Sonntag, Juni 24, 2007

Short takes über Estland

1. Preis für den Paranoiker des Monats geht an: Generalmajor Ants Laaneots, seines Zeichens der Chef der Verteidigungsstreitkräfte Estlands. Der frühere sowjetische Oberst hat schon mehrfach Russland als die größte Bedrohung für die Sicherheit Estlands bezeichnet. Auf einem Symposium der Offiziere-Reservisten forderte er besondere Aufmerksamkeit für die Gefahren, die nicht nur von Russland ausgehen, sondern auch von den in Estland lebenden Russen, auch wenn sie estnische Staatsbürger sind. Selbst die Verteidigungsfähigkeit Estlands sei in Gefahr, weil bei den Wehrpflichtigen der Anteil der russisch-sprachigen Soldaten sich signifikant erhöht habe, während der Anteil der estnisch-sprachigen gesunken sei.

Weiterhin bezeichnete er, dass die April-Unruhen nicht spontan gewesen seien, sondern eine "grosse, von höchsten politischen Kreisen unterstützte, gut durchdachte und vorbereitete Sonderoperation der Russischen Föderation gegen Estland" gewesen wäre.

"Russland spricht über die Bewachung der russisch-deutschen Gaspipeline und deren Verlegung, aber das ist nur ein Vorwand, um die Militärflotte in unserer Region bedeutend zu erhöhen. Nehmen Sie eine Karte und sie sehen selbst, welche Änderungen die Pipeline nach sich ziehen wird und die sie "bewachenden" Kriegsschiffe" zitiert seine Worte die Eesti Päevaleht.

Letzten Samstag starben in Afghanistan zwei estnische Soldaten. Noch zwei wurden schwer und zwei leicht verletzt.

2. 26. Juni ist ein Gedenktag an alle Folteropfer. An diesem Tag wird in Europaparlament eine Veranstaltung unter dem Titel "Folter in heutigen EU ist Realität" abgehalten an der zwei während der Bronzenen Nacht Verhafteten über ihre Erlebnisse sprechen werden. Die Einladung erfolgte übrigens von Tatjana Ždanok, der einzigen Vertreterin der baltischen russisch-sprachigen Minderheit, die für Lettland in Europaparlament in der "Grünen" Fraktion einen Sitz hat.

3. Eine Frage an die verehrte Leserschaft. Hat von Euch jemand gute Kontakte zu Amnesty International? Ich habe versucht die Münchener Niederlassung zu kontaktieren, ohne irgendein Ergebnis. Das Zentrum für Menschenrechte in Estland hat mich gebeten ihren letzten Bericht an Amnesty zu leiten, was ich mangels von Kontakten nicht tun kann.

4. Noch eine Frage an die verehrte Leserschaft. Kann mir jemand sagen, wer die junge Dame ist, die in diesem Clip singt? Selbst unabhängig vom Thema ist eine weibliche Ausgabe von Marylin Manson etwas Neues, nur fürchte ich, dass sie kaum zu Eurovision als Vertreterin Lettlands geschickt wird.

12 Kommentare:

Michele Boselli hat gesagt…

ciao, nice blog, visit mine

Anonym hat gesagt…

Höchstwahrscheinlich waren die April-Unruhen tatsächlich nicht nur spontan. Man darf die politische Dimension dabei nicht unterstellen.

Anonym hat gesagt…

Vor den Unruhen (bzw. Pogrom) traf der Berater der Russischen Botschaft in Tallinn Sergei Overtschenko sich mit Dmitri Linter (sitz im Knast) im Botanischen Garten von Tallinn. Was hatten blos zu bereden?

Russlands Einmischung ist ja offensichtlich.

Anonym hat gesagt…

Dmitri Linter war einer der Anstifter.

kloty hat gesagt…

Bisher hat mir noch keiner erklären können worin denn die Anstiftung bestand? Anstiftung zum Bronzenen Soldaten zu gehen? Es kursierte tatsächlich eine E-Mail mit dem Aufruf zum Denkmal zu kommen? Von wem diese Mail ursprünglich stammte ist recht schwer zu beweisen. Und mache ich mich wirklich strafbar wenn ich E-Mail an meine Bekannte verschicke in der ich einen bestimmten Treffpunkt vorschlage und zu keinen Straftaten aufrufe? Dann gab es die SMS von Mark Syrik, in der angeblich Geld versprochen wurde fuer die, die sich am Denkmal versammeln. Mehrere Empfänger der SMS haben inzwischen dementiert, dass dort etwas von Geld drin stand.

Oder bestand die Anstiftung darin, die Polizei mit Steinen zu bewerfen, oder Lädenvitrinen zu zertrümmern. War es etwa Dimitri, der den ersten Stein geworfen hat? Hat er eine Vitrine eingeworfen, einen Kiosk ausgeraubt?

Wie ich schon in einer älteren Post geschrieben habe, es wäre mir lieber, wenn jemand die Demo professionel organisiert hätte, dann hätte die Krawalle evtl. verhindert werden können, denn die Organizatoren hätten die betrunkenen Randallierer besser als die Polizei im Griff gehabt. So war das eine unkontrollierbare Menschenmenge, die rasend wurde.

Und was das Treffen von Dmitri Linter mit Berater der Russischen Botschaft angeht, seit wann ist es denn verboten sich mit Botschaftern eines fremden Landes zu treffen? Dass Russland mit Interesse die Ereignisse in Estland verfolgt (leider mit viel groesserem Interesse als der Rest Europas) ist kein Geheimniss, also warum darf nicht ein Angehöriger der russischen Botschaft sich mit der ausserparlamentarischen Opposition treffen, um deren Sicht der Dinge zu erfahren? Trifft sich etwa nicht die Bundeskanzlerin Merkel mit der Organization der Soldatenmütter Russlands? Lädt nicht die Sabine Christiansen Vertreter der Bündnisses "Anderes Russland" bei sich in die Sendung ein? Oder hat Estland Angst vor radikalen ausserparlamentarischen Opposition und versucht jede Bewegung zu unterdrücken, die nicht im Einklang ist mit den Meinungen in Parlament ist? Und bevor mir hier jemand mit der finanziellen Unterstützung Russlands für die Konstitutionelle Partei kommt, wieviel Geld bekommen die Reformisten und Isamaa von ausländischen Banken?

Wenn ich solche Kommentare lese, sehe ich, dass Paranoia nicht nur in der Regierung herrscht, sondern auch in der Bevölkerung wuchert.

Anonym hat gesagt…

"warum darf nicht ein Angehöriger der russischen Botschaft sich mit der ausserparlamentarischen Opposition treffen, um deren Sicht der Dinge zu erfahren?"

Die "Sicht der Dinge" können die Herrschaften von der Botschaft auch aus der Russischen Presse in Estland erfahren. Overtschenko und Linter trafen sich ümbrigens mehrmals.

Bevor den Unruhen hat die Konstituzionspartei von Zarenkov Agitationsgruppen organisiert um in Kaserene zu Agitiern dass die Militärs sich während eines Konflikts nicht einmischen sollten. Die Jungs hatten schon früh an so etwas gedacht!

"Anderes Russland" bei Christiansen ist kein guter Vergleich weil sie keine Diplomatin ist und ja wie wir ja schon wissen treten im Russischen Fernsehen auch extremisten wie Klenski und Linter auf treten.

Meines wissens nach hat Linter mit Unruhen schon im Sommer 2006 gedroht. Wieso wird er den festgehalten wenn er nix gemacht hat?

Anonym hat gesagt…

Wie schön, Zarenkov, Linter und Sirõk auf einem Bild:

http://www.postimees.ee/090507/esileht/siseuudised/259712_foto.php#33

Zarenkovs Partei bekommt finanzielle Unterstützung von dem Russischen Staat und nicht von "Banken".

Anonym hat gesagt…

Ausserparlamentarische was..? Solche meinungen verteten auch Savisaar und seine Keskerakond (Zentrumpartei) und die haben 29 Plätze im Parlament (2. grösste Partei).

Anonym hat gesagt…

gg Paranoia bin ich auch, und gg Naivität genauso. Kloty, wir wissen das noch nicht, ob und inwiefern Russland sich dahin einmischte. Leider ist es aber denkbar, und nicht nur theoretisch. Also, warten wir ab.

Apropos - es freut mich, dass Ihr estnisch könnt.

kloty hat gesagt…

Lieber Martin, lieber m (seid ihr eigentlich ein und dieselbe Person?),

Herr Overtschenko und Herr Linter waren bis zur Bronzenen Nacht beide freie Personen, die nicht Mitglieder in verbotenen Organizationen sind (oder war/ist Notchnoj Dozor in Estland offiziell verboten?), also können sie sich treffen wann und wo es ihnen beliebt. In Deinem Posting beschuldigst Du indirekt einen russischen Botschaftsangehörigen der Spionage und der Einmischung in die Staatsangelegenheiten Estlands. Beweise? Nur wenn Du und die estnische Presse sich was einbilden, heisst es noch lange nicht, dass es wahr sein muss. Statt handfeste Beweise vorzulegen, wurde wild über russische Duma-Computer rumgesponnen, die die estnische IT-Infrastruktur angreifen, Vorwürfe, die sich in wenigen Tagen als blanker Unsinn rausgestellt haben.

Vielleicht war es ja ganz gut, dass Zarenkov agitiert hat, dass die Armee sich nicht einmischen soll. Dass es Unruhen geben wird habe ich schon im Januar geschrieben, stell Dir vor was waere passiert, wenn sich (nach dem Worten von Laaneots eh viel zu russifizierte) Armee auf die Seiten der Verteidiger des Denkmals gestellt hätte?

Zu dem Vorwurf der Unterstützung der Konstitutionellen Partei seitens des russischen Staates. Viel Geld kann da nicht geflossen sein, mit Geld hätte man eine viel wirksamere Wahlkampagne organisieren können und hätte viel mehr als 1% der Stimmen bekommen. Wenn Geld aus Russland fliessen würde, warum hat man Zarenkov vor einer Woche als Vorsitzenden ausgetauscht, weil er viel zu prorussisch ist? Wiedermal, wo sind die Beweise?

Zum Begriff der Ausserparlamentarischen Opposition bitte hier nachschauen. Die Zentristenpartei hat sich viel zu spät gegen den Abriss des Denkmals ausgesprochen, immerhin haben sie das Gesetz unterzeichnet auf dessen Grundlage der Abriss stattgefunden hat. Ausserdem ist Savisaar berüchtigt dafür auf estnisch ganz andere Sachen zu sagen, als auf russisch.

Was Einmischung Russlands angeht. Klar hat Russland innenpolitisch Kapital aus der Stimmung gegenüber Estland gewonnen. Klar will Russland auch aussenpolitisch Kapital draus schlagen. Nur dass Russland sich aktiv an den Unruhen beteiligt hat, halte ich fuer ziemmlichen Unsinn.

Was wollen wir denn abwarten? Bessere Zeiten? Solange Menschen wie Ansip, Laaneots, Parts an der Macht sind und die russisch-sprachige Bevölkerung und ihre Bedürfnisse nicht ernst nehmen, wird Estland ein Kessel bleiben, aus dem gelegentlich Dampf rauskommen wird.

Anonym hat gesagt…

Nach Art. 41, 1. der Wiener konvention sind Diplomaten: "Sie sind ferner verpflichtet, sich nicht in dessen innere Angelegenheiten einzumischen".

Das hat Overtschenko allerdings gemacht, sich eingemischt.In welcher Zeile hab ich was über Spionage gesagt?

Die Estnische Armee ist nicht "russifiziert", doch gibt es viele Russischsprachige die dort Wehrdienst leisten. Die Russen in der Estnischen Polizei haben gute Arbeit geleistet um die Marodöre zu stoppen und haben sich nicht auf ihre seite gestellt. Die Marodöre und Randalierer waren meistens vorbestrafte die nur zestören und klauen wollten.

Zarenkov hat seine Wahlniederlage Keskerakond zu verdanken das ihnen Russische Stimmen weck schnappt. Wo hast du gelesen das er deswegen ausgetauscht wurde?
Auch in Anspips Partei sind Russen wie Tatjana Muravjova die auch im Parlament sitzen. Generell wählen Russen in Estland estnische Parteien.

Estnische Presse? Diese Informationen haben sie vom Innenlandsgeheimdienst. Lies ihr Jahrbuch wenn du Beweise willst.

Welche Bedürfnisse meinst du? Es ist doch klar dass sie Estnisch lernen müssen um weiter zu kommen. Dann bekommen sie auch die Bürgerschaft. Sie doch wie weit Wolkonski gekommen ist oder Viktoria Ladõnskaja die bei Eesti Ekspress arbeitet.

Estland ist bestimmt kein "Kessel". Die Lage hier ist eigentlich sehr Ruhig. Nachoi Dozor ist nicht verboten aber hat sich marginalisiert.

kloty hat gesagt…

Lieber m,

definiere das Wort "Einmischung". Hat sich Overtschenko öffentlich eingemischt? Hat er Linter Geld oder sonstige Unterstützung gegeben? Bis heute gibt es kein stichhaltiges Beweis, dass die Unruhen von Russland gesteuert wurden.

Sprichst Du von der Polizei, die nicht mal Nummern als Erkennungszeichen trug, damit man identifizieren konnte? Die Polizisten in Terminal D konnten sich in Sicherheit wiegen, weil niemand eine Beschwerde über sie schreiben konnte, da sie nicht identifizierbar waren.

Ueber den Austausch Zarenkovs habe ich hier gelesen. Es ist sehr richtig, dass Keskerakond der Konstitutionellen Partei Stimmen weggeschnappt hat und zwar weil Keskerakond über viel, viel mehr Geld verfügt hat, als die Konstitutionelle Partei. Übrigens weisst Du bestimmt auch, dass Keskerakond gute Beziehungen zu Einiges Russland hat, aber noch hat keiner Savisaar beschuldigt, Geld von Moskau angenommen zu haben.

Was Tatjana Muravjeva angeht, wenn ich mal die Kommentare auf Delfi lese, die schlimmste Beleidigung für einen in Estland lebenden Russen ist es mit Evgeny Kristaphovich verglichen zu werden, die zweitschlimmste mit Muravjeva und die drittschlimmste mit Michael Lotman. Dass diese Personen die Mehrheit der russischen Minderheit hinter sich haben, wage ich zu bezweifeln.

Meinst Du etwa das Jahrbuch der KaPo in dem die einzige Menschenrechtsorganization, die sich fuer die Verletzung der Menschenrechte während der Bronzenen Nacht interessiert hat www.lichr.ee des Extremismus beschuldigt wird? Dort, wo gesagt wird, dass 20 Mitarbeiter von lichr.ee Mitglieder der Konstitutionellen Partei sind und deswegen Extremisten? Alexej Semjonov, der Leiter dieser Organization in Estland stellte klar, dass nur ein Mitarbeiter, der nicht mal fest angestellt ist, Mitglied der Konstitutionellen Partei ist. Übrigens, kannst Du mir vielleicht einen Link geben, wo ich das Jahrbuch mal nachlesen kann? War das nicht so, dass die Verbreitung dieses Jahrbuches durch Internet verboten wurde?

Wie es aussieht reichen Estnisch-Kenntnisse und die estnische Staatsbürgerschaft nicht aus, um in der estnischen Gesellschaft akzeptiert zu werden und sich Gehör zu verschaffen. Das Gerede von Okkupanten und der 5. Kolonne Russlands wird auch dann nicht verstummen, wenn alle Russen estnisch sprechen. Der Umgang der estnischen Regierung mit dem Bronzenen Soldaten hat alle Russen betroffen gemacht, unabhändig davon, ob sie nun Bürger Estlands sind oder nicht, ob sie die estnische Sprache sprechen oder nicht. Das Selbstverständnis von Russen und Esten bleibt verschieden und wenn die beiden Seiten das akzeptieren und ohne Vorurteile miteinander auskommen, dann könnte es in Estland tatsächlich ruhig werden.