Montag, April 28, 2008

Aufruf der russischer NGO Memorial

Ein Leser hat mir folgenden Text zugeschickt, der von der größten NGO in Russland verfasst wurde und zur Gründung eines Internationalen Geschichtsforums aufruft "in dessen Rahmen ein ständiger Meinungsaustausch zu konfliktträchtigen Ereignissen des 20. Jahrhunderts in unserer Region geführt wird".

Zuerst muss ich feststellen, dass ich lange kein Text (vor allem auf Deutsch) gelesen habe, der die heutige Problematik so treffend beschreibt. Die Geschichte und ihre Interpretation ist zum Politikum geworden, alle Ereignisse des vergangenen Jahrhunderts werden in dem jeweils günstigem Licht für die politische Weltsicht des Interpretierenden dargestellt, was für einen eine singuläre nationale Katastrophe erscheint, wird vom anderen als unvermeidliche Notwendigkeit dargestellt, die durchaus schon in der Geschichte vorkam. Die Schulbücher werden umgeschrieben, Forderungen nach Entschuldigungen und Kompensationen werden gestellt, die Verantwortung wird abgestritten, einzelne Bevölkerungsgruppen als Okkupanten oder Opfer dargestellt. Da ist der Gedanke naheliegend alle an einen Tisch zu holen, um gemeinsam eine Bewertung der damaligen Ereignisse zu erreichen und sich auf einen einheitlichen Geschichtsbild festzulegen.

Die Frage ist, wie so was praktisch umgesetzt werden soll. Diese Organisation müsste neutraler als die Schweiz sein, um nicht sofort beschuldigt zu werden, irgendwessen Interessen zu verteidigen, Provokateur zu sein, von Geheimdiensten finanziert zu werden und so weiter (schon alles dagewesen). Allein um den Ort der Konferenzaustragung und der Sprache der Konferenz sehe ich schon erhebliche Kontroversen hochkommen. Die Gesellschaft Memorial ist in Russland beheimatet, ich vermute schon, dass allein der Versuch eine solche Konferenz in Russland abzuhalten zum Scheitern verurteilt ist, denn nationalistisch gesinnte Historiker wie Mart Laar werden da definitiv nicht teilnehmen und evtl. auf Russisch vortragen und die russischen Historiker werden auch kaum ihre Thesen auf Englisch vortragen. Das Thema Finanzierung ist auch komplett offen.

Die nächste Frage ist, wer an dieser Konferenz teilnehmen soll? Hat überhaupt jemand Interesse die Konflikte friedlich am Tisch zu lösen, oder profitieren alle Seiten momentan eher von unterschiedlichen Geschichtsinterpretationen? Wer soll sich zusammensetzen, etwa Mart Laar, nach dessen Geschichtsverständnis sämtliche estnische Schulbücher geschrieben wurden, mit Alexander Djukow, dem neuen Stern am russischen Historikerhimmel, der eine neue Generation der Historiker in Russland fordert, die nicht so zimperlich mit den Opfern des Stalinismus umgehen sollen, wie es noch die alte Generation der Historikern, die bei überhöhten Zahlen von Opfern aus falscher Solidarität die Augen zugedrückt hat? Oder vielleicht die russischen Historiker, die behaupten, dass Molotov-Ribbentrop Pakt, der die Begründung für die Unabhängigkeitsbewegung der baltischen Länder darstellt, nichts besonderes war und Parallelen zum Wiener Kongress ziehen, bei dem auch Europa von Grossmächten zerteilt wurde?

Was soll das Ergebnis der Konferenz sein? Dass Mart Laar anerkennt, dass seine Zahlen der Opfer der stalinistischen Repressionen überhöht sind und er die estnische Nation belogen hat? Dass Juschenko anerkennt, dass Holodomor unvermeidlich wegen der verfehlten Agrarpolitik war und sich nicht speziell auf die Vernichtung der ukrainischen Nation richtete? Dass Russland anerkennt, dass die Besetzung von baltischen Republiken illegal war, jetzige russische Minderheiten Okkupanten und die Kompensationsforderungen berechtigt sind? Jedes Zugeständnis ist mit Gesichtsverlust und Beendigung der politischen Kariere gleichzusetzen. Denn bereits jetzt ist zu viel Politik beteiligt, als das eine These als einfach als falsch abgetan werden kann und das keine Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Deswegen betone ich immer wieder, dass es keine Lösung darstellen kann, Geschichte zu Politik zu machen. So schwer es auch ist, sollte man die sämtliche Geschichte wenn nicht vergessen, so zumindest aus dem aktuellen Geschehen raushalten und vorurteilslos miteinander umgehen. Eine Lösung der geschichtlichen Fragen sollte man den kommenden Historiker-Generationen aufbewahren, die genügend zeitlichen Abstand zu den Geschehnissen gewonnen haben und sie nicht als politisches Druckmittel einsetzen können.

Sonntag, April 27, 2008

Bericht von Herr Dornemann über 26. April 2008

Sehr geehrte Damen und Herren und alle Freunde !

Nun komme ich gerade von der ersten Demonstration zur Erinnerung an die Geschehnisse um den „Bronzenen Soldaten“ im April vergangenes Jahres zurück. Ganz abgesehen davon, daß die Geheimpolizei „Kapo“ mit einem riesigen, grauen Bus, bespickt mit allen modernen Spionageelektroniken dort schon Stunden vor der Veranstaltung wartete, fanden sich doch etwa 3oo Leute und vielleicht 3o Journalisten, diesmal sogar mehrerer estnischer Medien, zusammen, obwohl am Vormittag von den Radiosendern in den Nachrichten mehrfach wie bösartig verbreitet wurde, daß alle Veranstaltungen zu dem Thema abgesagt seien. Für estnische Verhältnisse war die Teilnehmerzahl immerhin ein guter Erfolg. Nach einigen Ansprachen zogen leidenschaftslos einige Nationalisten auf, also nicht Patrioten, die sich allerdings nicht behaupten konnten. Ich selbst wurde zweimal von solchen Leuten mit einer Eisenstange bedroht, daß, wenn ich eine Rede halten sollte, sähe ich danach aus wie im vergangenen Jahr. Meine Rede wurde dann mit großem Beifall aufgenommen und viele schüttelten mir die Hände, bedankten sich mit allen guten Wünschen und schenkten mir Blumen. Vielleicht haben sie auch nur lange nicht besseres gehört.
Eine einzige deutsche Journalistin, Frau van Detten, hatte zwar zugesagt, hier zu erscheinen, hatte wohl aber letztlich wichtigeres zu tun; wie eben deutsche Journalisten so sind.
Sie finden die recht knappe Ansprache im Anschluß an diese Nachricht hier. Sicherlich war es nicht leicht, die Umstände deutlich genug anzuprangern ohne besondere Beleidigungen auszustoßen, was mir ansonsten ja nicht schwer fällt. Der Übersetzer hatte die Rede auch bereits vorher zur Hand, sodaß an allen Feinheiten gefeilt werden konnte, was sich letztlich auszahlte, gegenüber Simultanübersetzungen.
Morgen übrigens findet eine gleichartigen Veranstaltung im Hafen vor den Treppen der Stadthalle statt.
Hier nun die kurze Ansprache:

Sehr geehrte, friedliche Zuhörer!
Bei diesem herrlichen Wetter, das uns der Himmel zu dieser Veranstaltung geschickt hat, begrüße ich sie recht herzlich und hören Sie, was ich zu sagen habe.

Was ist das für eine windige Demokratie, in der die Regierung eine friedliche Bürgerinitiative mit Bösartigkeiten aller Art provoziert, um diese dann gegen alle Regeln der Menschenrechte durch Staatsorgane drangsaliert und mit Unrecht überzieht, wo dann die Gerichte beeinflußt werden und wenn das keinen Erfolg hat, Gesetze schnell dem Regierungswillen angepaßt werden um Pseudoaufrührer verurteilen zu können. Später dann werden die nachweislich unfähigen Handlanger der Politik, wie Polizei und Sicherheitskräfte für ihre groben Menschenrechtsverletzugen auch noch großzügig prämiert und ausgezeichnet. Solche Dreistigkeit gibt es nur in Estland und in China.
Что это за непоследовательная демократия в которой правительство сначала всячески злонамеренно провоцирует мирное выступление граждан, чтобы затем эту инициативу с нарушенеием всех прав человека подавить при помощи государственных институтов, и, потом прикрывает это ложью, где суды поддаютя внешнему влиянию и ,если это не удается, законы быстро подгоняются под желание правительства, чтобы можно было осудить псевдозачинщиков. Потом, как всем известно, недееспособные проводники политических решений, такие как Полиция и Служба безопасности, за свои грубые нарушения прав человека будут еще и премированы, и награждены. Такая наглость возможна только в Эстонии и Китае.
Wir sind hier zusammengekommen, um das demokratische Grundrecht der international garantierten, friedlichen Versammlungsfreiheit zu nutzen und damit an diese schwarzen Tage in der estnischen Geschichte zu erinnern und fragen dabei, was ist denn aus der estnischen Zusicherung an die EU geworden, die Integration des willigen, russischen Anteils der Bevölkerung zu garantieren?
Мы собрались здесь, чтобы гарантировать основные демократические права ,использовать свободу мирного собрания, и, таким образом, напомнить о черном дне Эстонской истории и спросить при этом: что стало с заверением Эстонии Европейскому Союзу гарантировать добровольную интеграцию русской части населения страны.
Garnichts!, immerhin mit dem lächerlichen Hinweis, das sei eine innere Angelegenheit. Ja sind denn Menschenrechte innere Angelegenheiten, etwa wie in China oder in Tschetschenien?
Ничего! И все с той же смешной отговоркой, что это внутреннее дело страны. Являются ли права человека внутренним делом страны как ,скажем, в Китае или Чечне?
Mit allen Mitteln wird in dieser seltsamen Demokratie Estland alles Unternommen und alle politische Kraft daraufhin verschwendet, ein friedliches Zusammenleben zu verhindern, anstatt sich für die gerade dramatisch abstürzende Wirtschaft zu bemühen. Sie wissen, wen ich meine.
Всеми средствами в этой странной демократии Эстонии предпринимается все и вся и применяется вся сила политичекой власти для того, чтобы препятствовать совместному мирному проживанию, вместо того, чтобы заниматься спадом в экономике. Вы знаете что я имею в виду.
Vor wenigen Wochen, während eines hochrangig besetzen Seminars hier in Tallinn, rief der vortragende, gekaufte Professor Dr. Raivo Vettig, Professor ich weiß nicht wofür, den Zuhörern fast beschuldigend zu, sie müßten für Ihre Belange kämpfen. Ich konnte auf dieses Bild verweisen (meine und meines Sohnes zerschundenen Körperteile) und sagen, daß ich so zugerichtet wurde ohne zu kämpfen. Wie sieht dann jemand aus, wenn er denn kämpft? Fehlt dem dann ein Bein, ein Arm oder gar der Kopf. Ganz zu schweigen von den Ausführungen von Eva Maria Asari aus dem Ministerium für nationale Beziehungen, was immer das bedeutet, die völlig ahnungslos war.
Всего несколько недель назад во время одного представительного семинара здесь в Таллине один из докладчиков, продажный профессор доктор Райво Веттиг, профессор незнаю чего, призвал слушателей, чуть ли не обвиняя, что они должны бороться за свои права. Я мог бы по этому поводу сказать, что права я должен иметь и без борьбы. Как выглядит тот, кто борется? Отсутствует у него нога, рука или ,может, голова? Не говоря уже о выступлении Евы Марии Асари, мнистра по межнациональным отношениям ,которая вообще не знала, что это все означает.
Dabei ist es schon erschreckend, wenn ein Präsident mir dazu schreibt, daß er für Menschenrechtsverletzungen nicht zuständig sei. Wer aber sonst, frage ich, wenn nicht der Präsident als höchster Repräsentant eines Staates ist dafür zuständig und wofür überhaupt sonst? Ist es nicht das höchste Gut eine Gemeinschaft, die Menschenrechte?
При этом совсем ужасающе выглядит, когда Президент мне пишет, что он не отвечает за нарушения прав человека. Кто же другой тода, спрашиваю я, если не Президент как самый высокий представитель государства отвечает за это, и за что вообще он отвечает? Разве права человека не являются самой высокой ценностью общества?
Nun wird in Estland viel geredet, zuviel und zuviel dummes Zeug. Und wo sind all die jungen Esten heute wenn es um die essentiellen Dinge ihres Staates geht? Jedenfalls schert es sie genauso wenig wie die Führung des Staates und sie sind wer weiß wo, nur nicht hier.
Теперь в Эстонии много всяких рассуждений, слишком много сказано всякой ерунды. И где все эти молодые этонцы сегодня, когда речь идет о самых важных вещах вашего государства? Во всяком случае ценят они эти ценности так же мало как и руководство страны, и находятся они где угодно, только не здесь
Mit Großkotzigkeit, Ignoranz und Arroganz gibt es keinen Frieden, auch nicht in Estland, daß kann ich als Deutscher besonders gut beurteilen.
С большим наплевательством, безразличием и надменностью не построить никакого мира, в том числе и в Эстонии. Как немец, я могу судить об этом очень хорошо.
Ich danke ihnen dafür, daß sie mir so geduldig zugehört haben und wünsche allen eine weiterhin sonnigen Tag.

Samstag, April 19, 2008

Jahrestag der Bronzenen Nächte

Nachdem in Tallinn am Wochenende vom 26-27. April 14 Veranstaltungen zur Wegräumung von Abfall angemeldet wurden, 5 Veranstaltungen zur Propagierung der gesunden Lebensweise stattfinden und und eine Veranstaltung über die Schwerathleten informiert, sind gar nicht mehr viele öffentliche Plätze übriggeblieben, um an den Jahrestag der Bronzenen Nächte zu erinnern. Die Veranstaltungen sind an strategisch wichtigen Orten angemeldet, wie am Tõnismägi und dauern von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends. Die Redaktion der Zeitung "Den za Dnjem" (Tag für Tag), hat versucht sich mit den Veranstaltern in Verbindung zu setzen, doch die meisten angegebenen Telefonnummern waren schlicht falsch. Notchnoj Dozor hatte ursprünglich vor ein einstündiges Meeting am Hirve-Park zu organisieren, was ihnen verboten wurde. Zur Wahl standen zwei Plätze, entweder weit weg von der Öffentlichkeit am Militärfriedhof oder im zur Zeit renovierten Park an Boulevard Mere in der Nähe des Zentrums der Russischen Kultur. Doch heute erreichte mich die Mail von Klaus Dornemann, der zusammen mit Notchnoj Dozor ein Meeting am 27.04 in der Nähe von Terminal D, wo er vor einem Jahr von der estnischen Polizei misshandelt wurde, organisieren wird.

Mittwoch, April 16, 2008

Kaitse Politsei (KAPO)

Während meiner Recherchen und Fragen an meine estnische Kontakte wird immer wieder der estnische Verfassungsschutz, die Kaitse Politsei (KAPO) erwähnt. In diesem Artikel werde ich zusammentragen was mir an Fakten bekannt ist, wie die KAPO in Erscheinung tritt und wie sie die Einwohner Estlands (nicht nur estnische Staatsbürger) mit nicht genehmer politischen Meinung unter Druck setzt.

Schon vor den Bronzenen Nächten beobachtete die KAPO die Mitglieder des Notchnoj Dozor. Wobei Beobachten nicht der richtige Ausdruck ist, die Beobachtungen waren zwar verdeckt, doch entweder waren sie einfach unprofessionell (auswechselbare Autoschilder mit Plastikbändern befestigt, das funktionierte beim KGB auf Knopfdruck, wie man im Okkupationsmuseum besichtigen kann), oder man will absichtlich die evtl. Störenfriede warnen, dass sie unter dauerhaften Beobachtung stehen und dadurch psychischen Druck anwenden. Lange bekannt ist es, dass die Telefone von Anführern des Notchnoj Dozor abgehört werden (die Technologie dafür wurde direkt vom KGB übernommen, sie kann auch im Okkupationsmuseum besichtig werden und wird nach der Auskunft eines Mitarbeiters der Eesti Telekom nahezu unverändert auch heutzutage eingesetzt). Zuletzt wurden die Mitschnitte der Telefongespräche bei dem Prozess gegen Maxim Reva, Dmitrij Linter, Dmitrij Klenski und Mark Syrik verwendet. Relativ neu hingegen ist die Möglichkeit aufgrund der Lokation der Mobiltelefone den momentanen Ort des unter Beobachtung stehenden Person rauszufinden und die Polizei hinzuschicken. Eingesetzt wurde die Methode mehrere Male gegen die Mitglieder des lettischen Antifaschistenkomitees, die an der Grenze abgefangen wurden und denen trotz des Schengen-Abkommens die Einreise nach Estland verboten ist. Die Möglichkeiten der KAPO Internet-Verkehr zu beobachten, sind nicht bekannt, doch mit der Einführung der europäischen Richtlinie der Vorratsdatenspeicherung bekommt die KAPO einen umfangreichen Datensatz, den sie auswerten kann. Ich persönlich hatte ein anonymes Gespräch mit einem Mitglied von Notchnoj Dozor in Second Life und er hatte Angst, dass die KAPO selbst dort die Chats mitlesen und hinter den Avataren stehende reale Personen ermitteln kann. Definitiv kann KAPO realen Personen ermitteln, die in den beliebten Bloggerdienst Livejournal posten.

Neben der blossen Beobachtung (Einschüchterung) wird versucht die außerparlamentarische politische Gegner zu diskreditieren. Einen Skandal gab es vor kurzem, als eine estnische Zeitung an den gesamten Vorstrafenregister der Notchnoj Dozor Mitglieder gekommen ist und es veröffentlichte. Für diese grobe Verletzung des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte ist die KAPO verantwortlich zu machen, die diesen Material der Zeitung zuspielte. Bei der Veröffentlichung des KAPO-Jahresberichtes 2006 wurde erwähnt, dass bei dem Zentrum der Information für Menschenrechte die Hälfte der Mitarbeiter Mitglieder der russlandnahen Konstitutionellen Partei seien. Diese Meldung wurde am selben Tag vom Leiter des Zentrums Alekej Semjonov als falsch zurückgewiesen, denn nur einer der 22 Mitarbeiter ist Mitglied der nicht verbotenen Konstitutionellen Partei und er ist nicht mal fest angestellt.

Eine beliebte Methode die Versammlungen des Notchnoj Dozors zu behindern, ist es den Vermieter des Veranstaltungsortes unter Druck zu setzen, so dass er die zuvor versprochene Zusage zurückzieht. Auch werden die Arbeitgeber unter Druck gesetzt, keine Mitglieder des Notchnoj Dozor zu beschäftigen. Oft reicht auch ein Anruf bei dem Betroffenen, verbunden mit der Drohung des Arbeitsplatzverlustes, so dass er die Aktivitäten einstellt. Das jüngste Beispiel geschah letzte Woche. Der Blogger gleb1 postete täglich in die Livejournal-Community tonismagi eine Presseübersicht, die mit den Geschehnissen um die Bronzenen Nächte im weitesten Sinne zu tun hatten. Alle Links zeigten auf öffentlich zugängliche Materialien aus estnischen und ausländischen Zeitungen (nicht mal die Pressemitteilungen von Notchnoj Dozor wurden verlinkt). Der "sanfte" Hinweis, dass er nicht die Seelen der jungen Leser verderben soll, genügte, dass er sich zurückgezogen hat.

All diese Beispiele führen zu seltsamen Allianzen. Extremer Nationalist Tiit Madisson schrieb vor kurzem in das Forum des Notchnoj Dozor eine Message in der er sich ebenfalls über die KAPO beklagt, sie würde die estnischen Nationalisten noch stärker bedrängen als Notchnoj Dozor. Wäre er Russe würde er auch Mitglied von Notchnoj Dozor werden. Während der Sowjetzeit hat er Erfahrungen mit KGB gemacht und er kann sagen, dass die KAPO genauso agiert nur dümmer. Ein anderer Nationalist Risto Teinonen eröffnete eine Seite im Internet auf der er mitteilt, wie man den Anwerbungen durch die KAPO entgeht, den gleichen Artikel auf Russisch wurde auf der Homepage von Dozor veröffentlicht. Offenbar handelt man hier nach dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund".

Die KAPO selbst schätzt die Situation folgendermaßen ein: "Die effektive Tätigkeit der Rechtsschutzorgane und die verbesserte sozialwirtschaftliche Lage zusammen mit der Stabilisierung der Gesellschaft und mit dem voranschreitenden Integrationsprozess haben den Nährboden für die Verbreitung von Radikalen Ideologien verringert. Daher kann man sowohl von den Rechtsextremisten als auch den Linksextremisten hervorgehende Gefahr auf die Sicherheit des Staates als relativ gering einschätzen."

Abschiessen möchte ich mit den Worten von Klaus Dornemann Hauptmann der Bundeswehr a.D. mit Erfahrungen in Libanon, Sudan, Uganda, Kosovo, der auch von der KAPO beobachtet wird: "Ich fürchte weder Tod noch Teufel,  aber vor der estnischen Polizei und der estnischen Justiz habe ich Angst".