Dieser Artikel ist eine Übersetzung aus Postimees
In 2001 starben in Estland an Drogenüberdosis 38 Leute. Im selben Jahr wurde eine lange und gründliche "Staatliche Strategie gegen Drogen bis Jahr 2012" vorbereitet. Jetzt ist sie ausgelaufen.
Im letzten Jahr starben in Estland an Überdosis schon 160 Leute. Dies ist ein Rekord, der höchste Stand unserer gesamten Drogengeschichte. Wenn man diese Zahl der Zahl unserer Bevölkerung gegenüberstellt, dann stellt sich heraus, dass wir auf dem ersten Platz in der EU sind. Bei uns sterben im Jahr auf hunderttausend Menschen acht mal mehr Menschen wegen Drogen als im EU-mittel.
Ein Paradoxon der Polizeiarbeit
Dabei ist die Zahl der anderen unnatürlichen Todesfälle in diesem Jahrzehnt gesunken. Zum Beispiel ist die Zahl der Toten bei den Verkehrsunfällen auf die Hälfte gesunken. Es gibt dreimal weniger Morde. Die Zahl der Ertrunkenen ist um fast das dreifache gesunken, ebenso die Zahl der Brandopfer.
"Es gibt keinen Sinn zu versuchen sich herauszuwinden - trotz der ausgezeichneten Drogenstrategie muss man anerkennen, das wir gescheitert sind" - gibt der Polizeimajor der Zentralen Kriminalpolizei Risto Kasemäe zu.
Unter diesem "wir" meint er nicht nur die Polizei, aber die gesamte Antidrogentätigkeit des Staates. Natürlich kann man sagen, dass die Zahl der Drogentoten nicht der einzige Fakt ist. Wenn man was positives sagen möchte, könnte man erwähnen, dass laut den Umfragen, haben in den vergangenen Jahren weniger Jugendliche damit angefangen mit Amphetaminen zu experimentieren, und die Zahl der fixenden Drogenabhängigen hat sich etwas verringert.
Doch die Wahrheit ist, dass insbesondere was die Fixer angeht, bekam man diese Zahlen auf indirektem Wege, genau kann man sie nicht messen und die Abweichung kann recht hoch sein. Die Arbeiter in dieser Szene sprechen über 5000 - 20000 fixende Süchtige.
Solch eine grosse Schwankung sagt nur aus, wie ungenau die Information über die Verbreitung der Drogensucht ist. Der Mangel an Information ist schon an sich ein Problem.
Auf diese Weise stellt sich heraus, dass die einzige genau erfasste Zahl ist die Anzahl der Drogentoten, die aus den Untersuchungen des Institutes für Gerichtsmedizin sich ergibt.
"Man muss verstehen, dass falls das Problem der Drogensucht sich in der Gesellschaft verwurzelt hat, dann muss man schon für den Erhalt des Status Quo sichtbare Anstrengungen unternehmen" - meint der Direktor des Instituts für die Gesundheit Maris Jesse.
Der Kampf gegen die Drogen ist voll von Paradoxen, besonders für die Polizei. Im letzten Jahr konfiszierten die Polizisten mehr Fenanyl, die Lieblingsdroge der Fixer, als in den letzten Jahren.
Sie beschlagnahmten 1.5 Mio. von kriminellem Geld, was um die Hälfte höher war, als im Jahr 2011. Wenn im Jahr 2007 330 Drogenverbrecher im Gefängnis landeten, so im Jahr 2011 schon 561.
"Wir messen unsere Arbeit mit allen möglichen Maßen und alle zeigen sie Verbesserung der Lage" - sagen die Polizisten. Doch es gibt mehr und mehr Drogentote.
"Im letzten Monat hat die Põhja-Präfektur eine größere Operation gegen Drogen organisiert. Dabei sind im Dezember nur vier Drogenabhängige wegen Überdosis gestorben - die kleinste Zahl im ganzen Jahr" - bemerkt Risto Kasematte.
"Wenn ich billige Popularität haben möchte, so könnte ich einfach sagen: Da schaut mal, wir haben eine große Operation durchgeführt und es gab weniger Todesfälle. Doch die langjährigen Erfahrung zeigt, dass es keine Verbindung zwischen der Polizeiarbeit und der Anzahl der Todesfälle gibt" - sagt der Polizeimajor.
Geld ist kein Zauberstab
Verständlich, dass in solchen Situation wenn die Daten sich widersprechen und die Leute keine genauen Gründe und Folgen angeben können, ist es schwer zu bewerten, was falsch gemacht wurde.
Vielleicht war die zehnjährige Strategie der Prophylaxe nichtig? Nein, war es nicht, so behaupten zumindest die Experten, die estnischen und die ausländischen, die Strategie war richtig, es wurde die Erfahrung in Estland und in anderen Ländern berücksichtigt.
Vielleicht ist der Grund das Fehlen von Ressourcen, Geld und Leute? Das ist ein einsichtiger Grund. Die Finanzierung des Kampfes gegen die Drogen ist zeitweise wirklich instabil. So wurde das Budget des Instituts für Gesundheit (TAI) im Jahr 2009 um 30% gekürzt, deswegen stoppte für mehrere Jahre die Weiterentwicklung des Kurierens und der Rehabilitierung.
Doch ist auch Geld nicht der einzige Grund. Zum Beispiel nimmt in der Statistik der Drogentoten in Europa den zweiten Platz nach Estland Norwegen ein. Das ist das reichste Land in der Region in dem es kein Geldmangel geben kann.
Als dritten Grund kann man als Besonderheit den Gebrauch der Drogen in Estland nennen. Fentanyl und 3-Methylfentanyl, die man in Westeuropa praktisch nicht kennt, sind in Estland die beliebtesten Drogen der Fixer.
Sie sind 100-1000 mal stärker als Heroin, das bedeutet, dass noch schneller der Rausch eintritt und noch schneller eine ständige Abhängigkeit entsteht, und das Risiko der Überdosis steigt auch. Für die Drogendealer ist es einfacher damit zu handeln und für die Polizei schwieriger danach zu suchen.
Zum Beispiel ist im letzten Jahr fiel in die Hände der Polizei 1.6 Kilo dieser Droge. Sie war in einem kleinen Päckchen, doch diese Menge reicht für 50 000 Dosen. Die Menge an Fentanyl, die in eine Streichholzschachtel passt, gibt dem Drogenhändler denselben Gewinn, wie der Heroin im Umfang eines Ziegelsteins. Welche der Droge kann man leichter verstecken?
Unzweifelhaft sollte man als noch einen Grund kann man mangelhaftes Arbeiten nennen. Ein kurioses Beispiel: Vor 10 Jahren hat die Polizei gewarnt, dass man in die Liste der verbotenen Substanzen γ-Butyrolacton (GBL) aufnehmen sollte, die ein Ausgangsstoff für die Synthese des γ-Hydroxybutansäure (GHB), dass man als "Club-Droge" oder "flüssiges Extasy" bezeichnet.
Jetzt befindet sich der Gesetzesentwurf in Riigikogu, nach der ersten Lesung wurde er wegen Probleme mit der Formulierung abgewiesen. Während der letzten 10 Jahre wurden aus GBL hunderte Liter an GHB gebraut…
Doch zusammen mit diesen vorgestellten Einzelheiten ist der wichtigste Aspekt der Bezug der Gesellschaft zu diesem Thema.
"Solange bis bei den in Delfi publizierten Artikeln über Drogen 90% der Kommentare im Stil "Der beste Fixer ist ein toter Fixer" sind, wird sich nichts zum Besseren wenden" - meint Kasemäe. Er fragt sich, ob die Gesellschaft sich dieses Thema annehmen will und ist die Lösung dieses Problems attraktiv für die Politiker, anders gesagt, gibt sie ihnen Popularität und Wählerstimmen.
Die Erfolge sind unbedeutend
Und noch eine Nuance: wenn vor fünf Jahren der typische Fixer ein junger Mann der russischen Nationalität aus Lasnamäe gewesen war, so hat sich in der jetzigen Zeit das Profil geändert. Fast die Hälfte der Drogenabhängiger sind jetzt Esten, unter denen kann man auch berühmte und erfolgreiche treffen.
Die Polizisten sagen, wenn wegen Drogen ein berühmter Mensch stirbt, dann wird das verschwiegen und man nennt nicht die Dinge bei Namen - starb an Überdosis.
Im Ergebnis fühlen sich die Leute, die gegen die Drogen kämpfen, immer mehr niedergeschlagen. Es gibt viele Anstrengungen, aber keine Ergebnisse. Bis heute ist die Frage ungelöst, wie man letztendlich der Gesellschaft die Schwere des Problems vorführen kann.
Die Leiterin der Abteilung der Prophylaxe der infektiösen Erkrankungen und Drogensucht Alena Kurbatova zieht ein Resümee der letzten zehn Jahre mit einigen Phrasen: Die Tätigkeit war unkoordiniert, ein Misserfolg wäre auch, dass man die Ansichten der Gesellschaft nicht ändern konnte. "Das Problem wurde nicht größer, doch über Erfolge können wir nur auf einigen Gebieten sprechen" - sagt sie.
Doch vielleicht bewegt sich das Eis endlich? Im Frühling letzten Jahres hat der Innenminister Ken-Marti Vaher (IRL) eine Regierungskommission zur Vorbeugung der Drogensucht formiert, in die Vertreter verschiedener Berufe und Organisationen eingetreten sind, von Polizisten und Psychiater bis zu Studentenvertretungen.
Keine Kommission oder Handlungsprogramm wird das Problem lösen, doch ist vielleicht die Erschaffung der Kommission ein Zeichen? Ein Zeichen dessen, dass zumindest ein Minister etwas erreichen möchte und da an einen Tisch Spezialisten aus so unterschiedlichen Gebieten sich zusammensetzten, vielleicht gelingt dann auch die Zusammenarbeit.
Damit es nicht so wird: Die Polizei macht das eine, die Zentren für den Umtausch von Spritzen was anderes, es gibt irgendwelche Freiwillige, doch im ganzen verbessert sich die Lage nicht und es gibt immer mehr Drogentote.