Gastarbeiter über die ich schreiben möchte, sind diesmal keine schnauzbärtigen, schlecht deutsch sprechenden und (um ja auch alle Klischees zu erfüllen) nach Knoblauch riechenden orientalischen Erdbewohner, nein Münchener Gastarbeiter kommen von nicht so weit her, aus Baden, aus Sachsen, aus Hessen. Und es gibt erstaunliche Parallelen zwischen den beiden Gruppen.
Beide Gruppen haben ihre Probleme mit der Integration. Ein aufrechter Bayer nennt München schon mal eine preußische Stadt, weil dort inzwischen in der Mehrheit Leute leben, die das Oktoberfest für den höchsten Ausdruck der bayerischen Kultur halten. Von der Sprachkenntnis ganz zu schweigen, es wäre schon viel erreicht, wenn sie allgemein verständliches Hochdeutsch reden würden und nicht wie die badische Gosch gewachsen ist. Was wissen die Zugereisten über die bayerische Geschichte, ausser dass es da mal einen verrückten König gab, der vielleicht was mit der Sissi hatte (die kennt man aus dem Film), der Neuschwanstein gebaut hat und im Starnberger See ersoffen ist? Waren sie schon mal auf einem Burschenvereinfest (selbst wenn ja, wie lange)? Sind sie in der Lage selbst eine bayerische Speise zu kochen? Kennen sie Lena Christs Geschichten? Oder die Geschichte vom Münchener im Himmel? Wenn sie München wegen der Nähe zu den Alpen loben, fragen sie sie doch mal, ob sie schon einmal in bayerischen Alpen Wandern oder Skifahren waren. Und falls sie schon mal in der Arena waren, dann nur um das Spiel ihres abstiegsbedrohten Vereins gegen Bayern München zu verfolgen und nicht wie echte Münchener, um um die Löwen zu zittern. Oder gibt es einen hinzugezogenen Unterhaching-Fan?
Kennt man überhaupt einen solchen Gastarbeiter persönlich? Also nicht als Arbeitskollegen, sondern dass man auch nach der Arbeit miteinander eins trinken geht? Gut, wenn sie mit einem deutschen Gastarbeiter in einem Betrieb arbeiten, dann kommen sie abends höchstens bis zu ihrem Bett und nicht bis zu ihrem Stammlokal. Aber am Wochenende? Eigentlich sollte man denken, die Leute sind neu in der Stadt haben nicht so viele Bekannte. Da gibt es leider ein Hindernis. Es ist ziemlich hoffnungslos einen Gastarbeiter am Wochenende in München anzutreffen, es zieht ihn ständig in die Heimat, sollte er/sie in München übers Wochenende geblieben sein, dann nur weil die Eltern gekommen sind und ein Wochenende bei ihrem Sprössling verbringen wollen, damit er/sie endlich den Grund hat, seine Wohnung aufzuräumen. Aber dann ist der Gastarbeiter unabkömmlich, weil zuerst Aufräumen, dann die Eltern. Übrigens, sollten sie sich in einen Gastarbeiter vergucken, mit einiger Sicherheit hat er/sie eine/n Freund/in, die an einer Kuscheluni ein Orchideenfach studiert und kein Geld hat, um ihn/sie in München zu besuchen, also erklärt sich ein Teil seiner Reisen nicht weil er Kumpels besuchen fährt, oder seine Mutter ihm noch die Wäsche waschen muss, sondern weil die Freundin auf ihn wartet. München ist Stadt der Singles? Nein, München ist die Stadt der Fernbeziehungen, München ist die Stadt der 23 Uhr Ferngespräche, die Stadt der Freitag-Abend-Pendler, die Singles wollen gar verkuppelt werden. Oder nur für eine Nacht, um dann in der Neon nachzulesen, dass einmaliger (unter gewissen Umständen auch mehrmaliger) Sex noch kein Fremdgehen bedeutet.
Also stellen wir fest, die Integration schlägt fehl, es sei denn der Lebenspartner entschliesst sich tatsächlich mitzukommen und die Eltern vererben kein Haus in der Pampa. Das sind dann die Leute, die aufs Land ziehen, die Grundstückpreise in die Höhe treiben und sich beschweren, dass es nach Mist stinkt, wenn die übergebliebenen Bauern, die noch nicht Immobilienzaren geworden sind, auf dem Feld Odel verstreuen. Und schimpfen noch, dass ihre BMWs schmutzig werden, weil auf der Strasse die Lehmspuren von dem Traktor nicht abgewischt worden sind. Sind sie aber erst in Rente, haben sie sich soweit neigschmeckt, dass manche aus den Trachten gar nicht mehr rauskommen.
Wenn man aber einem innerdeutschen Gastarbeiter zuhört, bekommt man zu hören, dass man in seiner Heimat gar nicht mehr akzeptiert wird. Alleine durch das Auswandern nach München werden sie als arrogante, geldgeile, arbeitswütige Schnösel abgestempelt und dies lässt sich nicht mehr einfach abwaschen, wie ein Discostempel. Es gab schon Fälle, als beim Bewerbungsgespräch in der Heimat dem reuigen Schäfchen abgesagt wurde mit der Begründung genau dieser Eigenschaften, die bei ihm angeblich vorzufinden waren. Dabei ist es gar nicht so, dass München das gelobte Land ist. Kaum jemand ist nach München wegen der CSU gezogen, schon eher wegen des Jobs. Und genau wie bei den ausländischen Gastarbeitern werden aus Monaten Jahre, aus Jahren Jahrzehnte. Die Jobs in der Heimat werden nicht mehr, die Bindungen werden immer schwächer und spätestens bei der Familiengründung muss die Entscheidung fallen, ob man zurück geht oder für immer der Saupreis bleibt.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen