Samstag, Dezember 20, 2014

Weihnachten 2014

Das Jahr ist schon wieder fast rum, es wird Zeit zurückzuschauen und nach vorne zu blicken.

Das ganze Jahr war eigentlich nur von einem Thema beherrscht: der Konflikt in der Ukraine. Es gab mehrere Stadien in diesem Konflikt, es war ein Prozess, bei dem verschiedene Seiten im Konflikt verschiedene Aktionen durchführten, die die öffentliche, als auch meine persönliche Meinung beeinflussten, so dass nach einem Jahr was ich sage und schreibe sich ganz anders liest, als im Dezember letzten Jahres. Schauen wir die einzelnen Stadien des Konflikts durch:

1. Maidan: Die Zivilgesellschaft der Ukraine versammelt sich am Maidan Platz in Kiev, um gegen gegen den Präsidenten Janukowitsch und für den Assozierungsvertrag mit der EU zu demonstrieren. Die Zivilgesellschaft ist per se unvorbereitet gegen die Polizeigewalt, allerdings mischen sich unter die Demonstranten gut vorbereitete Mitglieder des Rechten Sektors, die die Verteidigung des Maidan organisieren und sich politische Vorteile nach dem Sturz von Janukowitsch versprechen. Dadurch wird auch der Ton vorgegeben, der in der Menge vorherrscht. Der Gruß, der durch die Strassen schallt ist: „Слава Украине, героям слава!“, was man auch als „Heil der Ukraine, heil den Helden“ übersetzen kann, denn genau dieser Ruf wurde von der Ukrainischen Aufständischen Armee verwendet, die während des Zweiten Weltkriegs Verbrechen an Juden und Polen verübt hat und teilweise mit der Wehrmacht kollaborierte. Poster mit Stepan Banderas wurden angebracht und dadurch wurde klar, dass es zwei Lager in der Ukraine geben wird, Maidan und Antimaidan. Es gab überhaupt keine Gedanken, wie man die beiden Lager zu einem gemeinsamen Ziel führen kann. Das hat sich dann bitter gerächt.

2. 18. Februar: Ca. 60 Demonstranten sterben im Kugelhagel, wobei bis heute nicht klar ist, wer denn nun geschossen hat. Am naheliegensten waren es die Schergen von Janukowitsch, die den Blutbad angerichtet haben, allerdings gibt es auch Berichte über die Schiessereien aus dem Hotel „Ukraina“, das unter der Kontrolle der Demonstranten war, auch gab es auf der Seite der Polizei mind. 10 Tote. Bis heute wurden keine Schuldigen präsentiert. Wenn man sich die Videoaufnahmen von diesem Tag anschaut, die erste Frage, die ich mir gestellt habe: „Wohin geht ihr denn!!?“ Nur mit Holzschildern bewaffnet, gehen (nicht schleichen) die Demonstranten in den Kugelhagel, um einer nach dem anderen abgeknallt zu werden. Wozu? Hat jemand einen Befehl dazu gegeben? Unter den Demonstranten gab es genügend Leute mit Kriegserfahrung, die hinterher mit schlauer Miene die Art der Waffen aufgrund der Löcher in den Schildern beurteilt haben. Wo wart ihr denn vorher?

3. 21. Februar: Janukowitsch, der deutsche Aussenminister Steinmeier und ukrainische Opposition unterzeichnen ein Abkommen, um die Krise zu lösen. Das Abkommen ist das Papier nicht wert auf dem es unterzeichnet wurde, denn am nächsten Tag flüchtet Janukowitsch nach Russland. Es findet ein Regierungssturz statt. Das Parlament wird zwar nicht aufgelöst, aber derart von den Vertretern des Maidans unter Druck gesetzt (manchmal mit Gewalt gegen Abgeordnete), so dass das erste Gesetz, das verabschiedet wird, der russischen Sprache jeglichen Status als offizielle Sprache, aberkennt. Das war ein fataler Fehler mit grosser Signalwirkung. Ein anderer Fehler war die Auflösung der Berkut-Einheiten, die für die Polizeigewalt auf dem Maidan verantwortlich gemacht wurden. Viele der arbeitslosen Mitglieder der Berkut-Einheiten formten den Widerstand auf der Krim und im Süd-Osten der Ukraine.

4. Besetzung der Krim durch „höfliche Leute“: Über den Wert der Krim für Russland schrieb ich schon 2008. Auf der Krim ist die russische Schwarzmeerflotte stationiert und es bestand eine reale Gefahr, dass das neue ukrainische Parlament sämtliche Verträge mit Russland auflöst und möglichst schnell den Hafen für die Streitkräfte der NATO öffnet. Russland hat keine Alternative zum Sevastopol, deswegen mussten Schritte unternommen werden, um die Krim aus dem Einflussbereich der Ukraine herauszulösen. War das von langer Hand geplant? Wer weiss es schon, aber man muss anerkennen, dass die Operation die Ukrainer komplett überrascht hat und sie nichts entgegenzusetzen hatten.

5. 2. Mai - Massaker von Odessa: Es gibt sehr unterschiedliche Ansichten, was da genau passiert ist, aber Fakt bleibt bestehen, mehrere dutzend Menschen sind verbrannt, einige wurden angeblich bei der Flucht aus dem brennenden Gebäude erschossen. Dieser Tag und die Reaktionen darauf war die endgültige Spaltung der pro-Maidan und anti-Maidan Gruppen in der Ukraine, als auch im Ausland. Der Moralkompass wurde umgestellt, es gab kein „gut“ oder „böse“, es gab nur noch „die“ gegen „uns“.

6. Besetzung von Regierungsgebäuden in Donezk und Lugansk: Pavel Gubarjev und andere Aktivisten, mutmasslich unterstützt von russischen Spezialeinheiten besetzen Regierungsgebäude in Lugansk und Donezk. Es gibt kaum Widerstand von der offiziellen Macht, aber auch kaum Versuche mit den Aufständischen zu kommunizieren. Wegen des Symbols der Aufständischen, dem orange-schwarzem Georg-Band werden sie von Maidan-Aktivisten als Koloraden bezeichnet, also als Kartoffelkäfer, die vernichtet werden müssen. Es wird die anti-terroristische Operation ausgerufen, die mehr schlecht als recht durchgeführt wird. Gubarjev und andere Aktivisten werden verhaftet.

7. Igor Girkin (Kampfname Strelkov, also Schütze), ehemaliger Agent des FSB, Anhänger der Idee des Zarentums in Russland und einige seiner Anhänger besetzten die Stadt Slavjansk in der Donezkaja Oblast. Woher er und seine Männer Geld und Waffen haben, ist unklar, mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er vom russischen Oligarchen Konstantin Malofeev gesponsert. In wieweit offizielles Russland in diese Pläne eingeweiht ist und Strelkov unterstützt, ist bis heute nicht klar. Nach der Wahl des ukrainischen Präsidenten, aktiviert der neue Präsident Poroschenko die ATO. Strelkov wird gezwungen Slavjansk zu verlassen und kommt mit seinen Leuten nach Donezk, um die Verteidigung der Stadt zu organisieren.

8. Abschuss des MH17: Eine Menge der Versionen und Legenden ranken sich um den Abschuss des malaysischen Boeings. Am meisten Versionen gibt es auf der russischen Seite, es wird mit Fakebildern gearbeitet, die bis in die staatlichen Fernsehkanäle schaffen, als nach kürzester Zeit klar ist, dass es Fakes sind, werden die Verantwortlichen nicht entlassen. Russland drängt auf der Aufklärung, obwohl es allgemein bekannt ist, dass solche Untersuchungen Jahre dauern (siehe Lokerbie-Anschlag, wo es drei Jahre gedauert hat, bis Anklage erhoben wurde. Und damals war es bedeutend einfacher Spuren zu sichern.) Natürlich sollte man die Untersuchung der offiziellen Kommission abwarten, aber bis dahin erscheint mir die Untersuchung der Seite www.bellingcat.com noch am glaubwürdigsten, wenn auch der Motiv des Abschusses nicht klar ist.

9. 18. August: Trotz des katastrophalen Zustands der ukrainischen Armee, ist der Zustand der Aufständischen noch katastrophaler und ihre Lage rund um Donezk und Lugansk wird immer verzweifelter. Es ist ein offenes Geheimnis, dass russische Freiwillige die Grenze überquert haben und sich den Aufständischen angeschlossen haben. Sie werden als „Urlauber“ bezeichnet, also als professionelle Soldaten, die von ihren Einheiten Urlaub genommen haben und ohne Sold für die Idee des unabhängigen oder an Russland angeschlossenen Süd-Ostens Ukraine kämpfen. Doch ab dem 18. August ändert sich die Situation an der Front. Mehrere ukrainische Einheiten werden eingekesselt, die Aufständischen verfügen auf einmal über Raketenwerfersysteme Grad und andere schwere Technik, mit der sie schwere Verluste den ukrainischen Streitkräften und Freiwilligenverbänden zufügen. Ende August bewegt sich eine Panzerkolonne Richtung Mariupol, wenn diese Stadt fällt, dann ist der Weg nach Süden offen. Poroschenko trifft sich in Minsk mit Unterhändlern der Aufständischen und es wird ein brüchiger Waffenstillstand vereinbart. Was ist am 18. August geschehen? Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat Russland reguläre Truppen eingesetzt, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Von Russland wird der Einsatz strikt bestritten.

10. Herbst: Der Westen führt wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland ein, Russland verbietet den Einfuhr von Lebensmitteln aus dem Westen. Bis heute sind laut OSZE mind. 4700 Leute bei dem Konflikt ums Leben gekommen, es gibt hundert tausende von Flüchtlingen, die Infrastruktur von Donezk und Lugansk sind zerstört. Bei der Parlamentswahl in der Ukraine gewinnen rechts-liberale Kräfte und bilden eine stabile Mehrheit. Allerdings ist Ukraine fast pleite und muss sehr schmerzhafte wirtschaftliche Reformen durchführen.

Wie man sieht, haben zu unterschiedlichen Zeitpunkten verschiedene Seiten Fehler begangen und mussten dafür zahlen. Die Maidan-Revolutionäre haben in ihrem Führungsanspruch die Opposition im Süd-Osten des Landes und der Krim unterschätzt. Russlands Anspruch auf die Krim wurde verdrängt. Als Ergebnis fiel Krim an Russland und viele Einwohner Süd-Ostens griffen zu den Waffen. Als die ATO beschlossen wurde, wurde der Zeitpunkt versäumt, den Konflikt mit friedlichen Mitteln zu regeln, auch wurde wieder Russland unterschätzt (trotz Beratern wie der Ex-Präsident Georgiens Saakaschwilli, der es eigentlich besser wissen müsste). Als Ergebnis haben wir tausende Tote, hundert tausende Flüchtlinge und zerstörte Infrastruktur, die Ukraine kaum wiederherstellen kann. Russlands Fehler bestehen in Werfen von Nebelkerzen bei der Untersuchung von MH17 Absturz, was die Glaubwürdigkeit Russlands immer weiter untergräbt und im Einsatz von Soldaten (ob regulär oder „Urlauber“ lassen wir offen) im Konflikt. Genau diese Politik des Nichtzugebens und Verleugnens macht den Westen äußerst nervös und rechtfertigt eine Verschiebung der NATO-Kräfte nach Osten. Auf das was Russland als „hybrider Krieg“ bezeichnet, muss die NATO eine adäquate Antwort finden und genau das passiert gerade. Hier hat Russland im Bestreben seine Grenzen abzusichern, genau das Gegenteil bewirkt und die Eskalationsspirale erst richtig losgetreten. Die Unfähigkeit den Fehler zuzugeben und dafür den politischen Preis (wie immer er auszusehen mag) zu zahlen, führt zu weiterer Verschärfung der Sanktionen.

Wie wird sich der Konflikt weiterentwickeln? Die Forderungen des Westens hören sich plakativ und auf den ersten Blick gut an, sind aber momentan unerfüllbar. Ukraine ist kompromisslos, also werden die Forderungen der Aufständischen, wie besonderer Status der russischen Sprache oder weitreichende Autonomie von Donezk und Lugansk unerfüllt bleiben. Russland scheint auch nicht genau zu wissen, was es mit diesen zerstörten Provinzen soll. Es wird angemahnt, dass die Ukraine ganz bleiben soll (Krim wird dabei ausgelassen), aber wie das konkret gehen soll, die Antwort bleibt auch Russland schuldig. Was die Krim angeht, selbst wenn Russland die Halbinsel räumen soll, so geht es auch nur über mehrere Jahre, die Flotte muss irgendwohin umgezogen werden, denn jetzt will Ukraine definitiv keine russischen Stützpunkte dort haben. Ausserdem wird die Mehrheit der Einwohner was dagegen haben, denn im Vergleich zu dem Leben in der Ukraine unter der Fuchtel des IWF, mit Anhebung des Rentenalters um 10 Jahre und anderen Überraschungen, ist das Leben auf der russischen Krim zwar kein Zuckerschlecken, aber immer noch besser. Es gibt also keine Garantie, dass bei der Rückgabe Krims zu Ukraine, dort nicht erst richtig ein Bürgerkrieg mit tausenden von Toten ausbrechen wird.

Das offene Geheimnis ist, dass die vom Westen verhängten Sanktionen nur mittelbar was mit der Ukraine zu tun haben. Das Ziel ist es Putins Regime zu destabilisieren und entweder eine Revolution von unten oder von oben anzuzetteln. Das Vorbild ist offenbar Südafrika, wo die Sanktionen freie Wahlen und das Ende des Apartheids herbeigeführt haben. Natürlich ist recht viel Risiko im Spiel, denn niemand weiss, wie Putins Nachfolger aussehen mag, aber trotz allem ist Putin als Gesprächspartner für den Westen verbrannt. Putins größter Fehler war es, 2012 wieder anzutreten, ohne zu merken, dass seine Zeit vorbei war. Er gehört noch zu der alten Riege der Regierenden wie George Bush, Gerhard Schröder, Silvio Berlusconi, Nicolas Sarkozy, doch in die Welt von Angela Merkel, Francois Hollande, Barak Obama passt er nicht mehr rein. Wird Putin das merken und zurück oder zumindest in Hintergrund treten? Ich wage da keine Voraussage.

Der ukrainische Konflikt wird uns also auch im Jahr 2015 beschäftigen. Ganz in seinem Schatten werden die Parlamentswahlen in Estland im März stattfinden. Sehr interessant wird das Abschneiden der IRL-Partei sein. Denn sie haben mehrere russisch-sprachige Journalisten als Kandidaten für Parlament in ihre Reihen aufgenommen, mit dem Ziel die konservative Teile der russisch-sprachigen Bevölkerung für sich zu gewinnen. Das Kalkül geht folgendermassen: im Hintergrund des Streites um die Gleichstellung der eingetragenen Gemeinschaften (also auch homosexuellen Gemeinschaften) und der Ehe, sollen die als konservativ bekannte Persönlichkeiten IRL als Partei vorstellen, die von Anfang an für die Familienwerte gekämpft hat (was auch stimmt, dass muss man IRL lassen). Gleichzeitig ist IRL als zutiefst russophob bekannt, also stellt sich für den konservativen russisch-sprachigen Wähler die Frage, vor was habe ich mehr Angst, vor Russophoben oder vor Schwulen?

Ein anderer Punkt ist sicherlich die Flüchtlingsproblematik. Estland versucht den Flüchtlingszustrom auf ein Minimum zu begrenzen, es wurde kein einziger ukrainischer Flüchtling aufgenommen, doch denke ich, dass die EU früher oder später hier tätig werden wird, denn z.B. im Vergleich zum dichtbesiedeltem Malta hat das leere Estland 2013 27 Mal weniger Flüchtlinge aufgenommen! Dabei vergessen die Esten wieviele von ihnen seinerzeit flüchten mussten, unter anderem auch die Eltern des estnischen Präsidenten und sie wurden dabei von anderen Ländern aufgenommen.

In diesem Sinne wünsche ich allen meinen Lesern Frohe Weihnachten und einen guten, friedlichen neuen Jahr 2015!

Montag, Dezember 15, 2014

Giulietto Chiesa in Estland verhaftet

Giulietto Chiesa ist eine Galionsfigur der Linken in Europa. Er ist italienischer Journalist, Autor mehrerer Bücher über neuere Geschichte, war Abgeordneter des Europaparlaments. Er wurde nach Estland von dem Club Impressum eingeladen. Er konnte problemlos einreisen, ein Interview einem Fernsehsender geben, doch kurz vor seinem Auftritt vor 280 Zuhörern wurde er von der estnischen Polizei in seinem Hotel festgesetzt, seine Frau informierte die Presse, dass er innerhalb von 48 Stunden Estland verlassen muss.

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass den Gästen des Clubs Impressum die Einreise nach Estland verweigert wird. Jüngstes Beispiel ist der russische Professor Valery Tischkov, der vom estnischen Kollegen Professor an der Uni in Tartu Urmas Sutrop als „Rindvieh“ beschimpft wurde, nicht weil er seine Arbeiten schlecht fand (die hat er laut eigenem Geständnis gar nicht gelesen), sondern weil er die Einladung des Clubs Impressum angenommen hat.

Doch bisher waren hauptsächlich Gäste aus Russland betroffen, denen man die Einreise recht einfach verweigern konnte. Mit Giulietto Chiesa, der ein EU-Bürger ist und visumfrei in Europa reisen darf, ist es schon viel skandalöser. Zwar wurde in der Vergangenheit auch mehreren Antifa-Aktivisten aus Lettland und Johan Bäckman aus Finnland die Einreise verweigert, doch Giulietto Chiesa ist mit Abstand der bekannteste Aktivist, der aus Estland ausgewiesen wird. Ob es ein Racheakt seitens KAPO für den gestrigen Film ist, kann ich nicht sagen, aber ich denke das wird Nachspiel haben.

Update: Inzwischen ist Chiesa nach 6-stündigen Aufenthalt bei der estnischen Polizei, drei davon in einer Gefängniszelle wieder auf freiem Fuß, muss allerdings Estland in nächsten 13 Stunden verlassen. Gründe für diese Entscheidung wurden keine angegeben. Interveniert haben sowohl der italienischer Botschafter in Estland, als auch das italienische Aussenministerium. Die Behauptung der estnischen Polizei, dass Chiesa schon letzte Woche zur unerwünschten Person in Estland erklärt wurde, stimmen nicht, denn eine Datenbankabfrage zeigt, dass Chiesa nicht in der Liste der unerwünschten Personen auftaucht. Chiesa kommentiert seine Verhaftung und Abschiebung folgendermassen: "Estland befindet sich ausserhalb europäischer Gesetzgebung. Estland hat heute Europa verlassen".

Amateurverein KAPO

Die langjährigen Leser diesen Blogs wissen schon, dass ich den estnischen Geheimdienst KAPO nicht ausstehen kann, weil sie ein politisch arrangiertes Verein sind, der sämtlichen Kritikern des Regimes das Leben zur Hölle macht. Die Liste ist lang: Maxim Reva, Oleg Besedin, Yana Toom, Michail Kõlvart, Alexander Korobov, Mihail Stalnuhhin, Klaus Dornemann, Irja und Inno Tähismaa, Kristina Norman, Aleksej Semjonov, Dmitrij Linter, Dmitrij Klenski, Mark Syrik, Galina Sapozhnikova und viele andere mehr. Viele verloren ihre Arbeit, ihre Aufträge, manche verliessen das Land. Deswegen erfüllt es mich mit gewisser Freude und Genugtuung, wenn KAPO mal so richtig vorgeführt wird und es gezeigt wird, dass die gegen einfache Bürger vorgehen können, aber gegen professionelle Spione kommen sie nicht an.

Der russische Kanal NTV zeigte eine Dokumentation über Uno Puusepp, der in KAPO über 20 Jahre gearbeitet hat und während dieser Zeit ein Doppelagent für die Russen war. Vor drei Jahren hat er gekündigt, zog nach Moskau und lebt seitdem unbehelligt dort.

Uno Puusepp arbeitete seit den 70er Jahren für KGB und wurde dann in die KAPO übernommen. Er war Spezialist für Abhörtechnologien und als guter Techniker wertvoll für die KAPO. Ab 1996 hat er beschlossen mit russischen Geheimdiensten zu kooperieren, um Schaden von Estland abzuwenden. Angeblich tat er das aus moralischen Verpflichtung, denn Geld von FSB (russischen Auslandsgeheimdienst) bekam er keins. Sein führender Offizier war ehemaliger Offizier des KGB Nikolai Ermakov.

Eine der Operationen, die Puusepp vereitelte, war der Versuch der CIA und NSA den Glasfaserkabel anzuzapfen, der verschlüsselte Nachrichten von der russischen Botschaft nach Russland übermittelte. Es wurde millionen-teuere Apparatur aus USA eingeflogen, doch als sie eingebaut wurde, stellte man fest, dass über diesen Kabel keine Nachrichten mehr geflossen sind. Ebenfalls übergab Puusepp mehrere geheime Dokumente an die Russen, mit denen sie einen Überblick über die Abhöraktivitäten der NSA bekommen haben, und das vor Enthüllungen von Edward Snowden. Es wurden mehrere KAPO-Spione in Russland enttarnt.

Es wurde auch klar, dass KAPO bei der Russland-Spionage immer mit anderen Geheimdiensten zusammenarbeitete, bzw. auf Bestellung. Es wurden der schwedische, der englische, der deutsche und natürlich der amerikanische Geheimdienste erwähnt. Während offiziell die amerikanischen Geheimdienste keine Aufklärung in Russland geführt haben, um das politische Klima nicht zu beschädigen, liessen sie KAPO die Drecksarbeit tun. Flogen ihre Agenten auf, wie Valeri Ojamäe oder Igor Vjalkov, liess KAPO sie fallen, wie eine heisse Kartoffel und bemühte sich nicht um ihre Rückkehr.

Nachdem die Amerikaner (nicht die Esten) Verdacht geschöpft haben, dass in KAPO ein Maulwurf unter den Technikern sein muss, wurde ein Kollege von Puusepp, Vladimir Veitman verhaftet und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, obwohl laut Puusepp Veitman niemals Geheimnisse an Russen verraten hat. Obwohl die estnischen Geheimdienste spätestens seit dem Umzug Puusepps nach Russland verstanden haben müssten, dass sie den Falschen hinter Gitter gebracht haben, ist Veitmann immer noch in Haft.

Im Fall Puusepp wurde also KAPO komplett vorgeführt. Im Fall von Hermann Simm und Aleksej Dressen hat KAPO zwar geschafft die Doppelagenten festzunehmen, aber erst nachdem sie zahlreiche Dokumente an Russland geliefert haben. Wegen der Simm-Affäre soll sich NATO geweigert haben, Top-Secret Dokumente an Estland auszuhändigen.

Puusepp erzählte auch, dass KAPO alle Telefongespräche, die in Estland geführt werden, anzapfen kann und es auch fleissig tut, in Umgehung sämtlicher Gesetze und richterlicher Beschlüsse. Russische Bürger, die politische oder wirtschaftliche Interessen in Estland haben, werden videoüberwacht. Prinzipiell ist daran nichts Neues, aber jetzt haben wir es schwarz auf weiß von einem ehemaligen KAPO-Mitarbeiter bestätigt bekommen. Ich kann mich nur über die Naivität der russischen oppositionellen Kräften wundern, als Anastassia Udaltsova, die Frau vom Leader der russischen Linken im Interview gesagt hat, wie toll sie Estland findet, weil man hier nicht abgehört wird.

Ich bin gespannt, was es für Konsequenzen für KAPO haben wird, sich derart in Nesseln gesetzt zu haben. Der damalige Chef der KAPO Raivo Aeg tritt momentan für IRL als Kandidat für die Parlamentswahlen an. Wäre schön, wenn wenigstens seine Karriere zu Ende gehen würde. Meiner Meinung nach gehört KAPO komplett reformiert und unter Parlamentskontrolle gestellt.

Samstag, Dezember 13, 2014

Manchmal dauert es etwas länger

Das Photo aus dem Eesti Filmarhiivi zeigt ein Denkmal, das den gefallenen Wehrmachtsoldaten im Jahr 1944 von Johannes Midebrath in Marjamää aufgestellt wurde.

Das Kreuz der Freiheit, das 2009 auf dem Platz der Freiheit in Tallinn aufgestellt wurde.

Es dauerte fünf Jahre, bis es jemandem aufgefallen war.