Dienstag, April 06, 2010

The threat of Baltic ultra-nationalism

The EU is wrong to ignore the resurgence of neofascism in Lithuania, Latvia and Estonia – it threatens European democracy

Efraim Zuroff - Guardian

No one can accuse the British press of ignoring the recent march in Riga of approximately 1,000 Latvian Waffen-SS veterans and their supporters. There were detailed news reports on all the aspects of the march, as well as regarding the counter-demonstration mounted by some 150 mostly ethnic Russian anti-fascists, in the Guardian, Independent, Daily Mail, and the Times, all of which had journalists on the ground to report firsthand from the scene. This is ostensibly hardly surprising, given the fact that Latvia is a member of both the European Union and Nato. One would assume that an attempt to honour troops who fought alongside the Nazis would attract media attention, certainly in the capitals of those countries that made such great sacrifices to save the world from Hitler and Nazism.

Yet with the exception of Russia, the extensive coverage of the march in the British media was unique, not only in the European Union but also in the rest of the world, most surprisingly in the United States and Canada, where the event was virtually ignored. But even in the UK, the solid coverage of the march did not stem from a highly justified concern regarding the resurgence of neofascism in an EU member country, but for internal political reasons related to the upcoming general election. In fact, I believe that it is fair to say that if not for the fact that the Conservative party had created an alliance in the European parliament with several rightwing east European parties, among them Latvian Fatherland and Freedom party, which staunchly supports the march, the British media would no doubt would have ignored the march in Riga as well.
The best proof of this is their silence regarding a similar march conducted less than a week before in the Lithuanian capital of Vilnius. The march in Lithuania, which also attracted about 1,000 participants, was organised to mark an anniversary of Lithuanian independence, but the message conveyed by both events was chillingly similar. If in Riga demonstrators carried signs with slogans such as "Jews, this Land is for Latvians", in Vilnius the main chant was "Lithuania for Lithuanians". Bearing flags with various neofascist symbols, the marchers in the Lithuanian capital sent a message of hostility to all minorities. In fact, on the same occasion two years earlier, the message was more explicit and included the famous Nazi slogan of "Juden raus" [Jews out] and specific advice to members of the Russian minority to seek residence elsewhere. In both cases, the number of participants is on the rise.

And while neither march was officially organised by the local government, the refusal of local political leaders o condemn them should concern the rest of the EU and Nato. The Lithuanian prime minister Andrius Kubilius said that the event was irrelevant and that his country was "truly a sufficiently tolerant state", like "Norway and Denmark". Quite a flippant remark, considering that it was Kazimieras Uoka, an MP from his own Conservative party, who took out the license for the demonstration. The Latvian foreign minister Maris Reikstins responded to critics of the Latvian Legion march by asserting that the event, which took place in the centre of the city and at its most sacred site (the Freedom Monument), was "private" and by condemning those who believe that any distinction should be made between the innocent victims of the Nazis and their local collaborators and those who died fighting for a victory of the Third Reich.

In this context, it was particularly shocking to read the remarks made by the new US ambassador to Lithuania, Anne E Derse, who in a speech last week at Vilnius University made no mention of the march but asserted that "The United States and Lithuania are partners in the fight against antisemitism and in efforts to address the legacy of the Holocaust." If Lithuania, Latvia and Estonia, had been making serious progress in educating its people about the horrible crimes committed by local Nazi collaborators during the Holocaust and had made an honest effort to bring unprosecuted local killers to justice, then perhaps we could ignore the marches. But not a single Lithuanian, Latvian, or Estonian Nazi war criminal has been punished by a Baltic court since independence. Instead, Jewish anti-Nazi Soviet partisans in Lithuania have been singled out for legal harassment, and these countries are leading the campaign to equate communism with Nazism.

Regardless of whether the Tories add the Lithuanian Conservative party to their alliance in the European parliament, I think the time has come in the UK to stop treating the resurgence of neofascism in the Baltics as an election issue, and elsewhere in the EU to start treating it as a threat to the integrity of European democracy.

3 Kommentare:

Schirren hat gesagt…

Es ist wirklich zu bedauern, dass die Berichterstattung über dieses Thema in Europa und Deutschland so dürftig ist. Das führt dazu, dass alle Beiträge von interessierter, also engagierter Seite kommen.

Zuroff hat natürlich ein Interesse daran, darzulegen, dass die Welt voller Alt- und Neonazis ist, die ohne ihn und seine Organisation in Kürze wieder die Macht ergreifen.

Die russische Regierung und die von ihr kontrollierten Medien wollen die baltischen Staaten als Hort des Faschismus darstellen, denn

a) liegt Rußland mit diesen Staaten aus zahlreichen Gründen über Kreuz
b) braucht man den Buhmann „Faschismus“ auch heute noch zu Stimmungsmache im Inneren, will aber aus taktischen Gründen und durchaus auch aus prinzipiellen Überlegungen heraus nicht auf Deutschland eindreschen.

Die diversen selbsternannten „Antifaschisten“ aus Westeuropa, die das Thema kommentieren, nutzen es auch eher aus Gründen der Profilierung.

Es schweigen diejenigen, die die baltischen Staaten als Opfer der Sowjetunion bemitleiden und als „neue Musterdemokratien“ loben. Ihnen passt das ganze Thema nicht in den Kram. Natürlich ist „Faschismus“ etwas Schlechtes, aber wenn er von „guten“, also anti-russisch eingestellten Völkern als Protest gegen Russland praktiziert wird, dann ist man in einer Zwickmühle. Man will die neuen Bundesgenossen gegen die „russische Bedrohung“ nicht verprellen, aber auch nicht den Eindruck erwecken, als würde man NS-Sympathien verharmlosen.

Das Problem ist: es gibt keine seriösen Quellen und auch keine Vielfalt unterschiedlicher Darstellung aus der man sich seinen Eindruck herausdestillieren könnte, sondern nur alarmistische Propaganda oder betretenes Schweigen.

Dabei wüsste ich gerne:

• Stehen diese Demonstranten tatsächlich in der „Mitte der Gesellschaft“ oder sind es Außenseiter, wie es sie auch bei uns in Deutschland gibt?

• Sind die Balten, die sagen, NS und Sowjetsystem sein beides Übel für ihr Land gewesen, wirklich darum, die den Nationalsozialismus salonfähig zu machen oder wollen sie lediglich gegen die Auffassung protestieren, die Eingliederung in die UdSSR sei ein Glück für ihre Länder gewesen?

• Haben baltische Politiker tatsächlich offene oder heimliche Sympathien für Nazis oder geht es hier um rechtliche Fragen, beispielsweise des Demonstrationsrechts, wenn solche Veranstaltungen stattfinden?

• Weigern sie sich tatsächlich prinzipiell oder aus wahltaktischen Gründen, Veranstaltungen mit faschistoidem Charakter zu verurteilen, oder weigern sie sich lediglich, von bestimmten Gruppen aggressiv eingeforderte Bekenntnisse abzulegen, weil sie dahinter ein Propagandamanöver vermuten?

Das Thema ist aus meiner Sicht zu wichtig, um es einer kleinen Gruppe interessierter Insider zu überlassen.

kloty hat gesagt…

Hallo Schirren,

nun, auch dem fernen Deutschland kann ich versuchen einige Deiner Fragen zu beantworten:

Stehen diese Demonstranten tatsächlich in der „Mitte der Gesellschaft“ oder sind es Außenseiter, wie es sie auch bei uns in Deutschland gibt?

In Deutschland, z.B. in Dresden, wird gegen solche Aussenseiter tatkraeftig protestiert. Keine politsche Partei im Bundestag unterstuetzt solche Treffen und jeder Bundestagsabgeordnete, der bei so einem Treffen gesehen wird, kann sein Mandat am naechsten Tag abgeben. In Lettland und Estland ist das anders. Ich schliesse daraus, dass viele Meinungsmacher solche Zusammenkuenfte unterstuetzen und die Leute, die da kommen breietere Bevoelkerungsschicht hinter sich wissen (hoffentlich nicht die Mehrheit).

Sind die Balten, die sagen, NS und Sowjetsystem sein beides Übel für ihr Land gewesen, wirklich darum, die den Nationalsozialismus salonfähig zu machen oder wollen sie lediglich gegen die Auffassung protestieren, die Eingliederung in die UdSSR sei ein Glück für ihre Länder gewesen?

Wer behauptet ernsthaft, es waere ein Glueck gewesen in Sowjetunion eingegliedert worden zu sein? Die Frage, um die es geht, war es Okkupation oder etwas anderes und wie realistisch ist die Vermeidung der Eingliederung gewesen? Meine Meinung dazu ist es, dass es komplett illusorisch ist zu glauben, dass 1945 die sowjetischen Truppen das Baltikum verlassen und die Laender sich selbst ueberlassen haetten mit Option des NATO-Beitritts. Aber ich denke es geht nicht wirklich um Nationalsozialismus hier, sondern um falschen Nationalstolz. Die Aufarbeitung der Vergangeheit wie es die 68er in Westeuropa vorangetrieben haben, hat in Osteuropa nicht stattgefunden und die heutigen Politiker und nationalistisch eingestellte Historiker zementieren dieses Geschichtsverstaendnis von tapferen und unschuldigen Verteidigern der estnischen und lettischen Unabhaendgikeit.

Haben baltische Politiker tatsächlich offene oder heimliche Sympathien für Nazis oder geht es hier um rechtliche Fragen, beispielsweise des Demonstrationsrechts, wenn solche Veranstaltungen stattfinden?

Ja, haben sie. Sie nehmen an diesen Veranstaltungen teil und schreiben Grussworte. Habe noch kein Wort der Verurteilung gehoert.

Weigern sie sich tatsächlich prinzipiell oder aus wahltaktischen Gründen, Veranstaltungen mit faschistoidem Charakter zu verurteilen, oder weigern sie sich lediglich, von bestimmten Gruppen aggressiv eingeforderte Bekenntnisse abzulegen, weil sie dahinter ein Propagandamanöver vermuten?

Ich denke sie weigern sich prinzipiell, erstens um das Geschichtsverstaendnis das ich oben beschrieben habe zu erhalten und zweitens, um die zahlreichen (wie ich oben begruendet habe) nationalistisch eingestellte Waehler nicht zu verprellen.

Gruss,

kloty

Schirren hat gesagt…

Hallo Kloty,

Danke für Deine Einschätzung! Wenn sich das so verhält, dann frage ich mich, wie man hier etwas verändern kann.

Hinter dem ganzen Komplex steht das problematische Verhältnis zu Russland. Und hier sind beide Seiten schuld. Die Balten haben sich, unterstützt von den USA, ein bequemes Feinbild aufgebaut und reagieren daran ihre Ängste und Komplexe ab.

Die Russen wiederum nutzen diese Nadelstiche zur Mobilisierung im Inneren, damit die russische Bevölkerung merkt, dass das Land von bösen Feinden eingekreist ist und starke Führer braucht.

Jede Provokation führt zu neuen Anklagen, das ganze schaukelt sich immer weiter auf.

Das Problem ist die aus der Sowjetunion geerbte Verabsolutierung. Wer Kritik an der Sowjetunion übt (z. B. Okkupationsvorwurf), der ist gegen die Sowjetunion, also für den Faschismus. Und scheinbar folgen beide Seiten dieser verqueren Logik.

Die Balten wollen, daß Russland anerkennt, daß die Eingliederung ihrer Länder zwar vielleicht machtpolitisch verständlich war, aber eben nicht freiwillig erfolgte. Die Russen weigern sich, das auch nur zu verstehen und schreien gleich, „Hilfe, Nazis!“ Und allmählich könnten die Balten tatsächlich welche werden, wenn es wirklich so schlimm ist, wie Du schreibst.

Leider muß ich immer wieder feststellen, daß Russen hierfür kein Verständnis haben. Sie halten die baltischen Völker für lächerliche kleine Insekten, die gar keinen Anspruch auf Staatlichkeit haben. Manche Kreise behaupten sogar, die baltischen Länder seien „schon immer“ von Russen bewohnt gewesen und seien deshalb „ur-rusisches“ Territorium. Kein Wunder, daß das den Balten Angst macht. Ihre überzogene Reaktion darauf ist, sich allem in den Arm zu werfen, was anti-russisch ist, seien es die Amis oder Neonazis.

Interessant ist ein Vergleich mit dem Verhältnis zu den Deutschbalten. Als diese noch das Land beherrschten, waren Balten und Russen scheinbar die besten Freunde. Esten und Letten bescherten sich in Petersburg über die „grausamen“ Barone und dort gab man zu verstehen, daß man die Beschwerden durchaus ernst nehme und nicht abgeneigt sei, einzugreifen, falls die Esten und Letten sich dem orthodoxen Glauben zuwenden würden.

Obwohl die „Barone“ in der Sowjetpropaganda zum Inbegriff des „feudalen“ Ausbeuters stilisiert wurden, ist das Verhältnis heute entspannt. Der Grund ist ganz einfach, eine Estin hat einmal formuliert: „Die Barone sind weg“. Und, so muß man hinzufügen, sie kommen nicht wieder, und wenn, dann nur als Touristen oder als Sponsoren, die ein Gutshaus , einen Friedhof oder eine Kirche wieder herrichten oder ein Waisenhaus unterstützen. Die Russen hingegen sind noch präsent, und man kann nicht sicher sein, ob sie nicht eines Tages noch präsenter sein werden.

Da die Baltendeutschen keine Vertriebenen sind, sondern das Land zwischen dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und Hitlers „Heim ins Reich“-Befehl“ mehr oder weniger freiwillig verlassen haben, stellen sie auch keine Ansprüche auf Wiedergutmachung, was sie von Schlesiern, Sudetendeutschen und anderen Gruppen unterscheidet. Man sieht: es geht also.

Ein anderes Beispiel, das Hoffnung gibt, ist das russisch-polnische Verhältnis. Hier scheint sich auch eine Verbesserung anzubahnen, nicht zu Letzt aufgrund der Aufarbeitung von Katyn und Russlands Verhalten nach dem Tod des polnischen Präsidenten. Hier hat Russland sich richtig verhalten. Anstatt die Muskeln spielen zu lassen oder sich zu freuen, daß die Welt um ein Schwein ärmer geworden ist, haben sie mit den Polen getrauert. Von der Entspannung können beide Seiten nur profitieren.

Darum glaube ich, dass auch im Verhältnis zu den baltischen Staaten Russland den ersten Schritt machen müsste, wenn dem Kreml denn wirklich an einer Verbesserung gelegen ist. Anstatt immer nur anzuklagen, sich über Faschismus und Diskriminierung zu echauffieren, wäre eine große Geste ein Mittel, die Balten zum Nachdenken zu bewegen.