Für diesen Artikel möchte ich mich bei Hiie-Jaanika bedanken, die mir die estnischen Zeitungsartikel rausgesucht und übersetzt hat.
Irgendwann in den 90er Jahren habe ich ein Paket per Post aus Estland bekommen. Nachdem ich mit dem Absender gesprochen habe, hat sich herausgestellt, dass ca. die Hälfte der Gegenstände, die er beigelegt hat, fehlten. Das war meine erste Erfahrung mit der estnischen Post.
Seitdem sind viele Jahre vergangen, bekomme Briefe aus Estland, schicke viele Päckchen und Briefe, sie kamen alle an. Allerdings kann man beobachten, wo gerade das Päckchen hängengeblieben ist. Immer ist es der gleiche Muster, Deutschland hat das Päckchen innerhalb von 3-4 Tagen verlassen und dann dauert es noch 1,5-2 Wochen, bis es in Tallinn zugestellt wird. Warum die estnische Post so lange braucht, um innerhalb von Tallinn ein Päckchen auszuliefern ist mir nicht klar.
Am 10.12.12 schickte ich einige Weihnachtskarten nach Estland. Angekommen ist sie in der ersten Januarwoche, war also drei Wochen unterwegs. Die Weihnachtskarten innerhalb Deutschlands brauchten wenige Tage. Spricht nicht für die Leistungsfähigkeit der Eesti Post. Es gibt allerdings noch einen anderen Verdacht, warum die Weihnachtskarten besonders lange brauchen.
In den estnischen Zeitungen häufen sich Artikel, dass bei der estnischen Post die Briefe systematisch durchleuchtet und aufgemacht werden, um das mitgeschickte Geld zu entwenden. In diesem Artikel in Õhtuleht wird beschrieben, wie eine Geburtstagskarte aus USA mit einem $50 Schein verschickt wurde. Der Umschlag wurde anscheinend durch Erhitzen eröffnet, das Geld wurde rausgenommen, Umschlag wieder verklebt, so dass nur die Karte ankam. Die Eesti Post, ein staatliches Unternehmen, betont, dass das Verschicken von Geld illegal ist und erklärte sich für nicht zuständig, man soll sich an die Polizei wenden. Laut der Eesti Post ist es "durchaus möglich, dass das Geld durch die Schuld der estnischen Angestellten verloren gegangen ist".
In den Kommentaren berichten die Leser über zahlreiche verschwundene Wertgegenstände, wie teuere Ohrringe, die per Einschreiben von Tallinn nach Rakvere geschickt wurden, oder Einschreibebriefe, die aus dem Ausland geschickt wurden und nicht ankamen, obwohl festgestellt werden konnte, dass sie in Estland verschwanden. Auch Bankschecks gingen verloren, oder es wurde vom estnischen Zoll Umsatzsteuer auf den Wert des Schecks verlangt.
Daraufhin haben die Journalisten von Õhtuleht ein Experiment gestartet. Es wurden fünf Briefe mit einer Grußkarte und 5 EUR-Scheinen verschickt, zwei im estnischen Inland, drei aus dem Ausland. Die Empfänger aus dem Ausland wurden gebeten, den Umschlag wieder zurückzuschicken. Die Ergebnisse waren wie folgt: Die Briefe in Estland sind angekommen, die Briefe nach Finnland und London kamen nicht mal beim Empfänger an und das Brief nach Brüssel kam zwar an, aber das zurückgeschickte Brief kam in Estland nicht an. Der Sprecher der Eesti Post Inge Suder kommentierte, dass die Eesti Post nicht sagen kann, wo die Briefe verloren gegangen sind. Dass die zwei estnische Briefe angekommen sind, ist ein sehr gutes Ergebnis, was mit den internationalen Briefen passiert ist, wisse er nicht.
Ein typischer Kommentar zu diesem Artikel von Lea:
Ich muss sagen, dass seit mehreren Jahren bei der Post sehr viel gestohlen wird und oft was verloren geht. Ich habe meine Erfahrungen aus dem Ausland, von wo ich Post schicke. Vor einigen Jahren habe ich einen Führerschein per Einschreiben aus Deutschland nach Estland geschickt. Es ist bisher nicht angekommen (nach fünf Jahren). In Deutschland hat man mir gesagt: „Es ist alles nach Estland geschickt worden.“. In Estland hat man mir gesagt: „Da ist nichts angekommen.“ Über USA. Zum Geburtstag meines Kindes wurden seit mehreren Jahren mit der Geburtstagskarte 5 Dollar geschickt. Sie ist immer angekommen. Plötzlich vor drei Jahren ist kein Geld gekommen. Die Briefumschläge waren an der Ecke geöffnet und das Geld war verloren gegangen. Seit drei Jahren ist das jedes Jahr genauso gewesen. Ich habe die Briefe in der estnischer Post abgegeben und habe gefragt, was los ist. Es wurde geantwortet – bei uns sind alle ehrlich, so was macht man bei uns nicht. Dann wurden Briefe ohne Geld geschickt. Einmal wurde das Brief wiedergeöffnet, aber es war gar kein Geld drin. Ein anderes Mal war nicht geöffnet. Die Umschläge sind genau auf die gleiche Art geöffnet. Wenn auch ein Briefumschlag ohne Geld geöffnet wird, dann waren es andere Leute, als die, die mit Geräten die Briefe kontrollieren. Ich habe mehrere Jahre in Deutschland gelebt. Habe an die Eltern immer Weihnachtspakete nach Estland geschickt. Die Pakete waren immer geöffnet und bessere Sachen waren weg. Also gut, man darf kein Geld schicken, man darf aber auch nicht Briefe öffnen. Vor ein-paar Wochen (also im Mai 2012) habe ich in Tallinn Kosmetikware (Wimperntusche) bestellt. Dieses kleine Päckchen war in der Mitte geöffnet und mit Klebeband an den Rändern verklebt. Die Firma hat das Paket ohne Klebeband geschickt, so wurde mir gesagt. Was sucht man denn in Päckchen? Es gibt eine einzigartige Diebesspur und sie fängt in Estland an. Es gibt kein Vertrauen mehr.
In einem ausführlicheren Artikel über den Ausgang des Experiments nimmt die Eesti Post Stellung zu den Vorwürfen: es ist per Postgesetz verboten, Geld zu schicken. Die Post wird durchleuchtet, um illegale Inhalte wie Drogen zu finden. Die Post ist für das verschickte Geld nicht verantwortlich, folglich können keine Ansprüche von Geschädigten gestellt werden. Zum Transfer von Geld sollte man Unternehmen, wie Western Union beauftragen.
Der billigste Geldtransfer in Estland kostet 1,60 EUR, ins Ausland sind es 3 EUR, das bedeutet, wenn man 5 EUR jemandem schicken möchte, muss man insgesamt 8 EUR investieren. Die Preise von Western Union fangen bei 4,90 an, nach England kostet die Überweisung 15,30 EUR. Also wird versucht das Geld möglichst zu verstecken. Beliebte Variante ist das Einpacken in eine Alufolie, die nicht durchleuchtet werden kann, aber genau das macht ein Brief verdächtig, so dass es eher aussortiert wird. Das Geld wurde schon in Kugelschreibern oder Zahnpastatuben versteckt.
Dieses Jahr fing schon mit einem Skandal an, als Eesti Post ein Sack mit Briefen aus Großbritannien bekam, wo die Briefe geöffnet und durchwühlt wurden, so dass 139 Briefe nicht zugeordnet werden konnten. Wer dafür verantwortlich ist, ob Esten oder Briten lässt sich momentan nicht feststellen.
Auch Leser meines Blogs haben Geld beim Verschicken verloren, alleine in diesem Jahr 50 EUR. Das Geld wurde per Einschreiben verschickt, der Brief kam geöffnet an, aber ohne Geld.
Im Großen und Ganzen lässt sich sagen, dass die Eesti Post langsam, unzuverlässig ist und Diebe in ihren Reihen hat. Als staatliches Unternehmen kümmert sie sich nicht, dass die Kunden äußerst unzufrieden sind. Wie schreibt die Mutter des Kindes, der keine Geldgeschenke aus USA mehr bekommt: "Eesti Post sagt, dass die Sicherheit sehr wichtig für sie ist, aber sie können und wollen das Problem nicht lösen. Sie sind nicht interessiert."
P.S. Ein ähnliches Experiment in Deutschland zeigte folgende Ergebnisse: zwei Briefe mit Geld verschickt, am anderen Tag ohne Probleme angekommen.
3 Kommentare:
Die Leute schreiben in Kommentaren, daß sogar die Lottotickets von den Briefen verlorengegangen sind. Diese staatliche Firma als Postzusteller oder Vermittler kann man leider kaum vertrauen.
Ich war letzten Monat im Museum der Besatzungen in Tallinn, da war ein Gerät ausgestellt mit dem per Wasserdampf Briefumschläge "behandelt" werden können um sie säuberlicher zu öffnen... Scheint, dass einige der Geräte noch im Umlauf sind. Wobei sie sich das auch sparen können, wenn die Post eh nicht weiter gesandt wird.
Innerhalb Deutschlands scheint Geld verschicken zu klappen, meine Oma hat das früher öfters gemacht. Allerdings ist mir mal meine Krankenkassenkarte verloren gegangen, da dachte wohl jemand es sei ´ne American Express. Dafür habe ich in Finnland schon gehört, dass Umschläge "leer" ankamen, das mögen aber eher Unfälle sein... ;)
Hallo Lara-Elain,
danke für Dein Kommentar. Witzigerweise war ich vor ein paar Jahren mit einem Freund, der noch zu Sowjetzeiten als Techniker bei der Eesti Telekom gearbeitet hat, auch im Okkupationsmuseum in Tallinn. Er hat die Telefonabhöreinrichtungen gesehen und meinte, dass bis heute die Telefone von der KAPO genauso abgehört werden (zumindest die analogen Leitungen). Es scheint sich also nicht viel geändert zu haben.
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