Kaum erkläre ich meine Liebe zu der estnischen Präsidentin Kersti Kaljulaid, gleich wird sie auf eine harte Probe gestellt. Zwei Konferenzen fanden diese Woche in Estland statt, eine wurde von der Stiftung „Offenes Russland“ von Mikhail Chodorkowski organisiert. Dabei wurden die besten unabhängigen Journalisten Russlands ausgezeichnet. Allen Chodorkowski-Unterstützern im nahen russischen Ausland kann ich nur folgendes Video ans Herz legen, das einen Tag nach der Entlassung Chodorkowskis aus dem russischen Lager in Berlin aufgezeichnet wurde.
Hier spricht er darüber, dass falls Nordkaukasus sich jemals für unabhängig erklären sollte, er selbst eine Waffe in die Hand nehmen und in den Krieg auf seite Russlands ziehen wird, denn alle Regionen auf der Welt sind durch Kriegshandlungen besetzt worden und Kaukasus ist durch Russland besetzt und eingegliedert. Er verneint die Frage, ob er ein Imperialist wäre, sagt aber, dass er ein Nationalist sei. Sollte Chodorkowski eines Tages eine wichtige Rolle in Russland spielen (das Programm des Offenen Russlands besteht darin für den Tag X zu planen, wenn Putin endlich abtritt), bezweifle ich, dass Beziehungen zwischen Estland stellvertretend für den Westen und Russland sich zu freundschaftlichen entwickeln werden.
Die andere Konferenz zur der Chodorkowski als Ehrengast eingeladen wurde, wurde von dem estnischen Institut für Menschenrechte organisiert und findet schon zum sechsten Mal unter der Ägide des estnischen Präsidenten immer am Tag der Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember statt. Die Konferenz wurde schon häufiger kritisiert, der Leiter der veranstaltenden Organization Nationalist und Russophob Mart Nutt weigert sich anzuerkennen, dass es Menschenrechtsverletzungen auch in Estland gibt, die russischen Menschenrechtler werden erst gar nicht eingeladen oder es werden ihnen Aufpasser zur Seite gestellt, es sei denn man heisst Chodorkowski. Mit einem Wort hat so eine Konferenz mit Menschenrechten ungefähr so viel zu tun, als wenn man den Chefredakteur der Zeitschrift Beef mit der Organization einen Veganer-Kongresses betraut hätte, es geht zweifellos um Nahrung, hat aber sonst nichts mehr miteinander zu tun. Das Thema der Konferenz waren Migration und Propaganda und ich dachte ich sehe nicht recht, als der eingeladene Speaker zum Thema Migration der alte Flüchtlingsexperte Thilo Sarrazin war. Diesmal waren nicht die niedrigen geistigen Fähigkeiten der Migranten sein Kernthema, sondern die Aussage, dass Koran veraltert wäre und der modernen Welt nicht mehr entspricht. Aber die Regierungen ziehen es vor ihre Komfortzone nicht zu verlassen und keine Aufmerksamkeit zu schenken. Als Ergebnis wenden sich die Bürger von ihnen ab und stimmen für Brexit und Trump. Also klassischer AfD-Populismus. Das Kersti Kajlulaid ihren (noch) guten Namen für so eine Konferenz hergibt, halte ich für einen schweren Fehler.
Kersti Kaljulaid hat während ihrer Rede den Beschluss von einem Gesetz mit dem komplizierten Namen „The elaboration of the Law on the Amendment of the Obligation to Leave and the Prohibition on Entry Act was a response, on the one hand, to the deterioration of the international security situation and, above all, the elevated terrorism threat“ erklärt, das auch vom estnischen Parlament verabschiedet wurde. Der Sinn des Gesetzes ist es die sogenannte Magnitski-Liste umzusetzen, also den Leuten, die den Tod von Sergej Magnitski verursacht haben, also hauptsächlich Mitglieder der russischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Geheimdienst, die Einreise nach Estland zu verweigern. Grundsätzlich ist gegen dieses Gesetz nichts einzuwenden, aber warum dieser Gesetz Bekämpfung des Terrorismus im Namen hat, wurde leider nicht gefragt.
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