Dienstag, Juli 28, 2009

Sinimäe, 26.07.09

Vergangenes Wochenende fand die alljährliche Versammlung der Veteranen der Waffen-SS in Sinimäe (Estland) statt. Dieses Jahr wurde das 65. Jubiläum der Kampfhandlungen gegen die Rote Armee bedacht, deswegen kamen mehr Teilnehmer als üblich (die Zahlen schwanken zwischen 400-1500). Neben den estnischen Veteranen, Parlamentsabgeordneten Trivimi Velliste und Mitgliedern der estnischen Armee, nahmen auch Vertreter aus anderen baltischen Ländern, Holland, Norvegen, Dänemark und sogar Georgien teil. Die Organisation hat eine Jugendorganisation "Club der Freunde des Estnischen Legions" übernommen, für Nachwuchs ist also gesorgt. Das Gelände wurde gesperrt, nur eingeladene Personen hatten Eintritt, Journalisten aus Russland werden nicht durchgelassen, die Bewachung übernimmt neben der estnischen Polizei, eine privates Sicherheitsunternehmen.

Die Protestveranstaltung der antifaschistischen Organisationen aus Estland, Lettland und Finnland, bei der sich die Protestierenden als KZ-Häftline verkleidet haben und mit Schildern an die Geschehnisse im KZ Klooga erinnern wollten, wurden von der Polizei daran gehindert. Mehrere Teilnehmer aus Lettland wurden festgenommen und als unerwünschte Personen vom Grenzschutz nach Lettland zurückgebracht.

Gemeinsame Erklärung der baltischen Antifaschisten

Jährlich werden in Estland Versammlungen ehemaliger SS-Mitglieder abgehalten, Kollaborateure, die während des zweiten Weltkrieges auf der Seite der Hitler-Armee gekämpft haben, die der Welt und Europa millionenfache Opfer und Zerstörungen gebracht hat. Kein Land der Welt erlaubt oder begrüßt solche Versammlungen auf seinem Territorium, nur in Estland und Lettland mit dem schweigenden Einverständnis der Regierung und ihrer Gleichgesinnter, mehr noch, mit der Teilnahme der Vertreter der Exekutive sind solche Veranstaltungen erst möglich geworden.

Diese Feier, die nicht nur Veteranen der SS-Kräfte, sondern auch alle Anhänger der nazistischen und neonazistischen Ideologien aus verschiedenen Ländern anziehen, wurden ein Infektionsherd der für die Welt und Menschheit todgefährlichen Ideen.

Die UNO-Generalversammlung hat in ihren Resolutionen mehrfach diese Länder aufgerufen, solche Versammlungen nicht zuzulassen. Doch ignorieren die Regierungen Estlands und Lettlands die Resolutionen dieser mächtigen Organisation. Umgekehrt versucht die estnische Exekutive tüchtig die Aktivitäten der antifaschistischen Organisationen zu verhindern, die gegen die Durchführung von Festivitäten, die die nazistische Vergangenheit feiern, vorgehen.

Die Aktivisten der antifaschistischen Bewegungen aus Nachbarländern werden a priori als Personen "non grata" erklärt, die den estnischen Staat bedrohen würden und werden aus dem Land abgeschoben. Die Regierung Estlands schafft es in die "schwarze Schengen-Liste" (SIS) Bürger der Schengen-Zone einzutragen, die hier geboren sind und ständigen Wohnsitz haben. Dies ist nicht nur eine Verletzung der Bürgerrechte und Freiheiten, sondern auch des Schengen-Abkommens, das für die Teilnehmer-Länder verpflichtend sind. Die Aktivisten der antifaschistischen Bewegung Estlands werden ständigen Repressionen und Verfolgungen ausgesetzt.

So wurden auch in diesem Jahr unbegründet, wegen "Personenkontrolle", die Aktivisten der Bürgerbewegung "Notchnoj Dozor" und Mitglieder des finnischen antifaschistischen Komitees festgehalten, obwohl sie legale, über jeden Zweifel erhabene estnische Dokumente vorgezeigt haben, die lettischen Antifaschisten wurden einfach des Landes verwiesen.

In ihren Pressemitteilungen bezeichnen die Leiter des estnischen Innenministeriums die Aktivisten der antifaschistischen Bewegung nicht anders als "Extremisten", obwohl keiner von ihnen weder in ihrem eigenen Land, noch auf dem estnischen Gebiet sich hat was zuschulden kommen lassen, die Organisation "Notchnoj Dozor" wurden von der höchsten Instanz des Estnischen Gerichts komplett freigesprochen.
 
Gleichzeitig erzeugt die estnische Exekutive für die aus ganz Europa auf die SS-Versammlungen angereisten Neonazisten mit allen Kräften ein "Klima der größtmöglichen Unterstützung". Niemals wurde auch nur ein Neonazi, die offen Rassenhass sähen und "die herrliche Nazi-Vergangenheit" propagieren, festgenommen.

Wir finden, dass solche Versammlungen von Nazi-Anhängern in Estland auf Sinimäe, als auch der Marsch der Legionäre im Zentrum von Riga, die Verherrlichung der Nazisten in den Augen der jungen Generation in Estland, eine Gefahr für die Stabilität dieser Länder darstellt und die Werte auf denen eine moderne, tolerante, europäische Gemeinschaft basiert, untergräbt.

Wir erklären, dass die Aktivitäten der estnischen Exekutive gegen unsere Aktivisten ein Verbrechen ist und den menschlichen Grundrechten widerspricht. Die Zusammenstellung der "schwarzen Listen" durch das estnische Innenministerium und die nachfolgende Deportation aus Estland von Personen, die dem regierenden Regime nicht genehm sind, ist ein Erbe des Totalitarismus.

Wir, die Einwohner der Europäischen Union wenden uns an das Europäische Parlament mit der Bitte die Fakten der Heroisierung der Naziverbrecher in Estland und Lettland, die verbrecherischen Versuche der Geschichtsverzerrung und Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und der Fakt der Deportation der EU-Einwohner aus einem EU-Land für ihre antifaschistische Aktivität, zur Kenntnis zu nehmen.

27 Juli 2009

Mitvorsitzender des Lettischen Antifaschistischen Komitees Josif Koren

Geschäftsführer des Arnold Meri estnischen antifaschistischen Komitees Andrej Zarenkov

Vorsitzender des Antifaschistischen Komitees Finnlands Johan Bekman

Mitglied des Führungsgremiums der Organisation Notchnoj Dozor Maksim Reva

Mitglied des Führungsgremiums der Organisation Notchnoj Dozor Dmitrij Linter





32 Kommentare:

Schirren hat gesagt…

Interessant ist, daß in den Mainstream-Medien (zumindest auf ihren Webseiten) darüber nichts zu finden ist. Alles was ich dazu im Internet entdecken kann, stammt entweder aus russischen Quellen, von Antifa-Seiten oder jüdischen Organisationen.

pssss hat gesagt…

Weil die Erreignisse in Sinimäed ja nichts mit Deutschen in WW2 zu tun hat. Kloty müsste mal heraus finden, wer gegen wen da gekämpft hat und wann.


*Die sogenannte antifaschiste Versammlung, was ja immer das richtige faschisten Versammlung ist, wurde nicht registriert und deswegen bekommt man auch Ärger.

*Die faschisten aus Lettland dürfen wegen früheren solchen Versammlungen nicht über die Grenze.

Schirren hat gesagt…

Lieber pssss, wie ist es denn wirklich? Hast Du Quellen?

Das Problem an diesem Thema ist, daß es nur "engagierte" Quellen gibt, entweder sind es die Russen, die die Esten prinzipiell als Nazis abstempeln wollen, oder es sind die Esten, die die Russen generell als Feinde Estlands sehen, oder es sind ausländische Quellen, die das Thema in eigenem Interesse hochspielen. Was mir fehlt, ist ein wirklich neutraler Beobachter

kloty hat gesagt…

Nun, Schirren, wie Du schon sagst, die Anzahl der Leute, die sich mit Estland beschaeftigen ist so klein (was eigentlich schade ist, denn die Themen haben durchaus europaeische Relevanz), dass es keine unabhaengigen Betrachter gibt. Eine objektive Wahrheit als solche gibt es nicht, nicht mal im grossen zeitlichen Abstand betrachtet (Aufregung ueber den Film 300 in Iran, Streit um Amselfeld in Kosovo, Streit Griechenland mit Mazedonien). Deswegen das einzige was man tun kann, ist so viele unterschiedliche Meinungen wie moeglich einzuholen, und sich eine eigene zu bilden.

Schirren hat gesagt…

Auch nicht "neutral", aber interessant und zum Thema passend:

http://www.impressum-club.eu/index.php?mact=News,cntnt01,detail,0&cntnt01articleid=170&cntnt01origid=86&cntnt01returnid=66

pssss hat gesagt…

Ich hab es in TV gesehen und da die Gründe bekommen, wieso die abgeschleppt worden sind.

Die meisten da waren ja nicht mal aus Estland (Fin, Norw, Swed, Denm), die auch an der Front dort gekämpft hatten.

Das Problem liegt hier mehr darin bei Russland, dass man dort wirklich viel verloren hat, so ~150 000 Mann, verglichen an der Est. Seite so 10 000. Die Deutschen waren überhaupt in Narva, wo man Stellung halte. Die Front in Sinimäed hielt 6 Monate (Apr-Sep). Bitter immernoch für die Russen. Und wie auf DerStandard.at stan "kläglich verloren", aber um welchen Preis?

kloty hat gesagt…

an psss:

Ich frage mal so: wieviele Leute, die im KZ Klooga umgebracht worden sind, waeren noch am Leben, wenn die Rote Armee nicht aufgehalten worden waere? Vielleicht haben das die Leute damals nicht gewusst, aber jetzt wissen sie jetzt und sind immer noch stolz darauf, die Befreiung der KZs verzoegert zu haben.

Schirren hat gesagt…

Tut mir leid, pssss, ich sitze auf der Leitung. Die, die da "abgeschleppt" wurden - sind das Veteranen, oder Leute, die gegen die Veranstaltung protestierten?

Und haben die estnischen Hilfstrupen in der Gegend von Narwa allein, aber unter deutschen Kommando gegen die sowjetischen Truppen gekämpft?

pssss hat gesagt…

* Die Demonstranten

* Die est. SS Division und est. Politzei Pat. war nicht unter deut. Kommando, die waren selbstätig nur für die est. Front gedacht, nach dem Jul. 1944, als die deutschen das Gegend verliessen, sind natürlich die est. Front dort gebleieben.

*Sry kloty, aber es scheint du weisst überhaupt nix von Klooga KZ, Sep.1944 haben die Esten (SS20 und Politzei Pat.) dieses KZ zu gemacht, weil es kam heraus, dass die Juden nicht evakuiert werden, sondern getötet werden.

*etwa 10? von den 1000. Und komm jetzt mit 3000 nicht, es ist bewiesen, dass die Zahl unter 1000 war und davon etwa 100 fleihen.

kloty hat gesagt…

an psss: Hier ist was über Klooga auf Yad Vashem Seiten zu finden ist. Yad Vashem hat das vollständigste Verzeichnis aller Holocaust-Opfer und ein Besuch bei ihnen in Jerusalem ist sehr empfehlenswert. Gleich das erste grossformatige Foto ist von KZ Klooga.

One of the 3 largest labor camps in Estonia. Klooga was established in the summer of 1943, as a sub-camp of the Vaivara concentration camp. The camp held some 2,000—3,000 prisoners, who arrived in August and September of 1943 from the Vilna Ghetto. A smaller contingent came from the Kovno Ghetto, whilst 100 Soviet prisoners of war were also interned there.
The Germans established camps in Estonia in order to take advantage of the local natural resources. Prisoners were forced to manufacture goods for the German war effort and build fortifications against the impending Soviet army. At Klooga, most prisoners worked in brick and cement factories and sawmills. A smaller group worked in a wooden clog factory. The conditions at the camp were brutal - prisoners received meager food and water rations and were forced to work even when they were ill. A 75-man underground was active in Klooga; however, due to constant prisoner transfers, the underground was unable to organize itself for an uprising.
The Germans began evacuating Klooga in the summer of 1944. On September 19, SS men shot the last 2,500 prisoners in the camp. Only 85 prisoners managed to hide and thus survive.

Based on: Robert Rozett and Shmuel Spector (eds.), Encyclopedia of the Holocaust, New York: Facts on File, 2000.

Du schreibst, dass im September 1944 das Lager von Esten zugemacht wurde. Am 19. September gab es die letzten Erschiessungen in Klooga, am 22. September wurde Tallinn von der Roten Armee eingenommen. Spielst Du gerade auf die 3-Tage Regierung von Otto Tief an? In September 1944 waren die Kämpfe von Sinimäe schon vorbei.

Ich würde gerne wissen, wer erzählt den Esten eigentlich die ganzen Unwahrheiten? Wo sind die Bücher, nach denen sie lernen? Wer sind die Lehrer?Warum glauben sie, dass jemand nötig hat, sie zu belügen und deswegen alternative Versionen von Geschichte glauben, die nachweislich falsch sind? Vielleicht ist das eine Reaktion auf die Geschichte, wie sie in Sowjetunion gelehrt wurde, so dass automatisch angenommen wird, dass nichts davon stimmt? Manches stimmt eben doch.

pssss hat gesagt…

*Die Zahl die du gibtst ist falsch, all die leichen wurden aus gegraben, nur die ~2000 fehlt irgendwo, es ist nicht so einfach 2000 Leichen zu verstecken.

*19.Sep.1944 wurden die nicht mehr in Klooga erschossen.

*Jaja, die Juden wissen wie immer besser, da kann und darf man ja nicht bezweifeln.

* http://et.wikipedia.org/wiki/Klooga_koonduslaager

* Tüpisch Russe, "Geschichte umschreiben ..."

kloty hat gesagt…

Der Wikipedia-Link ist tatsächlich sehr interessant, vor allem wenn man die estnische Version mit den deutschen, englischen und russischen vergleicht. Wenn man davon ausgeht, dass Wikipedia die Meinung der Masse wiedergibt, dann sieht man, wie die Masse der Esten wirklich denkt.

pssss hat gesagt…

Da steht ja die Quelle auch?

Schirren hat gesagt…

Tja, fehlende Leichen, ob im Kosovo oder in Estland... Letzendlich wird es in dem meisten Fällen nie absolute Klarheit geben, und man sollte auch nicht so tun, als gäbe es die.

Ein paar Leichen weniger oder mehr sind kein Beweis für irgendwas oder keine Minderung der Schuld von irgenwem.

Ich sehe ein Problem darin, daß die Sowjetunion eine kanonische Sichtweise der Geschichte fabriziert und diese für heilig und unantastbar erklärt hat. Das verärgert und beleidigt viele, die in dieser Legende die Rolle der "Teufel" spielen, wärend die "Engel" auch nicht ganz so rein sind, wie die Legende behauptet.

Nach dieser Legende hat die Sowjetunion überhaupt keine Verbrechen begangen, hingegen sind alle, die sich gegen die Sowjetunion gewendet haben, einfach Faschisten, genau wie alle, die heute die sowjetischen Heiligenlegenden anzweifeln.

In Wirklichkeit ist alles viel differenzierter. Bandera-Leute, Wlassow-Leute, Esten, Letten haben sich aus unterschiedlichsten Gründen der Wehrmacht angeschlossen. Es mögen sehr viele Opportunisten darunter gewesen sein, die sich einfach nur der Seite angeschlossen haben, die gerade stärker schien, Naivlinge, die die Ziele Hitlers nicht durchschauten, Menschen, die unter Zwang in diese Truppen gepresst wurden, Antikommunisten, die aber keine Nazis waren. Echte, überzeugte Nazis, die diese Ideologie kannten und verstanden, dürften nur wenige darunter gewesen sein, denn warum sollte man als Russe, Ukrainer, Este, Lette, Bosnier, Tschetschene oder Kosak begeistert sein, auf einer unteren Daseinsstufe dem Herrenvolk Hilfsdienste zu leisten.

Teilweise sollen sich diese "Hilfstruppen" am Schluß tatsächlich auch gegen die Wehrmacht gewendet oder unabhängig gegen die Rote Armee gekämpft haben. Vermutlich haben sie auch Verbrechen begangen. Das muße alles aufgearbeitet werden, aber ohne Emotionen. Es gibt schließlich so etwas wie Geschichtswissenschaft. Aber die scheint sich nicht sonderlich für das Thema zu interessieren. Oder irre ich mich da?

Dafür stellt Russland jede differenzierte Darstellung als "Geschichtsfälschung" hin, die es zu "bestrafen" gilt. Die andere Seite wiederum fühlt sich zurückgesetzt und bewegt sich deshalb in die Arme der Nazis von heute, die sich als Anwälte der von der Sowjetunion und Rußland Beleidigten anbieten.

Leute, das führt zu nichts.

sonikrave hat gesagt…

"Jaja, die Juden wissen wie immer besser, da kann und darf man ja nicht bezweifeln."

Wird hier gerade versucht eine Büchse Antisemiten aufzumachen?

Und Esten und deutsche Nazis sind demnach dann als "erstklassige Menschen" frei nach dem Roman aus der Offizierskaste von Freiherr von Schlicht zur Deutungshoheit berufen?

Oder wie ist das zu verstehen?

Anonym hat gesagt…

Und die Antisemitismuskarte wurde ausgespielt, sie sticht nicht mehr ...

sonikrave hat gesagt…

Damit dürfte meine Frage beantwortet sein.

Es ist reichlich unverschämt (insbesondere im Zusammenhang eines Artikel, welches die Verbrechen von Nationalsozialisten thematisiert) DEN Juden Übermenschlichkeit zu unterstellen!

Anonym hat gesagt…

Dies behauptest nur du

sonikrave hat gesagt…

Sie können ja vieles versuchen zu relativieren, aber verkaufen sie mich nicht für dumm.

Zu behaupten, dass "die Juden wie immer alles besser wissen lässt im Zusammenhang des Kontexts nur diesen Schluss zu.

Was kriegen wir hier als nächstes zu hören?

Vielleicht auch noch so eine kleine Holocaust-Relativierung, dass ja vielleicht doch nicht so viele Juden umgekommen sind, umd damit den besonderen Status der Verbrechen des Nationalsozialismusses abzuerkennen, um dann die Verbrechen vom Nationalsozialsmus mit den Verbrechen des Kommunismusses gleichsetzen zu können?

Das können sie vielleicht in Estland tun, nur in Deutschland macht man sich damit strafbar.

Aber das ist ihnen ja sicherlich bekannt.

Schirren hat gesagt…

Genau das habe ich gemeint. Ich verstehe ja, daß die Esten von der sowjetischen Geschichtsdarstellung die Nase voll haben, aber das heißt nicht zwingend, daß man sich deshalb in eine Ecke begeben muß, in der noch viel haarsträubender geklittert wird.

(Wobei nicht gesagt ist, daß die letzten Posts zum Thema Juden wirklich von Esten stammen. Vielleicht hat hier ja nur ein deutscher Neonazi vorbeigeschaut und hat die Gelegenheit genutzt, eine Duftmarke zu hinterlassen. Oder ganz konspirologisch: der KGB macht das, um die Esten schlechtzumachen...)

sonikrave hat gesagt…

Hallo Schirren,

dass sehe ich in etwa auch so.

Letztendlich leisten solche Esten mit Gleichsetzungen der Verbrechen zweier unterschiedlicher Regime sich zu Hilfssheriffs als Sprachrohr von Neonazisten.

Die Geschichtsverklittungen von russischer Seite lassen sich auch ganz nüchtern entzaubern.

Dafür bedarf es keine braune Sosse den Esten auf den Mund zu schmieren.

Schirren hat gesagt…

Vielleicht hat man den Esten so lange gesagt, daß sie Faschisten seien, daß sie es inzwischen selbst glauben?

Komisch eigentlich, die Esten glauben doch sonst nicht alles, was die Russen sagen...

sonikrave hat gesagt…

"Vielleicht hat man den Esten so lange gesagt, daß sie Faschisten seien, daß sie es inzwischen selbst glauben?"

Was dann Sendungen, wie "Estland sucht den Neonazi" im steuerfinanziertem estländischem Fernsehen erklären würde:

http://www.youtube.com/watch?v=J5Vo3Xm8cTk

Jetzt aber mal im Ernst:

Durchschnittliche Esten werden sich haarstreubend dagegen wehren, Faschisten oder gar Neonazisten zu sein.

Besonders heilig sind hierbei die aus estländischer Sicht so genannten Freiheitskämpfer, welche der 20. Battailon der (estnischen) Waffen SS gedient haben.

Hierbei wird vor allem eine äusserst defensive Rechtfertigungshaltung und schönreden der Begebenheiten eingenommen.

Zum einem wird behauptet, dass durch dieses Battalion ja gar keine Kriegsverbrechen begangen wurden, dabei jedoch unterschlagen, dass Personen aus dem 17. estnischen Polizei-Battalion, welche sich dort äusserst aktiv (unter anderem) an der Judenverfolgung und Exekution dieser beteiligt haben, genau in dieses Waffen SS Battalion eingetreten waren, unter anderem Alexander Piigli, Artur Pupart und Verner Soer (welche im übrigem auch alle den Schwur der Treue zu Nazi-Deutschland abgeleistet hatten).

Zum anderem wird behauptet, in den Nürnberger Prozessen wäre dieses Waffen SS Batallion von der kollektiven Schuld befreit, was so nicht stimmt.

Was hingegen stimmt ist, dass John McCloy in der Funktion der U.S. High Commission in Deutschland dem Secretary of State angeschrieben hatte, in der er aus nicht ganz geklärten Gründen angegeben hatte, dass aus US-Sicht die baltischen Legionen von der Schuld zu befreien sind.

Darauf hin wurde dann später von der zwischenzeitlich als kontrovers angesehenden ausgewechselten US-Personen der Kommission die Erklärung abgegeben, dass die baltischen Waffen SS Einheiten nicht als feindliche Bewegung gegen die damalige US-Regierung angesehen wurde.

Das wird dann immer gerne aus estnischer Sicht gerne so ausgelegt, als wäre dies bei den Nürnbergern Prozessen entschieden worden, an der alle Allierten zugestimmt hätten und von dieser Waffen SS Einheiten keine Kriegsverbrechen begangen wurden, wenn in Fakt dies nur die US-Sicht eng gefasst über die Beziehung dieser Einheiten gegenüber der US-Regierung aussagt. Und nichts weiter.

Zudem basiert diese Erklärung auch nur auf John McCloys Aussagen, welche schon desshalb anzuzweifeln sind, weil McCloy bereits um die angeblich ausschliessliche britische Verantwortlichkeit in der Auswahl von Bombardierungen deutscher Städte gelogen hatte.


Und dass ist alles gelinde geschrieben Geschichtsverklittung.

sonikrave hat gesagt…

Ach ja, und dann wird sich auch noch auf das eigentliche Urteil aus den Nürnbergern Prozessen berufen, in der bestimmte SS Organisationen von der Schuld befreit wurden, welche auch explizit benannt wurden. Die baltischen SS Legionen gehören nicht dazu.

Letzteres wird allerdings aus estländischer Sicht verschwiegen.

kloty hat gesagt…

Hallo Sonicrave und Schirren,

danke für Euere Kommentare, ich bin definitiv Eurer Meinung.

Sonicrave, wer dreht denn solche Videos?! Würde dem Club gerne beitreten.

Anonym hat gesagt…

Ausschnitt ist aus "Tujurikkuja", Show von Theaterschauspielern

sonikrave hat gesagt…

Solche Spots gibt's ja nun auch in Deutschland.

Allerdings mit einer anderen Deutungsrichtung:

http://www.youtube.com/watch?v=fW3NbGL-p1g

Passt aber auch zu Estland, mit seiner Vielzahl an ethnischen Parteien. Vor allem in Anblick der Farm-Partei, passt doch dass blonde Mädel mit den Lolita-Zöpfchen am Anfang auf dem Feld doch ganz ganz gut rein.

Würde mich jedenfalls nicht wundern, wenn man in irgend einem Dorf in Estland in der Mitte von Estland, solch pathetisches Bild ergeben würde.

kloty hat gesagt…

Hallo Sonicrave,

was mich an dem estnischen Spot gewundert hat, woher so viel Ironie und Selbstkritik kommt. In Deutschland ist ja linke und Antifa Bewegung sehr stark, man weiss, dass Neonazis ein Problem sind, aber so viel Selbsteinsicht in Estland freut mich sehr, dass es Leute gibt, die aehnlich denken und mit ihrer Meinung sich nicht zurueckhalten. Zumindest online bekommt man von diesen Leuten sehr wenig mit, oder vielleicht lese ich die falschen Seiten? Kannst Du mir vielleicht eine Uebersicht von linken estnischen Seiten schicken, ala www.indymedia.org? Danke.

Schirren hat gesagt…

Da ich nicht estnisch spreche, verstehe ich zwar ganz grob, worum es da geht (Neonazi-Casting). Mir ist jedoch der Kontext nicht ganz klar. Das kann einfach eine Parodie auf schwachsinnige Casting-Shows sein ("jetzt suchen die schon Neonazis") oder eine Satire auf speziell estnische Verhältnisse. Könnt Ihr mich bitte aufklären? Was ist die "Tujurikkuja-Show"? Wer macht die?

Anonym hat gesagt…

grundsätzlich schwierig ist die frage, inwiefern sich die esten als am 2. weltkrieg überhaupt beteiligt sehen. dem empfinden der meisten leute hier nach, und ja eigentlich auch ganz praktisch gesprochen, wurde das land schlicht überrollt, und das gleich mehrmals und von zwei verschiedenen mächten. die nazis wie die sowjets haben hier beide gleich mehrmals "aufgeräumt", wobei die nazis halt gerade NICHT diejenigen waren, die auf die esten als volk losgingen - stalin mit seiner russifizierungspolitik hingegen hat genau das gemacht.

aus dieser sachlage heraus ist hier der eindruck entstanden, alles, was hier passiert sei, bewege sich irgendwie ausserhalb der "üblichen" ideologischen diskussion. das verhalten speziell der nationalistisch angehauchten organisationen hier, und das geht sowohl private gruppen an als auch parteien und sogar die regierung, ist dementsprechend zumindest verglichen mit dem rest europas ein wenig realitätsfern und sicher vom rest europas entkoppelt: man sieht sich als nicht zugehörig, stellt für sich fest, ein anderes schicksal erlitten zu haben (was historisch auch durchaus hinkommt; die esten sind ein vergleichsweise winziges volk, deren zahl und überlebenswillen man berücksichtigen muss).

ich bin ein ausländer in estland. in mehr als der hälfte aller fälle habe ich eine andere meinung als die esten; wobei ich dann auch sagen muss, dass es im kontakt mit russen 90% sind, die eine richtiggehend abstruse version der geschichte vertreten. die enorme abwehrreaktion der esten gegen die "antifaschisten" kommt dann auch genau daher: die NKWD-leute gaben sich genau diesen titel und deportierten unter dieser prämisse tausende esten.

faschismus ist schwierig zu definieren. folgt man der klassischen definition, kommt man jedoch sogar an das heutige russland sehr nahe heran. ich konnte mir hier von russen zig male erklären lassen, dass estland russisches territorium sei. im gleichen ton berichten russische medien und schenken dabei den fakten keine grosse aufmerksamkeit - letzte woche berichtete das russische staatsfernsehen darüber, wie den "arbeiterveteranen" der tallinner verkehrsbetriebe die pension weggenommen worden sei - dabei hätten sie die ganze tallinner u-bahn gebaut.

tallinn hat keine u-bahn.

hier liegen bücher auf, die für "geschichtlich belegt" erklären, dass die esten nazis seien und die "menschliche sowjetunion" mit allen mitteln bekämpft hätten. tatsache ist: estland war besetzt. russisch war pflichtfach, sechs lektionen die woche in der schule, estnisch bekam eine lektion. sprach ein este seine sprache, wurde er aufgefordert, eine "menschliche sprache" zu sprechen.

dieselben russen leben heute in einem staat höherer lebensqualität, der ein staatliches gesundheitssystem bietet, pensionen zahlt und den hiesigen russen nur eins abverlangt: eine sprachprüfung. und wenn man sich die sachlage ansieht, ist es nicht diese anforderung, die ein skandal ist, sondern die weigerung eines teils der russischen bevölkerung, anzuerkennen, dass sie in estland leben und nicht auf russischem gebiet.

die diskriminierung, auf die sich die kritik der antifaschisten gründet und mit berufung auf welche sie sich auch ans europaparlament gewendet haben, ist nicht der rede wert. die universitäten bieten kurse auf russisch an; wer's nicht glaubt, braucht sich bloss die websites der unis anzusehen. viele studienabgänger estlands sind russen, wenn man im handwerk arbeitet, ist russisch ein muss und alltagssprache. es gibt russische schulen, ein russisches theater, das russische kulturzentrum tallinns ist eins der imposantesten und besterhaltensten gebäude der stadt. für eine ehemalige besatzungsmacht werden die russen hier sehr gut behandelt, zu repressionen kommt es im täglichen leben kaum.

kloty hat gesagt…

Hallo Anonymous,

vielen Dank für Dein ausführliches Kommentar. Mit Vielem, was Du erwähnst, erkläre ich mich einverstanden, es gibt aber zwei Punkte, auf die ich gerne eingehen würde:

- wobei die nazis halt gerade NICHT diejenigen waren, die auf die esten als volk losgingen

Ich glaube, nur die naivsten unter den Esten haben nicht verstanden, was passiert worden wäre, wenn Nazis nicht 4, sondern 50 Jahre in Estland geherrscht hätten. Nach der Vernichtung der Juden und der Kommunisten, wäre das Teil des Volkes drangewesen, das nicht als Sklaven auf den Feldern eingesetzt werden konnten. Das die estnische Sprache als solche existiert haette, würde ich auch schwer bezweifeln

- Die Diskriminierung ist nicht der Rede wert

Schauen wir uns doch mal ein paar Statistiken an. Die Russen sind überrepräsentiert als:
- Straffällige
- Gefängnisinsassen
- HIV-Infinizierte
- Arbeitslose
- Niedriglohnarbeiter
- Prostituierte
- Drogenabhängige
- Alkoholiker
- Selbstmörder

Ausserdem haben sie eine niedrigere Lebenserwartung

Russen sind unterrepräsentiert (verglichen mit ihrem Bevölkerungsanteil) als:

- Politiker (nicht ein einziger Russe in der Regierung)
- Beamte
- Ärzte
- Juristen (besonders im Staatsdienst)
- hochbezahltes Führungspersonal

Wenn das keine Folgen der Diskriminierung sind, was ist es dann? Mit einer Sprachprüfung ist es nicht getan, viele der Berufe erfordern Sprachkenntnisse, die quasi nur ein Muttersprachler haben kann, so dass der Weg in diese Berufe für Nicht-Esten versperrt ist. Die Sprachkommission macht Jagd auf Lehrer, Verkäufer, Taxifahrer, Krankenschwester, also selbst solche Berufe können von Russen oft nicht ausgeübt werden. Gerade ist eine weitere Verschärfung des Gesetzes über Gebrauch der Sprache in Diskussion, die einzelnen Punkte sind einen eigenen Artikel wert. Ist das keine Diskriminierung?

Schirren hat gesagt…

Phänomene wie eine hohe AIDS-Rate, Alkoholismus, Prostitution und überfüllte Gefängnisse sind auch in Rußland selbst anzutreffen. Auch in Deutschland findet man viele Emigranten aus Rußland (und anderen Republiken der Ex-UdSSR) in diesen Milieus. In Rußland ist das sicher kein Resultat von Diskriminierung, sondern der Spaltung der Gesellschaft in superreich und bettelarm. Bei uns gibt es sicher keine gezielte Diskriminierung russischsprachiger Migranten, aber auch keine geglückte Integrationspolitik.

Mir scheinen diese Auffälligkeiten aber auch darauf hinzuweisen, daß Russen schnell in asoziale Milieus abgleiten, wenn die Lebensplanung nicht glatt verläuft, und dabei noch andere beschuldigen. Ich kenne die Klagen russischer Migranten darüber, wie unfair und starrköpfig die deutsche Gesellschaft sei, dabei sind die Integrationsprogramme für Migranten aus Rußland Ukraine, Kasachstan etc. noch recht gut im Vergleich zu anderen Nationalitäten. Zur Integration gehöre immer zwei. Auch der Migrant muß sich bemühen, muß die Sprache lernen, einen Job finden und akzeptieren. Ich habe das Gefühl, daß Russen hier große Probleme haben. Wenn dann auch noch eine gewisse Überheblichkeit gegenüber dem Gastland (wie im Fall Estland) dazukommt, und vermeintliche sowie echte Schikanen, dann kann das nicht gut gehen.