Mittwoch, November 26, 2008

Brauner Kern

Im letztjährigen Spiegel-Interview erzählte der estnische Präsident Ilves folgende Geschichte, die er gerne auch in anderen Gesprächen wiederholt:

In Russland besucht der Staatspräsident jedes Jahr am 20. Dezember das Hauptquartier der Tscheka oder des KGB oder jetzt des FSB - zum Jahrestag der "Tschekisten". Als ich Bundespräsident Köhler besuchte, hielt er mich für verrückt, als ich ihn fragte, ob er sich vorstellen könnte, am Gründungstag der Gestapo dem Verfassungsschutz einen Besuch abzustatten. Er sah mich an, als dächte er, was für ein Idiot ist da aus Estland zu mir gekommen. Ich sagte: "Aber Putin macht das jedes Jahr." Darauf er: "Nein." Und ich: "Doch." Und dann bestätigte sein Russlandberater: "Ja, ja, das macht er."

Es wird langsam Zeit sich anzuschauen, ob das Gleichnis vom Holzsplitter im Auge des anderen und den Balken im eigenen auch hier zutrifft und was die estnischen Politiker sich so alles erlauben:

- In welchem anderen Land (ausser Lettland und Litauen) werden Treffen der Veteranen der Waffen-SS abgehalten, an die der Verteidigungsminister (immer noch im Amt Jaak Aaviksoo) Grussrede richtet und auf die Parlamentsmitglieder der Regierungspartei (Trivimi Velliste von Res Publica) hinfahren?

- Die Zeitung Linnaleht zitiert in ihrer russisch-sprachigen Ausgabe den Vorsitzenden des estnischen Parlamentsausschusses für Europäische Union, Mitglied der Regierungspartei Res Publica Marko Mihkelson mit folgender Aussage:



Auch wenn es im Anhang der Urteilsbegründung der Nürnberger Prozesse geschrieben steht, dass die Organization SS und ihre Untergruppen einschliesslich Waffen-SS, als verbrecherisch gelten, so sollte es eine Ausnahme für solche Länder, wie Estland und Lettland geben, deren Bewohner gezwungen wurden in die SS-Kräfte einzutreten. Deswegen darf man die nicht der Kriegsverbrechen beschuldigen.

Interessanterweise war es nicht möglich in Litauen eine Legion aufzustellen, weil die litauischen Einheiten sich weigerten ein Eid auf Hitler abzulegen (Quelle: Wikipedia)

- In Dresden wird gerade von der Staatsanwaltschaft entschieden, ob das Buch vom Vorsitzenden der Regierungspartei Res Publica, Ex-Ministerpräsidenten Mart Laar "Die estnische Legion in Wort und Bild" unter den Gesetzartikel 86 des StGB fällt, der Verherrlichung von nazistischen Organisationen verbietet und Artikel 86a, der Verbreitung der Symbolik von verfassungsfeindlichen Organisationen verbietet. Mit der Entscheidung ist noch dieses Jahr zu rechnen.

- Im freien Handel wird in Estland ein Eesti Leegioni kalender ’09 verkauft. Unter anderem ist da folgendes Bild zu sehen:



Es ist nicht schwer sich vorzustellen, welches Symbol auf dem Schild dargestellt wird.
Angeblich ist die gesamte Auflage vergriffen.

- Immerhin haben die Autoren des Kalenders die SS-Symbolik aus den Plakaten getilgt. Die Autoren der auch im freien Handel erhältlichen CD "Lieder der estnischen Legion" haben sich die Mühe nicht gegeben:



Wie es aussieht, wenn Estland ein Apfel wäre, dann ist der Kern ganz schön braun. Und ein Rat an Herr Ilves: Wer im Glaushaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeissen.

Sonntag, November 16, 2008

Untreue Untergebene

vor einer Woche fand die Fortsetzung des Gerichtsverfahrens über Dmitrij Klenski, Maksim Reva, Mark Syrik und Dmitrij Linter statt. Der Korrespondent der Zeitung Den Za Dnjem (Tag für Tag) beobachtet den Prozess.

Die Richterin Violetta Kõvaks wartet. Dmitrij Klenski schreibt irgendwas in einem grossen Heft auf; Dmitrij Linter spielt Spiele auf seinem Handy, Maksim Reva liest ein Hochglanzjournal, Mark Syrik das Buch des indischen Mystikers Oscho. Die Anwälte, von Gesetzesbüchern umgeben, lesen dicke Ordner des Prozesses. Die Staatsanwältin Triin Bergmann legt in den Laptop eine CD ein und verkündet: Seite so und so, Gespräch zwischen dem und dem... Die nächste Audio-Aufzeichnung wird eingeschaltet. So verliefen die Montags- und Dienstagsitzungen: die Staatsanwaltschaft führte dem Gericht Beweise vor, hauptsächlich Audioaufzeichnungen der Gespräche der Angeklagten.

Revoluzzer - bei Fuss

Man sollte gleich sagen: die juristische Bewertung der vorgelegten Beweise kann (und ist verpflichtet) das Gericht geben, deswegen werden weiter nur persönliche Eindrücke geschildert. Nun dann, die Eindrücke sind gemischter Art. Einerseits, entschuldigung, peinlich. Uns alle hat man gelehrt, dass fremde Gespräche anzuhören schlecht sei; ausserdem, nach jedem "Hallo!" kann man sich lebhaft vorstellen, wie unsichtbare Leute mit grossen Kopfhörern auch dein Telefon abhören, und dabei in speziellen Heftchen Bemerkungen machen: dieses Wort könnte eine Gefahr für den Staat bedeuten..., und dieses vielleicht bedeutet es tatsächlich... Sehr unangenehm fühlt man sich, wenn auch mittelbar, als ein Mitglied eines Geheimbundes der Abhorchenden, Spickenden und Beobachtenden.

Wobei das sind, obwohl natürliche, doch Emotionen. Eine andere Tatsache ist, dass vorgeführte Aufnahmen ziemmlich überraschen - dabei aber nicht so, wie es die Staatsanwaltschaft gerne hätte. Im öffentlichen Bewusstsein sind die Aktivisten von "Notchnoj Dozor" Halbgötter, fast Revolutionäre und schon ganz bestimmt Helden. Doch aus den Gesprächen von Linter und Klenski, aus den Interviews, die sie während dieser aprilen Tagen der russländischen und anderer Presse gegeben haben, setzt sich ein anderes Bild zusammen. Die Mitglieder von Dozor verstehen oft nicht, was vor sich geht; sie sind katastrophal uninformiert; schliesslich sind sie sehr vorsichtig und bleiben bewusst weg von den grossen Ereignissen, da sie sich vor Repressionen fürchten, denn sie verstehen: ihrer wird man sich als erstes annehmen. Ihre Ratlosigkeit ist echt, zum Beispiel wundern sie sich sehr, als sie erfahren, dass aus Ida-Virumaa nach Tallinn "zur Aushilfe" irgendwelche Leute fahren. Daher - Emotionen, Ausrufe, Flüche. "Das war's, das Land ist am Arsch!" - sagt einer der Aktivisten. Am 27. April 2007 am Morgen reden und denken viele in Estland genau dasselbe.

Was es in diesen Gesprächen, aus Sicht einer Privatperson, nicht gibt, das sind Spuren der Organisierung von Massenunruhen, das heisst des Artikels 238, die den Dozor-Mitgliedern "Bürger-Vorgesetzte" anhängen möchten. Mark Syrik (wie man aus recht nebelhaften und abreissenden Aufzeichnungen schlussfolgern kann) sprach mit russländischen Kameraden über die Organisierung einer ständigen "Mahnwache" am Tõnismägi, doch ist es wohl nicht strafbar, auch wenn für das Bewachen 80 Kroonen die Stunde versprochen wurden. In irgendeinem Moment stellt sich heraus, dass die "Verschwörer" nicht in der Lage sind 10 000 Kroonen zu finden, um eine Wohnung für die ankommenden "Mahnwächter" zu mieten. Fühlen Sie wie stark die "Verschwörung" finanziert wurde?

Das einzige mehr oder weniger konsperative Gespräch, das wir angehört haben, war ein Telefongespräch zwischen Dmitrij Linter und Dmitrij Klenski, das im März 2007 gleich nach den Parlamentswahlen stattgefunden hat. "Wir müssen uns festgelegen" - sagt Linter - "doch Vektoren (?) sind viele unklar... Auf den Wahlen haben wir keine Chancen, wir haben keine Ressourcen und werden auch keine haben..." Und weiter - irgendwas Unklares aus dem Gebiet der Polittechnologien: "rechtlicher Kontext", "das Format muss systematisiert werden", "Notchnoj Dozor ist eine Marke, die besser bekannt ist als die Konstintutionelle Partei"... Worüber sie sprechen, über die Organisierung von Massenunruhen oder doch über Besonderheiten der Lokalpolitik? Kontext der geheimnisvollen Rede kann man vollständig mit einem Satz Dmitij Linters umschreiben: "Unsere Revoluzzer müsste man still bei Fuss, doch sauber..." Was für eine Organisierung von Unruhen! Es sieht so aus, dass Linter mit Kameraden, genau umgekehrt das Volk beruhigten, wie sie es konnten.

Tadel und Verbrechen

Der Rest ist Retorik, doch die Retorik ist bei uns kein Verbrechen, sonst müssten längst alle Politiker einsitzen. Ein charakteristischer Wortabtausch aus einem Gespräch von Klenski und einem Kameraden (Ende April): "Und am ersten [Mai] wird es geben, geben?..." - fragt der Kamerad. "Wird es geben!.." - überzeugt-festlich antwortet Klenski. Was wird es geben? Weltuntergang? Estland wird zum zweiten Sarajewo? Der Eindruck ist, dass keiner der Organisatoren von nichts weiss. Alle warten auf irgendwas, hier und da hört man komplett fantasiebehaftete Prognosen: bei uns hat de-fakto ein Bürgerkrieg angefangen, wahrscheinlich wird es wilde Aufstände geben, jetzt, nach alledem, wird sich alles in Estland ändern, die Regierenden werden gezwungen sein die Russen zu berücksichtigen... Doch darüber hat zu dieser Zeit halbes Land gesprochen - manche mit Freude, andere mit Angst.

In zahlreichen Interviews denkt Dmitrij Klenski über das "Krankenzimmer nummer 6" (die Psychiatrie-Abteilung - Anm. des Übersetzers), "die Eingeborenen in Fracks", "nicht ganz psychisch gesunden Premier-Minister" und "die Regierung, die bewusst die Gesellschaft spaltet" nach, darüber, dass man die Russen in Estland ausrottet, sie in gedächtnislose Sklaven verwandelt, mit ihnen ein fürchterliches Experiment unternimmt. Es sieht so aus, dass solches Gerede heutzutage als "Aufwiegeln von antistaatlichen Stimmungen" klassifiziert wird. Doch im April 2007 und vorher und danach haben hunderte, wenn nicht tausende Leute die Regierung der Republik in Massenmedien kritisiert und zehn- wenn nicht hunderttausende in persönlichen Gesprächen. Wenn das Gericht in so einer Kritik ein Verbrechen findet, dann kann jeder Mensch, der die Taten der Mächtigen nicht als Untergebener auslegt, sich auf der Anklagebank wiederfinden. Und das wäre fast das ganze Land; wer von den Bewohnern Estlands, ausser komplett Angepassten, hat sich nicht einmal über die Machthaber aufgeregt?

Für Nachtisch hat die Staatsanwaltschaft die Videoaufnahmen gelassen, die verschiedene Episoden der "Bronzenen Nacht" zeigen. Die Vorführung, wie wir verstehen, ist nichts für Nervenschwache, besonders die Episoden, wo die Polizei verschiedene Spezialmassnahmen anwendet. Im Gerichtssaal gab es fast keine Nervenschwache, dort haben sich erfahrene Leute versammelt. "Fast" - ist nicht nur pro-forma geschrieben: eine Frau, dem Nervenzusammenbruch nahe, fühlte sich wie auf einem Meeting und schrie: "Massenmörder!" Da hat selbst die Richterin nicht ausgehalten - und hat kurzerhand alle aus dem Sitzungssaal entfernen lassen, ausser der unmittelbar Beteiligten.

Die Fortsetzung folgt, sogar recht bald: Im November-Dezember sind noch einige Sitzungen in Dozor-Sache geplant.

Vladimir Sadekov, Verteidiger von Maksim Reva und Mark Syrik:

"Aus meiner Sicht haben die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Beweise nicht der Beschuldigung im Sinne des Artikels 238 entsprochen. Die Bewertung der im Laufe der Gerichtsverhandlung vorgeführten Beweise werden wir unsererseits während der Verteidigungsrede vornehmen, mit dem jetzigen Stand habe ich ein Gefühl, dass man über die Erfüllung des Artikels 265 reden kann - Organisierung nichtsanktionierten Meetings, ohne der Organisierung der Massenunruhen. Doch die Bewertung der Beweise kann nur in ihrer Gesamtheit gegeben werden, und das macht das Gericht. Wenn die Bewertung des Gerichts sich von unserer Bewertung unterscheidet, werden wir sie anfechten".

Aus dem Strafgesetzbuch:

Artikel 238. Organisierung von Massenunruhen.

Organisierung von Massenunruhen, die von Pogromen, Zerstörungen, Feuerzündungen und anderen ähnlichen Taten begleitet werden, wird mit Gefängnisaufenthalt von einem bis fünf Jahren bestraft.

Artikel 265. Verbotene Massenversammlung

Organisierung von verbotenen Massenversammlung oder Aufruf an einer solchen Versammlung teilzunehmen, wird mit Geldstrafe oder Gefängnisaufenthalt bis zu einem Jahr bestraft.

Samstag, November 15, 2008

Blick in die Seele eines Staatenlosen

Nach einer Diskussion auf estland.blogspot.com über die Motivation von staatenlosen Bewohnern Estlands die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen, habe ich diesen Artikel auf Delfi gefunden, den ich übersetzen möchte.

Blick in die Seele eines Staatenlosen

Rajvo Vetik, Professor der Tallinner Universität
13. November 2008 20:26

Die öffentliche Meinung Estlands findet die Verringerung der Anzahl der Personen ohne die Staatsbürgerschaft als ein wichtiges Ziel der Bevölkerungspolitik - es wird, nach Angaben des letzten Monitorings über Intergration, von 83% der estnisch-sprachigen und 81% der russisch-sprachigen Befragten unterstützt.

Die Untersuchung zeigt auch, dass unter den Staatenlosen es dreimal so viele gibt, die die estnische Staatsbürgerschaft bekommen wollen, als die russische. Doch gleichzeitig wächst die Anzahl der russischen Staatsbürger ungefähr dreimal so schnell.

In diesem Kontext ist es verständlich, dass die estnische Regierung endlich aufgewacht ist, und als Lösung vorschlägt, das Informationsniveau der Nichtbürger anzuheben. Daraus kann man herausfolgern, dass der Grund für die Staatenlosigkeit die Uninformiertheit der Leute ist.

Dabei besitzt die Regierung die von ihnen bestellte Untersuchung, die auf ausführlichen Interviews mit den Nichtbürgern basiert, aus denen folgt, dass die Unkenntniss der Leute nur einen kleinen Teil des Problems darstellt.

Das Problem hängt zusammen mit der andauernden Staatenlosigkeit der nicht volljährigen Kinder der Nichtbürger, das verringert werden könnte, wenn man die Eltern über die Möglichkeiten der Antragstellung besser informieren würde. Doch zu hoffen, dass man die Staatenlosigkeit im Ganzen mit Aufklärung beseitigen kann, ist genauso vernünftig, wie wenn man glaubt, dass das verlorene Geld man am besten unter der Strassenlaterne suchen sollte, weil es dort heller ist.

Estnische Sprache ist schwer zu lernen

Schauen wir doch mal, wie die Nichtbürger selbst das Problem sehen und auch, ob die Regierung sie nicht mal anhören sollte. Die erwähnte Untersuchung hat gezeigt, der wichtigste Grund des Verzichts auf die Beantragung der estnischen Staatsbürgerschaft sind die Schwierigkeiten die estnische Sprache zu erlernen. Das beweist auch das parallel durchgeführte Integrationsmonitoring mit ähnlichen Interviews, bei dem 90% der Russen in Estland diesen Grund nannten.

Estnische Sprache ist sehr schwer zu erlernen, weil zwischen beiden sprachlichen Gruppen in unserem Land zu wenig Kommunikation stattfindet. Manche Leute sprechen die estnische Sprache in der Arbeit, doch ich arbeite in einem Kollektiv, wo es nur Russen gibt. Ich benutze die estnische Sprache nur im Laden 5-10 Minuten am Tag. (37-jährige Frau).

Ich bin 29 Jahre alt, doch glaube ich nicht, dass ich die estnische Sprache lernen werde. Wenn es in der Umgebung und in der Arbeit mehr Esten gäbe, wäre es möglich. Obwohl es bei uns in der Arbeit auch Esten gibt, rede ich hauptsächlich doch mit den Russen. (Mann, 29 Jahre).

Die Esten stossen ab

Die zweite Reihe von Gründen ist mit Psychologie zu begründen und bezieht sich auf die Meinung, dass die Politik der Staatsbürgerschaft im Grunde ungerecht ist und die Esten die Russen abstossen. Während des Monitorings haben 2/3 der russisch-sprachigen Befragten sich mit Behauptungen dieser Art einverstanden erklärt.

Viele Leute wollen keinen Antrag auf die Einbürgerung stellen, weil sie hier geboren wurden. Wir feiern doch das 90-jährige Jubiläum der Estnischen Republik, doch das bedeutet, dass die Leute, die in dieser Zeit hier geboren wurden, die estnische Staatsbürgerschaft besitzen müssen. (37-jährige Frau)

Die Lage hier mit den "wolf" (wegen der grauen Farbe, Anm. des Übersetzers) Pässen ist schrecklich. Sie geben ihrer Nationalität so eine Bedeutung, dass wir mit unseren grauen Pässen wie Fliegen für sie sind. Uns hat man von Anfang an abgetrennt. (Mann, 41 Jahre)

Wozu soll ich die Staatsbürgerschaft bekommen? Es bleiben die gleichen Gefühle, die ich jetzt empfinde, die Beziehung ändert sich nicht. Es hat kein Sinn seine Zeit, Geld, Emotionen zu vergeuden, um Staatsbürger zu werden, weil im Endeffekt bekommst du gar nichts, die Beziehungen ändern sich nicht. (35-jährige Frau)

Die Staatsbürgerschaft ändert nichts

Die dritte Reihe der Gründe bezieht sich auf die Meinung, dass das Fehlen der Staatsbürgerschaft sich nicht auf das alltägliche Leben des Menschen auswirkt, deswegen bemühen sich die Leute nicht. Im Verlauf des Monitorings haben sich mit den Behauptungen dieser Art drei Viertel der Befragten einverstanden erklärt.

Bei der Arbeitsanstellung gibt es keinen grossen Unterschied, zu allen verhält man sich mehr oder weniger gleich. Doch in der Seele hat man ein Gefühl, dass man anders ist, als die anderen... (44-jährige Frau)

Ich finde, dass die Leute, die die Staatsbürgerschaft wollen, werden alles tun, um es zu bekommen, aber die, die sie nicht wollen, werden sie niemals bekommen. Für manche hat die Staatsbürgerschaft überhaupt keine Bedeutung, weil sie mit ihrem Leben zufrieden sind und ein gutes Einkommen haben. So haben sie keine Zeit, um über die Staatsbürgerschaft nachzudenken. (33-jährige Frau)

Interesse für russische Staatsbürgerschaft

Der nächste Grund der Staatenlosigkeit ist die Interesse an der russischen Staatsangehörigkeit.

Viele beantragen die russische Staatsangehörigkeit, weil Russland in der letzten Zeit angefangen hat die Angehörigen der Nation anzuwerben. Ich selbst habe ein Papier mit entsprechenden Erklärungen. (24-jährige Frau)

Ich denke die Leute haben verstanden, dass die Gesetze niemand mehr ändern wird und die Staatsangehörigkeit werden sie nicht bekommen. Sie wissen, dass sie die Sprachprüfung nicht abgeben werden und nehmen deswegen die russische Staatsangehörigkeit an. So haben sie wenigstens irgendeine Staatsangehörigkeit. Man sieht, dass das Leben in Russland sich zum Besseren verändert, deswegen haben die Leute Interesse an der russischen Staatsangehörigkeit. Bei manchen leben die Verwandten in Russland. (33-jährige Frau)

Pragmatische Gründe

Schlieslich hat die Untersuchung gezeigt, dass im Falle von nicht volljährigen Kindern deren Eltern keine Staatsbürgerschaft haben, die Gründe von Staatenlosigkeit pragmatischer Natur sind.

Mein zweites Kind ist ein Junge. Ich will nicht, dass ihn jemand in die Armee schickt, egal ob estnische oder russisch, damit er an irgendwelchen seltsamen Orten kämpft, ohne sein Einverständnis. Ich will ihm das Recht der Wahl lassen - die Staatsbürgerschaft des Landes die er möchte. (37-jährige Frau)

Mein Sohn möchte in Russland lernen, das ist schwer zu machen mit der estnischen Staatsbürgerschaft. Und die Sprachbarriere ist ein Problem. Für ihn ist es einfacher in Russland auf seiner Muttersprache zu lernen, als in Estland auf einer fremden. Doch meine Tochter beantragte die estnische Staatsangehörigkeit, weil sie die Ausbildung in Estland weitermachen möchte. (41-jähriger Mann)

Die Nichtbürger sind verärgert

Die aufgeführten Überlegungen belegen, dass nicht ein einziger der Hauptgründe für Staatenlosigkeit mit der geplanten Aktivität des Staates zusammenhängt. Die Positionen, die in den Interviews ausgedrückt wurden, sind normale Reaktionen auf die Umgebung von gewöhnlichen Leuten, die in Estland leben und nicht von irgendwie uninformierten Ankömmlingen und in ihren Ansichten gibt es genügend Verärgerung und Emotionen, als auch Hoffnung und Pragmatismus.

Folglich kann das Setzen auf die Erhöhung des Informationsniveaus keine effektive Politik für die Verringerung der Staatenlosigkeit sein. Das ist eine Ersatztätigkeit, die mit dem realen Problem nichts zu tun hat. Anstatt einer Informationskampagnie könnte man empfehlen eine gründliche Analyse der Vor- und Nachteile der Staatenlosigkeit durchzuführen. Nur danach kann man Beschlüsse fassen, die auf die sozialen Probleme in die richtige Richtung einwirken.