Sonntag, Juni 30, 2013

Noch mehr Statistik aus der Volkszählung

Laut der Volkszählung 2011, sind 75,2% der Einwohner Estlands Einheimische, berichtet das Statistikamt der Estnischen Republik. Einheimisch sein bedeutet, dass die Eltern (oder ein Elternteil) und dessen Grossvater und Grossmutter in Estland geboren wurden.

Laut den Daten der Volkszählung leben in Estland 972 894 Einheimische. 12,7% der Einwohner Estlands sind Einwanderer in der ersten Generation (sie und ihre Eltern sind im Ausland geboren), 7,6% sind Einwanderer in der zweiten Generation (sie wurden in Estland geboren, aber ihre Eltern sind in Ausland geboren) und 4% sind Einwanderer in der dritten Generation (sie selbst, oder zumindest ihre Eltern sind in Estland geboren, aber die Grossväter und Grossmütter sind im Ausland geboren). Im 0,5% der Fälle ist es nicht gelungen die Herkunft der Person zu ermitteln.

Unter den Einheimischen Estlands sind 90% Esten und 98% haben die estnische Staatsbürgerschaft. Unter den Einheimischen Estlands beherrschen mehr als 95% die estnische Sprache und ihr Durchschnittsalter ist 39 Jahre. Unter den Leuten mit ausländischen Wurzeln sind mehr als 8% Esten. Unter ihnen gibt es Kinder der ethnischen Esten, es gibt auch die, die keine estnischen Wurzeln haben, doch sich kulturell adoptiert hat und sich als Este zählt.

Die Leute mit der ausländischen Herkunft, die zur ersten Generation der Immigranten gehören sind hauptsächlich ältere (Durchschnittsalter liegt bei 60 Jahren und darüber) und die Mehrheit von ihnen lebte in Estland dutzende von Jahren. Unter ihnen sind 69% Russen, 5% Esten und 26% sind Angehörige anderer Nationalitäten, hauptsächlich Vertreter der Völker der anderen Republiken der ehemaligen Sowjetunion (Ukrainer, Weissrussen und andere). Unter ihnen gibt es auch Immigranten, die vor kurzem nach Estland gekommen sind. Unter den Leuten, die zu der ersten Generation der Immigranten gehören hat ein Drittel die estnische Staatsangehörigkeit, 38% die Staatsangehörigkeit Russlands, keine Staatsangehörigkeit haben 22% der Einwohner. Unter ihnen beherrschen 34% die estnische Sprache und für 5% ist Estnisch ihre Muttersprache.

Die Leute mit Migrationshintergrund der zweiten Generation der Immigranten sind meistens mittleren Alters (Durchschnittsalter 41 Jahre). Unter ihnen sind 76% Russen, 12% Esten und 12% haben eine andere Nationalität. Unter ihnen haben 53% die estnische Staatsangehörigkeit, 16% die Staatsangehörigkeit Russlands, keine Staatsangehörigkeit haben 29%. 58% von ihnen beherrschen die estnische Sprache, 10% haben Estnisch als Muttersprache.

Die Leute mit Migrationshintergrund der dritten Generation sind die allerjüngsten, ihr Durchschnittsalter liegt bei 25 Jahren und 27% der Leute sind älter als 15 Jahre. Was ihre Nationalität angeht, ist es die homogenste Gruppe, unter ihnen sind 82% Russen, 11% Esten und 7% anderer Nationalitäten. Die Mehrheit von ihnen (68%) hat die estnische Staatsbürgerschaft, keine Staatsangehörigkeit haben 19%. Was die Kenntnisse der estnischen Sprache angeht, unterscheiden sie sich nicht besonders von den anderen Generationen, estnisch können 57%, Estnisch als Muttersprache zählen 8%.

Aus diesen Zahlen kann man mehrere interessante Schlussfolgerungen ziehen:

- Es hat sich eine Gruppe von "Einwanderern" gebildet (Einwanderern in "", weil zu den Zeiten, als Estland ein Teil der Sowjetunion war, war das keine Einwanderung, sondern ein Umzug innerhalb einer Landes), die sich nicht integrieren lässt. Selbst in der dritten Generation wird Estnisch trotz aller Bemühungen nicht beherrscht und offenbar ist es auch nicht notwendig. Schätzungsweise lebt diese Gruppe hauptsächlich in Ida-Virumaa, wo die größte Stadt Narva zu 95% von Russen besiedelt ist, da wird Estnisch nicht gebraucht

- Es ist eine Schande für Estland, dass die Kinder in der dritten Generation immer noch keine estnische Staatsangehörigkeit haben und staatenlos sind. EU und andere internationale Organisationen müssen Druck ausüben, dass dieser Zustand beendet wird. Es geht um knapp 10.000 Leute.

- Obwohl man die Möglichkeit hatte, seine Nationalität frei zu wählen, also sich auch als Este zu bezeichnen, bezeichnen sich 82% der "Einwanderer" der dritten Generation als Russen, das bedeutet die Integration, oder eher die Assimilation hat fehlgeschlagen. Ihre Kinder, die als Einheimische gelten (werden), werden den Anteil der anderen Nationalitäten als Esten erhöhen und wahrscheinlich wird ein grosser Teil von ihnen auch estnisch nicht oder nur schlecht können. Ein einer Umgebung wie Narva ist das Training und die Benutzung der estnischen Sprache schwierig.

- Also wenn zu erwarten ist, dass die Anteil der Einheimischen, die eine andere Nationalität als die estnische haben, steigen wird, wird die Frage immer lauter, warum diese kulturelle Autonomie, die sich offenbar stabil gebildet hat, nicht einen offiziellen Status bekommt und die russische Sprache zumindest in den Orten, wo diese nationale Minderheit kompakt wohnt nicht den Status einer offiziellen bekommt.

21 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

10 000 stimmt nicht, es ist etwa 1500. Und die Eltern selber wollen es ja nicht.

kloty hat gesagt…

Hallo Anonym,

kleine Mathe-Stunde: In Estland leben 1.293 Mio Menschen. 4% sind Einwanderer in der dritten Generation = 51.749 Menschen. 19% von ihnen haben keine Staatsangehörigkeit = 9832 Menschen. Auf jeden Fall viel näher zu 10.000 als zu 1.500. Und seit wann wird die Rücksicht auf die Eltern genommen? Viele Eltern wollen nicht, dass es keine russischen Gymnasien mehr gibt, aber das ist dem estnischen Staat egal.

Anonym hat gesagt…

Deine Rede war ja für Kinder gedacht, Erwachsene machen was sie wollen. Eltern kann man nicht zwingen ihre Kinder als Bürger zu registrieren. Wenn eine schwangere Frau durch Land reist und ihr Kind irgendwo auf die Welt bring, dann sollte man dieses Kind nicht einbürgern, wenn die Eltern es ja nicht wollen.

kloty hat gesagt…

Alle "Einwanderer" der dritten Generation sind in Estland geboren und waren Kinder. Diese Kinder müssen automatisch estnische Staatsbürgerschaft bekommen, ohne dass die Eltern sie extra registrieren müssen. Das Beispiel mit der durchreisenden schwangeren Frau ist idiotisch, denn die Eltern leben im Land, das Kind bleibt im Land leben, es ist die Heimat seiner Eltern und des Kindes und deswegen sollte er die Staatsangehörigkeit seiner Heimat bekommen.

Anonym hat gesagt…

Was heist "ohne dass die Eltern sie extra registrieren müssen"? Ja sagen ist nicht sehr schwer wenn man sein Kind registriert, alle registrieren ihr Kind, alle.

Franz hat gesagt…

"Diese Kinder müssen automatisch estnische Staatsbürgerschaft bekommen."
Nein, nicht automatisch. Nur dann, wenn Eltern Staatsbürgerschaft für Kinder anstreben. Abstammungsprinzip (ius sanguinis) und überhaupt nicht Geburtsortsprinzip (ius soli).

kloty hat gesagt…

Hallo Franz,

irgendwann gibt es ein Moment ab dem das Land in dem man geboren wird zum Abstammungsland wird. Schauen wir auf die Zahlen, die Einwanderer der dritten Generation sind im Durchschnitt 25 Jahre alt, also haben sie jetzt oder bald Kinder, die dann in der vierten Generation in Estland leben und immer noch keine Staatsbürgerschaft haben. Es gibt keine Statistik, die diese Kinder als Einwanderer bezeichnet. Sie stammen aus Estland. Und doch bekommen sie nicht automatisch die estnische Staatsbürgerschaft.

Franz hat gesagt…

Die Wirklichkeit sieht aber so aus: Es gibt in Estland mehr als 100000 Russen mit estnischen Staatsbürgerschaft, wer halten Russland als ihre einzige Heimat: http://www.postimees.ee/400740/lauristini-hinnangul-on-oluline-mitte-eestlased-raakima-saada

Franz hat gesagt…

"seine Nationalität frei zu wählen, also sich auch als Este zu bezeichnen"
"Rahvus" ("национальность") und "kodakondsus" ("гражданство") sind ja ganz versciedene Sachen. Este ist nicht der, wer estnische Staatsbürgerschaft hast. Nur die ethnische Esten sind Esten. Ethnische Russen mit estnischen Staatsbürgerschaft sind Russen.

kloty hat gesagt…

Hallo Franz,

Ich bin komplett damit einverstanden, dass ethnische Russen mit estnischen Staatsangehörigkeit Russen sind. Sorben, Dänen, Sinti, Friesen mit der deutschen Staatsangehörigkeit bleiben Sorben, Dänen, Sinti und Friesen, sie sind als nationale Minderheit anerkannt. Genau dasselbe sollte in Estland geben: Staatenlosen bekommen Estnische Staatsangehörigkeit bleiben aber Russen, Ukrainer, Finnen oder was auch immer.

Anonym hat gesagt…

Die Regeln zur Einbürgerung sind seit den 90er Jahren völlig klar und eindeutig. Viele Russen haben das auch verstanden, den Sprachtest abgelegt und sind eingebürgert worden, also Russen der Nationalität nach, aber estnische Staatsbürger. Wer das aber ablehnt, muss das für sich selber verantworten, dafür den estnischen Staat verantwortlich zu machen, ist einfach zu billig.

kloty hat gesagt…

Ja, die Regeln sind klar und eindeutig, aber sie sind nicht gerecht. Vor 20 Jahren hat man nicht gedacht, dass heute immer noch so viele Leute keine Staatsbürgerschaft haben und wie es aussieht in den nächsten Jahren nicht bekommen werden. Mit Kindern ist es noch schlimmer. Also könnte man die Gesetze auch ändern.

Anonym hat gesagt…

Was ist das denn für eine Logik? Wenn mir ein Gesetz nicht passt, dann warte ich eben so lange, bis man das Gesetz ändert? Das kann doch wohl nicht Sinn einer Gesetzgebung sein! Und ungerecht finde ich die Einbürgerungspraxis keineswegs, wenn ich sie mit der Praxis in anderen Ländern vergleiche.
In der Tat hat man vor 20 Jahren nicht gedacht, dass viele Russen NICHT die russische Staatsbürgerschaft erwerben wollen (auch das geht nämlich: russische Staatsbürger leben mit einer estnischen Aufenthaltsgenehmignug in Estland, um arbeiten zu können, müssen sie allerdings auch Estnisch können)Und die Zahlen in jüngster Zeit belegen auch, dass es keine Tendenz gibt, den russischen Pass zu beantragen. Hingegen gibt es immerhin eine kleine Zahl von Russen, die die Einbürgerung beantragen. Schaun wir mal, wann der letzte staatenlose Russe kapiert, dass er sich irgendwie entscheiden muss.

kloty hat gesagt…

Die Logik heisst "Aussitzen", wird recht erfolgreich auch in anderen Bereichen des Lebens angewandt. Solange es keinen richtigen Druck gibt zu entscheiden, wird eben nicht entschieden.

Verstehe doch bitte, dass es im Interesse Estlands ist, das Problem moeglichst schnell zu loesen. Es gibt dazu kein Verstaendnis weder im Osten noch im Westen, das Argument mit der "besonderen Geschichte" zieht nicht mehr, nach mehr als 20 Jahren Unabhaengigkeit ist es keine Entschuldigung mehr. Dann gibt es auch keine solche Artikel mehr und Du musst die Politik Estlands nicht mehr verteidigen.

Anonym hat gesagt…

Also bei "Aussitzen" fällt mir nur Helmuth Kohl ein, und ob das nun immer erfolgreich war...ich weiß nicht so recht.
Kloty,Sie müssen verstehen, das ist nicht ein Problem der Esten, sondern einzig und allein der Russen, diese müssen sich entscheiden, ob sie die russische Staatsbürgerschaft bei der russischen Botschaft in Tallinn beantragen wollen, dann beginnt allerdings der Kampf um eine estnische Aufenthalts- und vielleicht auch Arbeitserlaubnis, oder aber sie lassen sich in einem Einbürgerungsverfahren auf die estnische Staatsbürgerschaft ein. So einfach ist das.
Die Russen müssen sich eben daran gewöhnen, dass sie jetzt keine "Herrenmenschen" mehr sind, wie einstmals zu Sowjetzeiten. Und wir anderen, die wir im Ausland sitzen, müssen uns daran gewöhnen, dass jetzt die Esten in ihrem Staate sich ihre eigenen Gestze geben. Und sofern sich diese nicht im Widerstreit mit den EU-Gesetzen befinden, haben wir das auch so zu akzeptieren.

kloty hat gesagt…

Anonym, sie müssen auch verstehen, dass die jetzigen "Herrenmenschen" Esten immer mehr unter Druck von verschiedenen Organisationen bekommen werden, Organisationen in denen Estland Mitglied ist, wie UNO, EU, Europarat, OSZE, OECD und anderen. Und alle diese Organisationen haben Estland wegen dem hohen Anteil der Staatenlosen Einwohner kritisiert. Es ist gefährlicher Irrtum zu glauben, dass man in seinem Land alles tun kann, Südafrika, Serbien, Georgien haben bewiesen wie man schnell Territorien verliert oder die Regierungen sich ganz radikal ändern können und zwar aufgrund des Drucks von aussen.

Anonym hat gesagt…

Hm, Südafrika, Serbien, Georgien mit Estland zu vergleichen, ist das fair? Natürlich kann ein Land, richtiger: eine Regierung und ein Parlament nicht tun und lassen, was sie lustig sind, sondern müssen sich an vorgegebene Standards (Menschenrechte, EU-Regelungen u.a.m.)orientieren. Die Frage muss also sein: Bricht Estland mit seiner Einbürgerungspraxis bestehende und in der EU geltende Standards? Solange diese Frage nicht bejaht werden kann, kann Estland den Kritiken gelassen begegnen.

kloty hat gesagt…

Also JOKK. Vielleicht hast Du Recht, vielleicht sollte man Gerechtigkeit und Moral über die Gesetze stellen.

Anonym hat gesagt…

(Was heißt denn JOKK??)

kloty hat gesagt…

http://et.wikipedia.org/wiki/Jokk

Anonym hat gesagt…

sorry, versteh ich nicht, zumal Äripäev nicht zu meiner Zeitungslektüre gehört und ich auch die anderen Personen nie gewählt habe.