Den folgenden Text habe ich in http://www.rosbalt.ru/2006/05/21/253547.html gefunden. Ich finde es ist eine gute Analyse über Europas Krankheiten, auch wenn die Heilungsvorschläge nicht jedermanns Geschmack sein werden.
"Hier in Europa, wo die Staaten in Freiheit und Hoffnung leben, lösen sie die Gegensätze ohne Konflikte und arbeiten zusammen an dem Aufbau des wirtschaftlichen Prosperität und Sicherheit. Demokratische Gemeinschaft Europas garantiert Frieden in Europa"
Diese Worte gehören keinem der Architekten der Europäischen Union. Sie wurden vor kurzem auf der Konferenz der baltischen und Schwarzmeerländer in Vilnus von dem US-Vize-Präsidenten Dick Cheney ausgesprochen. Seine Rede hat in Russland wegen der scharfen Kritik an dem jetzigen politischen Kurs des Landes (Russlands Anm. d Übersetzers) mehrere Repliken hervorgerufen, doch uns, die Autoren dieses Artikels machte genau diese Phrase aufmerksam. Weil wir in keinster Weise den Optimismus von Dick Cheney hinsichtlich der weiteren Prosperität der Europäischen Union teilen.
Europa hat die Passion verloren, wenn man den Spruch von Lew Gumilev anwendet, der oft im politischen und gesellschaftlichen Gebrauch verwendet wird. In Europa ist das Leben viel zu gesättigt und gemächlich, viel zu gemütlich, es gibt viel zu wenig Risiken und Erschütterungen. Dies alles sind unbarmherzige Anzeichen des nahenden Niedergangs der Zivilisation. Das, wie auch die erschreckende demographische Situation, wie die Kultivierung der Minderheitenrechte zum Nachteil der Rechte der Mehrheit, wie die Bereitschaft sich von eigener europäischen Identität loszusagen. Das, wie auch vollkommener Verlust irgendeiner Ideologie in der westeuropäischen Gesellschaft. Überhaupt, das Wort Ideologie erschreckt die Europäer, sie ziehen es vor über die Lebensphilosophie zu reden. Aber den Verlust an sich verneinen sie nicht. Genauso, wie sie anerkennen, dass Europa dringend eine neue Lebensphilosophie braucht, die nicht nur den Wert der Konsumgesellschaft betont, sondern an höhere Ziele Ansprüche stellen würde.
Das obengeschriebene sind keine abstrakten Betrachtungen, sondern Gedanken, die als Ergebnis des Treffens zwischen den jungen russischen und deutschen Politexperten im Rahmen des Gemeinschaftsprojektes "Wertstatt der Zukunft" von "Rosbalt" und der Körber-Stiftung, eines Teils des "Petersburger Dialoges" , entstanden sind.
Das siebte Treffen fand in der Hauptstadt des größten deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfallen Düsseldorf statt. Das Treffen hatte eher ergebnisorientierten Charakter. Am Dialog nahmen Mitarbeiter des Landesministeriums für Generationenentwicklung, Familien, Frauen und Integration teil. Nordrhein-Westfallen ist das erste Bundesland, das solches Ministerium gegründet hat, mit dem Ziel die demographische Situation zu verbessern. Es gibt verschiedene Aufgaben, vor allem aktive Integration der Migranten in deutsche Gesellschaft. Den Vortrag über die "Neue Weichenstellungen in der Integrationspolitik Deutschlands" vor den Teilnehmern der "Werkstatt" hielt der Minister Herr Armin Laschet. An der Diskussion nahmen die Mitarbeiter des Ministeriums teil.
Natürlich ist es kein Geheimnis, dass die große Anzahl der beidseitigen Vorwürfe und Probleme, die in der Beziehung zwischen Russland und Europäischen Union bestehen, nicht zuletzt mit dem Unverständnis der Ansichten und Überzeugungen beider Seiten verbunden sind. Bei dem letzten Treffen der "Werkstatt" war das besonders deutlich zu sehen: so hat Frau Beate Zatori, wissenschaftliche Mitarbeiterin des deutschen Bundestages, nicht den Ökonomen Michail Deljagin verstehen können, der behauptete, dass die Position des Westens bezüglich der Wahlen in Weissrussland durch und durch zwiespältig und verlogen ist, wenn man berücksichtigt, wie der Westen die Wahlen in, sagen wir mal, Irak und Afghanistan positiv bewertet. Russische Teilnehmer konnten sich nicht mit der These einverstanden erklären, dass man die Rechte der Minderheit stärker verteidigen muss, als die Rechte der Mehrheit, sind doch die Rechte der Mehrheit in Russland lange und gründlich stabilisiert.
Aber das Hauptproblem Europas, wie wir meinen, ist nicht das. Unseren Betrachtungen zufolge hat die Europäische Union in Grossen und Ganzen das Ziel der weiteren Entwicklung verloren. Das letzte halbe Jahrhundert war das Hauptziel der Mitgliedsländer der Europäischen Union das Aufhalten des Kommunismus und eine fruchtbare Integration auf dem europäischen Gebiet. Zum Ende des XX Jahrhunderts wurden beide Über-Ziele erfolgreich erreicht. Die Aufnahme der neuen Mitglieder in die Europäische Union und die Verbreitung Richtung Osten hat grundsätzlich nichts ausser neuen Probleme gebracht. Die westeuropäische Gemeinschaft, die von jahrzehntelangem Blühen und hohen sozialen Sicherheiten verwöhnt ist, hat, wie es aussieht, die Fähigkeit zum Überleben eingebüßt. Absolut unklar ist es, wie die Europäer im Rahmen einer grossen sozialen Krise reagieren werden, die, einigen Anzeichen nach nicht weit weg ist, und das bei totalem Altern der Gesellschaft und einem kolossalem Migrantenansturm, viele davon bekommen soziale Unterstützung, das soziale Sicherungssystem Deutschlands bekommt jetzt schon Risse. Keine Angst dies anzuerkennen haben auch die Beamten der sozialen Sicherungssysteme, dabei war noch vor wenigen Jahren das kein Gesprächsthema.
Kamen hier an...
Bis in die letzte Zeit war die Aufgabe der Integration in der BRD nicht als einzeln und lebenswichtig angesehen. Die Deutschen haben lange Zeit sich zu den Migranten wie zu den Gastarbeitern verhalten, die arbeiten, Geld verdienen und wieder in die Heimat zurückkehren werden. Doch in der letzten Zeit konnte man die Augen vor dem Problem "Gastarbeiter" unmöglich verschliessen und die Deutschen wurden gezwungen über die Entwicklung der "Parallelgesellschaft" zu reden. Diese Gesellschaft ist die Gesellschaft der Migranten, die nach eigenen Gesetzen leben, und sich nicht in die deutsche Gesellschaft einleben wollen. Türkische Arbeiter lassen sich in Deutschland nieder, bestellen sich die Frauen aus türkischen Dörfern, die keine Bildung haben und ohne den Wunsch sie zu bekommen und selbstverständlich ohne die Kenntnis der deutschen Sprache. Diese Frauen bekommen Staatsbürgerschaft, obwohl sie keine Bürger der deutschen Gemeinschaft sind. Das ist "Parallelgesellschaft".
Erinnern wir uns, die ersten "Gastarbeiter" erschienen in der BRD im Jahr 1955, das waren italienische Arbeiter. Im Jahr 1961 hat man die ersten Gastarbeiter aus der Türkei eingeführt. "Im Jahre 1964 hat man den millionsten Gastarbeiter in Köln mit einem Orchester begrüßt" - unterstrich die Büroleiterin des Ministers für die Fragen der Generationen, Familien, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfallen Natalia Fedosseenko. Im Jahr 1973 wurde die Arbeitsimmigration wegen einer Krise beendet, zu diesem Zeitpunkt befanden sich 2.6 Mio. Gastarbeiter, die Mehrheit von ihnen ist nicht in die Heimat zurückgekehrt...
Die weiteren Prozesse sind nachvollziehbar. Programme zur Familienzusammenführung, der Umbau in der UdSSR, der die Grenzen für die Migranten aus dem Osten geöffnet hat, so dass in einigen Stadtvierteln der deutschen Städte nicht mehr deutsch gesprochen wird.
Nicht wenige Probleme gibt es auch mit den Spätaussiedlern aus Russland - eigentlich Deutsche. Es wuchs eine ganze Generation der russischen Deutschen heran, die sich an die Sozialhilfe gewöhnt hat und für sich keinen normalen Platz in der deutschen Gesellschaft findet. Diese Leute hat man bei ihrer Ankunft in ausreichend komfortable Umgebung platziert, und das verdirbt sie leider.
Wenn in Russland und in Kasachstan die ansässigen Deutschen als eine Gemeinde gilt, die mit hohem Fleiß und Verantwortungsgefühl ausgestattet ist, so ist in Deutschland die Beziehung zu ihnen etwas anders, ihr Ruf ist sehr geschädigt durch ihre Neigung zur Kriminalität und der Unfähigkeit sich in die "richtige" europäische Gemeinschaft zu integrieren.
Kompromiss ohne Grenzen
Doch ist das nur die Spitze des Eisberges. Der Eisberg selbst ist das Unwille des blühenden, gesättigten und ruhiggestellten deutschen Gesellschaft sich selbst zu reproduzieren. Kult um die individuelle Freiheit und persönliche Entwicklung kam in Einspruch mit der Idee der Familiengründung und Kinderzeugung. Dies wurde umso einfacher, da die westliche Staaten sich in Chimären verwandelt haben, die ihre lebenswichtige Funktionen wie Verteidigung ihrer Grenzen an die USA übergeben haben. Der Staat für für einen Deutschen viel weniger wichtig als die Freiheit, erklärten uns die deutschen Kollegen. Kein Wunder, wenn die wichtigsten Staatsfunktionen von einem anderen Land übernommen wurden...
Wie es aussieht, haben die Jahrzehnte des gesättigten Ruhestandes die Bewusstseinsregionen der örtlichen Bevölkerung verkümmern lassen, die für die Signale "Achtung, Gefahr!" zuständig sind. Es gibt nicht genügend Willen anzuerkennen, dass die Integrationsprogramme in ihrer Mehrheit unwirksam sind (besonders schwierig ist es die junge Generation zu integrieren, die in Europa aufgewachsen ist und auf die Sozialhilfe angewiesen ist), die Kriminalität schwappt aus den Migrantenghettos in gesättigte Bürgertumsviertel, alle erinnern sich an die jüngsten Ereignisse in Frankreich. Dabei führt der Staat eine Politik der immer größeren Kompromisse, unter anderem in geistigen und kulturellen Bereichen.
"In Deutschland gab es immer eine Bindung zwischen dem Staat und der Kirche, kirchliches Unterricht gibt es an den Schulen. Wir glauben, dass diese Bindung auch für Islam gelten soll, wir müssen alle Kulturen anerkennen, Hauptsache sie sind mit der Verfassung vereinbar. Wenn die moslemische Jugend einen Hang zur Gewalt hat, ist dies ein sozialgemeinschaftliches Ergebnis und nicht ein religiös-propagandistisches" - zeigt sich Armin Laschet überzeugt.
Nicht vor langer Zeit gab es in Deutschland ein lautes Skandal - in Potsdam wurde ein äthiopischer Bürger grausam zusammengeschlagen. Der Innenminister Wolfgang Schäuble hat unvorsichtigerweise verkündet, dass bevor man von einem Angriff mit rassistischem Hintergrund spricht, sollte man die Ergebnisse der Untersuchung abwarten, vielleicht war der Afrikaner betrunken, hat selbst jemanden angegriffen und so weiter. Am nächsten Tag erschienen dutzende grosser europäischen Zeitungen mit den Überschriften dass in Deutschland der Nationalismus sein Haupt wiedererheben würde. Die Massenmedien und die örtliche Opposition verlangten den Rücktritt des unvorsichtigen Ministers.
Sibirische Arznei?
Kann man denn Europa vor heranstehenden Krisen bewahren? Zumindest kann man es versuchen. Es ist möglich, dass eine enge Integration zwischen Westeuropa und Russland die Erschütterung sein könnte, die die Europäer zwingen würde aufzuwachen und sich zu mobilisieren. Natürlich ist Russland im Vergleich zu Deutschland ein wildes Land. Aber diese Wildheit beinhaltet das energiegeladene Potential das Europa fehlt.
Vor einigen Monaten hat der Vertreter des Präsidenten im Fernöstlichen Regierungsbezirk Kamil Is'hakov über das Beginn der Ausarbeitung eines Übersiedelungsprogramms von 18 Mio. Leuten in den Fernen Osten verkündet, damit diese Gebiete nicht in den nächsten 10-15 Jahren verloren gehen. Dieses Projekt wurde in China, Korea und Japan interessiert aufgenommen. Es ist eine ausgezeichnete Chance für Europa, Chance nicht für die Investitionen, aber für die Teilnahme an diesem Projekt mit menschlichen Ressourcen. Die Teilnahme an diesem Projekt würde neue Möglichkeiten, neue Energie und neue Chancen der alten Europa bieten. Aber nur mit einer Voraussetzung, wenn Russland maximale günstige Möglichkeiten für die Teilnahme den Europäern anbietet. Welche, ohne Präzedenzfall. Solche, welche noch nie angeboten wurden.
Aber wir haben doch versucht mit Europa Anfang der neunziger Jahre zu sprechen, erinnern sich die Skeptiker. Nichts kam dabei raus, Europa wollte nicht. Da antworten wir:
Zum ersten, "jungen russischen Brüderchen", der auf die Europäer von unten nach oben heraufschaut und bittet ihn Demokratie zu lehren, braucht tatsächlich niemand. Niemand will mit den Leuten zu tun haben, die sich als unselbstständige Idioten proklamieren und den "guten Onkel" bitten, sie das richtige Leben zu lehren. Von solchen Bittstellern scheut man sich wie der Teufel vom Weihwasser und verstärkt die Grenzkontrolle. Russland soll von einer anderen Position heraus auftreten, als ein natürliches Teil europäischen Kultur, die Vereinigung mit welcher beide Seiten bereichern kann, materiell und spirituell. Und die Position des armen Verwandten, der um die humanitäre und rechtliche Hilfe bittet, sollte man vergessen.
Zum zweiten wurde in der letzten Zeit klar, dass Europa von Problemen niedergedrückt wird, für deren Lösung ersthafte, prinzipielle Positionsverschiebungen notwendig sind. Entweder Europa riskiert die Integration mit der unverständlichen, "wilden", doch in ihrem Geiste europäischen und christianisierten Russland und kommt auf diesem Wege zu neuen Kräften, oder sie verrottet unter dem Druck der moslemischen Integration und zum Ende dieses Jahrhunderts werden die Europäer in der Rolle der Eingeborenen auftreten, die ihre Städte-Museen pflegen und Walzen und Menuett für die Touristen aus dem islamischen Welt und Länder der Fernost-Asien aufführen.
Ja, Russland wie auch Europa leidet unter dem Fehlen der strategischen Idee der Weiterentwicklung und als Folge unter den demographischen Problemen. Wir kennen nicht wenige Beispiele, wenn die Vereinigung von problembeladenen Territorien einen synergetischen Effekt auslöste. In unserer Sicht könnte die Integration zwischen Russland und Europa einen verdienten Platz in diesen Reihe einnehmen.
"Und Sie können sich einen Europäer vorstellen, der aus dem gesättigtem Europa in das kalte, wilde Sibirien fährt", fragten uns die Kollegen. Durchaus. Weil es sich immer Leute finden, die ein risikoreiches, aber interessantes und an märchenhaften Chancen reiches Leben einem satten und stillen Ableben vorziehen. "In der einfachen Wahl zwischen sattem Ableben und schwierigem aber interessanten Leben hat die Greisin Europa wohl das erste gewählt", kommentierte einer der Sitzungsteilnehmer. Doch ist der deutsche Geist wirklich derart erloschen, dass die Idee der Ausnutzung der neuen Weiten, die reich an natürlichen Ressourcen sind, nicht auch nur einen Teil der europäischen Gesellschaft wieder anzünden kann?
Tatjana Tchesnokova, Pavel Shitnjuk, Informationsagentur "Rossbalt", Düsseldorf - Sankt-Petersburg
P.S. Die Autoren finden es wichtig festzustellen, dass sie keine Vorurteile gegen die islamische, chinesische, indische und afrikanische Kulturen und ihre Träger haben. Wir möchten nur das neben ihnen die europäische Kultur existieren würde mit ihren Trägern den Europäern.
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