Vor zwei Wochen habe ich einen Artikel über den Bronzenen Soldaten in Tallinn geschrieben. In dieser Zeit ist einiges passiert, weswegen ich hiermit ein Update schreiben möchte.
Zwei Wochen scheinen zwar eine kurze Zeit zu sein, es wurden aber in dieser Zeit vom estnischen Parlament einige Gesetze verabschiedet, die zumindest fragwürdig erscheinen. Vielleicht ist es so eine Art Torschlusspanik, man versucht noch Tatsachen zu schaffen, die das nachfolgende Parlament nicht mehr so einfach umkehren kann.
Zweifellos die größte Aufmerksamkeit hat das Gesetz "Über den Abriss der verbotenen Bauwerke" erhalten, das sich direkt auf den Bronzenen Soldaten bezieht. Als die Initiative über dieses Gesetz ins Parlament eingebracht wurde, war die Argumentation, dass es sich nur gegen die Errichtung des Denkmals dem Peter I in Narva richtet. Vor der zweiten Lesung wurden allerdings von den rechten Parteien Korrekturen eingebracht, so dass im Gesetzestext die Räumung des Bronzenen Soldaten innerhalb von 30 Tagen nach der Verabschiedung des Gesetzes durch den Präsidenten deklariert wurde. Die zweite und die dritte Lesung wurden von Demonstrationen der russischen Minderheit begleitet, jedoch wurde das Gesetz in der dritten Lesung mit 46-44 Stimmen angenommen.
Der Präsident Estlands Toomas Hendrik Ilves hat sowohl vor, als auch nach der Verabschiedung des Gesetzes gemahnt, dass es nicht verfassungskonform sei und deswegen nicht von ihm unterschrieben wird. Eine genauere Begründung was genau an dem Gesetz verfassungswidrig sei, wird er in den folgenden Tagen abgeben. Das hat aber den Vorsitzenden des Rechtsausschusses! im Parlament Väino Linde nicht gehindert zu behaupten, dass es trotzdem angenommen werden muss, weil in diesem Fall das öffentliche Interesse über der Verfassung steht. Jedes Land hat seinen eigenen Zhirinowski.
Nach dem estnischen Recht kann der Präsident kann ein Gesetz zwei Mal ablehnen, bevor er es an das Oberste Gericht überweisen muss, das dann entscheidet, ob das jeweilige Gesetz verfassungskonform ist. Auf jeden Fall wird dadurch viel Zeit gewonnen und die Nachverhandlungen finden dann im neu-gewählten Parlament statt.
Als es klar wurde, dass der Präsident nicht mitspielen wird, wurde eine Kommission gebildet, die auf der Grundlage des ebenfalls von kurzem verabschiedeten Gesetzes "Über den Schutz der Kriegsgräber" entscheiden soll, welche Gräber denn schützenwert seien und welche nicht. Kein Wunder, dass die Kommission als erstes erklärt hat, dass die Gräber, die sich bei dem Bronzenen Soldaten befinden, dauernd durch die Fahnen-Schwenker und Vodka-Trinker entweiht werden, so dass sie auf ein Friedhof gehören. Natürlich wird das Memorial auch weggeschafft. Dagegen hat sich aber die Tallinner Stadtverwaltung ausgesprochen mit dem Verweis, dass alle Denkmäler der Stadt gehören, so dass nur sie zu entscheiden hat, was mit dem Bronzenen Soldaten zu geschehen sei.
Es wurden aber auch andere Gesetze verabschiedet, die alleine für sich für Aufregung unter der russischen Minderheit gesorgt hätten, wären sie nicht von dem Streit um das Denkmal überschattet worden.
Das Spachengesetz wurde geändert. Man hat sich der Realität gebeugt, in den Gegenden, die mehrheitlich von russisch-sprachigen Minderheit bewohnt sind, also zum Beispiel Nord-Osten mit 95% russisch-sprachigen Bevölkerung, ist es erlaubt Behördengänge auf Russisch zu erledigen, ebenfalls ist es möglich Aushänge in den Läden auch fremdsprachig zu machen, der estnische Name muss aber vorangestellt werden. Meiner Meinung nach geht es nicht nur um russische Aushänge, sondern auch die Legalisierung des Faktes, dass in den Touristengegenden die meisten Läden auch englisch-sprachige Aushänge bieten.
Gleichzeitig wurden die Rechte der staatlichen Sprachkommission gestärkt. So ist es den Inspekteuren erlaubt ohne Vorwarnung private und staatliche Einrichtungen aufzusuchen, Versammlungen beizuwohnen, Dokumente zu lesen und zu kopieren, er kann auch dem Arbeitgeber vorschreiben, Arbeiter zu entlassen. Er kann die Zertifikate über die Kenntnisse des estnischen Sprache als ungültig erklären und eine erneute Prüfung verlangen. Russische Lehrer haben bereits über solche Besuche berichtet, es wurde von ihnen verlangt in einer russischen Schule den russischen Schülern den Russisch-Unterricht auf Estnisch zu geben.
Ein weiteres Gesetz das verabschiedet wurde, gilt den staatlichen estnischen Feiertagen. Der 22. September war schon immer ein Feiertag in Estland, an diesem Tag wurde Tallinn von der faschistischen Armee befreit. Im neuen Gesetz wurde dieser Tag zum Trauertag erklärt. Getrauert wird um die Befreiungskämpfer, die ihr Leben für die Befreiung Estlands von der Sowjetmacht ließen. Erinnert doch an die katholische Kirche, die die heidnische Feiertage zu Kirchenfesten erklärt hat, nicht wahr?
Beide Gesetze sind übrigens auch noch nicht von Präsidenten unterschrieben worden.
Bis zu den Parlamentswahlen sind noch ganze drei Wochen geblieben. Es wird ein neues Parlament geben, in dem die rechten Kräfte nach den derzeitigen Prognosen eher in der Minderheit bleiben. Recht wahrscheinlich ist es, dass zum ersten Mal die ausschliesslich aus den Vertretern der russischen Minderheit bestehende Konstitutionelle Partei einziehen wird, da sie der derzeitige Wortführer beim Kampf gegen den Abriss den Bronzenen Soldaten ist und dementsprechend viel Respekt bei dieser Minderheit besitzt. Damit werden die rechten das genaue Gegenteil dessen erreicht haben, was sie ursprünglich vorhatten.
Aber unabhängig davon, wie die Wahlen ausgehen, Estlands guter Ruf hat Kratzer bekommen. Die Beziehungen zum grossen Nachbarn Russland sind auf dem Tiefpunkt, was womöglich auch ökonomische Auswirkungen haben wird. Es wird zwar keinen offiziellen Boykott geben, aber wurde zum Beispiel bereits jetzt der geplante Ausbau der Grenzbrücke über den Fluss Narva aufs Eis gelegt. Die radikalen Kräfte haben spürbaren Aufwind bekommen, das schwarz-weiss Denken Wir gegen Die bekommt neue Nahrung, jeder versucht seine Interpretation der Geschichte als die einzig Wahre zu deklarieren. Es wird übersehen, dass auf im zweiten Weltkrieg auf beiden Seiten Esten gekämpft haben, es Opfer an beiden Seiten gab, an die gedacht werden muss. Anstatt zu integrieren werden die Bevölkerungsgruppen weiter gespalten. Was das für das zivil-gesellschaftliche Zukunft Estlands bedeutet, ist nicht absehbar.
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1 Kommentar:
Ein super Artikel zum Streit um den Bronzenen Soldaten gibt es hier
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