Zum ersten Mal seit 18 Jahren ist die Zahl der Menschen, die Arbeit in Estland verloren haben, über 100 Tausend gesprungen. Dabei wächst die Arbeitslosigkeit im dritten Quartal diesen Jahres unter den Nichtesten 10 Mal schneller als unter Esten. Selbst der recht regierungstreue Nachrichtenportal des estnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens novosti.err.ee hat zwei (eins, zwei) kritische Artikel veröffentlicht, die ich hiermit übersetzen möchte.
Um sich vorstellen, wie gross die Armee der Arbeitslosen in Estland ist, genügt es die Aufnahmen vom Sängerfest Anfang Juli anzuschauen. Damals kamen 50 000 Zuschauer. Arbeitslose sind es in Estland zweimal so viele.
Laut den Daten des Statistischen Amtes wurde Ende September die Zahl der Arbeitslosen mit 102 000 angegeben. Jeden Tag kommen einige Dutzend Leute zum Arbeitsamt. Einige haben vor kurzem Arbeit verloren, andere sind mehr als ein Monat ohne Arbeit. Einige haben die Hoffnung aufgegeben eine neue Arbeit in den nächsten Monaten zu finden.
Die Analysten des Statistischen Amtes widmen sich mit besonderen Aufmerksamkeit denen, die schon aufgegeben haben, eine neue Arbeit zu finden. Unter den Arbeitslosen sind es 11 Tausend oder jeder Zehnte. Laut dem Ökonomen Heido Vitsut ist das eines der größten Probleme für die Wirtschaft des Landes.
"Wenn der hohe Stand der Arbeitslosigkeit eine längere Zeit andauern wird, wird es zu einem grossen sozialen Problem und wird Leute aus der Menge der Arbeitsfähigen rauswerfen. Und wenn irgendwann die wirtschaftliche Lage wiederhergestellt wird, dann werden sie am Arbeitsmarkt nicht mehr gebraucht." - bemerkt Vitsut.
Wenn Anfang diesen Jahres das Tempo der Arbeitslosenzuwachses unter den Esten und Nichtesten ungefähr gleich war, so wurde von Juli bis September unter den Esten nur 0,3% Arbeitslose mehr, während unter den Nichtesten die Arbeitslosigkeit 10-mal schneller gewachsen und gleich um 3% hochgesprungen ist. Jetzt ist unter den Nichtesten jeder fünfte ohne Arbeit.
Im Bericht des Statistischen Amtes gibt es auch eine positive Dynamik. Im dritten Quartal hat sich das Tempo der Absenkung der Beschäftigung verlangsamt. Es könnte auch eine kaum beruhigende Erklärung geben: es könnte wegen saisonalen Arbeiten in den Sommermonaten gewesen sein.
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Die Arbeitslosen bekommen 270 Tage Arbeitslosengeld, danach können sie nur mit 1000 Kronen (ca. 64EUR) Unterstützung rechnen, die aus dem Budget der Kommunen bezahlt werden.
Der Staat hat diese Leute nicht abgeschrieben, doch kann der Staat die Unterstützung unmöglich bezahlen, sagte der estnische Premierminister Andrus Ansip in Vikerradio. "Die Unterstützung wird vom estnischen Staat und Volk bezahlt. Das ist zu was für den gegebenen Moment die Steuerzahler fähig sind" - ergänzte Ansip.
Der Premierminister unterstrich, dass jeder, der ohne Arbeit geblieben ist, an sich arbeiten sollte. "Meine Botschaft an sie ist es sehr intensiv zu arbeiten um eigene Qualifikation zu erhöhen. Ohne Zweifel ist es notwendig viel Mühe zu investieren, um eine Arbeit zu finden" - ergänzte er.
"Wir finden es nicht möglich die gestrichenen Arbeitsplätze mit dem Geld der Steuerzahler zu kompensieren", - sagte Ansip.
Der Premierminister fügte hinzu, dass es Arbeitsplätze erst dann geben wird, wenn der Umfang der Produktion zunehmen wird. "Es ist bekannt, dass wenn man Wirtschaftswachstum beobachten kann, auf dem Arbeitsmarkt der Abschwung weitergeht. Es ist mindestens ein Jahr notwendig, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden" - gab er sich überzeugt.
Laut Ansip ist die Schaffung von sozialen Arbeitsplätzen in Tallinn nichts anderes als Beleidigung für die Arbeitslose. "Nach meiner Bewertung wenn man 93 Leuten Lohn zahlt, die in neonfarbene Vesten steckt und in den Bahnen fahren lässt - ist es Beleidigung für die Leute. Die Bemühungen Tallinns haben die Leute in neonfarbenen Vesten allen sichtbar gemacht", sagte der Premierminister.
Bei dem Gespräch über die vor kurzem stattgefundenen Kommunalwahlen, äusserte sich Ansip dahingehend, dass die Wahlkampagne der Zentristen unehrlich gewesen wäre, da ihr Hauptziel die Verbreitung der Angst unter den Wählern gewesen ist. "Edgar Savisaar sagte mehrmals, dass die Krone direkt nach den Wahlen entwertet wird. Damit haben die Zentristen erreicht, dass andere Parteien ihre absurden Behauptungen widersprechen mussten", erklärte er.
Auch hätte, laut Ansip, Savisaar gelogen, als er sagte, dass die Regierung einen Plan zur Kürzung oder Besteuerung der Renten hätte.
"Als die Zentristen die Wahlen gewonnen haben, wollten sie ihre Macht noch weiter festigen. Mit diesem Ziel ist der Vorschlag um die Vereinigung mit der Volksunion unterbreitet worden", ergänzte er.
Ansip hob heraus, dass da die Zentristen in der Hauptstadt die meisten Sitze in dem Stadtrat bekommen haben, so werden die Sozialdemokraten, die man zu Koalitionsgesprächen eingeladen hat, nur die Rolle des "kleinen Bruders" spielen.
"Wenn ist ein Mitglied der Sozial-Demokratischen Partei wäre, würde ich den Vorschlag der Zentristen über die Schaffung einer Koalition nicht annehmen. Doch natürlich ist die Position der Sozialdemokraten nicht die beste. Wahrscheinlich haben sie eine Strategie,wie man die Situation ändern könne", ergänzte der Premierminister.
"Ich glaube nicht, dass aus dieser Union (Zentristen und Sozialdemokraten) eine neue politische Kultur geboren werden kann, wie es Peter Kreuzberg (Vize-Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei) versprochen hat", ist sich Ansip sicher.
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Mein Kommentar: Geht es noch menschenverachtender?
Montag, November 16, 2009
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