Donnerstag, Dezember 31, 2009

Berlin - Kutaissi - Tallinn

Vor kurzem wurden zwei Ereignisse kaum in der westlichen Presse erwähnt, die an zwei weit voneinander entfernten Orten stattgefunden haben und auf den ersten Blick wenig mit dem Thema Estland zu tun haben, doch halte ich sie für bedeutend genug, um sie zu erwähnen.

Das erste Ereignis fand in Berlin statt. Vom 15-17.12 fand dort eine internationale Konferenz unter dem Namen "Lehren des Zweiten Weltkrieges und Holokausts" statt, die von dem Kongress der russisch-sprachigen Jüden mit der Unterstützung von jüdischen und antifaschistischen Organisationen Europas und GUS durchgeführt wurde. Zwei Tage lang haben Politiker, Mitglieder der zivilgesellschaftlichen Vereinigungen, als auch religiöse Führer nach den Lösungen für das Problem der Geschichtsfälschung und Heroisierung des Nazismus gesucht. Als Ergebnis der Konferenz wurden einige Resolutionen verabschiedet.

2010 wird die Welt den 65. Jahrestag des Sieges über nationalsozialistischem Deutschland feiern. Dieses Datum ist direkt mit der Tragödie und dem Heldentum der Völker verbunden, die Nazismus vernichtet haben. Nach dem Grossen Vaterländischen Krieg, noch im Jahr 1946, hat das Internationale Tribunal in Nürnberg die nazistischen Verbrecher und Nazismus als Ideologie verurteilt. Damals konnte sich keiner auch nur vorstellen, dass ein halbes Jahrhundert später jemand die Ergebnisse des Internationalen Tribunals verändern und zu der "vor-Nürnberg" Moral zurückkehren möchte. Doch das Problem der Heroisierung des Nazismus gewinnt immer mehr an Aktualität.

- Konnten wir noch vor 15 Jahren uns vorstellen, dass der Staatsoberhaupt einer regionalen Supermacht, des Irans, zu beweisen versucht, dass es kein Holokaust gab und dass ihn die Juden sich ausgedacht haben, um den Staat Israel zu erschaffen? - stellte eine rhetorische Frage der Präsident des KRSJ Boris Spiegel.

In seinem Vortrag wurde eine Reihe von Ereignissen erwähnt, die die Bedeutung der Geschichtsfälschung aufzeigen. Zum Beispiel werden heute in der Ukraine Roman Schuchevitch und Stepan Bandera, die während der Kriegsjahre Hilfe den deutschen Okkupanten geleistet haben, als Helden ausgezeichnet.

In Estland kann man in jedem Kiosk ein Kalender kaufen, der aus nazisitschen Postern der Jahre 1941-1944 besteht, die die Esten gegen Bolschevismus und Russen zu kämpfen, "Moskau einzunehmen" und den 22.Juni 1941 zu feiern, der Tag, an dem Hitlerdeutschland UdSSR überfiel, aufrufen. Ausserdem ist dieser Kalender den Schülern für das Studium der Geschichte des nationalen Posters empfohlen! In Finnland auf dem alljährlichen Markt der estnischen Waren kann man neben den Backwaren und gestrickten Handschuhen auch die Produktion des Verlages "Grenadier" kaufen: T-Shirts mit der Symbolik des estnischen SS-Legions, CDs mit den Liedern der Legionäre und "nationalen Partisanen", mit Aufnahmen der Gruppe Untsakad, die über die "jüdische Macht, Politkruken und Verbrecher" in Moskau singen. Und sogar in Russland möchte man in der Nizhegorodskaja Oblast ein Museum zu Ehren von General Andrej Vlassov öffnen, der zuerst gegen Faschismus und danach mit Faschisten gegen UdSSR kämpfte…

Dabei stellte sich heraus, dass bei weitem nicht alle Teilnehmer der Konfernenz wissen, was in ihren Ländern geschieht. So trat die Botschafterin der Ukraine Natalja Zarudnaja während des Forums auf und behauptete, dass "xenophobische Stimmungen Ukraine nicht berührt hätten" und "das blutige Gedächtnis von Babij Yar" die ukrainische Erde vor Propaganda des Nazismus schützen würde. Dabei ist der Grossteil der Konferenzteilnehmer gerade mit der Sachlage in der Ukraine beunruhigt! Unter anderem auch in Babij Yar, wo heutzutage nicht weit vom Monument ein Fussballfeld errichtet wurde, so dass die Kinder faktisch auf den Knochen der getöteten Leute spielen.

- Wir können nicht die Geschichte umkehren und die Welt zu der "vor-Nürnberg" Moral zurückführen. Das ist der direkte Weg zur Legitimierung des Nazismus, zum Vergessen seiner Opfer, unter anderem 6 000 000 Juden, die in Feuern des Holokausts verbrannten - das ist der Weg zum Überprüfen der Nachkriegsgrenzen, auch des Fakts der Existenz des Staates Israel, - sagt Boris Spiegel.

Der Präsident des KRSJ ist sich sicher: es ist an der Zeit die Wahrheit zu sprechen - über Nazismus, über den Krieg, über Holokaust, über diejenigen, die den Nazisten geholfen haben, die schrecklichsten Verbrechen des XX Jahrhunderts auszuführen, und auch über diejenigen, die heute sie beschützen. Und gerade deswegen hat der Kongress der russisch-sprachigen Juden zusammen mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Ukrainischen Jüdischen Kommitee die Konferenz "Die Lehren des Zweiten Weltkrieges und Holokausts" initiiert.

- Ich denke, dass die heutige Konferenz als die erste Berliner Konferenz in die Geschichte eingehen wird, die den Anfang gemacht hat, alle antinazistischen und antifaschistischen Kräfte der Welt zu vereinen. Das ist unser Hauptziel, deswegen haben sich hier ca. 500 Delegierte aus 25 Ländern versammelt, sagte Spiegel und fügte hinzu, dass heute bei der Lösung des Problems der Heroisierung ces Nazismus "keine Worte sondern konkrete Taten" notwendig seien.

- Wir schlagen ein konkretes Programm vor - sagte er. - Schon in den nächsten Monaten muss eine internationale Zusammenkunft aller antifaschistischen Kräfte durchgeführt werden, um gemeinsame praktische Lösungen zum Verhindern des Auferstehens des Nazismus auszuarbeiten und zu koordinieren.

Die ersten Schritte zum Erreichen dieses Zieles sind schon gemacht. Schon am Mittwoch während der Plenarsitzung haben die Teilnehmer der Konferenz beschlossen, eine neue internationale Organisation zu erschaffen, die alle antifaschistischen Kräfte konsolidieren sollte unter dem Namen Internationaler Antifaschistischer Front. Zu den Aufgaben dieser neuen Organisation zählt Monitoring der Verletzungen der Urteile des Nürnberger Tribunals, in dessen Dokumenten genau beschrieben ist, dass Organisationen, jüristische und physische Personen und Regierungen jener Länder, die militärische Formierungen, die auf Seite Hitlers gekämpft haben, reabilitieren, vor einem internationalem Tribunal gestellt werden sollen. Dieses Monitoring wird in allen Ländern durchgeführt.

Die Teilnehmer der Konferenz sind sich sicher: Mit Verbrechern muss man auf dem Level für jüristischen und normativen Akten arbeiten, deswegen werden die Ergebnisse der Arbeit des Internationalen Antifaschistischen Frontes an internationales NGOs weitergegeben, um mit der "braunen Pest" zu kämpfen.

Insgesamt wurden aufgrund der Ergebnisse der Konferenz einge wichtige Dokumente beschlossen.

Erstens - eine Erklärung an die Länder und Völkern der Welt über Unzulässigkeit der Reabilitation des Faschismus. Diese Erklärung wird aufgrund der Beschlusses der Delegierten auch an das Europarat und an die UNO weitergeleitet.

Zweitens - eine Resolution zu allen antifaschistischen Kräften, die zur Organisation einen ständigen Rates der antifaschistischen und antinazistischen Kräfte aufruft.

Das dritte Dokument ist ein Aufruf an die KSZE, in dem die Unzulässigkeit des Vergleiches des stalinistischen Regimes und nazistischer Verbrechen unterstrichen wird.

"Das Böse gab es sowohl in Taten Hitlers, als auch in Taten Stalins, doch kann man die nicht aneinander angleichen! Genausowenig kann man GULAG mit Auschwtz vergleichen - die Gründe warum die Leute in diese Lager kamen, sind prinzipiell verschieden, ebenso die Ideologien" - erklärte Spiegel.

Aufgrund der Ergebnisse der Konferenz wurden zwei zusätzliche Resolutionen angenommen: eine - die die Zerstörung des Denkmals den sowjetischen Soldaten in Georgien verurteilt und die andere über die Unzulässigkeit der Holokaustleugnung der Regierung Irans. Und die letzte Resolution ist ein Dokument, das ausführlich über die heutige Lage in der Ukraine berichtet. Bemerkenswert ist, dass gerade dieses Dokument die meiste Resonanz bei den Delegierten hervorrufte:

- Wir können nicht uns damit anfreunden, was heute in der Ukraine geschieht! - kommentierte es Herr Spiegel. Sogar wegen dem auf der Konferenz anwesenden Brigadegenerals Arad - dem Soldaten der drei Armeen, die die Freiheit uns und dem ukrainischen Volk brachten! Wir wollen nicht, dass für diese Orden, die an seiner Brust hängen, dem SS-Schuchevitch den Rang des Helden zugesprochen wird. Und in der Ukraine geschieht das auf dem Regierungslevel. Wir sind überzeugt, dass wir gegen die Regierungen der Länder, die die Nazi-Verbrecher heroisieren, kämpfen müssen und werden.

Der Kongress der russisch-sprachigen Juden hat schon begonnen die Gesetze auszuarbeiten, die zur Verantwortung für Propaganda und Heroisierung von Nazismus heranziehen. Es ist vorgesehen, dass auf Basis dieser Dokumente die Organisation den Ländern Europas vorschlagen wird Modelgesetze zu erlassen und falls die Parlamente der verschiedenen Länder sich einverstanden erklären, wird es ein bedeutender Schritt auf dem Weg des Unterbindung der Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und Verzerrung der Geschichte und moralischen Ergebnisse des Holokausts sein.

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Das zweite Eregnis fand in Georgien statt. In der zweitgrößten Stadt Kutaissi wurde das Memorial des Gedenkens an die Kämpfer der sowjetischen Armee gesprengt. Das Memorial wurde 1981 eröffnet und symbolisierte die Erinnerung an die 700 000 georgische Soldaten, die an dem Zweiten Weltkrieg teilgenommen haben. Ein Drittel von ihnen kehrte nicht zurück. Der Erschaffer des Memorials ist ein bekannter georgischer Bildhauer Merab Berdzenischwilli. Die offizielle Begründung der Sprengung ist, dass an diesem Platz neues georgisches Parlament genaut werden soll, um den Protesten der aussenparlamentarischen Opposition in Tiflis auszuweichen. Ausserdem war das Memorial angeblich sanierungsreif und konnte nicht restauriert werden.



Die Sprengung wurde in grosser Eile durchgeführt, angeblich sollte es ein Geschenk zum Geburtstag des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwilli werden. Als Ergebnis wurden bei der Sprengung eine Frau und ihr 8-jähriges Kind getötet, die aus ungenügender Entfernung die Sprengung beobachtet haben.



Wie man sich unschwer vorstellen kann, erinnert die Sprengung an die Geschehnisse in Estland 2007 rund um den Bronzenen Soldaten. Saakaschwilli hat auch schon zugegeben, dass die Sprengung politische Motive hatte, denn das Denkmal würde die sowjetische Armee verherrlichen, dafür ist in Georgien kein Platz übrig (Stalin-Denkmäler sind dafür durchaus üblich). Entsprechend sind die Reaktionen aus Russland und befreundeten Staaten. Der russische Internet ist voll mit Aggressionen gegenüber Georgien. Der russische Ministerpräsident Putin hat vorgeschlagen, die baugleiche Kopie des Denkmals in Moskau aufzustellen, wobei angeblich die georgische Gemeinde in Russland vorgeschlagen hat die Kosten dafür zu übernehmen. Ins Flammenherd Kaukasus ist wieder Öl reingegossen worden.

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