Dieser Artikel ist eine Übersetzung von hier
Maksim Reva war einer der vier estnischer Bürger, die man in der Organisation der Massenunruhen bei der Umsiedlung der Bronzenen Soldaten beschuldigt hat. Das estnische Gericht har alle vier für unschuldig befunden.
An diesen Tagen erinnert man sich in Estland an die Geschehnisse vor 10 Jahren, als in vielen Städten des Landes, aber besonders in Tallinn, eine Welle der Proteste gegen die Umsiedlung des Monuments des Befreier-Soldaten aus dem Zentrum der Hauptstadt gegeben hat. In diesen Tagen wusste noch niemand was die polizeiliche-politische Aktion auf dem Hügel Tõnismägi bringen wird. Auch die Aktivisten der Bewegung „Ночной Дозор“ (Die Nachtwächter) wussten es nicht, vier von ihnen - Dimitry Klenskij, Dmitrij Linter, Maksim Reva und Mark Syrik - werden angeklagt, drei von ihnen landen hinter Gitter, alle werden gerichtlich belangt und … für unschuldig befunden. Was wurde aus ihrem Leben? Darüber fragten wir Maksim Reva, der jetzt wie Dmitrij Linter und Mark Syrik in Russland lebt.
Wie stark hat sich ihr Leben in diesen Jahren verändert? Was machen Sie momentan?
Das Leben ändert sich, sobald hinter dem Rücken des Menschen sich die Gefängnistür zuschliesst. Und wenn sie wegen ihrer Überzeugen sich schliesst, dann ändert sich nicht nur das Leben, sie ändern sich selbst. Sie stehen vor der Wahl: sich selbst zu verraten, aus diesem Käfig rausspringen und alles wie einen schrecklichen Traum zu vergessen, oder zu kämpfen, selbst wenn die ganze Welt gegen einen ist. Ich habe den Kampf gewählt.
Nach dem Gefängnis zerfiel meine Familie, aber ich bekam einen verlässlichen Freund. Vielleicht wird meine Tochter mir irgendwann die Durchsuchungen und die Verhaftung ihres Vaters in ihrer Kindheit ankreiden, doch bis jetzt bin ich stolz auf sie. Ich denke, dass die Herausforderungen, die uns vor 10 Jahren geschickt wurden, haben ihren Geist gestärkt. Wenn ich irgendwas bedauere, dann die verlorengegangene Sehkraft, die mir nicht erlaubt viel zu arbeiten und zu lesen, aber die moderne Technologien helfen mir sehr.
Ich kann nicht sagen zu meinem Bedauern, doch gegen meinen Willen musste ich nach Russland umziehen. Zuerst war es schwer, Russland unterscheidet sich sehr von Estland. Doch jetzt zähle ich mich als Russländer. Gerade im Gefängnis reifte die Entscheidung die russische Staatsangehörigkeit zu bekommen und das Leben und Schicksal mit Russland zu verbinden.
Ich bin ein selbstständiger Unternehmer, beschäftige mich mit Beratung auf dem finanziellen Gebiet und Polittechnologien. Ich fahre fort mich an Aktionen der Zivilgesellschaft zu beteiligen, helfe Kompatrioten aus dem Baltikum in Russland. Komme häufig nach Estland, bin ein Kommandant der Ehrenwache des „Bronzenen Soldaten“.
Wie stark war der Druck der Regierung nach dem Richterspruch und wie sah der aus?
Die KaPo versteht es das Leben eines Menschen kaputtzumachen: der wirkungsvollste Mechanismus sind Telefonanrufe an den Arbeitgeber oder Geschäftspartner, nach denen, wie Sie verstehen, es weder Arbeit noch Geschäftsbeziehungen gibt. Und da es keine Möglichkeit mehr zu verdienen gibt, muss man wegfahren.
Sind Sie zufrieden mit dem heutigen Leben?
Ja. Ich mag die Zeiten in denen wir leben. Sie sind sehr revolutionär, die Technologien ändern sich schnell, die Gesellschaft transformiert sich. Das, was vor fünf Jahren als Science-Fiction galt, ist heute Realität. Doch leider sind diese Transformationen ohne Konflikte, die manchmal sehr blutig sind, nicht zu haben. Und doch: „Selig sei derjenige, der diese Welt in den blutigen Minuten besuchte“ (Zitat aus dem Gedicht Cicero des russischen Dichters Tytschtev, Anm. des Übersetzers)
Halten Sie Kontakt mit den anderen Mitgliedern der sogenannten „Bronzenen Vier“?
Mit Dima Linter sehen wir uns ständig, wenn ich nach Moskau komme. Mit Dimitry Klenski, vielleicht einmal im Jahr und sehr selten mit Mark Syrik.
Wie denken Sie, wurde damals alles richtig gemacht? Was würden Sie anders machen?
Wenn man die damalige Erfahrung des politischen Kampfes der Mitglieder des „Ночной Дозор“ berücksichtigt, wir haben alles gegeben, alles was wir konnten. Jetzt, wenn man die bekommene Erfahrung und die heutige Situation berücksichtigt… Doch, wir sollten nicht darüber nachdenken, wie es heute wäre. Ich wünsche Estland den Frieden und hoffe, dass die estnische Regierung ihre Rückschlüsse aus den 10-jährigen Geschehnissen gezogen hat. Ausserdem, wenn wir auf den Park auf dem Tõnismägi anschauen, der seit 10 Jahren nicht verändert wurde: die Regierung hat bis heute Angst vor dem Ort und was damals geschah.
Wer hat in dieser Geschichte gewonnen und verloren?
Klar hat Ansip gewonnen. Er konnte die Situation ausgezeichnet für sich ausnutzen und aus einem Durchgangs-Premier-Minister wurde er der am längsten im Sitz des Premiers sitzenden Politiker im modernen Estland. Die russische Bevölkerung hat ebenfalls gewonnen, sie bewahrte ihren Stolz und Ehre, indem sie „Nein“ sagte und sich rund ums Denkmal vereinigte, nach seiner Demontage spürte sie ihre Einigkeit.
Die estnische Gesellschaft hat verloren, in ihr bewahrte sich der Bruch zwischen den Russen und den Esten, was deutlich ihre Entwicklung als auch die Entwicklung Estlands im Ganzen bremst. Dabei sind die Geschehnisse der Bronzenen Nacht nicht der Grund für den Bruch, es sind die Folgen von tieferen Problemen, die in das Fundament des estnischen Staates eingelassen sind. Ich spreche über die nationalistische Ausrichtung der Staates, was ein Anachronismus aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist.
Der Druck der Regierung dauert auch heutzutage an: Wir wissen alle über die Durchsuchungen an der Grenze, die alle betreffen, die mit den „Nächten“ zu tun hatten, oder an der heutigen Arbeit mit „Kompatrioten“ teilnimmt. Wurden bei Ihnen solche Durchsuchungen durchgeführt, oder wurden sie beobachtet, wenn Sie sich in Estland befinden? Was denken Sie, warum es gemacht wird und wie wollen Sie dagegen ankämpfen?
Die estnische Regierung verhält sich seltsam und dumm: einerseits erzeugen sie tatsächlich Druck, besonders auf diejenigen Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten, die in Estland eine andere Meinung als die offizielle über die Geschichte und Politik haben. Andererseits ist dieser Druck nicht fähig, die Bewegung zu unterdrücken, die darauf gerichtet ist, die nationalistische Ausrichtung des Staates und die von diesem Staat erzeugten Menschenrechtsverletzungen und die Verletzungen der Rechte der nationalen Minderheiten zu beenden. Dabei wäre es richtig Estland zu den Standarten einen modernen multikulturellen und multinationalen europäischen Staates heranzuführen.
Ich werde auch an der Grenze durchsucht. Beobachtung? Ich weiss es nicht, ich beachte sie nicht, das ist langweilig und uninteressant.. Ich habe auch ohne sie viele Abenteuer und bunte Erlebnisse in meinem Leben. Auf diesem Level zu kämpfen, auf dem es zur Zeit passiert, das ist eine Verschwendung von Zeit und Geld. Wenn der Druck sich verstärkt, dann wird der Widerstand mehr begründet. Dann schauen wir mal.