Montag, Mai 26, 2014

Europawahlen in Estland 2014

Wie auch in den anderen 28 EU-Ländern fanden auch in Estland diese Woche die Wahlen in das Europäische Parlament statt. Endlich, wird mancher estnischer Politiker gedacht haben, denn von den letzten sechs Abgesandten nach Brüssel, haben drei ihre Partei gewechselt, so dass die Zeit für neue Gesichter reif war. Die ganze Woche konnte man per E-Wahlen abstimmen (als im einzigen EU-Land. 10 Jahre nachdem die E-Wahlen in Estland zum ersten Mal abgehalten wurden, hat sich immer noch kein anderes Land getraut bei sich die E-Wahlen durchzuführen, weil die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann, aber die Esten scheinen die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, doch dazu etwas später). Am Sonntag war die E-Wahl nicht möglich, man konnte nur mit Wahlscheinen aus Papier abstimmen. Insgesamt wählten 36,4% der wahlberechtigten Esten, die Wahlbeteiligung in der EU insgesamt war 43,11%.

Die Wahlergebnisse wurden auf der offiziellen Wahlseite ep2014.vvk.ee ca. um Mitternacht CET veröffentlicht. Ich besuchte die Seite und fand folgende Ergebnisse:

Wenn man die Prozentzahlen zusammenzählt, stellt sich heraus, dass alle Kandidaten auf 145,6% der Stimmen kommen.

Wenn man dieselbe Seite ein Tag später aufruft, sieht man folgendes Bild:

Da stimmen die Prozentzahlen halbwegs (99.7%). Interessanterweise haben die meisten Parteien weniger Stimmen als in der 0:28 Auszählung (z.B. Eesti Reformierakond 79850 zu 79865), lediglich Sotsiaaldemokraatik Erakond (44622 zu 44573) hat mehr. Das man zu einer späteren Stunde mehr Stimmen bekommen kann ist noch verständlich, aber wie kann man weniger Stimmen bekommen? Zur Erinnerung, diese Leute betreuen auch die E-Wahlen in Estland.

Auf den Fehler angesprochen, bedauerte der Vorsitzende der Wahlkommission Alo Heinsalu den Fehler, es sei menschliches Versagen.

Aber jetzt zu den Wahlergebnissen. Estland schickt sechs Vertreter zum Europaparlament, zwei von Partei der Reform (der Ex-Ministerpräsident Andrus Ansip und die Tochter des estnischen Mitglieds der Europäischen Kommission Siim Kallas, Kaja Kallas), einen von Sozialdemokraten (die Mutter der estnischen Unabhängigkeitsbewegung Marju Lauristin), einen von IRL (der 78-jährige Tunne Kellam), der unabhängige Kandidat, der schon letztes Mal ein Viertel der Stimmen gewinnen konnte, Indrek Tarand und die Vertreterin der Zentrumspartei Yana Toom. Den regelmäßigen Lesern diesen Blogs ist der Name Yana Toom ein Begriff, als Parlamentsabgeordnete setzt sie sich z.B. für den Erhalt der russisch-sprachigen Schulen ein. Das hat ihr schon den Eintrag in den Jahresbericht des estnischen Geheimdienstes KAPO gebracht, gegen den sie vors Gericht ging.

Yana Toom ist die erste russisch-stämmige Politikerin, die Estland zum Europaparlament schickt. Sie bekam sogar mehr Stimmen als der ewige Parteivorsitzender Edgar Savisaar, was bis dahin als unmöglich galt. Nicht alle sind davon begeistert:

Tunne Kelam von IRL: Jetzt müssen wir in Europaparlament für Sachen kämpfen, für die man anderenfalls nicht nicht kämpfen müssen. Es ist sehr notwendig, dass die sechs Abgeordnete im Marschschritt sich bewegen und die Interessen Estlands verteidigen würden. So war das während der letzten zwei Perioden, aber jetzt wird es mit ihr (Yana Toom) Probleme geben.

Andrus Ansip von der Reform Partei: Das Hauptthema der Wahlen war die Sicherheit. Die Esten sind um die Sicherheit Estlands besorgt. Es ist äußerst wichtig, dass alle sechs Vertreter Estlands in Europaparlament die Wichtigkeit der Sicherheit Estlands begreifen würden… Deswegen bin ich nicht sehr froh über die Ergebnisse dieser Wahlen. Doch ich freue mich, dass die Partei der Reform die Wahlen gewonnen hat.

Der estnische Premierminister Taavi Rõivas von der Reform Partei: Ich bin etwas besorgt was sie über Estland in Europa sagen wird.

Bleibt zu hoffen, dass Yana Toom ihren Prinzipien treu bleibt und sowohl die Interessen des gesamten Estlands, als auch ihrer russisch-sprachigen Minderheit auf dem europäischen Level verteidigt.

Sonntag, Mai 25, 2014

Worte der Woche

Für mich gibt es einen Riesenunterschied zwischen den Russen, die in Estland seit Jahrhunderten leben und die an alltäglichem Leben des Staates teilnehmen und "sovki" ("sovok" wörtlich Müllschaufel, umgangssprachliche Bezeichnung für Leute, denen sowjetische Mentalität unterstellt wird), die man während der Zeit der "Sowjetischen Okkupation" herbrachte, oder die selbst hergekommen sind.

Marina Kaljurand, geb. Rajevskaja, lettischer Vater, russische Mutter, war Estlands Botschafterin in Moskau, zur Zeit Botschafterin in USA, in einem Interview der Radiostation "Voice of America"

Freitag, Mai 23, 2014

Words of the Week

The same politicians who at that time lied to the public and to the prosecutor’s office have got more power, not less. Parties have not become more transparent nor open and the Estonian politics has not changed much... Instead of progress, I am seeing regress. There are only isolated members in the Reform Party and IRL who have tried to break the power of parties’ backrooms... We have allowed the state of citizens to become the state of political parties. Four parliamentary parties are very similar to each other. They don’t care whether the decisions that they make are morally right and good for the society or no as long as they allow them to remain in power. I am not against political parties, but in Estonia there are no parties that carry really liberal values and European political culture, parties with horizontal management structure and decision-making based on consensus where all members can have a say and which have no taboo topics.

Silver Meikar, whistleblower from Reform Party, who two years ago has admitted to donate 115.000 kroon to Reform Party. The origin of money was unclear, Meikar claimed, the money was given him by general secretary of the Reform Party Kristen Michal, who then became Minister of Justice. After Meikars confession, Michal had to resign, Meikar was thrown out of the Reform Party. He is now taking part in European Parlament Elections as independent candidate.

Donnerstag, Mai 22, 2014

Words of the week

25 years ago we were dreaming about liberal economy without restrictions. Today, we have war hysteria and fear. Russia is being used a a culprit, Russian leaders and railway executives are being accused. Local Russians are again seen as invaders and people are being prepared for war.

Tiit Vähi, former Estonian premier-minister (1995-1997), now businessman doing in logistics and rare earth metals at Transestonia annual conference on transit sector

Sonntag, Mai 18, 2014

Finde einen Russen

In Estland hat ungefähr 25% der Bevölkerung nicht-estnische Wurzeln, die meisten davon sind Russen. Sie unterscheiden sich nicht besonders von der estnischen Bevölkerung, arbeiten hart, bekommen Kinder, manche auch mehrere, treiben Sport, auch professionell, treten für Estland bei internationalen Wettbewerben auf. Dann gibt es in Estland verschiedene staatliche und nicht-staatliche Einrichtungen, die verschiedene Preise an die Einwohner des Landes verleihen, die sich besonders in verschiedenen Bereichen verdient gemacht haben. Eigentlich müßten ca. 25% der Namen auf diesen Listen nicht-estnischen Ursprungs sein, aber sieht selbst:

„Mutter des Jahres“
1998 - Sirje Kivimäe
1999 - Tiina Talvik
2000 - Krista Tomberg
2001 - Katrin Reimus
2002 - Inara Luigas
2003 - Merike Kull
2004 - Maarja Moppel
2005 - Aili Laande
2006 - Eevi Ross
2007 - Margit Lail
2008 - Külli Kangur
2009 - Maie Niit
2010 - Rutt Šmigun
2011 - Sirje Saar
2012 - Margit Amer
2013 - Malle Kobin
2014 - Helve Särgava

„Vater des Jahres“
1998 – Eduard Jaansen
1999 – Enno Lend
2000 – Ants Taul
2001 – Aare Kabel
2002 – Arne Mikk
2003 – Jaan Kallas
2004 – Märt Riisenberg
2005 – Jaan Sild
2006 – Mehis Viru
2007 – Lembit Peterson
2008 – Hans Sissas
2009 – Heinz Valk
2010 – Urmas Kruuse
2011 – Aavo Ots
2012 – Ralf Allikvee
2013 – Aldo Kals

Ein Wettbewerb der kinderreichen Familien „Die Familie des Jahres“ (Aasta Suurpere, veranstaltet vomm Estnischen Bund der Vielkinder-Familie und der Bank BIGBAND
2010 – Familie Pall
2011 – Familie Mäe
2012 – Familie Kivimäe-Laidro
2013 – Familie Karu-Rõõm
2014 – Familie Muru

Der Aktivist des Jahres, ausgezeichnet von der Union der nichtkommerziellen Organisationen und Stiftungen (EMSL)
2000 - Nelli Kalikova
2001 - Kaupo Ilmet
2002 - Anne Erm und Rein Raud
2003 - Jaan Manitski
2004 - Elmar Tampõld
2005 - Ene Hion
2006 - Juhan Kivirähk
2007 - Rein Einasto
2008 - Tuulike Mänd
2009 - Oudekki Loone
2010 - Liia Hänni
2011 - Jaan Tootsen
2012 - Johanna Maria Juhandi
2013 - Jaan Aps, Vahur Tõnissoo

Die Auszeichnung „Mission“ von Aadu Luukas
2007 - gemeinnützige Stiftung
2008 - David Vseviov
2009 - Kersti Nigesen
2010 - gemeinnützige Stiftung
2011 - Marju Lauristin, Toomas Paul
2012 - Katri Raik
2013 - НКО Eesti Meestelaulu Selts

Bürger des Jahres
2003 – Lennart Meri
2004 – Jüri Jaanson
2005 – Familie Adamson
2006 – Andrus Veerpalu
2007 – Lagle Parek
2008 – Rainer Nõlvak
2009 – Erkki-Sven Tüür
2010 – Pieter Boerefijn
2011 – Konstantin Vassiljev
2012 – Krista Aru
2013 – Marju Kõivupuu

Die Auszeichnung der Klinik der Tartuer Uni
1998 - Arvo Tikk
1999 - Endel Tünder
2000 - Vello Salupere
2001 - Ain-Elmar Kaasik
2002 - Vello Ilmoja
2003 - Toomas-Andres Sulling
2004 - Lembit Allikmets
2005 - Karl Kull
2006 - Rein Teesalu
2007 - Jüri Samarütel
2008 - Kaljo Mitt
2009 - wurde nicht vergeben
2010 - Urmo Kööbi
2011 - Tiit Haviko
2012 - Andres Ellamaa
2013 - Ants Peetsalu

„Aktivist des Jahres“ von der Estnischen Gemeinschaft der Antialkoholiker
2007 - Merike Martinson und Merili Piipuu
2008 - die Zeitschrift "Eesti Naine"
2009 - Festival Hiiu Folk
2010 - Marje Josing
2011 - Indrek Saar
2012 - Mare Liiger
2013 - Ülle Rüüson

„Der Bauarbeiter des Jahres“ von der Estnischen Union der Bauunternehmer
2009 - Tarmo Pohlak
2010 - Tiit Joost
2011 - Arvo Kirotus
2012 - Keit Paal
2013 - Aivo Pedak

Die Liste wurde von Dmitrij Platonov erstellt.

Samstag, Mai 17, 2014

Drastische Verringerung des Bildungsangebotes in russischen Sprache ist ein Grund für Proteste in der Ukraine

Am Montag erklärten die Donezkaja und Luganskaja Oblast aufgrund der Ergebnisse des am Sonntag durchgeführten Referendums ihre Unabhängigkeit. Die Proteste im Osten des Landes fingen nach dem Sturz des Präsidenten Viktor Janukowitsch an. Nach dem Sieg „Euromaidans“ hat die Rada (das ukrainische Parlament) als eines der ersten ein Gesetz verabschiedet, der die regionale Sprachen abschafft.

Die Trennungslinie

Die Besonderheit der Sprachsituation in der Ukraine besteht darin, dass ein bedeutender Teil ihrer Bürger, darunter auch der „titelgebenen“ ukrainischen Nationalität, aus einer Reihe von Gründen Schwierigkeiten damit hat, die russische Sprache als eine fremde, ausländische und nicht-staatliche Sprache aufzufassen. Für ein bedeutendes Teil der Bevölkerung ist die russische Sprache ihre Muttersprache, 30% der Bürger antworteten so während der Volkszählung im Jahr 2001.

Die Proteste des „Euromaidans“ waren unter den Losungen in der ukrainischen Sprache, „Antimaidan“ nur auf Russisch. Wenn man über die Aufspaltung der Ukraine sprechen soll, dann wohl entlang der Sprachgrenze, doch auch hier ist alles kompliziert. Am ehesten ist die Spaltung entlang der Linie verlaufen, auf der einen Seite diejenigen, die die russische Sprache als fremdländische Sprache einzustufen bereit sind und auf der anderen Seite diejenigen, die das nicht wollen. Die Beziehung zu der Sprache wurde zu einer Art Markierung, die das Land in den „Westen“ und „Osten“ teilt. In der Geschichte der Ukraine gab es schon mal etwas ähnliches, als die Religionszugehörigkeit die Orientierung auf Moskau oder Polen bestimmte.

Für den „Westen“ mit der vorherrschenden These „Ukraine ist nicht Russland“ ist die Beziehung zu der russischen Sprache wie zu einer fremden zu einem der Hauptinstrumente zum Aufbau und Festigung des unabhängigen Staates geworden. Es ist nur natürlich, dass solcher Umgang mit der Sprache im Endeffekt Protest und Widerstand des „Ostens“ hervorrief, der genau das nicht möchte, die russische Sprache als fremdländische anzuerkennen.

Am häufigsten wird man im Bildungssystem mit der Sprachproblematik konfrontiert. Im geschäftlichen, kulturellem, Massenmedien Bereichen ist die Situation nicht so klar ausgeprägt, hier, in der Ukraine herrscht realer Pluralismus. Kommunikation mit staatlichen Organen, wo man die ukrainische Sprache unbedingt braucht, wird im Leben der Mehrheit der Leute relativ selten gebraucht. Deswegen wird der häufigste und unvermeidliche Platz für Konflikte der Bildungsbereich sein. Es ist kein Zufall, dass die Hauptproteste des „russischen Frühlings“ sich auf diejenigen Regionen der Ukraine konzentrieren, wo nicht nur der prozentuale Anteil der Bevölkerung lebt, der die russische Sprache als die Muttersprache hat, sondern auch wo in den letzten 10 Jahren die schärfte „Ukrainisierung“ der Bevölkerung stattgefunden hat.

Donbass und Vakartschuk-Senior

Im Jahr 1987 gab es in der Ukrainischen SSR ausserhalb der Krim nur eine Hauptstadt einer Oblast, in der es überhaupt keine Schulen mit der ukrainischen Sprache als Unterrichtssprache gab, es war Donezk. In dörflichen Gebieten der Oblast war die Anzahl der Schulen mit der Unterrichtssprache ukrainisch und russisch ungefähr gleich viel.

In den ersten 10 Jahren der Unabhängigkeit änderte sich die Situation mit den Unterrichtssprachen sehr langsam. Im Jahr 2001 war die Anzahl der russischen Schulen in Donezkaja Oblast 41,6% von der Gesamtanzahl der Schulen. Laut der Volkszählung waren in dieser Oblast 57% der Leute Ukrainer, 38% waren Russen. Doch haben dabei mehr als 40% der Ukrainer ihre Muttersprache als Russisch angegeben. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung der Oblast war russisch-sprachig und die Situation mit der Unterrichtssprache entsprach diesem Muster.

Eine scharfe Änderung der sprachlichen Situation in den Schulen der Oblast fing nach 2004 an. Nach dem ersten „Maidan“ kam anstatt Janukowitsch, Viktor Yuschenko an die Macht. Dann ging die Ukrainisierung der Schulen in Donbass los.

Formell blieb die ukrainische Gesetzgebung unverändert, die Eltern haben das Recht selbstständig für ihre Kinder die Schule mit der ukrainischen oder russischen Unterrichtssprache auszuwählen. Doch die Umstellung der Unterrichtssprache einer Schule von einer auf die andere, die Vorbereitung der Lehrkräfte in der entsprechenden Sprache und andere Feinheiten, das liegt im Machtbereich der entsprechenden staatlichen Behörden für Bildungsfragen, die im Endergebnisse alle im Einflussbereich des Bildungsministeriums in Kiev liegen.

Die meiste Zeit während der Präsidentschaft Yuschenkos war Ivan Vakartschuk der Bildungsminister. Er ist der Vater des Sängers der populären Rock-Gruppe „Okean Elzy“ Svjatoslav Vakartschuk, eines Aktivisten der beiden „Maidans“. Ivan Vakartschuk ist der einzige der Bildungsminister, der seine Ausbildung und den Anfang der Karriere in Lviv hatten, er ist ein aktiver Teilnehmer der Regionalpolitik der West-Ukraine.

Gerade in den Jahren der Präsidentschaft Yuschenkos, startete Minister Vakartschuk den Prozess der beschleunigten Ukrainisierung der Schulen in den russisch-sprachigen Regionen der Ukraine. Wenn in 2004 in Donezkaja Oblast nur 26,6% der Schüler in den Schulen mit der ukrainischen Unterrichtssprache lernten, im Jahr 2012 waren es schon 48,4%, also fast 2x mehr. In 10 Jahren, von 2001 bis 2011 verringerte sich die Anzahl der russischen Schulen in Donezkaja Oblast von 518 auf 176, der Prozess der Verringerung beschleunigte sich genau nach dem Jahr 2004.

Im Donezk, wo Anfang der 90-er Jahre alle Schüler der Mittelschulen nur auf Russisch lernten, gab es im Jahr 2012 18 ukrainische Schulen, noch 63 Schulen wurden 2-sprachig, 70 Schulen blieben russisch. Jetzt lernt ein Drittel der Schüler der ausschliesslich russisch-sprachigen Stadt auf Ukrainisch.

In der Bergarbeiterstadt Makeevka, die an Donezk anschliesst, gab es nach dem Zerfall der Sowjetunion keine einzige ukrainische Schule. Jetzt sind es 68 von den insgesamt 72 Schulen.

Ähnliche Prozesse gab es auch in der Hochschulbildung. Noch im Jahr 2000 haben 75,5% der Studenten in russischen Sprache gelernt. Laut der Statistik in 2013 blieben es nur 37%.

Ukrainisierung von Kharkiv und Luhansk

Ähnliche Prozesse auf dem Gebiet der Bildung gab es in anderen Oblast der Ukraine, die an Donezk angrenzen. Im Jahr 1987 gab es in Kharkiv 156 russische Schulen, 2 ukrainische und 3 gemischte. Im Jahr 2006 sind in der Stadt nur 47 russisch-sprachige Schulen geblieben. In der Zeit von 1996 bis 2006 verringerte sich die Anzahl der russischen Schulen in Kharkiv-Oblast von 204 auf 137 und die Anzahl der Schüler, die in russischen Sprache unterrichtet werden, verringerte sich von 218 tausend auf 80 tausend, also dreimal weniger.

In Luhanskaja Oblast haben bei der Volkszählung 2001, 68,8% die russische Sprache, als die Muttersprache angegeben. Doch genau in diesem Jahr wurde auf ein Beschluss aus Kiev hin, in der Pädagogischen Hochschule von Luhansk die Ausbildung auf die ukrainische Sprache umgestellt, die russische Sprache wurde als Fremdsprache unterrichtet.

Wenn im Jahr 2005 29,5% der Schüler in Luhanskaja Oblast ihre Ausbildung auf Ukrainisch hatten, so waren im Jahr 2009 es schon 48,5%. Das bedeutet die Hälfte der Schüler der Luhanskaja Oblast lernen auf Ukrainisch, obwohl für zwei Drittel der Einwohner der Oblast russische Sprache ihre Muttersprache ist. Ein rapider Wachstum der ukrainischen Bildung und Schulen in der Oblast geschieht in nur wenigen Jahren.

Während des Zerfalls der UdSSR, im Herbst 1991, ist es genau die Unbestimmtheit der Zukunft der russischen Sprache, die die politische Aktivisten aus Donbass und aus dem gesamten Süd-Osten Ukraine dazu bewegte sich mehrere Male über die mögliche Trennung und Verlassen der „selbstständigen“ Ukraine zu äußern. Damals wurde die Situation mit der vom Verhovnij Sowjet schnell verabschiedeten „Deklaration der Rechte der Nationalitäten in der Ukraine“ vom 1. November 1991 entschärft. Im Artikel 3 dieser Deklaration wurde verkündet, dass „Der ukrainische Staat garantiert allen Völkern und nationalen Gruppen das Recht der freien Nutzung der Muttersprachen auf allen Gebieten des öffentlichen Zusammenlebens, inklusive der Bildung.“

Formell hat der offizielle Kiev diese Garantien niemals verletzt. Doch die reale Politik der ukrainischen Regierung in dem Bildungsbereich (besonders die Prozesse, die nach dem ersten „Maidan“ gestartet wurden, in den Jahren der Präsidentschaft Yuschenkos), führten zur rapiden Verringerung der Nutzung der russischen Sprache.

Im Endeffekt wurde diese Politik zu einem der Gründe der Proteste im Süd-Osten des Landes, der Sieg des zweiten „Maidans“ beunruhigte Donbass nicht nur wegen der Kämpfer mit Gesichtsmasken und Maschinengewehren, sondern auch wegen der Perspektiven der neuen Spirale der aufgezwungenen Ukrainisierung.

Übersetzung von rusplit.ru

Freitag, Mai 16, 2014

Zwei Deportationen in 10 Stunden

Einer der Leader der Organization „Notchnoj Dozor“ Maksim Reva wurde am 14. Mai von litauischen Grenzbeamten trotz des gültigen Schengen-Visums an der Einreise gehindert und nach Lettland ausgewiesen. Die Einreise nach Litauen ist Maksim für fünf volle Jahre verboten worden. Iosif Koren vom Lettischen Antifaschistischen Komitee (LAK) holte Maksim ab und fuhr mit ihm nach Riga. Als sie am Office von LAK ankamen, wurden sie schon von lettischen Grenzschützern erwartet, die Maksim erklärten, dass er zu einer unerwünschten Person in Lettland erklärte wurde. Er wurde festgenommen und nach Estland ausgewiesen.

Wahrscheinlich würden auch die estnischen Grenzbeamten nur zu gerne Maksim verbieten den Grund seines Heimatlandes zu betreten, doch zum Glück besitzt Maksim in Estland eine Immobilie (seine alte Wohnung), deswegen kann er Estland (noch) ungehindert besuchen. Wobei ganz ungehindert auch nicht, seine häufigsten Facebook-Einträge handeln davon, wie der Reisebus mit dem er von seinem jetzigen Wohnort St. Petersburg nach Estland fährt, stundenlang wegen ihm aufgehalten wird, weil die estnischen Grenzbeamten seiner Person eine ganz besondere Aufmerksamkeit schenken.

Warum mag man Maksim nicht im Baltikum? Vielleicht wegen dem Film „The Hidden Story of Baltic States“, der in Kurzfassung während der Verbotenen Ausstellung in Brüssel gezeigt wurde und der ganz explizit im diesjährigen KAPO-Bericht erwähnt wird?

Donnerstag, Mai 15, 2014

Komitee der Woche

Die estnische Kultusministerin Urve Tiidus rief ein Beratungskomitee zusammen, das die Regierung der Estnischen Republik in Fragen des russisch-sprachigen Informationsraums beraten soll. Das Komitee setzt sich folgendermassen zusammen:

1. Katri Raik
2. David Vseviov
3. Marju Lauristin
4. Triin Vihalemm
5. Raul Rebane
6. Hanno Tomberg
7. Raivo Suviste
8. Viktoria Ladõnskaja
9. Jelena Poverina
10. Anne-Ly Reimaa
11. Indrek Ibrus
12. Liina Kersna
13. Mary Velmet
14. Urmet Kook
15. Paavo Nõgene
16. Martin Arpo

Während die ersten 15 Mitglieder zumindest entfernt sich mit Medien beschäftigen, ist Martin Arpo der Stellvertreter des Generaldirektors des estnischen Geheimdienstes KAPO.

Eine Übung für den geneigten Leser: Wieviele Russen beraten die estnische Regierung über den russisch-sprachigen Informationsraum?

Montag, Mai 12, 2014

Experten empfehlen Estland Rückkehr zu Papierwahlen

Der Heise-Artikel zu dem Thema kann hier gelesen werden.

Knapp zwei Wochen vor den Europawahlen trat am heutigen Montag ein internationales Team unabhängiger IT-Sicherheitsexperten an die Öffentlichkeit und wies auf fundamentale Risiken in Estlands Internet-Voting-System hin. Die Experten halten die Sicherheitsmängel für so gravierend, dass sie empfehlen, das System unverzüglich außer Dienst zu stellen und zu Wahlen mit Papierstimmzetteln zurückzukehren.

Estland ist das erste und bislang einzige Land, das die Stimmabgabe über das Internet bei politischen Wahlen und Abstimmungen zulässt. Ungefähr 20 bis 25 Prozent der Wähler machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Das von einheimischen Firmen entwickelte System wird bei Parlaments- und Kommunalwahlen eingesetzt und soll auch bei den Europawahlen am 25. Mai zum Einsatz kommen.

Laxe Funktionssicherheit, keine ausreichende Transparenz

Die Vorkehrungen zur Funktionssicherheit seien lax, widersprüchlich, für eine glaubwürdige Zählung nicht hinreichend transparent und auch weise die Software gravierende Lücken gegenüber Angriffen von außen auf, lautet das Verdikt des Teams um Alex Halderman an der University of Michigan sowie des Sicherheitsforschers Harri Hursti, Jason Kitcat von der Open Rights Group und der Wahlbeobachterin Maggie MacAlpine. Alle vier hatten im vergangenen Jahr als Wahlbeobachter an den estländischen Kommunalwahlen teilgenommen.

"Wir haben kein abgeschlossenes, voll dokumentiertes Verfahren zur Pflege der Hintergrundsysteme für diese Online-Wahlen gesehen", moniert Hursti. "Diese Computer können leicht von Kriminellen oder ausländischen Hackern infiltriert werden und die Sicherheit des gesamten Systems untergraben". Kritische Software würde über ungesicherte Internetverbindungen heruntergeladen, geheime Passworte und PINs unter der Aufischt von Videokameras eingegeben und die Verteilung der Wahlsoftware an die Bürger auf ungesicherten Computern vorgenommen.

Blindes Vertrauen

"Den Wahlservern und den Computern der Wähler vertraut Estlands Internetwahlsystem blind", fasst Alex Halderman seine Kritik zusammen; "beide könnten für staatliche Angreifer ein attraktives Ziel darstellen". Zusammen mit zwei Doktoranden hat der E-Voting-Experte von der University of Michigan nach eigenen Angaben das estländische Wahlsystem mit der bei den Wahlen 2013 verwendeten Software im Labor nachgebildet und verschiedene Angriffsszenarien untersucht. In einem Szenario sei es gelungen, mit Malware auf dem Computer des Wählers trotz der Absicherung durch elektronischen Personalausweis und Smartphone-Verifizierung unbemerkt Stimmen zu stehlen. Mit einem weiteren Szenario lasse sich zeigen, berichtet Halderman, dass auch Malware-Angriffe auf den Auszählserver möglich seien, die das offizielle Endergebnis in gewünschter Weise beeinflussen. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind auf der Seite Estoniaevoting zu finden.

Absolut beunruhigend liest sich die Zusammenfassung an. Die estnischen Admins des Wahlsystems haben sich filmen lassen, als sie das E-Wahlen System für die Kommunalwahl 2013 aufgesetzt haben. Dabei wurde gefilmt, wie die Wahlsystem-software auf einem Computer zusammengebaut wurde, auf dem auch Online-Poker gespielt wird. Zum Programmieren des Systems wurde ein Editor über eine ungesicherte Leitung geladen, so dass ein Angreifer eine infizierte Version unterschieben könnte. Das fertiggebaute System wurde über ein USB-Stick auf den Server transferiert, auf dem USB-Stick befanden sich viele andere, potentiell infizierte Dateien. Es wurde vor der Kamera mehrmals das root-Passwort eingetippt. Das Passwort für W-Lan hing auf der Wand. Alle Photos können hier eingesehen werden.

Hier ein Video über die Untersuchung:

Mittwoch, Mai 07, 2014

Bild der Woche

Foto eines Kindergartens in Riga, dessen Mitbesitzer Imans Parādnieks ein Mitglied des lettischen Parlaments für die Partei Visu Latvijai ist