Donnerstag, Februar 16, 2012

Diskriminierung andersrum

Am 18. Februar findet in Lettland eine Volksabstimmung um die Verfassungsänderung statt. Dabei geht um die Frage, ob die russische Sprache zur zweiten offiziellen Sprache Lettlands werden soll. In anderen europäischen Ländern haben viel kleinere Sprachminderheiten zumindest gebietsweise sprachliche Autonomie erreicht, wo ihre Sprache gleichberechtigt mit der Staatssprache ist. Aber auch mehrere offizielle Staatssprachen sind keine Seltenheit in Europa, weltweit ganz zu schweigen.

Doch hören wir uns doch mal die Argumente der Gegenseite an. Dazu ein Interview mit Anton Kursitis, der der Leiter der Kontroll-Abteilung der Zentrums der Staatssprache ist, also vergleichbar mit der estnischen Sprachinspektion (oder wie es umgangssprachlich oft heisst, der Sprachinquisition).

"Leute, die nicht russisch sprechen, werden in Lettland jetzt noch mehr diskriminiert, als während der Jahre der Okkupation, behauptet in einem Interview Latvijas Avīzе Anton Kursitis.

Auf der Tagesagenda des Sejms steht eine Korrektur des Arbeitsrechtgesetzes an, die den Arbeitgebern es verbietet grundlos Fremdsprachenkenntnisse bei seinen Angestellten zu fordern. Kursitis ist beunruhigt, denn der Progress der Korrekturen geht sehr langsam voran und betont, dass die Politiker nicht verstehen, dass man den Teil der Nation schützen muss, die kein Russisch spricht.

"Mir selbst tut es weh, dass die Vertreter der staatsbildenden Nation, die nicht Russisch verstehen, gezwungen sind auf der Arbeitssuche nach Europa auszuwandern. Leider verstehen das viele lettischen Politiker nicht oder wollen es nicht verstehen, dass man den Teil der staatsbildenden Nation, der nicht russisch spricht, beschützen muss, denn momentan wird sie mehr diskriminiert als zu der Zeiten der Okkupation" - behauptet Kursitis. Er denkt, dass diese Korrekturen sinnvoller wären, als "Verschwendung von Millionen von Lats für die mythischen Integrationsprogramme".

"Wenn in Firmen Letten und Russen arbeiten, dann sollten die Betriebsversammlungen teilweise in beiden Sprachen ablaufen. Bisher wird in solchen Firmen alles ausser der Buchhaltung und der Dokumentation in Russisch gemacht. Es gibt keine Integration, weil die lettische Minderheit weder in Riga, noch in Daugavpils die russische Mehrheit integrieren kann" - sagt der Wächter der Sprache.

Gleichzeitig griff er die Letten an, die ihre Rechte nicht verteidigen. "Die Letten sind wunderbare Diener, aber schwache Landesherren in ihrem Land. Ich bin sehr betroffen von dem Begriff "Lettische Gemeinde" in Lettland. In anderen Ländern wäre die staatsbildende Nation beleidigt, wenn man sie auf die Ausmasse einer Gemeinde geschrumpft hätte, doch in Lettland muckt kaum einer auf. Ich habe nicht gehört, dass unsere höchsten Repräsentanten auf solche Beschuldigungen reagiert hätten" - kommentiert Kursitis.

Er vertrat die Meinung, dass nach dem Referendum am 18. Februar beide Seiten enttäuscht sein werden. Die einen bekommen nicht den Status einer Staatssprache für Russisch, die anderen behaupten nicht die lettische Sprache als die einzige.

"In den Klagen, die wir bekommen, spüren wir dass die Stimmung in der Gesellschaft angespannter wird. Früher beklagte man bei uns Situationen wenn jemand in Dienstleistungssektor nicht lettisch gesprochen hat, in der letzten Zeit gibt es immer mehr Situationen wenn gefordert wird: "Sprechen Sie in meiner, in russischen Sprache". Diese Leute meinen offensichtlich, dass es schon zwei Staatssprachen gibt. Unabhängig vom Ausgang des Referendums werden solche Fälle zunehmen" - vermutet Kursitis.

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