrift wirklich ist, aber sie könnte durchaus meinungsbildend bei der russisch-sprachigen Intelligenz werden, die Russland nicht ablehnend gegenüber steht.
Wenn man die russisch-sprachigen Internet-Portale aufzählen möchte, die sich mit Estland beschäftigen, kommt man natürlich an Delfi nicht vorbei. Berühmt-berüchtigt ist Delfi nicht wegen den Nachrichten, sondern hauptsächlich wegen den Kommentatoren, wegen denen es schon öfters Versuche gab einen Anonymisierungsverbot bei Kommentaren im Internet zu beschliessen, um die schlimmsten Auswüchse an Hass und Beschimpfungen zu unterbinden, bislang vergeblich. Bei vielen anderen Internet-Portalen ist es öfters nicht klar, wer dahintersteht und wie ernst das Portal zu nehmen ist, ob es Ein-Mann-Unternehmen ist, das jederzeit die Arbeit einstellen kann, oder ob eine gut finanzierte Gruppe ein neues Konzept verfolgt. Recht neu ist www.baltija.eu, wo viele Estland-kritische Nachrichten erscheinen, weswegen die Seite schon öfters (nach eigenen Angaben zumindest) ein Ziel von Hacker-Angriffen wurde. Unpopulär, aber wegen professionellen Aufmachung erwähnenswert ist Vene Portal, den Artikeln zufolge eher ein Projekt der Regierung. www.slavia.ee wird vom Nord-Ost Zentrum der Russischen Kultur betrieben, www.dozor.ee, wie der Name schon sagt von Aktivisten von Notchnoj Dozor.
Meine wichtigste Informationsquelle ist allerdings das social network Livejournal, der in Russland sehr populär ist. Es gibt viele Communities, wo die Mitglieder alle Nachrichten zum Thema sammeln und als ein Artikel posten, so dass man nicht alle Nachrichtenseiten einzeln durchschauen muss.
Als Fazit kann man sagen, dass für eine umfassende Information über das Leben der russisch-sprachigen Gemeinde das Internet herhalten muss, da die sonstigen Massenmedien entweder nur regional erscheinen, oder sehr parteibezogen sind, so dass keine unabhängige Meinung gebildet werden kann. Trotz des Spitznamens E-stonia, ist der Anteil der Leute in der russisch-sprachigen Bevölkerung, die mit den neuen Medien umgehen können, noch recht gering, besonders in der älteren Schicht, so dass mit dem Verschwinden der täglich erscheinenden Zeitungen, sie von unabhängigen Informationen abgeschnitten sind. Der Rückkanal im Internet funktioniert nur bedingt, wegen der grossen Zersplitterung der Portale und ihrer geringeren Macht im Vergleich zu einer Zeitungsredaktion. Wie ein Delfi-Kommentator es ausgedrückt hat, wird die Regierung die Meinung der russisch-sprachigen Bevölkerung entweder aus Berichten des Innenministeriums (sprich KAPO), aus partei-finanzierten Zeitungen oder aus privaten Blogs erfahren.
Kaum hat sich die Aufregung über die Schliessung von "Vesti Dnja" gelegt, wurde bekannt, dass die älteste tägliche russisch-sprachige Zeitung "Molodjezh Estnonii" zumindest bis zum 1. Juni nicht mehr erscheinen wird. Und es gibt einige Vermutungen, dass falls keine Investoren gefunden werden, auch dieser Termin verstreichen wird. Damit ist die einzige russisch-sprachige, überregionale tägliche Zeitung in Estland die russische Version von Postimees, die größtenteils aus den Übersetzungen der estnisch-sprachigen Nachrichten besteht. Postimees zeigt grosse Affinität zu der Reformpartei, so dass viele Artikel wenn auch nicht explizit Russland-feindlich sind, so ist die Tendenz zu ständigen kleinen Ausfällen gegenüber Russland offensichtlich, was einen Grossteil der russisch-sprachigen Leser über Zeit vergraulen dürfte.
Es stellen sich zwei Fragen: Wie wichtig ist eine unabhängige Tageszeitung und welche Alternativen gibt es? Die erste Frage ist nicht nur für die russisch-sprachige Gemeinde in Estland aktuell, auch weltweit befindet sich der Zeitungsmarkt in der Krise und viele Zeitungen stellen ihr Erscheinen ein, weil ihnen durch die Wirtschaftskrise, aber auch durch Internet die finanzielle Grundlage entzogen wird. Viele Abonnenten kündigen das Abo mit der Begründung, dass Internet und Nachrichtensender viel aktuellere Informationen haben und die Nachbereitung der Informationen, der Hintergrund der Geschehnisse, auch in einem Wochenblatt erscheinen können, während den Arbeitstagen ist die Lesezeit eher begrenzt, dafür kann man am Wochenende die Geschehnisse der Woche gut aufbereitet und recherchiert nachlesen. Dieses Argument gilt natürlich, wenn man die Zeitung als Einwegkanal betrachtet, von der Redaktion zum Leser. Allerdings hat die Zeitung auch oft einen Rückkanal, nämlich der Leser kann einen Leserbrief an die Zeitung schreiben und auf ein Misstand hinweisen, den die Redaktion dann aufgreifen kann, wenn sie es für berichtenswert hält. Eine Zeitung hat zumindest noch in Europa einen höheren Stellenwert als ein Blogger, oder ein unabhängiges Nachrichtenportal, das über denselben Misstand schreibt, so dass die öffentliche Kritik und eine Reaktion darauf mit einem Zeitungsartikel eher zu erzeugen ist, als mit einem in Internet veröffentlichten Artikel. In USA ändert sich dieser Zustand, Blogger werden immer mächtiger, doch Europa hinkt hinterher. Durch diesen Rückkanal, als auch allgemeine Stimmungen der Zielgruppe, die eine Zeitung aufgreifen muss, damit sie gelesen wird, kann auch ein Aussenstehender die Meinungen der Zielgruppe nachvollziehen. Im Fall von übersetztem Postimees fehlt dieser Rückkanal, so dass den estnischen Politikern, Demoskopen, Politikwissenschaftlern eine wichtige Grundlage für die Beobachtung der Stimmung in der russisch-sprachigen Bevölkerung fehlen wird.
Was sind die Alternativen? Es gibt den PBK (Pervij Baltijskij Kanal), der hauptsächlich die Inhalte des "Pervij Kanal" des russländischen Fernsehens übernimmt. Es gibt "Aktualnaja Kamera" auf ETV2, wo in 15 Minuten in russischen Sprache die aktuellen Nachrichten aus Estland gezeigt werden. Und es gibt "Sud Prisjazhnyh" ("Geschworenengericht") eine politische Talkshow, wo viele aktuelle Themen, die die russisch-sprachige Bevölkerung unmittelbar betreffen, von estnischen, als auch nichtestnischen Gästen besprochen werden. Die Zuschauer können abstimmen, so dass ein gewisser Rückkanal besteht, um die Stimmung der Bevölkerung grob zu testen. Es gibt Radio 4, einen staatlichen Radiokanal in russischen Sprache, der grösstenteils aus Nachrichten besteht.
Ein Wochenblatt in russischen Sprache, der überregional vertrieben wird, ist Den za Dnjem. Die Zeitung gehört Postimees, so dass die politische Richtung ähnlich ist, doch ist der Anteil der Artikel, die von russisch-sprachigen Redakteuren geschrieben wurden höher, als in Postimees. Überregional vertrieben wird die wöchentlich erscheinende "MK-Estonija". MK steht für Moskovskij Komsomoletz, eine Zeitung in Russland, so dass die Hauptredaktion in Russland ansässig ist und die estnische Redaktion Inhalte beisteuert. Alle anderen Wochenblätter sind regional. "Stoliza" ist eine kostenlose Zeitung, die in Tallinn vertrieben wird und teils aus kommunalen Nachrichten, teils aus Werbung für Zentristen-Partei besteht. Narvskaja Gazeta erscheint 2x wöchentlich und ist eher dem Regierungslager zuzurechnen. Fünf Mal die Woche erscheint die Zeitung "Severnoje Poberezhje" in der Region Ida-Virumaa. Walk ist ein wöchentlich erscheinendes gemeinsames estnisch-lettisches Projekt für Süd-Estland und Nord-Lettland. Peipsirannik ist monatlich erscheinende Zeitung für die Bewohner der Küste des Peipus-Sees.
Eine Zeitschrift, die einen besonderen Status einnimmt, ist "Baltijskij Mir". Diese einmal in zwei Monaten erscheinende Zeitschrift wird zu 100% von der russländischen Regierungskomission für Compatrioten im Ausland finanziert und kostenlos von russländischen Botschaften und Organisationen der Compatrioten vertrieben. Die Zeitschrift ist sehr professionell gemacht und beleuchtet sehr ausführlich die Geschehnisse in baltischen Staaten natürlich aus streng russland-freundlichen Sicht. Ich kann nicht sagen, wie populär die Zeitschrift wirklich ist, aber sie könnte durchaus meinungsbildend bei der russisch-sprachigen Intelligenz werden, die Russland nicht ablehnend gegenüber steht.
Wenn man die russisch-sprachigen Internet-Portale aufzählen möchte, die sich mit Estland beschäftigen, kommt man natürlich an Delfi nicht vorbei. Berühmt-berüchtigt ist Delfi nicht wegen den Nachrichten, sondern hauptsächlich wegen den Kommentatoren, wegen denen es schon öfters Versuche gab einen Anonymisierungsverbot bei Kommentaren im Internet zu beschliessen, um die schlimmsten Auswüchse an Hass und Beschimpfungen zu unterbinden, bislang vergeblich. Bei vielen anderen Internet-Portalen ist es öfters nicht klar, wer dahintersteht und wie ernst das Portal zu nehmen ist, ob es Ein-Mann-Unternehmen ist, das jederzeit die Arbeit einstellen kann, oder ob eine gut finanzierte Gruppe ein neues Konzept verfolgt. Recht neu ist www.baltija.eu, wo viele Estland-kritische Nachrichten erscheinen, weswegen die Seite schon öfters (nach eigenen Angaben zumindest) ein Ziel von Hacker-Angriffen wurde. Unpopulär, aber wegen professionellen Aufmachung erwähnenswert ist Vene Portal, den Artikeln zufolge eher ein Projekt der Regierung. www.slavia.ee wird vom Nord-Ost Zentrum der Russischen Kultur betrieben, www.dozor.ee, wie der Name schon sagt von Aktivisten von Notchnoj Dozor.
Meine wichtigste Informationsquelle ist allerdings das social network Livejournal, der in Russland sehr populär ist. Es gibt viele Communities, wo die Mitglieder alle Nachrichten zum Thema sammeln und als ein Artikel posten, so dass man nicht alle Nachrichtenseiten einzeln durchschauen muss.
Als Fazit kann man sagen, dass für eine umfassende Information über das Leben der russisch-sprachigen Gemeinde das Internet herhalten muss, da die sonstigen Massenmedien entweder nur regional erscheinen, oder sehr parteibezogen sind, so dass keine unabhängige Meinung gebildet werden kann. Trotz des Spitznamens E-stonia, ist der Anteil der Leute in der russisch-sprachigen Bevölkerung, die mit den neuen Medien umgehen können, noch recht gering, besonders in der älteren Schicht, so dass mit dem Verschwinden der täglich erscheinenden Zeitungen, sie von unabhängigen Informationen abgeschnitten sind. Der Rückkanal im Internet funktioniert nur bedingt, wegen der grossen Zersplitterung der Portale und ihrer geringeren Macht im Vergleich zu einer Zeitungsredaktion. Wie ein Delfi-Kommentator es ausgedrückt hat, wird die Regierung die Meinung der russisch-sprachigen Bevölkerung entweder aus Berichten des Innenministeriums (sprich KAPO), aus partei-finanzierten Zeitungen oder aus privaten Blogs erfahren.
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