Sonntag, November 29, 2009

Kui raske eestis olla (Schwer ist es in Estland zu leben)

Bei meinem letzten Besuch in Estland wurde mir das Lied von Sergej Baj mit dem Namen Kui raske eestis olla vorgespielt. Jetzt wurde der Sänger zu einer Unterhaltung mit der KAPO gerufen. Die Mitarbeiter interessierten sich warum er dieses Lied geschrieben hat, wer das Lied in Auftrag gegeben hat und ob er auch andere politische Lieder hat.

Sergej antwortete wahrheitsgemäß, dass er keine andere politische Lieder hat und er apolitisch ist. Die Einladung hält er für eine profilaktische Massnahme und misst ihr keine besondere Beachtung bei.

Hier ist der Stein des Anstosses:



Refrain: Oh kui raske Eestis olla 2x

Wir leben in einem kalten Land
Uns nennt man Estland,
Wir sammeln Opfergaben,
Welche man uns manchmal gibt.
In EU sind wir wer,
wichtige Herren,
wir haben ein Grund stolz zu sein,
wir haben eigenes Wasser

Refrain

Oft macht man Witze über die Esten,
dass wir lange denken
wir haben nicht genug Sonne
für Stoffwechsel
Wir bräunen uns viel im Sommer,
damit wir schneller denken können,
es ist gut im Sommer 10 lange Tage lang

Refrain

Wir haben eigene Regeln
wir sind ein geregeltes Volk
auf unseren Feldern sind Gräben
und nicht irgendein Kuddel-Muddel
unsere Landwirtschaft ist gut entwickelt in unserem Heimatland
wir düngen die Erde nur mit patentierten Sch..e

Refrain

Wir haben keine Angst vor Russland,
Wir haben eine eigene Armee
Ein Tausend Fahrradfahrer und ein halbes Schiff im Hafen
Auf der Grenze ist alles dicht, keiner kommt durch
Ein Angriff ist nicht möglich,
wir geben denen kein Visum

Refrain

Wir haben keine Angst vor Russland,
eigentlich hat man uns gar nicht gefragt.

Samstag, November 21, 2009

Der Fall Kononov

Vasilij Kononov wird von der lettischen Regierung beschuldigt, Kriegsverbrechen während der Nazi-Okkupationszeit in Lettland verübt zu haben. Er war Kommandeur einer sowjetischen Partisanentruppe, die in einem Dorf der Kollaboration beschuldigte Bewohner nach einem improvisierten Militärgericht für schuldig befunden und exekutiert hat. Prozess um Kononov, der in Lettland lebt, geht schon seit mehreren Jahren in immer höhere Instanzen. In wenigen Tagen soll das Europäische Gericht für Menschenrechte endgültig entscheiden. Der folgende Artikel wurde ursprünglich in der russischen Zeitung Izwestija abgedruckt und von baltija.eu übernommen.

Französischer Experte: "Falls Kononov für schuldig befunden wird, kann man alle Kämpfer der Resistancé vors Gericht bringen"

Ein Schulspruch über Kononov kann ein Vorspiel zur neuen Teilung Europas werden

Autor: Oleg Schevzov (Paris).

Bis zum Ende November muss das Europäische Gericht für Menschenrechte ein endgültiges Urteil zum Fall über sowjetischen Partisanen Vasilij Kononov fällen, den die lettische Regierung der Kriegsverbrechen beschuldigt. Der Experte für internationales Recht, Professor an der juristischen Fakultät der Nizza-Universität Robert Charvin, hat mit dem Korrespondenten von "Izvestia" in Paris gesprochen.

Frage: Warum ist Kononov-Prozess wichtig für die Europäer?

Antwort: Ein Schuldspruch über den sowjetischen Veteranen Kononov kann ein Vorspiel zur neuen Teilung Europas werden. Das Gerichtsurteil versucht man zu der logischen Fortsetzung der Resolutionen der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und Europäischen Parlaments zu machen, die einen Gleichheitszeichen zwischen Stalinismus und Nazismus gesetzt haben. Doch bei allen negativen Charakteristiken des Stalinismus, dies ist eine Erscheinung einer anderen Ordnung, unter anderem aus der Rechtssicht. Die lettische Regierung tat alles, um eine Unterstützung der Kollegen aus den EU-Ländern zu bekommen. Riga erzeugt Druck auf das Gericht in Strassburg, das leider für politische Konjunktur empfänglich ist. Der serbische Richter wurde zum Beispiel als voreingenommen bewertet und ausgeschlossen.

F: Wie kann das sein, dass in solchen Fragen das Gericht sich nicht nach dem Gesetz, sondern nach politischen Konjunktur richtet?

A: Ein Gericht, falls es kein Strafgericht ist, reagiert immer auf politische Argumente. Momentan ist nicht der Kriegsveteran Kononov, sondern modernes Russland das Hauptziel. Lettland möchte beweisen, dass es gleichermassen von sowjetischen und deutschen Armeen okkupiert wurde. Gleichwohl aus der Rechtssicht, kann die Schuld Sowjetunions nicht auf Russland übertragen werden. Sowjetunion kann man auch nicht in Analogie zu Nazi-Deutschland verurteilen, denn das Nürnberger Tribunal hat die Schuld der Nazis anerkannt.

Aus den Kommentaren der europäischen Massenmedien wird es klar: Auf Russland blickt man aus dem Westen immer noch feindlich, wie man vorher auf die Sowjetunion blickte. Moskau bleibt ein strategischer Konkurrent für die Europäer. Über den östlichen Nachbarn schreibt man unter jedem Vorwand nur negativ. Eine Ausnahme war die kurze Jelzin-Periode. Ich weiss nicht, wie es in USA aussieht, bei uns in Europäischen Union setzt sich die Ära von George Bush fort. Und falls Kononov, gleichbedeutend mit Russland, vorm Gericht verliert, über die Anerkennung des Faktes über sowjetische Okkupation Lettlands werden alle schreiben. Doch falls er gewinnen sollte, glauben Sie meiner Erfahrung, wird es absolute Stille geben.

F: Welche juristischen Folgen wird das Urteil haben?

A: Falls der Fall verloren wird, wird es schwerwiegende Folgen geben. Das Hauptargument der Anklage lautet: Kononov hat ohne Gericht und Untersuchung diejenigen vernichtet, die mit Nazisten kooperiert haben. Doch ich kann sagen: mein Onkel nahm an der Bewegung Resistancé teil, laut seinen Erzählungen handelte er genau gleich. Die Verdächtigen der Kollaboration wurden durch die Untergrundbewegung ohne Mitleid vernichtet, sonst wären alle verloren. Das waren die Gesetze der Kriegszeit. Die Verurteilung von Kononov erzeugt eine Präzedenz in der Beurteilung ähnlicher Fälle. Man kann jeden Kämpfer des antifaschistischen Widerstandes vors Gericht zerren: sie alle handelten unter Verletzung der demokratischen Prozeduren.

F: Doch kann der Gericht nicht die Realität dieser Zeit berücksichtigen?

A: Bei der ersten Verhandlung haben die Richter die Taten Kononovs für rechtmäßig befunden. Doch die grosse Gerichtskammer des Strassburger Gerichts kann eine neue Bewertung der Situation in Lettland zu der Kriegszeit geben, indem sie sich nach eigenen Vorstellungen der Geschichte richtet. Heute versucht man in Lettland diejenigen zu rehabilitieren, die in den SS-Armeen gedient haben, doch das Gericht könnte das nicht berücksichtigen. Während der Kriegszeit in Lettland wurden zwei Divisionen SS aus den lokalen Freiwilligen gebildet, die als Todesschwadronen tätig waren. Von den 70 Tausend in Lettland lebenden Juden, sind nach der Okkupation 500 übriggeblieben. Auch hat man Juden aus anderen europäischen Ländern dorthin hingebracht. Die lokalen Helfer der Nazis haben kein Mitleid mit ihnen gehabt. Die heutige Stimmung in Lettland symbolisiert folgender Fakt: Im Museum der sowjetischen Okkupation werden Fotos gezeigt (ich fand sie auf der Webseite des Museums), wo die lettische Bevölkerung 1941 mit Blumen die Armee Hitlers als "Befreier" feiert! In europäischen Museen wird man solche Ausstellungsstücke, die die Wehrmacht verherrlichen, nicht antreffen.

F: Und die historischen Dokumente, sind es für die Richter keine Beweise?

A: Leider nicht alle. Durch die Vorgabe der baltischen Länder wird die Betonung auf den Molotov-Ribbentropp Pakt gesetzt, obwohl solche Verträge mit Hitler auch europäische Staaten hatten, zum Beispiel Polen. Auch die Münchener Vereinbarung 1938, als England und Frankreich Tschechoslowakei zur Vereinigung Deutschlands faktisch weggeben haben, versucht man sich im Europäischen Parlament nicht zu erinnern. Lettland hat eigentlich ihre Unabhängigkeit aus den Händen der Bolschewiken 1918 bekommen, doch in Straßburg erinnert man sich nur daran, dass es 1940 von sowjetischen Armeen besetzt wurde.

In Europa denkt man fälschlicherweise, dass Postkommunismus und Demokratie eins und dasselbe wären. Heute wollen die baltischen Länder erreichen, dass ihr Territorium illegal durch Sowjetunion okkupiert wurde. Ohne diese Anerkennung wird ihre Politik gegenüber der russischen Minderheit sehr zweifelhaft, denn sie ist nicht mit den Normen der EU vereinbar. Deswegen geht der Prozess "Kononov gegen Lettland" ganz Europa an, und nicht nur ihn selbst, Letten und Russen.
 ----------

Junge Welt hat auch einen Artikel zu dem Thema veröffentlicht.

Montag, November 16, 2009

Estland im Herbst

Zum ersten Mal seit 18 Jahren ist die Zahl der Menschen, die Arbeit in Estland verloren haben, über 100 Tausend gesprungen. Dabei wächst die Arbeitslosigkeit im dritten Quartal diesen Jahres unter den Nichtesten 10 Mal schneller als unter Esten. Selbst der recht regierungstreue Nachrichtenportal des estnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens novosti.err.ee hat zwei (eins, zwei) kritische Artikel veröffentlicht, die ich hiermit übersetzen möchte.

Um sich vorstellen, wie gross die Armee der Arbeitslosen in Estland ist, genügt es die Aufnahmen vom Sängerfest Anfang Juli anzuschauen. Damals kamen 50 000 Zuschauer. Arbeitslose sind es in Estland zweimal so viele.

Laut den Daten des Statistischen Amtes wurde Ende September die Zahl der Arbeitslosen mit 102 000 angegeben. Jeden Tag kommen einige Dutzend Leute zum Arbeitsamt. Einige haben vor kurzem Arbeit verloren, andere sind mehr als ein Monat ohne Arbeit. Einige haben die Hoffnung aufgegeben eine neue Arbeit in den nächsten Monaten zu finden.

Die Analysten des Statistischen Amtes widmen sich mit besonderen Aufmerksamkeit denen, die schon aufgegeben haben, eine neue Arbeit zu finden. Unter den Arbeitslosen sind es 11 Tausend oder jeder Zehnte. Laut dem Ökonomen Heido Vitsut ist das eines der größten Probleme für die Wirtschaft des Landes.

"Wenn der hohe Stand der Arbeitslosigkeit eine längere Zeit andauern wird, wird es zu einem grossen sozialen Problem und wird Leute aus der Menge der Arbeitsfähigen rauswerfen. Und wenn irgendwann die wirtschaftliche Lage wiederhergestellt wird, dann werden sie am Arbeitsmarkt nicht mehr gebraucht." - bemerkt Vitsut.

Wenn Anfang diesen Jahres das Tempo der Arbeitslosenzuwachses unter den Esten und Nichtesten ungefähr gleich war, so wurde von Juli bis September unter den Esten nur 0,3% Arbeitslose mehr, während unter den Nichtesten die Arbeitslosigkeit 10-mal schneller gewachsen und gleich um 3% hochgesprungen ist. Jetzt ist unter den Nichtesten jeder fünfte ohne Arbeit.

Im Bericht des Statistischen Amtes gibt es auch eine positive Dynamik. Im dritten Quartal hat sich das Tempo der Absenkung der Beschäftigung verlangsamt. Es könnte auch eine kaum beruhigende Erklärung geben: es könnte wegen saisonalen Arbeiten in den Sommermonaten gewesen sein.

-----------

Die Arbeitslosen bekommen 270 Tage Arbeitslosengeld, danach können sie nur mit 1000 Kronen (ca. 64EUR) Unterstützung rechnen, die aus dem Budget der Kommunen bezahlt werden.

Der Staat hat diese Leute nicht abgeschrieben, doch kann der Staat die Unterstützung unmöglich bezahlen, sagte der estnische Premierminister Andrus Ansip in Vikerradio. "Die Unterstützung wird vom estnischen Staat und Volk bezahlt. Das ist zu was für den gegebenen Moment die Steuerzahler fähig sind" - ergänzte Ansip.

Der Premierminister unterstrich, dass jeder, der ohne Arbeit geblieben ist, an sich arbeiten sollte. "Meine Botschaft an sie ist es sehr intensiv zu arbeiten um eigene Qualifikation zu erhöhen. Ohne Zweifel ist es notwendig viel Mühe zu investieren, um eine Arbeit zu finden" - ergänzte er.

"Wir finden es nicht möglich die gestrichenen Arbeitsplätze mit dem Geld der Steuerzahler zu kompensieren", - sagte Ansip.

Der Premierminister fügte hinzu, dass es Arbeitsplätze erst dann geben wird, wenn der Umfang der Produktion zunehmen wird. "Es ist bekannt, dass wenn man Wirtschaftswachstum beobachten kann, auf dem Arbeitsmarkt der Abschwung weitergeht. Es ist mindestens ein Jahr notwendig, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden" - gab er sich überzeugt.

Laut Ansip ist die Schaffung von sozialen Arbeitsplätzen in Tallinn nichts anderes als Beleidigung für die Arbeitslose. "Nach meiner Bewertung wenn man 93 Leuten Lohn zahlt, die in neonfarbene Vesten steckt und in den Bahnen fahren lässt - ist es Beleidigung für die Leute. Die Bemühungen Tallinns haben die Leute in neonfarbenen Vesten allen sichtbar gemacht", sagte der Premierminister.

Bei dem Gespräch über die vor kurzem stattgefundenen Kommunalwahlen, äusserte sich Ansip dahingehend, dass die Wahlkampagne der Zentristen unehrlich gewesen wäre, da ihr Hauptziel die Verbreitung der Angst unter den Wählern gewesen ist. "Edgar Savisaar sagte mehrmals, dass die Krone direkt nach den Wahlen entwertet wird. Damit haben die Zentristen erreicht, dass andere Parteien ihre absurden Behauptungen widersprechen mussten", erklärte er.

Auch hätte, laut Ansip, Savisaar gelogen, als er sagte, dass die Regierung einen Plan zur Kürzung oder Besteuerung der Renten hätte.

"Als die Zentristen die Wahlen gewonnen haben, wollten sie ihre Macht noch weiter festigen. Mit diesem Ziel ist der Vorschlag um die Vereinigung mit der Volksunion unterbreitet worden", ergänzte er.

Ansip hob heraus, dass da die Zentristen in der Hauptstadt die meisten Sitze in dem Stadtrat bekommen haben, so werden die Sozialdemokraten, die man zu Koalitionsgesprächen eingeladen hat, nur die Rolle des "kleinen Bruders" spielen.

"Wenn ist ein Mitglied der Sozial-Demokratischen Partei wäre, würde ich den Vorschlag der Zentristen über die Schaffung einer Koalition nicht annehmen. Doch natürlich ist die Position der Sozialdemokraten nicht die beste. Wahrscheinlich haben sie eine Strategie,wie man die Situation ändern könne", ergänzte der Premierminister.

"Ich glaube nicht, dass aus dieser Union (Zentristen und Sozialdemokraten) eine neue politische Kultur geboren werden kann, wie es Peter Kreuzberg (Vize-Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei) versprochen hat", ist sich Ansip sicher.

---------

Mein Kommentar: Geht es noch menschenverachtender?