Um die Ausstellung im Historischen Museum Estlands über berühmte Estländer, bei der ein Stand dem Nazi-Propagandisten Alfred Rosenfeld gewidmet war, eskaliert der Streit. Nachdem der Stand auf die Weisung des Kultusministeriums weggeräumt wurde, empören sich Historiker und werfen Museum und dem Kultusministerium Zensur und Geschichtsverfälschung vor. Ein entsprechender Brief wurde von 27 Historikern der Tartuer Universität unterzeichnet. Darin heisst es, dass das Kultusministerium sich unbegründet in die wissenschaftliche Tätigkeit des Museums einmischen würde. Der Beschluss des Ministeriums bedeutet dass eine Person zu persona non-grata in estnischen Geschichte erklärt wurde, und es geht gar nicht darum dass es um einen der Leader der nazistischen Partei ist, sondern dass der Versuch unternommen wurde gewaltsam die Erinnerung auszulöschen oder nur bruchstückhaft sich an etwas zu erinnern. Das ist nichts anderes als Geschichtsfälschung.
Liebe Historiker der Tartuer Universität. Ich bitte Euch zum Historischen Museum zu kommen, doch dann um die Ecke zu gehen. Dann seht ihr folgendes:
Warum soll man einen Naziverbrecher besser behandeln, als alle Leute, denen diese Denkmäler gewidmet sind? Mindestens eine der Personen, denen diese Denkmäler gewidmet sind, der Kommunist Fritz Böm, wurde von Nazis hingerichtet. An die Täter soll man sich also erinnern, aber nicht an die Opfer?
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Eine der Errungenschaft der E-stonia sind ja die E-Wahlen. Interessant ist, dass es eine Errungenschaft bleibt, bei der die anderen Länder nicht nachziehen wollen. Nicht mal die digitalen Wahlautomaten werden nach der Chaoswahl in USA 2004 eingesetzt. In Deutschland und Niederlanden wurde längst bewiesen, dass die Wahlautomaten unsicher sind. Doch in Estland werden Wahlen mit Stimmen entschieden, die am heimischen evtl. Viren, Trojaner und Rootkits-verseuchtem Computer abgegeben wurden. Jetzt schreibt die amerikanische Wissenschaftlerin Barbara Simons von Verified Voting Foundation:
1. There are a number of serious problems, as described by the OSCE/ODIHR report;
2. The voters’ privacy (secret ballot) is vulnerable;
3. The voters’ computers are vulnerable to election rigging malware;
4. There is an insider threat;
5. The server is vulnerable to attack from anyone/anywhere;
6. The system is not open or transparent;
7. There has been no security evaluation of the system by independent computer security experts.
Das Paper ist ein must-read (hier die estnische Version).
Warum soll so einem System vertraut werden? Berücksichtigt man wie wahlentscheidend mittlerweile die am Computer abgegebenen Stimmen sind, wachsen bei der Opposition die Zweifel, ob bei der letzten Parlamentswahl wirklich sauber gezählt wurde, insbesondere die grossen Unterschiede in Parteipräferenzen bei der digitalen und "alten" Zettelwahl werfen Fragen auf. Es gibt auch keine Möglichkeit zu prüfen, ob Manipulationen stattgefunden haben, denn am 11. April wurden trotz Proteste alle elektronischen Wahlunterlagen gelöscht. Ein Interview mit Blogger Raivo Orgusaar kann hier nachgelesen werden.
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Bei der letzten Sitzung von "Grazhdanskij Mir" (Zivilgesellschaft) verteidigte die Frau des estnischen Ex-Präsidenten Rüütel, Ingrid Rüütel die Bemühungen von Esten ihre Kultur zu bewahren und vor russischen Einflüssen zu bewahren, denn schliesslich sind Esten ein kleines Volk deswegen herrschen hier besondere Umstände, so dass in Estland die estnische Kultur aufbewahrt und propagiert werden soll.
Wenn das die Stimme des estnisches Volkes gewesen sein soll, dann frage ich mich, was ist denn jetzt das Ziel der estnischen Integrationspolitik? Hat es zum Ziel das estnische Volk durch die integrierte/assimilierte Fremden zu vergrößern, oder ist das Ziel die Nation möglichst gegenüber Fremden abzuschotten? Für die erste Theorie spricht die Eliminierung der russischen Bildung, für die zweite der Unwille der estnischen Behörden das Problem der Staatenlosigkeit zu lösen und die sehr zögerliche Einwanderungspolitik, die nur teilweise mit der hohen Arbeitslosigkeit zu erklären ist.
Angenommen die erste Theorie stimmt und nach ausreichend Integrationsbemühungen wird man in die estnische Gemeinschaft aufgenommen. Doch was ist es wert in der estnischen Gesellschaft aufgenommen zu werden? Wie weit kann man es als integrierter Ausländer bringen? Ich denke niemand wird bezweifeln, dass es bereits eine Menge an bestens integrierten Nichtesten gibt, doch wo sind sie alle geblieben? Im Regierungskabinett sucht man sie vergebens, den höchsten Parteiposten hat Denis Boroditch von der Zentristenpartei, er ist einer von einem Dutzend an Vizeparteivorsitzenden. Es gibt ein paar Parlamentsabgeordneten, die meisten von Zentrumspartei. Bei den grossen Firmen mit staatlichen Beteiligung gibt es keinen Leiter mit nichtestnischen Namen, nur einige Selfmade-millionäre, die es hauptsächlich durch Transit geschafft haben reich zu werden, oder aus eigener Kraft die alten Sowjetbetriebe auf Vordermann gebracht haben. Weder in der Presse noch beim Rundfunk gibt es einen bekannten Russen, der auf estnisch seine Meinung äußert. Die einzige Möglichkeit berühmt zu werden, ist Sport, doch das hat mit Integration und Sprachkenntnissen nichts zu tun. Also was ist der Lohn für die Aufgabe eigener Sprache, eigener Kultur, eigener Identität? Wo sind die russischen Cem Özdemir, Xavier Naidoo, Sebil Kikelli, Brüder Yerli (Gründer von Crytek)? Es scheint, dass es eine gläserne Decke in der estnischen Gesellschaft gibt, die selbst der integrierteste/assimilierteste Russe nicht durchstossen kann. Und wie es aussieht, ist diese Decke recht niedrig aufgehängt.
Donnerstag, September 29, 2011
Freitag, September 02, 2011
Das weiße Band
Seit gestern (1. September 2011) tragen einige Leute in Estland weisse Bändchen auf ihrem Revers. Darunter sind Politiker wie Yana Toom, Mihhail Kõlvart, Mikhail Stalnuhhin und Journalistin Olejsa Lagaschina. Mit diesen Bändchen soll Protest gegen die estnische Bildungspolitik gezeigt werden. Ab ersten September gibt es offiziell keine russischen Gymnasien mehr in Estland, alle Gymnasien sind ab der 10. Klasse verpflichtet mind. 60% der Unterrichts auf Estnisch abzuhalten. Es gibt drei offizielle Ausnahmen, das deutsche Gymnasium in Tallinn und zwei Abendgymnasien für Erwachsene. Die Elternbeiräte von 16 Gymnasien haben beim Ministerium für Bildung beantragt, dass in Übereinstimmung mit der estnischen Verfassung die Elternbeiräte entscheiden können in welcher Sprache der Unterricht geführt wird. Doch die Entscheidung wird immer weiter hinausgezögert, als Termin wird jetzt Dezember genannt, was in der Zwischenzeit an diesen Schulen passieren wird, ist unklar.
Was wurden nicht alles für Argumente für und wider diese Reform angeführt. Auf der einen Seite ist es die Argumentation, dass man gute Sprachkompetenz braucht, um Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben, doch wird diese Bemühung konterkariert durch die Tatsache, dass wenn die Schüler den Unterrichtsstoff wegen schlechten Sprachkenntnissen nicht verstehen, dann werden ihre Leistungen entsprechend schlechter. Die Gegner der Reform haben nichts gegen Sprachunterricht an der Schule, sie haben nur was dagegen, wenn Fächer wie Mathematik auf Estnisch unterrichtet werden, denn wenn die Schüler die Begriffe nicht verstehen, dann können sie vielleicht am Ende der Schule gut Estnisch, aber schlecht Mathematik. Mit geeignetem Sprachunterricht wären gute Leistungen in beiden Fächern möglich.
Dann wären noch die Argumente von dem jetzigen Bildungsminister Aaviksoo, dass in anderen Ländern Emigranten auch in die Schulen mit der Landessprache gehen und vom Premierminister Ansip, dass kein Land auf dieser Welt Schulen für Minderheitensprachen finanziert, nur Estland ist so gütig. Dabei verschweigen die beiden Herren, dass Russen schon lange keine Emigranten in Estland sind, kaum ein Kind, das jetzt in der russisch-sprachigen Schule ist, ist nicht in Estland geboren worden, dasselbe gilt häufig auch für die Eltern. Die russischen Schulen haben hundertjährige Tradition in Estland. Und dem Argument mit der Sprache der Minderheit kann man entgegnen, dass in anderen Ländern, in denen 30% der Bevölkerung eine andere Sprache sprechen, diese Sprache längst den Status einer zweiten Landessprache geniesst, so dass es selbstverständlich Schulen gibt, die in dieser Sprache unterrichten.
Die Gegner der Reform befürchten, dass die Qualität der Bildung noch weiter sinken wird. Erstens wegen bereits erwähnten Schwierigkeiten, nicht nur den Unterrichtsstoff, sondern auch noch die Sprache zu lernen, zweitens wegen den fehlenden Unterrichtsmaterialien und vor allem der Lehrer, die den Lehrplan auf Estnisch in russischen Schulen unterrichten können. Den Gymnasien, die sich als nicht bereit für den Umstieg erklären, wird einfach mit Schliessung gedroht, angeblich gibt es viel zu viele Schulen und zu viele Lehrer.
Es hat sich eine Vereinigung gebildet, die sich "Russische Schule in Estland" nennt und vor allem von Andrej Lobov, einem in Finnland lebenden Hochschullehrer repräsentiert wird. Das Ziel der Vereinigung ist es auf juristischen Wege zu erreichen, dass das Bildungsministerium den Wunsch der Elternbeiräte akzeptiert und die Verfassung respektiert, in der festgelegt ist, dass die Sprache in der Schule nicht unbedingt die Landessprache sein muss. Doch es ist kaum anzunehmen, dass die Reform wieder zurückgenommen wird. Die rebellischen Schulen werden früher oder später auf Kurs gebracht oder geschlossen, so dass es bald kaum noch Absolventen geben wird, die die russische Sprache mündlich und schriftlich perfekt beherrschen.
Hier noch ein Video aus Lettland, wo die Regierung ähnliche Reformen schon vor Jahren beschlossen hat und auf erbitterten Widerstand von russischen Schülern gestossen ist.
Was wurden nicht alles für Argumente für und wider diese Reform angeführt. Auf der einen Seite ist es die Argumentation, dass man gute Sprachkompetenz braucht, um Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben, doch wird diese Bemühung konterkariert durch die Tatsache, dass wenn die Schüler den Unterrichtsstoff wegen schlechten Sprachkenntnissen nicht verstehen, dann werden ihre Leistungen entsprechend schlechter. Die Gegner der Reform haben nichts gegen Sprachunterricht an der Schule, sie haben nur was dagegen, wenn Fächer wie Mathematik auf Estnisch unterrichtet werden, denn wenn die Schüler die Begriffe nicht verstehen, dann können sie vielleicht am Ende der Schule gut Estnisch, aber schlecht Mathematik. Mit geeignetem Sprachunterricht wären gute Leistungen in beiden Fächern möglich.
Dann wären noch die Argumente von dem jetzigen Bildungsminister Aaviksoo, dass in anderen Ländern Emigranten auch in die Schulen mit der Landessprache gehen und vom Premierminister Ansip, dass kein Land auf dieser Welt Schulen für Minderheitensprachen finanziert, nur Estland ist so gütig. Dabei verschweigen die beiden Herren, dass Russen schon lange keine Emigranten in Estland sind, kaum ein Kind, das jetzt in der russisch-sprachigen Schule ist, ist nicht in Estland geboren worden, dasselbe gilt häufig auch für die Eltern. Die russischen Schulen haben hundertjährige Tradition in Estland. Und dem Argument mit der Sprache der Minderheit kann man entgegnen, dass in anderen Ländern, in denen 30% der Bevölkerung eine andere Sprache sprechen, diese Sprache längst den Status einer zweiten Landessprache geniesst, so dass es selbstverständlich Schulen gibt, die in dieser Sprache unterrichten.
Die Gegner der Reform befürchten, dass die Qualität der Bildung noch weiter sinken wird. Erstens wegen bereits erwähnten Schwierigkeiten, nicht nur den Unterrichtsstoff, sondern auch noch die Sprache zu lernen, zweitens wegen den fehlenden Unterrichtsmaterialien und vor allem der Lehrer, die den Lehrplan auf Estnisch in russischen Schulen unterrichten können. Den Gymnasien, die sich als nicht bereit für den Umstieg erklären, wird einfach mit Schliessung gedroht, angeblich gibt es viel zu viele Schulen und zu viele Lehrer.
Es hat sich eine Vereinigung gebildet, die sich "Russische Schule in Estland" nennt und vor allem von Andrej Lobov, einem in Finnland lebenden Hochschullehrer repräsentiert wird. Das Ziel der Vereinigung ist es auf juristischen Wege zu erreichen, dass das Bildungsministerium den Wunsch der Elternbeiräte akzeptiert und die Verfassung respektiert, in der festgelegt ist, dass die Sprache in der Schule nicht unbedingt die Landessprache sein muss. Doch es ist kaum anzunehmen, dass die Reform wieder zurückgenommen wird. Die rebellischen Schulen werden früher oder später auf Kurs gebracht oder geschlossen, so dass es bald kaum noch Absolventen geben wird, die die russische Sprache mündlich und schriftlich perfekt beherrschen.
Hier noch ein Video aus Lettland, wo die Regierung ähnliche Reformen schon vor Jahren beschlossen hat und auf erbitterten Widerstand von russischen Schülern gestossen ist.
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