Eins muss ich von vornherein klarstellen, für mich ist ESC die Sendung des Jahres, der einzige wichtige Grund den Fernseher überhaupt einzuschalten. Es gibt viele Gründe dafür, die ich beschreiben möchte.
Ich höre sehr viel Musik und sehr viel verschiedene Musik, hartes Metal alá Sepultura oder Slipknot, Dance alá Chemical Brothers oder Prodigy, Ska, Polka, Crossover, Nine Inch Nails, Korn, System of a Down, Arctic Monkeys, Green Day, nur um die bekanntesten zu nennen. Gute Musik muss für mich Gefühle transportieren können, sei es Wut, Trauer oder Lebensfreude, Energie, Gefühl der Liebe. Und ich lasse mich sehr gerne überraschen, neue Töne, neue Instrumente auch wenn sie schräg und ungewohnt klingen. Und genau da setzt ESC an. Wo trifft man schon an einem Abend auf 24 Interpreten aus 24 Ländern, die alle verschiedene Musik spielen und damit ihr Land präsentieren? Wo gibt es sonst eine Möglichkeit ersten Kontakt mit einem Land aufzubauen und eventuelle Vorurteile abzubauen, die man gegen dieses Land hat? Wann kann man türkisches Ska von Athena oder moldauschen Hardcore von Zdob Si Zdub hören? Ich muss gestehen, ich war sehr überrascht, als Anjeza Shahini aus Albanien 2004 in Istanbul absolut verdient auf vorderen Plätzen landete. So habe ich mir den Sound aus Albanien überhaupt nicht vorgestellt. Und gleich kam eine Neugierde auf, mehr über das Land zu erfahren.
Aber nicht nur ich lerne dazu. Durch die Teilnahme von exotischeren Nationen bekommt man erstmal das Bewusstsein dafür, dass auch diese Länder zu der europäischen Familie gehören. Selbst dieses Jahr hörte ich Bemerkungen, warum Armenien teilnimmt. Armenien gehört zu Europa dazu, genauso wie Georgien und auch wenn es für den gemeinen CDU-Wähler schwer zu akzeptieren ist, auch die Türkei. Und was für eine Präsentationsmöglichkeit ist es für die Länder, wenn sie erstmal gewonnen haben! Bei einem Fernsehpublikum von ca 100 Mio Zuschauern bekommen die Länder eine einmalige Möglichkeit sich ins Licht zu setzen. Eines der bewegendsten Momente in der Geschichte des ESC war letztes Jahr, als der neugewählte ukrainische Präsident Juschtschenko auf die Bühne kam, um der griechischen Gewinnerin Elena Paparizou zu gratulieren. Halbes Jahr zuvor nutzte Ruslana ihre Popularität im Ausland, um für die Sache der orangenen Revolution zu werben. Schweden und Irland sind als Musikernationen bekannt, weil sie mehrere Siege bei ESC hatten, allen voran natürlich der Sieg von ABBA, der ihre Karriere begründete.
In Deutschland, obwohl immer noch sehr populär, regt sich starke Kritik gegen ESC, einige Punkte sicher berechtigt, aber vieles ist pure Meinungsmache. Es wird über die halbnackte Osteuropäerinnen gelästert, deren Länder Punkte einander zuschachern. Wenn sich die Qualität durchsetzen würde, wäre Deutschland nicht immer an den hinteren Plätzen. DIe ganze Veranstaltung ist zu teuer und sollte nicht von Deutschland bezahlt werden. Obendrein sind alle ESC Zuschauer entweder schwul oder untere Bildungsschicht und am besten beides.
Ach, liebe Deutsche. Mit dieser Einstellung werden wir nie auch nur unter die ersten fünf kommen, von Gewinnen ganz zu schweigen.
Zu den halb-nackten Sängerinnen. Sicher es gibt auch viele komplett talentfreie Teilnehmer/-innen, die nur durch Show und Kleidung, bzw. Fehlen von dieser sich profilieren wollen. Aber die vorderen Plätze belegen immer noch Profis, die entsprechende Ausstrahlung haben und souverän auf der Bühne aggieren. Und diese Souverinität kann man nur durch Erfahrung gewinnen. Wer von den deutschen Beiträgen der letzten Jahre hatte Bühnenerfahrung und auch nur halb soviel Energie und Ausstrahlung wie Ruslana? Max, Garcia, die Sängerin von Texas Lightning? Gibt es vielleicht in Deutschland diese Kombination gar nicht? Doch die gibt es durchaus, ich sage nur Seed oder Beatsticks. Guildo Horn hatte diese Energie und kam auf einen viel besseren Platz als alle deutschen Teilnehmer nach ihm.
Was das Punktezuschachere angeht, kann ich inzwischen auch schon vorhersagen, an wenn die ukrainische oder serbische Punkte gehen werden. Aber trotzdem hat noch kein Titel gewonnen, der schlecht war und nur aufgrund der Nachbarhilfe gewonnen hat. Bosnien-Herzegowina landet regelmäßig bei den vorderen Platzierungen, aber die Lieder von Hari Mata Hari oder Zeljko Joksimovic haben eine sehr gute und komplexe Komposition, was auch von anderen Komponisten bescheinigt wird.
Was die Finanzierung angeht, die Deutschland eine sichere Teilnahme ermöglicht, bin ich durchaus dafür, den Anteil zu verringern (obwohl das Preisverhältnis ein Abend Eurovision zu einem Bundesliga-Spiel sicher interessant wäre). Dann müsste sich aber auch in Deutschland einiges ändern. Als erste Maßnahme muss die Kontrolle über die deutsche Teilnahme NDR entrissen werden. Ein schlimmeres Auswahlverfahren als dieses Jahr ist kaum vorstellbar. Es ist nicht Eurovision de la Chanson, es ist European Song Contest, aber den Unterschied scheinen die öffentlich-rechtlichen nicht begriffen zu haben. Dabei wurden schon die Regeln geändert, der Künstler muss bekannt sein, ein Video haben und in den Charts präsent sein. Was macht man in Deutschland? Man puscht eine bis dahin völlig unbekannte Band derart, dass die Platte in Charts landen muss, auch wenn etwas nachgeholfen werden muss. Wie oben beschrieben, schicken andere Länder Profis hin, die wirklich populär sind, am besten auch noch im Ausland. Wer schon mal in einer russischen Disco war, dem wird der Name Dima Bilan einiges sagen. Vanilla Ninja waren Top 1 in den europäischen Charts, als sie für Schweiz teilgenommen und sehr gut abgeschnitten haben. Dasselbe gilt für Tatu.
Der einzige Mensch, dem ich zutraue, dass er vordere Platzierungen für Deutschland organisieren kann, ist Stefan Raab. Sein Bundesvision Contest war ein riesiger Schritt in richtige Richtung, nur hat NDR das komplett ignoriert. Deswegen, solange NDR die Zügel in der Hand hält, wird nichts passieren, die deutschen Beiträge werden schlecht wie immer und bald wird es die deutsche Variante des ehemals finnischen Sprichwortes geben: Werde ich machen, sobald Deutschland das ESC gewinnt.
Noch einige Worte zu diesjährigen Gewinnern. Meiner Meinung nach haben Lordi absolut verdient gewonnen. Das Lied war sehr eingängig, bohrte sich in Gehörgänge und kam nicht wieder raus. Die Show war definitiv die Beste. Ich war schon absolut begeistert, als ich sie in Halbfinale gesehen habe, doch nur absolute Optimisten konnten von dem Sieg dieser Band träumen. Europa hat viel Humor bewiesen und ich kann mich nur anschliessen was der Lordi-Sänger auf der Pressekonferenz sagte: Europa scheint gar kein schlechtes Platz zum Leben zu sein, wenn Leute wie wir gewinnen können.
In diesem Sinne bin ich sehr gespannt, was uns nächstes Jahr in Helsinki erwartet.
Freitag, Mai 26, 2006
Sonntag, Mai 14, 2006
Münchener Gastarbeiter
Gastarbeiter über die ich schreiben möchte, sind diesmal keine schnauzbärtigen, schlecht deutsch sprechenden und (um ja auch alle Klischees zu erfüllen) nach Knoblauch riechenden orientalischen Erdbewohner, nein Münchener Gastarbeiter kommen von nicht so weit her, aus Baden, aus Sachsen, aus Hessen. Und es gibt erstaunliche Parallelen zwischen den beiden Gruppen.
Beide Gruppen haben ihre Probleme mit der Integration. Ein aufrechter Bayer nennt München schon mal eine preußische Stadt, weil dort inzwischen in der Mehrheit Leute leben, die das Oktoberfest für den höchsten Ausdruck der bayerischen Kultur halten. Von der Sprachkenntnis ganz zu schweigen, es wäre schon viel erreicht, wenn sie allgemein verständliches Hochdeutsch reden würden und nicht wie die badische Gosch gewachsen ist. Was wissen die Zugereisten über die bayerische Geschichte, ausser dass es da mal einen verrückten König gab, der vielleicht was mit der Sissi hatte (die kennt man aus dem Film), der Neuschwanstein gebaut hat und im Starnberger See ersoffen ist? Waren sie schon mal auf einem Burschenvereinfest (selbst wenn ja, wie lange)? Sind sie in der Lage selbst eine bayerische Speise zu kochen? Kennen sie Lena Christs Geschichten? Oder die Geschichte vom Münchener im Himmel? Wenn sie München wegen der Nähe zu den Alpen loben, fragen sie sie doch mal, ob sie schon einmal in bayerischen Alpen Wandern oder Skifahren waren. Und falls sie schon mal in der Arena waren, dann nur um das Spiel ihres abstiegsbedrohten Vereins gegen Bayern München zu verfolgen und nicht wie echte Münchener, um um die Löwen zu zittern. Oder gibt es einen hinzugezogenen Unterhaching-Fan?
Kennt man überhaupt einen solchen Gastarbeiter persönlich? Also nicht als Arbeitskollegen, sondern dass man auch nach der Arbeit miteinander eins trinken geht? Gut, wenn sie mit einem deutschen Gastarbeiter in einem Betrieb arbeiten, dann kommen sie abends höchstens bis zu ihrem Bett und nicht bis zu ihrem Stammlokal. Aber am Wochenende? Eigentlich sollte man denken, die Leute sind neu in der Stadt haben nicht so viele Bekannte. Da gibt es leider ein Hindernis. Es ist ziemlich hoffnungslos einen Gastarbeiter am Wochenende in München anzutreffen, es zieht ihn ständig in die Heimat, sollte er/sie in München übers Wochenende geblieben sein, dann nur weil die Eltern gekommen sind und ein Wochenende bei ihrem Sprössling verbringen wollen, damit er/sie endlich den Grund hat, seine Wohnung aufzuräumen. Aber dann ist der Gastarbeiter unabkömmlich, weil zuerst Aufräumen, dann die Eltern. Übrigens, sollten sie sich in einen Gastarbeiter vergucken, mit einiger Sicherheit hat er/sie eine/n Freund/in, die an einer Kuscheluni ein Orchideenfach studiert und kein Geld hat, um ihn/sie in München zu besuchen, also erklärt sich ein Teil seiner Reisen nicht weil er Kumpels besuchen fährt, oder seine Mutter ihm noch die Wäsche waschen muss, sondern weil die Freundin auf ihn wartet. München ist Stadt der Singles? Nein, München ist die Stadt der Fernbeziehungen, München ist die Stadt der 23 Uhr Ferngespräche, die Stadt der Freitag-Abend-Pendler, die Singles wollen gar verkuppelt werden. Oder nur für eine Nacht, um dann in der Neon nachzulesen, dass einmaliger (unter gewissen Umständen auch mehrmaliger) Sex noch kein Fremdgehen bedeutet.
Also stellen wir fest, die Integration schlägt fehl, es sei denn der Lebenspartner entschliesst sich tatsächlich mitzukommen und die Eltern vererben kein Haus in der Pampa. Das sind dann die Leute, die aufs Land ziehen, die Grundstückpreise in die Höhe treiben und sich beschweren, dass es nach Mist stinkt, wenn die übergebliebenen Bauern, die noch nicht Immobilienzaren geworden sind, auf dem Feld Odel verstreuen. Und schimpfen noch, dass ihre BMWs schmutzig werden, weil auf der Strasse die Lehmspuren von dem Traktor nicht abgewischt worden sind. Sind sie aber erst in Rente, haben sie sich soweit neigschmeckt, dass manche aus den Trachten gar nicht mehr rauskommen.
Wenn man aber einem innerdeutschen Gastarbeiter zuhört, bekommt man zu hören, dass man in seiner Heimat gar nicht mehr akzeptiert wird. Alleine durch das Auswandern nach München werden sie als arrogante, geldgeile, arbeitswütige Schnösel abgestempelt und dies lässt sich nicht mehr einfach abwaschen, wie ein Discostempel. Es gab schon Fälle, als beim Bewerbungsgespräch in der Heimat dem reuigen Schäfchen abgesagt wurde mit der Begründung genau dieser Eigenschaften, die bei ihm angeblich vorzufinden waren. Dabei ist es gar nicht so, dass München das gelobte Land ist. Kaum jemand ist nach München wegen der CSU gezogen, schon eher wegen des Jobs. Und genau wie bei den ausländischen Gastarbeitern werden aus Monaten Jahre, aus Jahren Jahrzehnte. Die Jobs in der Heimat werden nicht mehr, die Bindungen werden immer schwächer und spätestens bei der Familiengründung muss die Entscheidung fallen, ob man zurück geht oder für immer der Saupreis bleibt.
Beide Gruppen haben ihre Probleme mit der Integration. Ein aufrechter Bayer nennt München schon mal eine preußische Stadt, weil dort inzwischen in der Mehrheit Leute leben, die das Oktoberfest für den höchsten Ausdruck der bayerischen Kultur halten. Von der Sprachkenntnis ganz zu schweigen, es wäre schon viel erreicht, wenn sie allgemein verständliches Hochdeutsch reden würden und nicht wie die badische Gosch gewachsen ist. Was wissen die Zugereisten über die bayerische Geschichte, ausser dass es da mal einen verrückten König gab, der vielleicht was mit der Sissi hatte (die kennt man aus dem Film), der Neuschwanstein gebaut hat und im Starnberger See ersoffen ist? Waren sie schon mal auf einem Burschenvereinfest (selbst wenn ja, wie lange)? Sind sie in der Lage selbst eine bayerische Speise zu kochen? Kennen sie Lena Christs Geschichten? Oder die Geschichte vom Münchener im Himmel? Wenn sie München wegen der Nähe zu den Alpen loben, fragen sie sie doch mal, ob sie schon einmal in bayerischen Alpen Wandern oder Skifahren waren. Und falls sie schon mal in der Arena waren, dann nur um das Spiel ihres abstiegsbedrohten Vereins gegen Bayern München zu verfolgen und nicht wie echte Münchener, um um die Löwen zu zittern. Oder gibt es einen hinzugezogenen Unterhaching-Fan?
Kennt man überhaupt einen solchen Gastarbeiter persönlich? Also nicht als Arbeitskollegen, sondern dass man auch nach der Arbeit miteinander eins trinken geht? Gut, wenn sie mit einem deutschen Gastarbeiter in einem Betrieb arbeiten, dann kommen sie abends höchstens bis zu ihrem Bett und nicht bis zu ihrem Stammlokal. Aber am Wochenende? Eigentlich sollte man denken, die Leute sind neu in der Stadt haben nicht so viele Bekannte. Da gibt es leider ein Hindernis. Es ist ziemlich hoffnungslos einen Gastarbeiter am Wochenende in München anzutreffen, es zieht ihn ständig in die Heimat, sollte er/sie in München übers Wochenende geblieben sein, dann nur weil die Eltern gekommen sind und ein Wochenende bei ihrem Sprössling verbringen wollen, damit er/sie endlich den Grund hat, seine Wohnung aufzuräumen. Aber dann ist der Gastarbeiter unabkömmlich, weil zuerst Aufräumen, dann die Eltern. Übrigens, sollten sie sich in einen Gastarbeiter vergucken, mit einiger Sicherheit hat er/sie eine/n Freund/in, die an einer Kuscheluni ein Orchideenfach studiert und kein Geld hat, um ihn/sie in München zu besuchen, also erklärt sich ein Teil seiner Reisen nicht weil er Kumpels besuchen fährt, oder seine Mutter ihm noch die Wäsche waschen muss, sondern weil die Freundin auf ihn wartet. München ist Stadt der Singles? Nein, München ist die Stadt der Fernbeziehungen, München ist die Stadt der 23 Uhr Ferngespräche, die Stadt der Freitag-Abend-Pendler, die Singles wollen gar verkuppelt werden. Oder nur für eine Nacht, um dann in der Neon nachzulesen, dass einmaliger (unter gewissen Umständen auch mehrmaliger) Sex noch kein Fremdgehen bedeutet.
Also stellen wir fest, die Integration schlägt fehl, es sei denn der Lebenspartner entschliesst sich tatsächlich mitzukommen und die Eltern vererben kein Haus in der Pampa. Das sind dann die Leute, die aufs Land ziehen, die Grundstückpreise in die Höhe treiben und sich beschweren, dass es nach Mist stinkt, wenn die übergebliebenen Bauern, die noch nicht Immobilienzaren geworden sind, auf dem Feld Odel verstreuen. Und schimpfen noch, dass ihre BMWs schmutzig werden, weil auf der Strasse die Lehmspuren von dem Traktor nicht abgewischt worden sind. Sind sie aber erst in Rente, haben sie sich soweit neigschmeckt, dass manche aus den Trachten gar nicht mehr rauskommen.
Wenn man aber einem innerdeutschen Gastarbeiter zuhört, bekommt man zu hören, dass man in seiner Heimat gar nicht mehr akzeptiert wird. Alleine durch das Auswandern nach München werden sie als arrogante, geldgeile, arbeitswütige Schnösel abgestempelt und dies lässt sich nicht mehr einfach abwaschen, wie ein Discostempel. Es gab schon Fälle, als beim Bewerbungsgespräch in der Heimat dem reuigen Schäfchen abgesagt wurde mit der Begründung genau dieser Eigenschaften, die bei ihm angeblich vorzufinden waren. Dabei ist es gar nicht so, dass München das gelobte Land ist. Kaum jemand ist nach München wegen der CSU gezogen, schon eher wegen des Jobs. Und genau wie bei den ausländischen Gastarbeitern werden aus Monaten Jahre, aus Jahren Jahrzehnte. Die Jobs in der Heimat werden nicht mehr, die Bindungen werden immer schwächer und spätestens bei der Familiengründung muss die Entscheidung fallen, ob man zurück geht oder für immer der Saupreis bleibt.
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