Sonntag, August 31, 2014

Über die Mitarbeiter des Military Shops

Folgender Artikel ist eine Übersetzung diesen Artikels von Boris Rozhin aka Colonel Cassad. Boris berichtet aus Sevastopol, ist glühender Anhänger Russlands und der Aufständischen in Donezk und Luhansk. Wenn man die ganze ideologische Komponente weglässt und alle Zahlenangaben durch fünf bis zehn teilt, hat man eine gute Übersicht, was genau in der Ostukraine passiert. Laut Angaben von Boris hat sein Blog schon eine Million Zugriffe / Tag geknackt, so (wenn man ihm denn glaubt) dass er schon eine recht bedeutende Stimme im Informationskrieg darstellt. Ich übersetze genau diesen Artikel, damit die russische Art Politik zu machen, deutlicher wird, es bedeutet nicht, dass ich diese Ansichten in irgendeiner Art teile, befürworte oder unterstütze.

In der letzten Woche vor dem Hintergrund des systematischen Geschreis der Junta (also der Regierung in Kiew (Anm. des Übersetzers)), dass sie nicht gegen Aufständische sondern gegen die russländische Armee kämpft, aktivierten sich Bürger mit Verständnisschwierigkeiten, die folgende Standardfragen stellen: „Sagt denn die Junta die Wahrheit?“, „Woher kommen denn die T-90 (Panzer, die nur russländische Armee verwendet (Anm. des Übersetzers))?“ „Woher sind die BTR 82-A (gepanzerte Fahrzeuge, die auch nur von russländischen Armee verwendet werden (Anm. des Übersetzers)). „Woher kommen die neuen Granatwerfer?“ „Wen zeigen die Faschisten (also die ukrainische Armee (Anm. des Übersetzers“)) in ihren Videos?“

Eigentlich sollte die Erfahrung der Operation auf der Krim, als die russländische militärische Teilnahme vom 26. Februar an offensichtlich war, doch offiziell bis Mitte März verneint wurde, helfen das Verhalten der Russischen Föderation (RF) in dieser Frage zu verstehen. Damals war es genau dasselbe, die Faschisten haben genauso Videos gedreht, wo sie zu zeigen versuchten, dass man irgendjemanden festgenommen hat (dabei wurden Pässe und Militärausweise in die Kameras gehalten), behaupteten steif und fest, dass solche Waffen und Uniformen nicht in Military Shops verkauft (das bezieht sich auf die Aussage von Putin, dass die maskierten Kämpfer auf der Krim ihre Ausrüstung in „Military Shops“ zusammengekauft haben könnten (Anm. des Übersetzers)), dass es auf der Krim nicht so viele Aufständische geben kann, dass sie unmöglich „Tiger“ (modernes Sturmgewehr (Anm. des Übersetzers)) und andere moderne Schießwaffen im Besitz haben können. Die Junta zeterte darüber den ganzen Frühling lang. Auf das Geschrei gab es als einzige Reaktion von der offiziellen Seite folgende Aussage: „Es gibt keine russländische Soldaten dort, eure Beweise könnt ihr euch sonst wohin stecken.“ Als die Situation sich geklärt hat, trat Putin auf und sagte, dass es durchaus Soldaten dort gab. Doch es geschah genau dann, als es keine wirkliche Folgen für die Operation mehr hatte.

Ich hätte schon am Tag des Einmarsches der Armee in die Krim im Blog schreiben können, dass die russischen Spezialkräfte tätig sind, ich könnte sogar die Nummer der 91-sten Brigade des GRU GSt RF (GRU = Russischer Militärnachrichtendienst (Anm. des Übersetzers)) benennen, doch es war offiziel nicht anerkannt, solche Kräfte gibt es dort nicht. So sind die Spielregeln. Trotz was man in den Blogs schreibt, oder was die Junta beweist. Das ist so eine spezielle Form des postindustriellen Krieges, die man „hybrid“ nennt. Eine aktive Teilnahme, bei offiziellen Position „uns gibt es dort nicht“, oder „ihr träumt nur von mir“. Es ist seltsam, dass in den vergangenen Kriegsmonaten man dieses Format nicht verstanden hat, obwohl es recht offensichtlich ist. Der sobezeichneter „Military Shop“ ist keine Redewendung. Er kann „handeln“ sowohl aktiv, als auch weniger aktiv, in Abhängigkeit von innenpolitischen Verhandlungen, die mit Strelkov (einer der Kommandeure auf der russischen Seite, der beste Verbindungen in die russische Politik hat (Anm. des Übersetzers)) oder Achmetov (Rinat Achmetov, der reichste Oligarch in der Ukraine, der viele seine Besitztümer in Donezk hat (Anm. des Übersetzers)) zusammenhängen, doch der Fakt seiner Existenz ist für alle offensichtlich, die mehr oder weniger mit dem realen und nicht mit den TV-Bild der Krieges in Donbas vertraut sind. Natürlich werden viele, die mit dem realen Bild vertraut sind, trotzdem schreiben, dass es „keinen Military Shop gibt“. Das ist eine mögliche Position, die die offizielle Linie in dieser Frage unterstützt. Wenn es offiziell nichts gibt, dass gibt es wirklich nichts. Doch tatsächlich ist das, was in die Presse durchsickert, nur ein kleiner Teil des Gesamtbildes, das groß und interessant ist, doch über das zu sprechen noch zu früh ist, um das Gesamtziel nicht zu beschädigen. Offiziell gibt es nichts, doch nach dem Ende des Krieges könnte es sich herausstellen dass es etwas gab und gibt. Wenn alles zu unseren Gunsten enden, und jede taktische Bedeutung verlieren wird, werde ich einige Einzelheiten der anderen Seite des Krieges in Donbas als eigene Artikelserie veröffentlichen.

Ich habe nie verschwiegen, dass es den „Military Shop“ gibt und es gibt ihn tatsächlich (genau deswegen habe ich nie geschrieben, dass RF Donbas komplett aufgegeben hat), er vergibt verschiedene Volumina von militär-materiellen Hilfe an die kämpfenden Einheiten, was vom Willen denjenigen abhängig ist, die diese Volumina organisiert und verwaltet. Seit einiger Zeit begann in „Military Shop“ der Sommerschlussverkauf und Ausgabe von Bonuskärtchen, was keinesfalls die offizielle Linie „Hier gibt es und gab es nichts“ stört. Im Internet kann man alles mögliche beweisen, die Diplomaten werden weiterhin in „Pingpong“ spielen, das wochen- und monatelang dauern kann. Es gibt bestimmte Arbeit und es gibt ihre informationelle und diplomatische Deckung. Genauso wie es auf der Krim war. Weil das Spielchen weitergeht und von allen Seiten angenommen wird (eigentlich sollten die Schattenmänner der Junta schon genügend Beweise der Tätigkeit des „Military Shops“ haben, doch treten sie stetig auf derselben Stelle im Stil von „Das konnten die Aufständischen nun wirklich nicht besitzen“ und bekommen die Standardantwort im Stil „Was wissen wir denn was da wo aufgenommen wird und was die Aufständischen so alles haben, ihr habt keine Beweise“. Weil das Schema zyklisch ist, kann sie weiterhin so gehen, bis zu Einnahme von Kiew oder sogar von Lwow, Lawrow (der russische Aussenminister (Anm. des Übersetzers)) tritt an die Mikrophone und verkündet, dass Russland an nichts teilnimmt. Offiziell wird es so sein. Doch was irgendein Blogger oder Kommentator geschrieben hat, das ist eine private Einzelmeinung. Und versucht mal zu sagen, dass dieses Schema nicht funktioniert.

Der Sinn aller dieser Streitereien besteht darin, dass die Konfliktseiten ausser im realen Krieg, auch um das Erschaffen eines Informationsbildes kämpfen, damit die Situation eine offizielle Neubewertung bekommt und damit Russland irgendwelche Fakten der Teilnahme am Krieg in Donbas einräumt (und zwar jetzt und nicht später, wenn es keine Rolle mehr spielt).

Deswegen ist es nicht wichtig, welche Beweise, ob reale oder fiktive, von der Junta präsentiert werden, sie werden in jedem Fall verneint, denn so sind die Spielregeln. Wenn diese einfache Tatsache Ihnen klar wird, dann werden Sie die nächsten „Enthüllungen“ der Junta umso weniger interessieren. Man braucht ihnen keine Aufmerksamkeit zu schenken, denn sie werden vom Feind präsentiert, gegen den ein Krieg um seine Vernichtung geführt wird. Angesichts der einsetzenden Angriffsoperationen Richtung südlich von Donezk ist das sowieso eine unwichtige Frage, denn die Katastrophe des südlichen Gruppierung der Kämpfer der Junta tritt viel schneller ein, als jegliche „Beweise des Eindringens Russlands“ irgendwelche Folgen haben werden.

Was die „Mitarbeiter des Military Shops“ angeht, deren Anwesenheit die Junta zu beweisen versucht, offiziell sind sie natürlich nicht dort. Und offiziell wird es sie dort auch nicht geben. Ich denke jetzt haben Sie alles verstanden und werden keine dumme Fragen mehr stellen.

PS: Eins habe ich ganz vergessen, die USA nehmen an den Geschehnissen mit ähnlichem Schema teil.

Mittwoch, August 27, 2014

Eine Fahrt quer durch Estland

Eigentlich hatte ich keine Pläne dieses Jahr nach Estland zu fahren. Doch nachdem meine Freundin einen zweiwöchigen Estnisch-Sprachkurs in Tartu gebucht hat, habe ich ihr versprochen sie dort zu besuchen. In Tartu war ich mal als Kind, aber dort studierte mein Vater und meine Mutter hat auch gute Erinnerungen an diese Stadt, deswegen war ich gespannt, was mich dort erwartet. Natürlich kam ich nicht umhin Verwandte und Bekannte in Tallinn zu besuchen, das Wochenende nach dem Sprachkurs wollten wir am Meer verbringen, deswegen buchten wir noch zwei Übernachtungen in Pärnu.

Es ist gar nicht so einfach einen guten Flug von München nach Tallinn zu buchen. Direktflüge gibt es schon mal nicht. Air Baltic fliegt von München nach Riga, aber dann dauert der Aufenthalt bis zum Weiterflug nach Tallinn recht lange. Opodo hat dann eine Fluggesellschaft mit dem Kürzel LTU empfohlen, die über Vilnius fliegt, mit einem recht kurzem Aufenthalt dort. Jedem Deutschen, der schon mal nach Malle geflogen ist, müsste LTU ein Begriff sein. Jetzt kommt aber der Hacken, LTU als Charterfluggesellschaft ist längst von Air Berlin übernommen worden. Seitdem steht LTU für Air Lithuanica, einer litauischen Fluggesellschaft, die aus den Trümmern der staatlichen FlyLAL hervorgegangen war. Die Fluggesellschaft besteht aus zwei Flugzeugen, eins davon ist geleast.

Am Münchner Flughafen steige ich in den Bus und werde zum einzigen Propellerflugzeug am ganzen Flughafen gefahren.

Wie es aussieht ist dieses Flugzeug auch nur geleast, denn die Anleitungen über die Ausstiegslücken sind auf Englisch und Niederländisch, von Litauisch keine Spur. Nach einigen Stunden Flug kommen wir in Vilnius an, steigen in den Bus und fahren zum Flughafengebäude. Dort warten wir eine halbe Stunde, steigen in den Bus und fahren zum selben Flugzeug zurück, der weiter nach Tallinn fliegt.

Im Tallinn angekommen meine ich im falschen Land gelandet zu sein. Es ist eine tropische Hitze in der Stadt, das T-Shirt klebt momentan und man möchte sofort an Strand. Genauso verbringe ich die nächsten zwei Tage mit unterschiedlicher Begleitung, am Strand von Pirita, im knietiefen warmen Ostsee, mit Kindern von meinen Freunden spielend. Nach mehreren Wochen Hitze sind sie schon zu faul, um ständig zum Strand fahren zu müssen, aber wegen mir lassen sie sich erweichen.Abends gehe ich in Vanna Villem Pub. Eine sehr schöne Einrichtung, eigenes Bier, kann ich nur empfehlen.

Eine Warnung muss ich doch noch aussprechen. Es ist zwar sehr günstig in der Stadt sich im Taxi fortzubewegen, aber es gibt schwarze Schafe, die auch noch in schwarzen Taxis fahren, die damit rechnen, dass die Touristen nicht auf das vorgeschriebene Schild mit dem Grundpreis und Kilometerpreis achten. Wenn der Zähler dann in zehnsekunden-Takt rattert, ist es zum Ausstieg zu spät. Also Vorsicht!

Nach zwei Tagen Tallinn setze ich mich in den neuen E-Zug von Elron und fahre nach Tartu. Die Züge sind auf jeden Fall viel bequemer als die alten Elektritschkas, man hat zeitweise Internet und fährt recht zügig durch die estnische Landschaft. Nach zwei einhalb Stunden bin ich in Tartu.

Tartu ist die zweitgrößte Stadt in Estland und viel estnischer als Tallinn. Hier hört man kaum andere Sprachen als Estnisch, auch die Studenten aus dem Ausland versuchen soweit man sie lässt Estnisch zu sprechen. Sogar im russischen Restaurant versteht man kein Russisch. Während Tallinn fest in Hand von der Zentrumspartei ist, regieren in Tartu Reformisten und die Nationalisten von IRL.

Als erstes bekomme ich eine Stadtführung und wir gehen auf den Domberg, mit dem halbverfallenem Dom, in dem jetzt das Universitätsmuseum untergebracht ist.

Ausserdem ist dort eine alte Sternwarte zu sehen, die vom Astronomen Friedrich Georg Wilhelm von Struve erbaut wurde.

Ein berühmter Sohn der Stadt ist Forscher und Entdecker Karl Ernst von Baer, der unter anderem die menschliche Eizelle entdeckte.

Wir steigen den Domberghügel runter und gehen am Denkmal für den estnischen Schriftsteller Eduard Vilde und dem irischen Literat Oscar Wilde vorbei. Die beiden sind sich mit hoher Sicherheit nie begegnet, aber als Scherz wurde dieser Denkmal aufgestellt.

Die Altstadt von Tartu ist leider im viel schlechterem Zustand als in Tallinn. Viele Häuser sind nicht renoviert, die Strassen sind uneben, woran es liegt kann ich nur vermuten. Vielleicht kommen nicht so viele Touristen nach Tartu, wie nach Tallinn und die, die kommen sind eher an der Uni interessiert, als am Stadtbummel. Dementsprechend wenig Shops für Touristen gibt es hier, einige Cafés, wo es richtig lange dauert bis man bedient wird. Ein Café sollte man allerdings aufgesucht haben, es heißt „Werner“ und ist eine Tartuer Institution, ähnlich wie die Cafehäuser in Wien. Es gibt sehr gute Kuchen und warme Salate.

Es gibt aber auch schöne Wände, die mit geschichtlichen Motiven bemalt sind.

Ein Denkmal ist dem russischen General Barclay de Tolly gewidmet, dem Helden der Borodino Schlacht gegen Napoleon.


Die Verbindung zu Tartu ist nicht ganz klar, denn er ist in Livland geboren und in Preußen gestorben.

Das schiefe Haus ist das Tartuer Kunstmuseum. Es gibt noch viele andere Museen, wie Museum für Sport oder das Postmuseum.

Daneben steht ein Denkmal den estnischen Landfrauen.

Und ein bisschen weiter weg, den estnischen Vätern und Söhnen.

Bald kommt man zum Uni-Gebäude.

Die Universität von Tartu wurde 1632 vom König Gustav II. Adolf von Schweden gegründet. Der erste Rektor war Johan Skytte.

Die Universität wurde während des 21-jährigen Krieges zwischen Russland und Schweden 1710 geschlossen und war nach der Wiedergründung 1802 die einzige deutschsprachige Universität im Zarenreich. Es gab viele herausragende Wissenschaftler an der Universität, aber ein Nobelpreis blieb bisher der Tartuer Universität verwehrt, lediglich der Chemiker Wilhelm Ostwald hatte seine Alma Mater hier. Heute ist die Universität von Tartu die größte und bekannteste estnische Universität, der größte Arbeitgeber der Stadt Tartu und ohne die Uni wäre Tartu sehr ruhig. Die küssenden Studenten sind folgerichtig auch das Wahrzeichen der Stadt Tartu.

Abends ist die Rüütli-Straße fest in den Händen von Studenten, die in den zahllosen Kneipen Bier kaufen und auf der Strasse trinken.

Recht freche Graffitis zeigen den Geist der Jugend, die hier herrscht.

1920 spielte Tartu eine wichtige Rolle in der Geschichte. Am 2. Februar erkannten sich die Estnische Republik und die Sowjetunion gegenseitig an (es gibt noch einen Friedensvertrag von Tartu zwischen Sowjetunion und Finnland, der wurde aber am 14. Oktober 1920 geschlossen, also nicht verwechseln). Wichtig ist der Tartuer Vertrag, weil Estland und Sowjetunion die ersten Staaten waren, die jeweils den anderen anerkannt haben. Für das heutige Russland ist dieser Vertrag nur noch eine historische Kuriosität, der spätestens seit 1940 nicht mehr gilt, doch die Esten verteidigen die Gültigkeit dieses Vertrages mit Klauen und Zähnen, denn die dort ausgewiesenen Grenzen verlaufen etwas anders als heute, ca 5% des damaligen estnischen Territoriums gehören zu Russland. Deswegen gibt es bis heute keinen gültigen Grenzvertrag zwischen Russland und Estland, trotz der NATO-Mitlgliedschaft und Schengen. In diesem Gebäude wurde der Vertrag unterschrieben.

Wenn man von der Altstadt einige Meter weitergeht, geht das neue Tartu los. Riesige Einkaufszentren und Wolkenkratzer für die schrumpfende Bevölkerung und nicht unbedingt reiche Studenten.

Das neue Wahrzeichen von Tartu trägt den Namen „Die Schnecke“

Beim Spazierengehen entdecke ich den Friedhof von Tartu, wo viele Berühmtheiten begraben sind.

Der Friedhof sieht sehr malerisch aus, mit vielen Bäumen. Es gibt deutsche, russische, estnische Gräber, die Geschichte der Stadt spiegelt sich hier wieder.

Hier ist das Grab von Eizellen-Entdecker Baer.

Und hier von Friedrich Kreutzwald, dem die Esten ihr Nationalepos Kalevipoeg verdanken.

Das ist das Grab von Jüri Lotman, dem Begründer der Semiotik, also der Lehre vom Gebrauch von Zeichen. Lotman war der berühmteste Wissenschaftler der Tartuer Uni im 20. Jahrhundert zumindest im russisch-sprachigen Raum, doch auch im Ausland war er recht bekannt. Mein Vater hatte Vorlesungen von Lotman besucht und sprach immer voller Verehrung von ihm.

Die Stadt Tartu hat auch ein Denkmal für Lotman aufgestellt, angeblich war das ein Selbstporträt.

Tartu liegt am Fluss Emajõgi, also dem Mutterfluss. Früher ging die Wasserstrasse bis nach Pärnu an der Ostsee im Westen und zum Peipussee im Osten, was für die Hansa-Händler sehr attraktiv war, denn so konnten sie mit ihren Schiffen bis zu den russischen Städten schippern. Doch im Laufe der Zeit änderten die Flüsse ihre Richtung und die Strasse wurde unterbrochen. Seitdem schippern nur kleinere Schiffe durch Emajõgi, die größeren würden wegen den Brücken gar nicht drunterpassen.

Am Stadtstrand von Tartu ist kein Mensch, es weht eine rote Fahne und die Lebensretter mit von David Hasselhoff inspirierten Shorts fahren mit dem Bötchen umher, aber kaum jemanden zieht es ins Wasser. Nachdem wir trotzdem gebadet haben, fragen wir was auf dem Schild unter der roten Fahne geschrieben steht. Es stellt sich heraus, dass es zu viele Koli-Bakterien im Fluss sind, so dass das Baden nicht empfohlen wird. Aber wir haben ja eine Dusche im Wohnheim.

Am letzten Tag gehe ich in Ahhaa-Science Centrum in Tartu und bin absolut begeistert. Alle Exponate können berührt und betätigt werden. Die Experimente sind viel interessanter und moderner als im Deutschen Museum. Die Ausstellung im Erdgeschoss beschäftigt sich mit physikalischen Effekten und Meereskunde.


So sehen die kleinen Kinder die Welt


Das gemeine an dem Tunnel ist, dass die Brücke fest ist, aber die Ziegelwand sich dreht. Dadurch spielt das Gehirn verrückt und man wackelt auf der Brücke


Ein paar Ernährungstipps, es wird visualisiert welche Lebensmittel in welchen Mengen man pro Tag einnehmen kann, um auf die benötigten Kalorien zu kommen


Ein Spiegellabyrinth


Ein Sandkasten mit projizierter Höhenkarte, die sich dynamisch ändert, wenn man ein Loch gegraben, oder ein Berg aufgeschüttet hat. Genial!


Optischer Trick, das Wasser ist nicht im Raum, sondern in einer dünnen Schicht oberhalb des Raumes


Skelette von Giraffen, Pferden und anderen Tieren


Ein selbsterzeugter Wasserstrudel


Ein Ball schwebt im Raum und plustert sich gelegentlich auf. Was das für ein Experiment sein soll, habe ich vergessen


Hier kann man sich alá Münchhausen selbst nach oben ziehen

Im zweiten Stock erscheint zuerst ein kleines Schild, dass die Kinder unter 12 mit Eltern sich die Ausstellung anschauen sollten. Nichts ahnend ging ich weiter und fand mich inmitten von konservierten Babymonstern wieder. Die medizinische Ausstellung der Tartuer Uni ist hierher gezogen.

Hunger hatte ich erstmal keinen mehr.

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus nach Pärnu. Pärnu kannte ich noch aus meiner Kindheit, als wir dort mit der Familie in einem sozialistischen Sanatorium unsere Wehwehchen auskurierten. An den Strand und an das Haus mit Schlammverpackungen kann ich mich gut erinnern, aber an die Altstadt überhaupt nicht. Vielleicht war damals da einfach nichts zu sehen? Die heutige Altstadt ist aufgehübscht, es flanieren Touristen aus allen möglichen Ländern vorbei, die im Gegensatz zu Tartu auch in ihren Muttersprachen sprechen. Es gibt viele hübsche Cafés, besonders hervorheben möchte ich „Supelsaksad“, also den Schwimmenden Deutschen, schnelle hübsche Bedienung, die versucht auch einem Estnisch zu antworten, wenn man sie auf Estnisch was fragt, sehr gutes Essen, vielleicht etwas über dem normalen Preisniveau und hübsches Interieur innen und aussen.

Aber das wichtigste am Pärnu ist der Strand und das Meer. Im Sommer wird Pärnu zu Sommerhauptstadt Estlands gekrönt, morgens gibt es eine Fernsehsendung Suvireporter also Sommerreporter aus Pärnu, in der sich eine blonde Wetterfee in Bikini auf einem Stein räkelnd wiedermal 30 Grad für Estland verkündet.


So leer ist es nur am frühen Morgen, oder direkt nach einem Regenschauer

Sanatorien gibt es in Pärnu mehr denn je, allerdings mehr für den zahlenden Gast aus dem Ausland, der sich die Schlammpackungen in der renovierten Heilanstalt auf den schmerzenden Büronacken legen lässt.

Wie an jedem Strand versammelt sich abends die Partycrowd zum Feiern. Es ist erstaunlich wie neben anderen Sprachen hier Russisch gesprochen wird. Mir ist nicht klar, woher sie kommen, sind es Einheimische, machen Tallinner hier Urlaub, oder kommen sie aus Pskov und anderen Teilen Russlands? Wenn man keine Party möchte, geht man im Mondlicht am Strand spazieren.

Pärnu liegt an der Mündung des Flusses Pärnu. Damit es schiffbar bleibt und nicht von Sänden zugeschüttet wird, wurden noch zur Zarenzeit zwei Molen gebaut, die man begehen kann. Am Ende der Molen stehen Leuchttürme, die die Einfahrt zum Hafen markieren. Man sagt, dass die Liebenden am Ende der Mole sich küssen und ewige Treue schwören sollen, dann hält es auch

Dieser Seemann verabschiedet uns aus Pärnu. Wir nehmen den Bus nach Tallinn und fliegen wieder mit der Propellermaschine von Tallinn über Vilnius nach Berlin.

Tschüss, Estland, bis zum nächsten Mal!