Dieser Bericht beschreibt meiner Meinung nach am besten, was in der Ukraine momentan passiert. Ich habe versucht den Stil des Berichtes beizubehalten, weiss nicht, ob es mir gelungen ist.
Ich denke, jetzt ist die Situation da, wenn alle sich im höllischen Schock vom Geschehenen befinden.
Zuallererst sie die Jungs aus der EU schockiert. Sie haben sich als super-duper Diplomaten ausgegeben, die sich dazu herabliessen mit dem unzivilisierten Barbarenführer eines Dritte-Welt Landes zu unterhalten, der in Schockstarre verfiel, als er die Glasperle „das Assozierungsabkommen“ abwartete, die ihm wohl den coolen Status „des Großen Eurointegrators“ in seiner Bananenrepublik einbringen wird, damit er die Wahlen 2015 gewinnen kann. Aus der Höhe ihren Diplomantenfluges, haben sie den Moment verpasst, als der Barbare sie plötzlich fickte, als er die Wahl für seine 46 Mio. Sklaven für den Orks-Mordor und nicht den Elfen-Valinor machte. Wegen der Höllenbürokratie und aus Nichtverständnis der ukrainischen Realität erlaubten sie einer anfangs friedlichen Situation zu einem fast-bürgerkriegsähnlichen Zustand sich zu entwickeln. Doch tatsächlich ist es für sie verdammt unnötig hier Scharen von Flüchtlingen, Terroranschläge, Panzer und andere Überraschungen zu haben, sie werden alles unternehmen, um das nicht zuzulassen, selbst wenn sie dabei den dämlichen Barbarenführer an der Macht lassen müssen. Doch das Problem ist, dass der Führer wohl komplett verrückt geworden ist. Jetzt muss man nicht nur auf die äußerst komplizierte Fragen der europäischen Fernsehzuschauer antworten, wie: „Warum zum Henker tragen ein Teil der Protestler Flaggen mit nationalsozialistischen Symbolik? Und wenn sie friedlich sind, warum zum Teufel werfen sie Molotov-Coctails auf die Cops?“ und „wollen die wirklich in die EU? Nehmen wir tatsächlich 46 Mio. dieser Barbaren auf?“, sondern sie müssen auch überzeugen, dass die Situation unter Kontrolle ist, und das niemand Terroranschläge auf die 5 ukrainische AKWs zulassen wird. Also das alte Weib Europa ist schockiert, so was hat sie seit Jugoslawien nicht mehr gesehen. Besonders schockiert sind der Euro-Kommissar Füle und Catharine Ashton, ihre diplomatische Karriere ist in Gefahr, denn die Wirksamkeit ihrer Arbeit ist sehr gering: Als Vertreter der EU könnte den Übergang von einer friedlichen Demo zum größten GAU auch ein arabischer Immigrant aus der Vorstadt von Marseille bewerkstelligen.
Die Führer der Opposition sind auch schockiert. Sie wollten die Energie des Maidan nutzen, um ihre persönlichen politischen Ambitionen zu befriedigen, doch ist alles so aufgeschaukelt worden, dass es komplett ausser Rand und Band geriet. Sie sind Politiker, keine Feldkommandeure, sie wissen gar nicht, was sie mit dem ganzen Drive anfangen sollen. Sie haben eine verdammt schwierige Aufgabe vor sich: einerseits müssen sie die feurigen Revoluzzer spielen, damit man sie auf den Barrikaden nicht zusammenschlägt und nicht von der Bühne runterschmeisst, auf der anderen Seite müssen sie dem Westen in den Taschentuch heulen, damit er an die absolut friedliche Natur des Protests glaubt, damit man sie nicht als Anführer von illegalen Banditenformierungen ansieht, sondern als Anführer einen legitimes Protests und man sie dann als Häuptlinge einsetzt, wenn alles vorbei ist. Bisher schaffen sie es schlecht: hier „Bullet in the head“, dort „haben uns um Frieden bemüht“. Daran, dass sie den Protest kontrollieren, glauben sie wahrscheinlich nicht mal selbst.
Selbst Janukovitch ist schockiert! Es ist alles so gut gelaufen, er kam aus den Tiefen in die Höhen, wurde einer der Könige in Donbas, überlebte das fürchterliche Jahr 2004, und dann hat er alle auf die Knie gezwungen, hat die ganze Familie versorgt, und als die Krönung des Erfolgs baute er sich ein abercooles Herrenhaus und stellte dort die Güldene Kloschüssel auf. Der Bub kam zum Totalen Erfolg! Mehr noch, 2015 hätte es für ihn gleich mehrere Varianten für den Wahlsieg gegeben, und dann könnte man die Erfahrung von Putin und Lukaschenko übernehmen, wie man endlos regiert. Doch die Gier hat den Wirt zugrundegerichtet: die herbstlichen Spielchen mit dem EU-Assozierungsabkommen mündeten in eine Katastrophe. Es gab mehrere Möglichkeiten alles runterzuspielen, doch der Papa machte ein paar falsche Züge, er hörte ständig auf seine „Falken“ und jetzt ist die Situation sehr beschissen. Was er jetzt tun soll, ist komplett unklar. Nach dem 18. Februar kann man die Situation in die Richtung „Ich bin ein schlechter Präsident, doch ich ziehe es durch bis zu den Wahlen 2015“ nicht mehr wenden, mit den Kräften von Berkut kann man alle nicht auseinandertreiben, und Putin geht er schon gehörig auf die Eier mit seiner Gier und Dummheit, auch kann die Hilfe von Putin zum Macht- und Geldverlust führen. Es bleibt die Chance die Republik Donbas mit der Hauptstadt in Jenakieve zu gründen, man könnte ohne Verzögerung mit dem Hubschrauber sich dorthin aus Kiev verdünnisieren, falls es hier zu heiss werden sollte. Doch wenn die Gründung nicht gelingt? Und wie kann man die Güldene Kloschüssel auf dem rechten Ufer des Dnjepr lassen? Man weiss es nicht… Und wenn man aus dem Land flüchten muss, dann wohin? Wer braucht ihn schon ohne Macht und Geld? Niemand… Und wenn man mich aufknöpft?!
Im Schock sind auch die „Falken“. Die Jungs dachten ehrlich, dass sie ein bisschen auf die Schilde klopfen können und alle rennen weg. Denn, verstehste, alle „richtige Kerle“, „krasse Jungs, die was zu entscheiden haben“, „verehrte Herren mit Verbindungen“ sind alle bekannt und scheinen die „Falken“ zu unterstützen und die ITler, Bauern und Studenten, das sind alles „volle Looser“. Und „Looser sein, das ist Schicksal“. Fuhren Berkut auf, die Verkehrspolizisten, den Geheimdienst, die Provokateure, Verbrecher, einfache zombierte Idioten, schickten sie zum Sturm. Einmal… nicht geklappt, zweimal… nicht geklappt, dreimal… nicht geklappt! Gehen nicht weg, die Wichser!!! Sogar umgekehrt, man schlägt sie, wirft sie um, und sie werden immer mehr und immer stärker. Die Hände fangen zu zittern an, wenn man den lustig aufflammenden Mannschaftswagen sieht, der früher die absolute Selbstsicherheit in seine Kräfte vermittelte. Der Papa wird Seinige natürlich nicht aufgeben, doch was soll man tun, verflixt nochmal? Die Armee einsetzen? Doch mit denen hat man nicht gearbeitet, mit denen hat man sich nicht gutgestellt, im Gegensatz zu den Bullen und Staatsanwälten - was wenn sie uns verraten?
Die einfachen Berkut-Mitglieder sind im noch größeren Schock. Die Kämpfer der bekannten organisierten Verbrecherbande „Berkut“, die nebenbei als Polizisten dazuverdienen, trafen ein bisher ungesehnes Scheissendreck: Im Kampf gegen sie vereinigten sich die Kaufleute, die sie die letzten Jahren melkten, und die Fussball-Ultras, mit denen sie ständig in den Stadien rumschlägerten. Zuerst was alles geil: an dem Drive im Zentrum von Kiev teilzunehmen, in kompletter Schutzmontur unbewaffnete Leute mit dem Schlagstock drüberzufahren und dann Orden und Geld bekommen und nach Hause zu gehen. Doch es hat sich verfickt lang hingezogen. Die, die doofer sind (und das ist die Mehrheit), sind auf alle fuchsteufelswild, verstehen nicht, warum Janik nicht den Befehl gab, alle zu auseinanderzutreiben (und die aktivsten über den Haufen zu schiessen) und denken, dass Janik ein Waschlappen ist. Diejenigen, die schlauer sind (das ist die Minderheit) verstehen sehr gut, wie gefährlich die Auseinandertreibung ist. Zum ersten ist es nicht klar, dass alles klappt, doch Fakt ist, dass es hohe Verluste geben wird, und für die Güldene Kloschüssel will man auch nicht sterben. Zum zweiten, selbst wenn man alle auseinandertreibt, dann wird man morgen die Berkutleute einzeln in Hauseingängen abschlachten, denn es gibt eine Datenbank mit allen Namen und Adressen. Und im Gegensatz zu den Mitgliedern der Partei der Regionen werden sie es nicht schaffen ins Ausland zu flüchten und die ganze Schönheit des Volkszorns wird auf ihnen ausgetragen. Sie wollen verzweifelt, dass Janik alles rückgängig machen sollte, wie es gewesen ist, doch die Wahrscheinlichkeit dessen verringert sich jeden Tag.
Kreml ist auch schockiert. Jetzt haben sie so ein geniales KGB-Spielchen geführt, die Banditen aus Donezk unterstützend, leise die Macht in der Ukraine befestigend und die wichtigsten Aktiva zusammenkaufend. Ohne Eile planten sie die Annektierung der Hälfte der Ukraine im Format des „freiwilligen Anschlusses“, indem sie die richtige „fünfte Kolonne“ entwickelten und nicht eine situationsbedingte wie die Bande aus Donezk. Doch dann hat dieser Hirni den letzten Nerv gekostet mit seinen Spielchen, um das Geld herauszupressen für den Beitritt in die Zollunion und dann hat er sich amateurhaft verspielt und veranstaltete absolut unnötiges Trash. Eigentlich müsste man Panzer nach Donbas und auf die Krim schicken, solange es nicht zu spät ist, doch darf man die Olympiade nicht zerstören und es ist nichts vorbereitet, das hier ist nicht das kleine Georgien, schön und schnell alles ohne Vorbereitung zu machen schafft man nicht, und wenn man es nicht schön macht, dann bekommt man als Minimum Probleme mit dem Visum nach Côte d’Azur und als Maximum den dritten Weltkrieg. Die Kreml-Propaganda schaut darauf, wie gerade jetzt auf dem Maidan die moderne ukrainische Nation zusammengeschmiedet wird und heult Bluttränen - fuck, wie kann man den Leuten jetzt erklären, dass sie „Kleinrussen“ sind, dass ihre Sprache künstlich ausgedacht wurde und dass sie aus irgendeinem verfickten Grund in das Imperium zurückkehren sollen und Gaben nach Moskau bringen müssen. Doch das ist gar nichts im Vergleich dazu, dass ein einfacher russischer Mann, der in den langen Jahren zum sklavischen Gehorsam erzogen wurde, dazu, dass man „nichts ändern kann“, jetzt gedankenverloren in den Fernseher starrt und sieht, wie der bis auf die Zähne bewaffneter Berkut schon den dritten Monat nichts gegen das Häuflein der früher so lustigen und knuffigen Ukrainer tun kann. Es kommen ungute Gedanken in seinen Kopf und das beunruhigt Kreml zutiefst. Der weissrussische Mann steht eine Entwicklungsstufe weiter: er geht schon vom Fernseher zum Fenster und genauso tief in Gedanken versunken schaut auf die Eingangstüren der nächsten Polizeistation, wo man ihm vor nichtallzulanger Zeit Geld abknöpfte.
USA und Großbritannien sind auch schockiert. Ihnen sind die Leiden der lokalen Eingebornen scheissegal, Hauptsache Russland wird nicht stärker, und Janukovitch machte in der letzten Zeit die angenehme Ansicht eines Diktators, der sich nicht komplett unter diese schrecklichen Russen legt, gleichzeitig kann man mit ihm über Business verhandeln. Zum Beispiel über Schiefergas und andere Geschenke der Natur. Und da gings los! Molotov-Coctails, Mannschaftswägen, Katapulten, alles ist scheisse! Janukovitch wird man runterwerfen und whodafuck wird die Verträge erfüllen? Der Rechte Sektor, ja? Und mit wem kann man jetzt Gespräche über Business führen? Mit dem Kosaken Daniljuk, ja? Und wenn die Russen eindringen und stärker werden, wie kann man so was zulassen?
China, die auch ihre Interessen auf der Krim hat, ist nicht mal in Schock, sondern versteht die Welt nicht mehr: Warum kann der lokale Barbare seine Gegner nicht auseinandertreiben? In China selbst im Jahr 1989 war genau die gleiche Kacke am Dampfen auf dem Tiananmen-Platz, doch sie haben ohne viele Ressentiments hunderte von unbewaffneten Studenten erschossen und alles ging schnell vorbei. Der Westen hat etwas gebrummt, doch dann fing er an aktiv wirtschaftlich zusammenzuarbeiten. Den Chinesen ist es nicht klar, warum der Diktator nicht so ein nahliegendes Verhalten an den Tag legt, doch ist es ihnen im Ganzen genommen scheissegal, sie sind weit weg, in osteuropäische Auseinandersetzungen mischen sie sich nicht ein. Und es gibt bald wichtigere Sachen zu tun: Die Partei gab den Befehl aus, absolut alle Medaillen auf der Olympiade 2016 zu gewinnen und die rote chinesische Fahne auf dem Mars zu enthüllen, da hat man keine Zeit für die Ukraine.
Die aktive, ungleichgültige Bevölkerung Kiews ist schon seit Monaten schockiert. Ohne Pause schockiert. Der Schock vergrößerte sich jeden Tag, doch in irgendeinem Moment wurde er durch den Enthusiasmus der Tat vollständig ersetzt. Es ist besser Arzneien in den Michailowski-Kloster zu bringen und Baumaterialien vom Maidan zu stibitzen, als auf den Wahnsinn auf der Gromadski-Strasse zu schauen und sich vor dem Fernsehschirm aufzuregen.
Die passive, gleichgültige Bevölkerung Kiews säuft noch ein Bierchen auf der Strassenbank, liked Photos in Facebook, schaut den Big Brother 6 an und backt Teigküchlein. Sie versteht noch nicht, was geschieht. Doch wenn ein unverkündeter Ausnahmezustand (unter anderem eine Begrenzung der Einreise in die Stadt), der von Janik veranstaltet wird, ein paar Tage lang aufrechterhalten wird und in der Stadt es nichts zu Fressen geben wird, dann wird sie in so einem Schock sein, wie noch nie in ihrem Leben.
Ich denke, dass heute nur der eine Kosake, den ich heute am Maidan getroffen habe, nicht im Schock ist. Er hat eine lange Stirnlocke, breite Hosen und Aufnäher auf dem Tarnanzug mit einem Text wie „Armee von Zaporozhje“. Er ging sicher mit einem Lächeln an die vordere Front zum Berkut, in einer Hand einen Schild mit der Aufschrift „Ruhm der Ukraine“ und in der anderen einen angstmachenden Stock. Er sang lustig ein Liedchen und in mir stieg die Gewissheit auf, dass diesen Menschen solche Fragen wie „Wie komme ich heute nach Hause?“, „wird was mit mir passieren?“, „Was wird mit uns allen passieren?“ nicht kümmern.
Er ist in seiner Welt. Ihm ist es scheissegal.