Mittwoch, April 16, 2008

Kaitse Politsei (KAPO)

Während meiner Recherchen und Fragen an meine estnische Kontakte wird immer wieder der estnische Verfassungsschutz, die Kaitse Politsei (KAPO) erwähnt. In diesem Artikel werde ich zusammentragen was mir an Fakten bekannt ist, wie die KAPO in Erscheinung tritt und wie sie die Einwohner Estlands (nicht nur estnische Staatsbürger) mit nicht genehmer politischen Meinung unter Druck setzt.

Schon vor den Bronzenen Nächten beobachtete die KAPO die Mitglieder des Notchnoj Dozor. Wobei Beobachten nicht der richtige Ausdruck ist, die Beobachtungen waren zwar verdeckt, doch entweder waren sie einfach unprofessionell (auswechselbare Autoschilder mit Plastikbändern befestigt, das funktionierte beim KGB auf Knopfdruck, wie man im Okkupationsmuseum besichtigen kann), oder man will absichtlich die evtl. Störenfriede warnen, dass sie unter dauerhaften Beobachtung stehen und dadurch psychischen Druck anwenden. Lange bekannt ist es, dass die Telefone von Anführern des Notchnoj Dozor abgehört werden (die Technologie dafür wurde direkt vom KGB übernommen, sie kann auch im Okkupationsmuseum besichtig werden und wird nach der Auskunft eines Mitarbeiters der Eesti Telekom nahezu unverändert auch heutzutage eingesetzt). Zuletzt wurden die Mitschnitte der Telefongespräche bei dem Prozess gegen Maxim Reva, Dmitrij Linter, Dmitrij Klenski und Mark Syrik verwendet. Relativ neu hingegen ist die Möglichkeit aufgrund der Lokation der Mobiltelefone den momentanen Ort des unter Beobachtung stehenden Person rauszufinden und die Polizei hinzuschicken. Eingesetzt wurde die Methode mehrere Male gegen die Mitglieder des lettischen Antifaschistenkomitees, die an der Grenze abgefangen wurden und denen trotz des Schengen-Abkommens die Einreise nach Estland verboten ist. Die Möglichkeiten der KAPO Internet-Verkehr zu beobachten, sind nicht bekannt, doch mit der Einführung der europäischen Richtlinie der Vorratsdatenspeicherung bekommt die KAPO einen umfangreichen Datensatz, den sie auswerten kann. Ich persönlich hatte ein anonymes Gespräch mit einem Mitglied von Notchnoj Dozor in Second Life und er hatte Angst, dass die KAPO selbst dort die Chats mitlesen und hinter den Avataren stehende reale Personen ermitteln kann. Definitiv kann KAPO realen Personen ermitteln, die in den beliebten Bloggerdienst Livejournal posten.

Neben der blossen Beobachtung (Einschüchterung) wird versucht die außerparlamentarische politische Gegner zu diskreditieren. Einen Skandal gab es vor kurzem, als eine estnische Zeitung an den gesamten Vorstrafenregister der Notchnoj Dozor Mitglieder gekommen ist und es veröffentlichte. Für diese grobe Verletzung des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte ist die KAPO verantwortlich zu machen, die diesen Material der Zeitung zuspielte. Bei der Veröffentlichung des KAPO-Jahresberichtes 2006 wurde erwähnt, dass bei dem Zentrum der Information für Menschenrechte die Hälfte der Mitarbeiter Mitglieder der russlandnahen Konstitutionellen Partei seien. Diese Meldung wurde am selben Tag vom Leiter des Zentrums Alekej Semjonov als falsch zurückgewiesen, denn nur einer der 22 Mitarbeiter ist Mitglied der nicht verbotenen Konstitutionellen Partei und er ist nicht mal fest angestellt.

Eine beliebte Methode die Versammlungen des Notchnoj Dozors zu behindern, ist es den Vermieter des Veranstaltungsortes unter Druck zu setzen, so dass er die zuvor versprochene Zusage zurückzieht. Auch werden die Arbeitgeber unter Druck gesetzt, keine Mitglieder des Notchnoj Dozor zu beschäftigen. Oft reicht auch ein Anruf bei dem Betroffenen, verbunden mit der Drohung des Arbeitsplatzverlustes, so dass er die Aktivitäten einstellt. Das jüngste Beispiel geschah letzte Woche. Der Blogger gleb1 postete täglich in die Livejournal-Community tonismagi eine Presseübersicht, die mit den Geschehnissen um die Bronzenen Nächte im weitesten Sinne zu tun hatten. Alle Links zeigten auf öffentlich zugängliche Materialien aus estnischen und ausländischen Zeitungen (nicht mal die Pressemitteilungen von Notchnoj Dozor wurden verlinkt). Der "sanfte" Hinweis, dass er nicht die Seelen der jungen Leser verderben soll, genügte, dass er sich zurückgezogen hat.

All diese Beispiele führen zu seltsamen Allianzen. Extremer Nationalist Tiit Madisson schrieb vor kurzem in das Forum des Notchnoj Dozor eine Message in der er sich ebenfalls über die KAPO beklagt, sie würde die estnischen Nationalisten noch stärker bedrängen als Notchnoj Dozor. Wäre er Russe würde er auch Mitglied von Notchnoj Dozor werden. Während der Sowjetzeit hat er Erfahrungen mit KGB gemacht und er kann sagen, dass die KAPO genauso agiert nur dümmer. Ein anderer Nationalist Risto Teinonen eröffnete eine Seite im Internet auf der er mitteilt, wie man den Anwerbungen durch die KAPO entgeht, den gleichen Artikel auf Russisch wurde auf der Homepage von Dozor veröffentlicht. Offenbar handelt man hier nach dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund".

Die KAPO selbst schätzt die Situation folgendermaßen ein: "Die effektive Tätigkeit der Rechtsschutzorgane und die verbesserte sozialwirtschaftliche Lage zusammen mit der Stabilisierung der Gesellschaft und mit dem voranschreitenden Integrationsprozess haben den Nährboden für die Verbreitung von Radikalen Ideologien verringert. Daher kann man sowohl von den Rechtsextremisten als auch den Linksextremisten hervorgehende Gefahr auf die Sicherheit des Staates als relativ gering einschätzen."

Abschiessen möchte ich mit den Worten von Klaus Dornemann Hauptmann der Bundeswehr a.D. mit Erfahrungen in Libanon, Sudan, Uganda, Kosovo, der auch von der KAPO beobachtet wird: "Ich fürchte weder Tod noch Teufel,  aber vor der estnischen Polizei und der estnischen Justiz habe ich Angst".

1 Kommentar:

sonikrave hat gesagt…

"(...) oder man will absichtlich die evtl. Störenfriede warnen, dass sie unter dauerhaften Beobachtung stehen und dadurch psychischen Druck anwenden."

Das ist durchaus möglich und auch keine Spezialität der KAPO. In den Niederlanden, wo die Aufklärungsraten der Kriminalpolizei bei weit unter 40% liegt und im EU Gesamtvergleich am Gerinstem ist, ist es durchaus zur gängigen Praxis geworden, vermutete (aber nicht vor Gericht beweisbare) Straftäter durch lautes Auftreten zu stören und ihnen das Leben schwer zu machen.

Ich halte dies für den falschen Weg. Anstatt die Qualität der Aufklärungsarbeit zu erhöhen, wird hier eher gerade diese als vernachlässigbar, wodurch nicht nur falsche Tatverdächtige genervt werden, sondern auch die Aufklärung tatsächlich begangener Verbrechen an sich noch weiter in den Hintergund tritt.

Das zeigt sich dann auch an quasi-Kapitulationen gegen den Drogenmarkt in den Niederlanden, der ja nun selbst bei leichten Drogen keinesfalls legal ist, wie oft geglaubt wird.


"Ich fürchte weder Tod noch Teufel, aber vor der estnischen Polizei und der estnischen Justiz habe ich Angst"."


Nun, wer im Libanon war, dem muss man bei solchen Aussagen schon fast vorsätzliche Instrumentalisierung anlasten.

Wie auch immer, seine Meinung halt. Ich sehe dies etwas anders. Meine Meinung dazu kennst du ja schon.