EIn Bericht von Herr Dornemann:
Ich komme gerade, es ist 113o, am 5. Januar 2oo9, aus dem Gerichtssaal in der Tallinner Liivalaia, wo heute das Urteil gegen die vier "Aufrührer“ Dmitri Linter, Maxim Reva, Dmitri Klenski und Maks Syrik als Folge des Durcheinanders um den 27. April 2oo7 herum, gesprochen wurde.
Pünktlich um zehn Uhr erschien die Richterin Violetta Kiwask und wurde von einem Blitzlichtgewitter der ausgesprochen vielen Journalisten empfangen. Sie ging souverän damit um, verzog aber keine Miene.
Sie hieß gar nicht erst zum Hinsetzen der Anwesenden, sondern begann sofort bei Erreichen ihres Platzes mit dem Verlesen der Anschuldigungen und sprach ebenso unvermittelt das Urteil:“Freispruch in allen Punkten“. Das war`s. Nach gerademal 17 Minuten verließ sie daraufhin den Saal unter dem Beifall aller. Ein Aufatmen nach dem Urteil ging durch den Saal, nämlich daß dieses seltsame Verfahren endlich, nach fast 1 1/2 Jahren, zu Ende ist, noch dazu mit solch einem Ausgang, den zwar alle erhofft, aber nicht ganz ernsthaft erwartet hatten.
Richterin Violetta Kiwask hatte keine leichte Aufgabe zu bewältigen, gab es doch ziemlich deutliche Vorgaben der Politik, allen voran von Ministerpräsident Ansip! Das allein ist für eine Demokratie schlimm genug.
Dabei fiel mir schon an einem der ersten Verhandlungstage auf, daß die Richterin ihre Strenge zu lockern begann und schien nicht mehr so überzeugt von einer aufrührerischen Tätigkeit der vier zu sein. Die 7-stündige Verlesung der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft mit all den überwiegend unwesentlichen Beschuldigungen mochte vielleicht zu dem Wandel beigetragen haben. Ich habe die sieben Stunden zugehört!!
Sicherlich war es für die Richterin und alle Anwesenden nicht unbeeindruckend, daß erst Tatjana Zhanoka und dann Sahra Wagenknecht mit Mitarbeitern während des Verfahrens, wenigstens für ein paar Stunden anwesend waren, während andere, ebenfalls von mir angeschriebene Parteien, es gar nicht für wichtig genug erachteten, überhaupt zu antworten.
Ich erwähne die Richterin Kiwask deshalb lobend, da ich zu ihren Gunsten annehme, daß sie zu diesem Urteil keine, aus taktischen Gründen, eventuell geänderten Vorgaben bekam.
Das Urteil ist bedeutsamer als es auf den ersten Blick so den Anschein hat. Und zwar nicht für die vier Angeklagten, sondern vielmehr für Estland. Es ist ein wichtiger Gradmesser für den ohnehin niedrigen Stand des demokratischen Verständnisses in Estland. Es ist, meine ich, ein kleiner, positiver Stein vorwärts auf dem Pflaster der Straße zur Demokratie. Das Urteil war also notwendig für den Staat und ein beonderes Geschenk für Maxim Reva zu seinem heutigen Geburtstag.
Ob sich nun allerdings die staatliche Seite, besonders aber KAPO, damit zufrieden geben wird muß sich zeigen!
Ob Ihres Glückes wegen luden die vier etwa 2o Leute, meistens aus dem Kreise von Noschnoi Dozor, auf ein Glas Sekt ein. Ich war auch dabei. Im Gespräch mit Dmitri Linter sagte er mir, für Ihn sei dieses Urteil sicherlich das wichtigste Ereignis in seinem Leben. Voererst nehme ich`s ihm mal ab, obwohl ich kein Hellseher bin und nicht ahne, was noch so auf ihn zukommen wird..
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
6 Kommentare:
Na immerhin kriegen die in Estland ein faires Verfahren. Wer in Rußland vor Gericht steht, kann nicht drauf hoffen.
Warum muss Estland dauernd mit Russland verglichen werden? Estland ist ein EU-Staat, also sollte hier mit EU-Mass gemessen werden.
Was Russland angeht, habe vor kurzem einen interessanten Artikel gelesen.
Der Telepolis-Artikel ist in der Tat sehr interessant und beschreibt die Mängel der herkömmlichen westlichen Rußland-Kritik zutreffend. Das ist jedoch nicht mein Punkt. es spielt auch keine Rolle, daß Rußland kein EU-Staat ist. Rußland bezeichnet sich zwar als „gelenkte Demokratie“, wir könnten auch sagen, als ein autoritärer Staat, aber ausdrücklich auch als ein Rechtsstaat. Und auch in dem Artikel heiß es ja: „Wohlstand, sozialer Aufstieg, Einkommen und Rechtssicherheit bieten inzwischen auch andere politische Systeme. Das ist die Botschaft des neuen Jahrhunderts post 1989. Darum ist die Entwicklung in Russland, China und Asien für den Westen ja auch so bedrohlich.“
Das ist jedoch im Falle Rußlands nicht gegeben, zumindest, was die Rechtssicherheit betrifft. Rußland ist eben kein Rechtsstaat, die Miliz ist eine Räuberbande, die in erster Linie die eigenen Bürger ausnimmt, die Gerichte sind Erfüllungsgehilfen der Politik und die Beamten nutzen die Gesetze, wie es ihnen gerade paßt. Und das ist nicht nun für die von Amerika bezahlten Oppositionskasper ein Problem, sondern für alle Bürger.
Da in diesem Blog offensichtlich von russischen Standpunkt über Estland nachgedacht wir, kann es ja wohl nicht schaden, ab und zu mal einen direkten Vergleich zu ziehen und dabei festzustellen, daß Estland dabei so schlecht nicht aussieht.
Hallo Schirren,
danke für Dein Beitrag. Ich weiss nicht, wie aufmerksam Du diesen Blog verfolgst, aber eigentlich sehe ich es nicht so, dass auf diesem Blog die Meinung Russlands vertreten wird, ich poste auch regelmäßig Russland-kritische Artikel. Die russisch-sprachige Bevölkerung Estlands und russländische Politik sind bei weitem nicht deckungsgleich. Zum Beispiel spricht selbst Max Reva von Naschi als von einer Organisation mit faschistoiden Elementen. Eher betrachte ich Estland mit den Augen eines EU-Einwohners, der Zustände anprangert, die nicht den Vorstellungen einer Demokratie im west-europäischen Sinn entsprechen.
Gruss,
kloty
Hallo Kloty,
Deinen Blog läse ich nicht regelmäßig, aber ziemlich oft, denn mir gefällt er. Ich habe mich wohl etwas schwammig ausgedrückt, wenn ich vom "russischen Standpunkt" geschrieben habe. Ich wollte nicht behaupten, daß Du hier offizielle russische Standpunkte nachbetest. Ich halte es jedoch für fair, zu behaupten, daß Du Dich mit Estland vor allem im Bezug auf die russische Minderheit und auf Rußland auseinandersetzt. Und das ist auch völlig legitim.
Das Thema Rußland polarisiert offenbar so stark, daß in vielen Foren keine Debatten stattfinden, sondern gegenseitige Beschimpfungen: („Du arbeitest für den Kreml" - "und Du für die CIA"). Mein ursprünglicher Beitrag sollte nicht in diese Richtung gehen, sondern einfach einen Denkanstoß geben.
Viel Erfolg bei Deiner Arbeit!
Bedeutsam scheint vor allem, dass Herr Dornemann von Anweisungen der Regierung spricht, ohne diese und die Quellen seines Wissens zu benennen. Aber das macht er meist so.
Kommentar veröffentlichen