Samstag, Juli 31, 2010

Bus mit Antifaschisten aus Litauen und Lettland angehalten

An der estnisch-lettischen Grenze wurde der Bus mit lettischen und litauischen Staatsangehörigen von der Polizei angehalten. Die Antifaschisten fuhren nach Sinimäe, um an der Protestdemonstation gegen das Treffen der Veteranen der Waffen-SS teilzunehmen.


Die Verkehrpolizei hat den technischen Zustand des Busses untersucht und wegen Ölverlust und abgefahrenen Reifen verboten, die Fahrt mit dem Bus fortzusetzen. Ein Bus aus Narva ist unterwegs, um die Leute abzuholen.


4 lettische und 2 litauische Antifaschisten wurden zu Personen non-grata erklärt, denen die Einreise nach Estland verboten wurde. Ebenfalls wurde die Einreise für finnische Antifaschisten verboten, dieser Beschluss wird gerade vor Gericht angefochten.


To be continued…

Montag, Juli 26, 2010

Gegenmeeting in Sinimäe am 31.07.2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

Jedes Jahr am letzten Samstag in Juli wird im Örtchen Vaivara in den Anhöhen von Sinimäe im Nordosten Estlands ein Treffen der Veteranen des SS abgehalten. Sie sind den Kämpfen, die im Juli-August 1944 zwischen den Teilen der 20. Grenadier-Division der Waffen SS und sowjetischen Armee geführt wurden, gewidmet. Ehemalige SS-Mitglieder und ihre Anhänger versammeln sich unter verstärktem Polizeischutz und legen Kränze an den Gedenkstein der 20. Division der Waffen SS, als auch an die Gedenksteine der dänischen, holländischen und norwegischen Legionäre der Waffen SS nieder.

Antifaschistische und zivilgesellschaftliche Organisationen Estlands mit der Unterstützung der Bewegung "Welt ohne Nazismus" werden ein Gegenmeeting abhalten, das den Opfern der SS und Nazismus gewidmet ist. Bei unserem Meeting des Gedenkens, der in der maximal erlaubten Nähe zu der Versammlung der ehemaligen SS-Leute auf Sinimäe durchgeführt wird, wollen wir die Unmöglichkeit der Verehrung der Veteranen der SS, ihre Umdeutung zu den Helden des Befreiungskrieges, was eine Verletzung der Resolution der Generalversammlung der UNO vom 26.03.2010, Nummer 64/147 darstellt, betonen.

Wir laden auf unser Meeting Vertreter der ausländischen antifaschistischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen ein, mit dem Ziel die Fakten der Heroisierung und Verehrung der Veteranen der SS in Estland und der Revidierung der Geschichte des Zweiten Weltkrieges öffentlich zu machen.

Plan der Veranstaltung:
30.07.10 08:00 Bus aus Warschau (Ort und Zeit werden bekanntgegeben)
Mittagessen an der litauischen Grenze
18:00 Abfahrt des Busses aus Riga
Ankunft der Gäste zum Tallinner Flughafen, Mittagessen in Tallinn, Transfer aus Tallinn nach Narva
15:00-23:45 Ankunft der Gäste in Hotel in Narva
Abendessen
31.07.10 07:30-08:30 Frühstück
08:45 Abfahrt zum Meeting des Gedenkens
09:45 Zusammentreffen der Meetingteilnehmer
10:00 Beginn des Meetings
12:00 Presse-Konferenz über die aktuelle Geschehnisse
13:00 Kranzniederlegung zu dem Denkmal der sowjetischen Befreiungsarmee und zu dem Memorial der Opfer des Konzentrationslagers Vaivara
14:00 Abfahrt der Gäste nach Narva
15:00 Mittagessen
17:00 Abfahrt der Busse mit Gästen nach Warschau und Riga
Transfer nach Tallinn und Abendessen in Tallinn
Abendessen an der litauischen Grenze
21:00 Abendessen für die verbliebene Gäste
01.08.10 Frühstück und Transfer in Tallinn, Mittagessen in Tallinn

Während des Meetings werden Plakate mit den Ansichten der Verbrechen der SS-Schergen, Konzentrationslagern gezeigt, Teile der Teilnehmer des Meetings werden in Lagerkluft angezogen sein.
Um 10:00 wird Musik aufgeführt, Werke die Holocaust gewidmet sind und Requiems. Es wird Ansprachen der Meetingteilnehmer geben, es werden Flugblätter und antifaschistische Literatur, unter anderem das Buch "Die Verbrechen der Nazisten und ihrer Helfer in Baltikum (Estland)" verteilt. Es werden Ausschnitte aus den Erinnerungen der ehemaligen Gefangenen der Nazisten und Urteile des Nürnberger Tribunals vorgelesen, es gibt Ansprachen der Veteranen des Zweiten Weltkrieges. Die Ansprachen werden auf Estnisch oder mit Übersetzung in Estnisch geführt. Von den antifaschistischen Organisationen und Gästen des Meetings werden Beobachter zu dem Treffen der Veteranen der Waffen SS zum Monitoring abgeschickt.

Im Auftrag der antifaschistischen Organisationen Estlands und Interimspräsidiums der internationalen Bewegung "Die Welt ohne Nazismus"

Mitglied des Interimrates der Bewegung "Die Welt ohne Nazismus"
Mitglied der Führung des NGOs "Notschnoj Dozor"

Maksim Reva

Trivilisator des Holocausts

Israelischer Journalist: Der estnische Präsident ist "Trivilisator" des Holocausts

Der Kommentator der israelischen Zeitung Haaretz Yossi Melman findet die Aussage von Toomas Hendrik Ilves, die er während seines Israel-Besuches gemacht hat, dass die historische Erfahrungen von Esten und Juden sehr ähnlich sind, beleidigend. Nach Ilves Meinung, waren die Esten und die Juden während des Zweiten Weltkrieges "Genossen im Unglück". Dabei hat Ilves bei seinem Auftritt in der Residenz des Präsidenten in Israel kein einziges Mal weder die Verfolgung der estnischen Juden, noch die Schuld der Esten bei ihrer Vernichtung erwähnt.

In seinem Artikel erinnert Yossi Melman Ilves daran, dass die Mehrheit der Bevölkerung aller drei baltischen Länder die nazistischen Okkupanten freundlich begrüßte, die ihrer Meinung nach die Befreiung von der sowjetischen Unterdrücken mit sich brachten. Die estnischen Juden hatten verglichen mit den lettischen und litauischen Juden noch Glück: nach dem Eindringen der Hitler-Armeen in die Sowjetunion 1941 hatten sie einige Wochen, um wegzufahren. So konnten 3,5 Tausend estnische Juden in die östliche Teile der UdSSR evakuiert werden. Ungefähr tausend Juden blieben in Estland. 993 von ihnen wurden von den Nazis und ihren Helfern aus der örtlichen Bevölkerung vernichtet. In die gegründete Konzentrationslager auf dem estnischen Territorium wurden Tausende Juden aus Deutschland, Österreich und anderen Ländern Europas deportiert und anschliessend vernichtet. Der 36. Bataillon der estnischen Polizei hat neben der SS bei der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung der Stadt Novogrudok in Weissrussland teilgenommen.

Es ist schwer zu glauben, schreibt Melman, dass der Präsident Estlands solche Aussage spontan, ohne Nachzudenken machte. Toomas Ilves ist in Schweden geboren, lebte lange in den USA und beendete die Columbia University in New-York. Es ist klar, dass seine Aussagen nicht zufällig getroffen wurden. Ilves ist kein Holocaustleugner, er ist sein Trivilisator.

Den Terminus "Trivialisierung des Holocausts" hat in den wissenschaftlichen Diskurs der Leiter des Simon Wiesenthal Efraim Zuroff eingebracht. Zu Trivilisatoren des Holocausts zählt Zuroff eine Reihe der postsowjetischen und zentraleuropäischen Staaten, die in ihrem Eifer die Geschichte umzuschreiben, behaupten dass die sowjetische Okkupation keine kleinere Tragödie war als Nazismus.

Die Trivilisatoren behaupten, dass Holocaust kein singuläres Ereignis in der Geschichte war. Aus ihrer Sicht sind die Mörder der Juden, die mit den Nazis zusammengearbeitet haben und gegen die Sowjetmacht kämpften, Helden. Deswegen werde in diesen Ländern die Denkmäler für die sowjetischen Befreiern demontiert, an ihren Platz stellt man Denkmäler für die Kollaborateure.

Die Leader-Revisionisten möchten den 23. August zum Gedächtnistag an alle Opfer von totalitären Regimen erklären. Europa kann nicht wirklich eins werden, behaupten sie, wenn sie nicht sowohl Verbrechen des nazistischen als auch kommunistischen Regimen anerkennen wird. Falls die Revisionisten ihr Ziel erreichen, kann man den Tag des Gedenkens an die Holocaustsopfer einfach abschaffen. Wozu braucht man einen Extra-Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts, wenn es ein vereintes Tag des Gedenkens an die Opfer des Totalitarismus geben wird, der die Täter mit den Opfern gleichsetzt?

Die Revision der Geschichte in Estland wurde zum Alltag. Nach internationalen Druck wurde der 27. Januar zum Gedenktag an die Opfer des Holocausts erklärt, doch eine Meinungsumfrage hat gezeigt, dass 93% der Esten diesem Beschluss negativ gegenüber stehen.

Sonntag, Juli 25, 2010

31. Juli Sinimäe

Jedes Jahr finden am letzen Juliwochenende im Örtchen Vaivara auf den Anhöhen von Sinimäe in Nordosten Estlands ein Treffen der Veteranen der Waffen-SS statt. Sie sind den Kämpfen gewidmet, die im Juli-August 1944 zwischen den Teilen der 20. Grenadier-Division der Waffen-SS und sowjetischen Armee geführt wurden.

Frühere Mitglieder der SS und ihre Anhänger treffen sich unter verstärktem Polizeischutz, legen Kränze zum Gedenkstein der 20. Division der Waffen-SS als auch zu Denkmälern an die dänischen, holländischen und norwegischen Legionären der SS ab. 2006 wurden zwei Denkmäler für die belgischen und holländischen SS-Mitglieder errichtet. Die Vertreter der belgischen Veteranen des Zweiten Weltkrieges haben deswegen Protest geäußert, denn diese "schändliche Tat eine außerordentliche Beleidigung für all diejenigen sei, die gegen die faschistischen Armeen des Hitler-Deutschands und Kollaborateure in den okkupierten Gebieten kämpften." Der belgische Botschafter in Estland hat sich gegen die Verwendung der belgischen Flagge auf der Versammlung ausgesprochen, denn "die in Estland kämpfenden Belgier, zählt man in der Heimat zu den Verrätern und faschistischen Kollaborateuren."

Jedes Jahr wächst die Anzahl der Teilnehmer bei den Treffen der Veteranen aufgrund der teilnehmenden Jugend. Einige junge Leute sind entweder in Uniformhemden des Vereins der Freunde der 20. Division der Waffen-SS mit Abzeichen dieser Division, oder in Armeehosen mit schwarzen Halbstiefeln an den Füßen und schwarzen T-Shirts mit Symbolen der 20. Division gekleidet.

Letztes Jahr nahmen auf dem Treffen, das von dem Verein der Freunde der 20. Division organisiert wird, ungefähr 450-500 Leute teil. Zwei Drittel der teilnehmenden waren Personen unter 50 Jahren. Ausser der Polizei wurde die Veranstaltung von einer privaten Sicherheitsfirma bewacht, die unter Verletzung der bestehenden Rechtsordnung "unerwünschte Personen" - Antifaschisten nicht durchgelassen hat. Die Polizei hat rechtswidrig acht Antifaschisten, die Mitglieder der Organization "Notschnoj Dozor" festgehalten, die ein angemeldetes Meeting gegen die Veranstaltung abzuhalten versuchten.

Auf dem Treffen der SS-Veteranen nehmen regelmäßig Mitglieder des estnischen Parlaments teil, unter anderem Trivimi Velliste, der Landrat des Landkreises Vaivara, Offiziere in der Uniform der estnischen Armee. In 2007 hat der heutige Verteidigungsminister der Estnischen Republik Jaak Aaviksoo einen Gruss an die Veteranen der SS, die sich in Sinimäe versammelt haben, gerichtet. Die estnische Armee versorgt die Teilnehmer mit Erbsensuppe.

Laut "Notschnoj Dozor" bekommen sowohl die Kameradschaft der Veteranen des Zweiten Weltkrieges, die die Veteranen, die auf der Seite des Hitler-Deutschlands gekämpft haben, vereint, als auch die Organization der Freunde der 20. Grenadierdivision regelmäßig Beihilfen seitens des Verteidigungsministeriums Estlands.

1942 haben im Örtchen Vaivara um die Sinimäe-Anhöhe Nazisten ein Netz aus Konzentrationslagern "Vaivara" mit der Registrierungsnummer DS-Nr.555 errichtet. Durch diese Lager wurden 20000 Leute durchgeschleust. Hauptsächlich waren es Juden aus den osteuropäischen Ländern und sowjetische Kriegsgefangene. Die Bewachung der Lager haben die Deutschen zusammen mit "Omakaitse", einer paramilitärischen estnischen Organization, die die Grundlage für die Formierung der 20.Division der Waffen-SS bildete, durchgeführt. Auf den Geländen der Konzentrationslagern gibt es Gedenkstätten. Ausserdem befindet sich am Fusse des Hügels, ungefähr einen halben Kilometer von dem Treffen der SS-Veteranen ein Friedhof und ein Denkmal den sowjetischen Kämpfern, die im Sommer 1944 bei der Befreiung Estland gefallen waren.

Fotos der letzjährigen Veranstaltung gibt es hier

Dieses Jahr gibt es Pläne einen Bus aus Warschau zu organisieren, der Teilnehmer einer Protestveranstaltung nach Sinimäe bringen soll. Näheres wird am Montag bekanntgegeben.

Samstag, Juli 03, 2010

Die Entführung der Arctic Sea Teil II

folgenden Artikel ist nur mit Vorsicht zu lesen, es kann auch ein Spielchen der russischen Geheimdienste sein, die ihrem Gegenpart in die Suppe spucken wollen.

Die Beichte eines baltischen Korsaren

Im Zuge der Veröffentlichung des Gerichtsbeschlusses des Moskauer Stadtgerichts bezüglich eines Teilnehmers des Raubüberfalls auf das Transportschiff Arctic Sea wurden sensationelle Informationen verbreitet, die wie es scheint etwas Licht auf diese geheimnisvolle Geschichte werfen. Der lettische Staatsbürger Dmitrij Savin hat zugegeben, dass er der Organisator des Piraterieaktes gewesen sei und nannte als Hintermann den ehemaligen Chef des estnischen Geheimdienstes Eric Kross.

Die Angaben des Beschuldigten wurden vom Staatsanwalt vorgelesen, wobei es wie es aussieht nicht nur für die im Saal anwesende Journalisten eine Überraschung war, sondern auch für den Beschuldigten selbst. In seinem letzten Wort hat Savin sich beschwert, dass seine Geständnisse veröffentlicht wurden, denn seine Familie wurde bereits bedroht, um ihn vor zu viel Gesprächigkeit zu warnen.

Falls in seinen Angaben auch nur ein Körnchen Wahrheit steckt, dann sind seine Befürchtungen nicht umsonst. Der Hintermann des Verbrechens ist, wie es aussieht, der Geschäftsmann Eric Kross, der 10 Jahre lang den estnischen Geheimdienst geleitet hat und der bis jetzt Kontakte zu Spezialeinheiten aufbewahrt hat.

Laut Savin waren sie mit Kross Partner bei einem Geschäft, der aufgrund der Wirtschaftskrise unrentabel wurde. Um seine finanzielle Angelegenheiten zu verbessert hat der ehemalige Aufklärer vorgeschlagen, sich an den somalischen Piraten zu orientieren und irgendein Schiff zu übernehmen, um dann Lösegeld dafür zu verlangen.
 
Die Vorbereitung des Verbrechens, laut Savin, fing im Oktober 2008 an. Der Beschuldigte gab zu, dass er faktisch der Organisator des Überfalls war, denn er hat die künftige Seeräuber ausgewählt, vorbereitet und hatte die Kontakte mit dem Hintermann.

Insgesamt wurden sieben Leute auserwählt, an die folgende Forderungen gestellt wurden: kriminelle Vergangenheit, Abenteuerlust, nicht älter als 44, gute physische Verfassung und keine Vorstrafe für Mord.

Savin unterstreicht, dass Kross persönlich die Auswahl der Gruppe bestätigte. Seine eigene Beteiligung erklärt der Beschuldigte mit persönlichen psychischen Problemen, die er nach dem Tod seiner Mutter hatte. Er gab an, dass er ein Abenteuer gebraucht hätte, um sich zu vergessen, als er verstanden hätte, dass es zu weit ging, war es schon zu spät, einen Weg zurück gab es nicht.
 
Vom ersten Schritten der künftigen Korsaren und ihren Organisators an wurden sie vom Pech verfolgt. Zuerst war der Plan ein Schiff in Atlantik zu kapern, irgendwo an einer oft befahrenen Route bei Portugal. Doch dann stellte sich heraus, dass von den künftigen Piraten nur einer Erfahrung auf dem See hätte, alle anderen waren Landratten, die ein Überfall auf offener See überfordert hätte.
 
Es wurde beschlossen die Operation näher am Zuhause durchzuführen, im Baltikum. Derweilen hat Savin seine Untergebene trainiert. Es erklärte ihnen, wie man ein Schiff entert, wie man mit der Schiffsbesatzung umgeht und wie man klaren Kopf behält falls etwas Aussergewöhnliches auf dem Bord des Schiffs geschehen sollte. Die Teilnehmer hatten sogar ein drei-tägiges Training auf einer Basis der estnischen Armee in der Nähe von Tallinn. Doch, laut Savin, musste er ein passendes Ziel suchen, was den Neulingen nicht zu gross wäre. Deswegen wurde die Arctic Sea im letzten Moment ausgewählt. Das Schiff hatte niedrige Schiffswände und hat sich nicht durch Schnelligkeit ausgezeichnet.
 
Der Überfall lief glatt. In der Nacht waren die Piraten, die in schwarze Overalls mit der Aufschrift "Polizei" gekleidet waren,  aufs Schiff geklettert und haben die 15 Mann der Mannschaft in ihre Kabinen gesperrt. Doch hat sich bald rausgestellt, dass sie vergessen hätten das Handy dem Kapitän wegzunehmen, mit dessen Hilfe er den Besitzer des Schiffes über den Überfall benachrichtigte.

Es blieb nicht ganz klar, warum dieser Umstand von der Gruppe als ein Rückschlag gewertet wurde, denn sie hätten sich sowieso mit den Eigentümern des Schiffs in Verbindung setzen müssen um das Lösegeld zu verlangen. Doch folgt aus den Angaben Savins, dass im Falle der vorherigen Entdeckung der Ziele des Überfalls, Kross eine schnelle Evakuierung aller Piraten hätte organisieren müssen. Doch hat er das aus unbekannten Gründen nicht gemacht, was die neugebackenen Piraten in unbequeme Lage versetzt hätte.
 
Savin beklagte sich, dass er die Leitung der Operation in seine Hände hat nehmen und sich aus dem Baltikum in den Atlantischen Ozean durchschlagen müssen. Als Vorsichtsmassnahme wurde der Name des Schiffs zwei Mal geändert, einmal auf den Namen eines kubanischen Schiffes, das andere Mal eines koreanischen.
 
Der Beschuldigte gab auch zu, dass er die Verhandlungen über die Lösegeldzahlung in Höhe von ein einhalb Millionen Dollar hat führen müssen. Doch sie blieben ohne Ergebnis, weder der Schiffsbesitzer, noch die Versicherung wollten das Geld zahlen.
 
Jedem der Piraten wurde im Erfolgsfall eine Prämie von 20 000 Euro versprochen und Savin als Organisator sollte 200 000 Euro bekommen. Der Beschuldigte sagte auch, dass ihm noch zwei Personen geholfen hätten, sein Freund und Klassenkamerad und heute ein deutscher Geschäftsmann Sergej Demtschenko und der in Estland lebende israelischer Staatsbürger Aleksej Kerzbur, der die Route des Schiffs koordiniert hatte.
 
Schon im Golf von Biskay, als die Piraten erfuhren, dass alle Sicherheitskräfte in Europa in Alarmbereitschaft wegen eines vermutlichen Überfalls auf ein Schiff versetzt wurden, haben sie die Erkennungssysteme abgeschaltet, über die sie erkannt werden hätten können. Wie Savin berichtete gab es verschiedene Vorschläge, wie man hätte verfahren können: zuerst wollten die Piraten das Schiff versenken, danach es auf eine Sandbank in der Nähe von Guinea setzen.
 
Als die Avanturisten verstanden haben, dass sie kein Geld bekommen werden, fing Chaos und Unruhe an. Laut Savin, konnte er seine Untergebene nicht mehr kontrollieren, die Alkohol zu trinken anfingen. Als Gipfel der Pechsträhne hat der letzte Plan der Evakuierung auch nicht funktioniert: Demtschenko, der ein Schiff an den Cabo Verdschen Inseln mieten sollte, damit die Piraten das Schiff hätten verlassen können, hat ihnen mitgeteilt, dass er nichts passendes finden konnte.
 
Schliesslich nach einer einmonatigen Reise wurde das vermisste Schiff 300 Meilen in südlichen Richtung von Cabo Verde von russischen Eskadrielle gefunden. Die Schiffsbesatzung, die aus 15 Seemännern aus Arkhangelsk bestand, wurde befreit, die Piraten wurden verhaftet und nach Russland übergestellt.

In seinem letzten Wort hat Savin gebeten, ihn nicht zu streng zu bestrafen, da aufgrund seiner Initiative die Schiffsbesatzung drei Mal täglich zu Essen bekam und medizinische Versorgung sichergestellt wurden. Auch hätte er den Piraten befohlen Gummigeschosse zu verwenden, um mögliche Opfer zu vermeiden.
 
Das Gericht hat Savin zu sieben Jahren Strafkolonie für Piraterie verurteilt, wobei sowohl der Verurteilte, als auch seine Anwälte mit dem Urteil zufrieden sind und es nicht anfechten werden.
 
Trotz der logischen und glaubwürdigen Version, die von Savin erzählt wurde, bleiben im Fall des Überfalls auf die "Arctic Sea" viele Fragen offen. Das Schiff, das mit Holz beladen von Finnland nach Algier unterwegs war, wurde am 24. Juli 2009 in den neutralen Gewässern in der Nähe von Schweden überfallen. Das Schiff gehörte einer finnischen Firma, lief unter maltesischen Flagge und war in Russland versichert.
 
In der Presse gab es Vermutungen, dass die Geschichte mit der "Arctic Sea" kein einfaches Kriminalfall wäre, sondern eine Operation der Geheimdienste mit dem Ziel bestimmte Ware, evtl. Waffen unbemerkt zu liefern. Es gab Meinungen, dass es russische Raketen für Iran oder Syrien sein könnten und der Misserfolg der Operation von Mossad hervorgerufen wurde.
 
Auch wurde nicht ausgeschlossen, dass auf dem Schiff Drogen oder andere verbotene Ware sein könnte und hinter dem Transport ein internationaler Verbrechersyndikat stehen könnte. Und laut der dritten Version könnte der Überfall auf das Schiff mit einem Streit der Besitzer zu tun haben, jemand hat bei jemandem Schulden eingefordert und zwar auch eine nicht ganz legale Art und Weise.
 
Savin hat in seinem Geständnis anerkannt, dass er keine Dokumente hat, um die Beteiligung zum Überfall des früheren Chefs des estnischen Geheimdienstes nachzuweisen, auch bezweifelt er, dass ein einhalb Millionen Dollar, wie die Lösegeldforderung für "Arctic Sea" bewertet wurde, eine bedeutende Summe für Kross darstellen würden.
 
Interessanterweise wurde über die Biografie Savins während der Verhandlung viel weniger gesprochen, also über die Biografie von Kross. Über den Organisator weiss man nur, dass er lettischer Staatsbürger ist und dass in offiziellen Dokumenten sein Nachname auf die lettische Weise "Savins" geschrieben wird. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, wohnt in Tallinn und war irgendwann mal Direktor einer Reederei.
 
Viel ausführlicher hat der Staatsanwalt über den vermeintlichen Hintermann gesprochen. Eric Kross wurde 1967 geboren. Sein Vater ist der bekannte estnischer Schriftsteller Jahn Kross, der sogar für Nobelpreis vorgeschlagen wurde. Ausser der Spionage-Vergangenheit des Hintermanns wurde im Gericht besonders hervorgehoben, dass er historische Studien betreibt und eine Studie über die "Waldbrüder" herausgegeben hätte - den estnischen nationalistischen Partisanen, die gegen den Sowjetregime gekämpft hätten und in der offiziellen russischen Geschichte als Banditen und Hitlers Helfer tituliert werden.
 
In den 1990-er Jahren wurde Kross der Leiter des Informationsbüros bei dem Präsidialamt Estlands, die die Koordinierung der Tätigkeit der nationalen Geheimdienste betrieb. Man sagt, dass dieser Posten Kross nur einnehmen konnte, weil sein Vater gute Beziehungen zu dem ersten Präsidenten des unabhängigen Estlands Lennart Meri gehabt habe.
 
Im Jahr 2000 musste Kross zurücktreten, nachdem aufgedeckt wurde, dass er eigene Ausgaben mit Dienstkreditkarte bezahlt hatte. Im Laufe des Jahres arbeitete er als Berater des Präsidenten Meri, doch musste er den Posten wegen eines Skandals bei der Privatisierung der estnischen Eisenbahn, verlassen. Nachdem er den Staatsdienst verlassen hat, fing Kross Business an. Laut Savin hat der frühere Chef des Geheimdienstes "an verschiedenen Projekten, die mit Öl und Gas zu tun hat teilgenommen, er baute auch Pensionen", das Geld vom Verkauf wollte er in eine Reederei stecken.
 
Kross behauptet, dass sein Business komplett in anderen Bereichen liegen würde. Er behauptet, dass er Berater der georgischen Regierung in Fragen der Sicherheit war und bereitete dieses Land auf den NATO-Beitritt vor. Dies, laut Meinung Kross' erklärt das Interesse zu seiner Person seitens der russländischen Sicherheitskräfte. Klarerweise verneinte der Este sämtliche Beschuldigungen über die Teilnahme an Überfall, doch gab er zu, dass er Savin kennen würde, er hat ihm ein Raum für ein Office vermietet.
 
Die Unschuld von Kross hat auch die estnische Staatsanwaltschaft erklärt. Ihr Vertreter unterstrich, dass im Rahmen der Aufklärung des Überfalls auf "Arctic Sea", die parallel mit Russland eine internationale Gruppe von Experten aus Finnland, Malta, Schweden, Lettland und Estland durchführt, wurden die Kontakte Savins überprüft und es wurden keine Beweise gefunden, die die Beteiligung Kross' zu diesem Verbrechen belegen würden.
 
Bisher wurde ausser Savin für den Überfall auf "Arctic Sea" nur der Russe Andrej Lunev verurteilt, der auch einen Deal mit der Staatsanwaltschaft geschlossen hätte und fünf Jahre Strafkolonie bekam. Andere sechs Beteiligte bleiben in der Haft und weigern sich ihre Schuld anzuerkennen. Das ist der estnische Staatsbürger Evgenij Mironov, der Russe Dmitirj Bartenev, lettischer Staatsbürger Vitalij Lepin und staatenlose Personen Aleksej Buleev, Igor Borisov und Aleksej Andrjuschin.  
 
Sie alle bleiben bei ihrem Standpunkt, den sie bei ihrer Verhaftung erklärten: sie sind Mitglieder einer ökologischen Organisation, haben Monitoring der Umwelt in der Ostsee gemacht, in ihrem Boot gab es kein Treibstoff mehr und sie mussten auf die "Arctic Sea" evakuiert werden, wo sie wegen nicht von ihnen abhängigen Umständen geblieben sind.

Was die Glaubwürdigkeit der Theorie, die von Savin erzählt wurde, angeht, hat die russländische Staatsanwaltschaft versprochen, sie zu überprüfen. Es ist bemerkenswert, dass nach der Verlesung des Urteils weder die Vertreter der Staatsanwaltschaft noch die Anwälte sich bereit erklärt haben die Verlautbarungen des Beschuldigten der Presse zu kommentieren.  

Welt ohne Faschismus?

Am 22.06.2010 wurde in Kiev eine neue internationale Bewegung gegründet, die sich "Welt ohne Faschismus" nennt. Die Bewegung entstand als Ergebnis von drei Konferenzen, die letztes Jahr in Berlin und dieses Jahr in Riga und Kiev stattfanden. Viele der Leute, die in den Vorstand und Zentralrat der Bewegung gewählt wurden, sind schon bekannt, von anderen hörte ich zum ersten Mal. Für Estland sind es die Hälfte der Bronzenen Vier Maxim Reva und Dmitrij Linter als auch Andrej Zarenkov, der Vorsitzende der Antifaschistischen Bewegung in Estland ist. Für Finnland ist der bekannte Estland-Kritiker Johan Bekman von der Partie, für Italien Giulietto Chiesa, für Lettland die Mitglieder des Lettisches Antifaschisitschen Komitees Iosif Koren, Boris Zilevitsch, für Russland ua. Modest Kolerov, Dmitrij Kondraschow, für Israel unter anderem der Leiter des Wiesenthal-Zentrums Efraim Zuroff. Deutschland wird von Annelies Oeschger, Dmitirij Feldmann und Clemens Heni im Zentralrat vertreten sein. Die drei Namen der Deutschen Abgeordneten waren mir komplett unbekannt (gut, ich kann nicht behaupten, dass ich mich in der deutschen AntiFa-Szene sehr gut auskenne), doch eine kurze Internet-Recherche zeigte, dass Frau Oeschger Präsidentin der Konferenz der NGOs im Europarat, Herr Feldmann ein ambitionierter Verleger von russisch-sprachigen Zeitungen in Deutschland und Dr.phil Clemens Heni ein recht kontrovers diskutierter Publizist ist, dessen Hauptthese die absolute Einmaligkeit des Holocausts zu sein scheint, so dass der türkische Genozid an Armeniern oder der Völkermord in ehemaligen Jugoslawien nicht auch entfernt damit in Verbindung gebracht werden können. Aus diesem Grund ist jede Israel-Kritik mit Antisemitismus gleichzusetzen.

Die Ziele der Bewegung hat der Vorsitzende des Rates Boris Spiegel, der auch der Vorsitzende des Kongresses der russisch-sprachigen Juden ist, in seiner Rede benannt:

1. Sammlung von Information über Organisationen, die als faschistisch oder nazistisch angesehen werden

2. Monitoring von Geschehnissen und Ereignissen, die als Aufflammen des Faschismus gewertet werden können

3. Erklärung der eigener Position gegenüber der breiten Gesellschaft bezüglich der Wiedergeburt des Faschismus in der Welt

4. Massenveranstaltungen (unter anderem Konzerte), um die öffentliche Meinung auf das Problem zu lenken

5. Proteste gegen öffentliche Veranstaltungen der Neonazis und neofaschistischen Organisationen

6. Informative Bekanntmachung eigenen Tätigkeit in Massenmedien inklusive Internet, Anfertigung und Verbreitung von Flyern und Broschüren, informationelle Gegentätigkeit gegenüber den Neofaschisten.

7. Werbung der neuen Mitglieder, vor allem Jugend und Jugendorganisationen

Die Schwerpunkte sollen auf folgende Punkte gelegt werden:

1. Durchführung der Denazifizierung in den Ländern der Zentral- und Osteuropa, wo sie in den Nachkriegsjahren nicht durchgeführt wurde oder in solchen, wo sie als fehlerhaft angenommen wurde.

2. Widerstand gegenüber der Heroisierung des Nazismus, den Naziverbrechern und ihrer Unterstützern, Widerstand den Versuchen gegenüber die Geschichte des Zweiten Weltkrieges zu revidieren

3. Widerstand gegenüber der Holocaustleugnung, was als eines der schlimmsten Zeichen der Revision der Geschichte des Krieges und Heroisierung des Nazismus gilt

4. Schutz der Rechte der nationalen, religiösen und kulturellen Minderheiten, denn der Grundstein ihrer Diskriminierung sind in der Regel historische Mythen, die mit der Revision der Geschichte zusammenhängen.

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Grundsätzlich ist gegen eine solche Bewegung kaum was zu sagen. Allerdings gibt es einige Punkte, die ich anmerken möchte, die mich bei dieser Bewegung misstrauisch stimmen.

Die Auslegung des Begriffes Antifaschismus ist in dem Programm sehr osteuropäisch und russisch. Ein deutscher oder allgemein westeuropäischer Antifaschist sieht seine Tätigkeit auf anderen Feldern und kritisiert andere Missstände als die osteuropäischen Teilnehmer der Konferenz. Die Begriffe wie Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit kommen als Ziele gar nicht vor. Kampf um Rechte von Flüchtlingen wird nur unter ferner liefen bezeichnet. Dagegen werden Themen genannt, die von der westeuropäischen Antifa längst als abgehackt betrachtet werden dürfen. Denazifizierung ist seit den 60ern Jahren kein grosses Thema mehr, die grossen Prozesse gegen die Naziverbrecher sind lange vorbei, Demjanuk-Prozess ist die Ausnahme von der Regel. Die zuverlässigste Methode seine Karriere zu beenden ist es ein Nazivergleich zu machen oder am Holocaust zu zweifeln, den Rest erledigt die Presse und die öffentliche Meinung. Die Revision der Geschichte ist nur ein Thema für Skandalhistoriker, die unbedingt provozieren wollen. Deswegen denke ist, dass trotz der Internationalität der Bewegung, die westlichen und östlichen Antifaschisten aneinander vorbeireden werden. Während ein westlicher Antifaschist mit Recht auf die unhaltbaren Zustände in Russland und Israel hinweisen wird, wo Nationalismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Nichtachtung der Rechte der Flüchtlinge an der Tagesordnung sind, ist es für einen osteuropäischen Antifaschisten kein Thema, viele der Vertreter aus den baltischen Ländern und Russland haben in ihren Artikeln ihren postimperialen Schmerz zur Schau gestellt, als die baltischen Länder noch Teile von Russland oder Sowjetunion waren. Für einen westeuropäischen Antifaschisten ist der Bezug auf den zweiten Weltkrieg für sein Handeln eher nebensächlich, während es für einen osteuropäischen Antifa-Mitglied der zentrale Beweggrund ist.

Es ist fraglich inwiefern die Zusammensetzung des Zentralrates bei der Erreichung der Ziele in den einzelnen Ländern behilflich sein wird. Estland und Lettland werden von keinem einzigen Esten oder Letten vertreten, sondern nur von Mitgliedern der russischen und jüdischen Gemeinden. Deutsche Vertreter sind entweder komplett unbekannt oder vertreten eher die osteuropäische Auslegung des Antifaschismus. Deswegen ist es eher zweifelhaft, wie konkret Denazifizierung stattfinden soll, wie man den Kampf um die öffentliche Meinung gewinnt, wenn die Hauptinformationskanäle allein schon wegen der Kommunikationsprache verschlossen sind und sich nur auf eigene Gemeinde richten. Während der Lettische Antifaschistische Komitee noch einigen Renommee besitzt, ist Notchnoj Dozor als Organisation tot. In Deutschland stehen weder hinter Herr Heni noch Herr Feldman irgendeine Organisation auf die sie für die Verwirklichung der Ziele der Bewegung zugreifen könnten.

Aus obengenannten Gründen bezweifle ich, dass die Bewegung "Die Welt ohne Faschismus" bei ihrer Zielgruppe größere Wirkung haben wird, obwohl eine starke Antifa-Bewegung in Osteuropa nur zu begrüßen wäre.