Nachdem ich vor kurzem ein Artikel über die Situation der russisch-sprachigen Presse übersetzt habe, komme ich nicht umhin einen neuen Artikel darüber zu schreiben, weil die Situation sich wieder verschlimmert hat.
Kaum hat sich die Aufregung über die Schliessung von "Vesti Dnja" gelegt, wurde bekannt, dass die älteste tägliche russisch-sprachige Zeitung "Molodjezh Estnonii" zumindest bis zum 1. Juni nicht mehr erscheinen wird. Und es gibt einige Vermutungen, dass falls keine Investoren gefunden werden, auch dieser Termin verstreichen wird. Damit ist die einzige russisch-sprachige, überregionale tägliche Zeitung in Estland die russische Version von Postimees, die größtenteils aus den Übersetzungen der estnisch-sprachigen Nachrichten besteht. Postimees zeigt grosse Affinität zu der Reformpartei, so dass viele Artikel wenn auch nicht explizit Russland-feindlich sind, so ist die Tendenz zu ständigen kleinen Ausfällen gegenüber Russland offensichtlich, was einen Grossteil der russisch-sprachigen Leser über Zeit vergraulen dürfte.
Es stellen sich zwei Fragen: Wie wichtig ist eine unabhängige Tageszeitung und welche Alternativen gibt es? Die erste Frage ist nicht nur für die russisch-sprachige Gemeinde in Estland aktuell, auch weltweit befindet sich der Zeitungsmarkt in der Krise und viele Zeitungen stellen ihr Erscheinen ein, weil ihnen durch die Wirtschaftskrise, aber auch durch Internet die finanzielle Grundlage entzogen wird. Viele Abonnenten kündigen das Abo mit der Begründung, dass Internet und Nachrichtensender viel aktuellere Informationen haben und die Nachbereitung der Informationen, der Hintergrund der Geschehnisse, auch in einem Wochenblatt erscheinen können, während den Arbeitstagen ist die Lesezeit eher begrenzt, dafür kann man am Wochenende die Geschehnisse der Woche gut aufbereitet und recherchiert nachlesen. Dieses Argument gilt natürlich, wenn man die Zeitung als Einwegkanal betrachtet, von der Redaktion zum Leser. Allerdings hat die Zeitung auch oft einen Rückkanal, nämlich der Leser kann einen Leserbrief an die Zeitung schreiben und auf ein Misstand hinweisen, den die Redaktion dann aufgreifen kann, wenn sie es für berichtenswert hält. Eine Zeitung hat zumindest noch in Europa einen höheren Stellenwert als ein Blogger, oder ein unabhängiges Nachrichtenportal, das über denselben Misstand schreibt, so dass die öffentliche Kritik und eine Reaktion darauf mit einem Zeitungsartikel eher zu erzeugen ist, als mit einem in Internet veröffentlichten Artikel. In USA ändert sich dieser Zustand, Blogger werden immer mächtiger, doch Europa hinkt hinterher. Durch diesen Rückkanal, als auch allgemeine Stimmungen der Zielgruppe, die eine Zeitung aufgreifen muss, damit sie gelesen wird, kann auch ein Aussenstehender die Meinungen der Zielgruppe nachvollziehen. Im Fall von übersetztem Postimees fehlt dieser Rückkanal, so dass den estnischen Politikern, Demoskopen, Politikwissenschaftlern eine wichtige Grundlage für die Beobachtung der Stimmung in der russisch-sprachigen Bevölkerung fehlen wird.
Was sind die Alternativen? Es gibt den PBK (Pervij Baltijskij Kanal), der hauptsächlich die Inhalte des "Pervij Kanal" des russländischen Fernsehens übernimmt. Es gibt "Aktualnaja Kamera" auf ETV2, wo in 15 Minuten in russischen Sprache die aktuellen Nachrichten aus Estland gezeigt werden. Und es gibt "Sud Prisjazhnyh" ("Geschworenengericht") eine politische Talkshow, wo viele aktuelle Themen, die die russisch-sprachige Bevölkerung unmittelbar betreffen, von estnischen, als auch nichtestnischen Gästen besprochen werden. Die Zuschauer können abstimmen, so dass ein gewisser Rückkanal besteht, um die Stimmung der Bevölkerung grob zu testen. Es gibt Radio 4, einen staatlichen Radiokanal in russischen Sprache, der grösstenteils aus Nachrichten besteht.
Ein Wochenblatt in russischen Sprache, der überregional vertrieben wird, ist Den za Dnjem. Die Zeitung gehört Postimees, so dass die politische Richtung ähnlich ist, doch ist der Anteil der Artikel, die von russisch-sprachigen Redakteuren geschrieben wurden höher, als in Postimees. Überregional vertrieben wird die wöchentlich erscheinende "MK-Estonija". MK steht für Moskovskij Komsomoletz, eine Zeitung in Russland, so dass die Hauptredaktion in Russland ansässig ist und die estnische Redaktion Inhalte beisteuert. Alle anderen Wochenblätter sind regional. "Stoliza" ist eine kostenlose Zeitung, die in Tallinn vertrieben wird und teils aus kommunalen Nachrichten, teils aus Werbung für Zentristen-Partei besteht. Narvskaja Gazeta erscheint 2x wöchentlich und ist eher dem Regierungslager zuzurechnen. Fünf Mal die Woche erscheint die Zeitung "Severnoje Poberezhje" in der Region Ida-Virumaa. Walk ist ein wöchentlich erscheinendes gemeinsames estnisch-lettisches Projekt für Süd-Estland und Nord-Lettland. Peipsirannik ist monatlich erscheinende Zeitung für die Bewohner der Küste des Peipus-Sees.
Eine Zeitschrift, die einen besonderen Status einnimmt, ist "Baltijskij Mir". Diese einmal in zwei Monaten erscheinende Zeitschrift wird zu 100% von der russländischen Regierungskomission für Compatrioten im Ausland finanziert und kostenlos von russländischen Botschaften und Organisationen der Compatrioten vertrieben. Die Zeitschrift ist sehr professionell gemacht und beleuchtet sehr ausführlich die Geschehnisse in baltischen Staaten natürlich aus streng russland-freundlichen Sicht. Ich kann nicht sagen, wie populär die Zeitschrift wirklich ist, aber sie könnte durchaus meinungsbildend bei der russisch-sprachigen Intelligenz werden, die Russland nicht ablehnend gegenüber steht.
Wenn man die russisch-sprachigen Internet-Portale aufzählen möchte, die sich mit Estland beschäftigen, kommt man natürlich an Delfi nicht vorbei. Berühmt-berüchtigt ist Delfi nicht wegen den Nachrichten, sondern hauptsächlich wegen den Kommentatoren, wegen denen es schon öfters Versuche gab einen Anonymisierungsverbot bei Kommentaren im Internet zu beschliessen, um die schlimmsten Auswüchse an Hass und Beschimpfungen zu unterbinden, bislang vergeblich. Bei vielen anderen Internet-Portalen ist es öfters nicht klar, wer dahintersteht und wie ernst das Portal zu nehmen ist, ob es Ein-Mann-Unternehmen ist, das jederzeit die Arbeit einstellen kann, oder ob eine gut finanzierte Gruppe ein neues Konzept verfolgt. Recht neu ist www.baltija.eu, wo viele Estland-kritische Nachrichten erscheinen, weswegen die Seite schon öfters (nach eigenen Angaben zumindest) ein Ziel von Hacker-Angriffen wurde. Unpopulär, aber wegen professionellen Aufmachung erwähnenswert ist Vene Portal, den Artikeln zufolge eher ein Projekt der Regierung. www.slavia.ee wird vom Nord-Ost Zentrum der Russischen Kultur betrieben, www.dozor.ee, wie der Name schon sagt von Aktivisten von Notchnoj Dozor.
Meine wichtigste Informationsquelle ist allerdings das social network Livejournal, der in Russland sehr populär ist. Es gibt viele Communities, wo die Mitglieder alle Nachrichten zum Thema sammeln und als ein Artikel posten, so dass man nicht alle Nachrichtenseiten einzeln durchschauen muss.
Als Fazit kann man sagen, dass für eine umfassende Information über das Leben der russisch-sprachigen Gemeinde das Internet herhalten muss, da die sonstigen Massenmedien entweder nur regional erscheinen, oder sehr parteibezogen sind, so dass keine unabhängige Meinung gebildet werden kann. Trotz des Spitznamens E-stonia, ist der Anteil der Leute in der russisch-sprachigen Bevölkerung, die mit den neuen Medien umgehen können, noch recht gering, besonders in der älteren Schicht, so dass mit dem Verschwinden der täglich erscheinenden Zeitungen, sie von unabhängigen Informationen abgeschnitten sind. Der Rückkanal im Internet funktioniert nur bedingt, wegen der grossen Zersplitterung der Portale und ihrer geringeren Macht im Vergleich zu einer Zeitungsredaktion. Wie ein Delfi-Kommentator es ausgedrückt hat, wird die Regierung die Meinung der russisch-sprachigen Bevölkerung entweder aus Berichten des Innenministeriums (sprich KAPO), aus partei-finanzierten Zeitungen oder aus privaten Blogs erfahren.
Sonntag, Mai 24, 2009
Sonntag, Mai 17, 2009
Der goldene Soldat
nachfolgendes ist eine Übersetzung des Artikels aus Eesti Päevaleht.
Hiermit bezeuge ich, dass ich, Kristina Norman, eine Künstlerin bin und nur in poetischen Zielen handle. Ich vertrete nicht Interessen von keiner politischen Organisation und habe mit meiner künstlerischen Tätigkeit kein Gesetz der Estnischen Republik verbrochen.
Das Ziel meiner Tätigkeit ist die Annäherung zwei der größten Gemeinden Estlands, ein Aufruf zum Dialog. Das, was ich als Künstlerin mache, ist vom Glauben inspiriert, dass alle Einwohner Estlands im Einklang mit der Verfassung ihre nationale und kulturelle Identität ausdrücken dürfen. Als Künstlerin benutze ich das Recht zur Selbstentfaltung, die in der demokratischen Ordnung des Staates garantiert ist (Artikel 45 der Verfassung der Estnischen Republik: jeder hat das Recht seine Ideen, Meinungen, Überzeugungen und andere Information in Wörtern, publizistisch, visualisiert oder auf andere Art und Weise frei verbreiten).
Mein Projekt des estnischen Pavillons auf der 53-sten Biennale in Venedig "After-War" ist auf die Kultur der russisch-sprachigen Bevölkerung Estland und verschiedene kulturelle Bräuche orientiert. Auf der Ausstellung ist es geplant eine ganze Umgebung bestehend aus Video, Foto und Objekten herzustellen, die sich auf fünf räumliche Situationen bezieht. Zum Beispiel kann man eine Dokumentation sehen, wie das Verhaltensmodel in der Nähe des Monuments des Bronzenen Soldaten sich durch die Zeit ändert - von der Eröffnung des Monuments im Jahr 1947, bis zum heutigen Tag, wenn das Denkmal eine andere geografische Lage hat. Der Hauptakzent liegt darauf, dass beim Machtwechsel, die Rituale, die früher offiziell bestimmt wurden, durch ein spontanes körperliches Gedächtnis ausgeübt werden, sie wurden zu Ritualen durch Trägheitsmoment. Auch weise ich auf die Mehrdeutigkeit der Figur des Bronzenen Soldaten hin - darauf, dass dieses Monument verschiedene Bedeutung für Gemeinden mit verschiedenem Gedächtnis hat.
Position des Künstlers
Meiner nationalen Herkunft folgend, positioniere ich mich zwischen die beide Gemeinden. Aus diesem Standpunkt heraus handle ich wie eine Künstlerin und untersuche die jüngste Vergangenheit der estnischen Gesellschaft von der Position einen unabhängigen Anthropologen aus. Eine besondere Aufmerksamkeit schenke ich der Problematik des Heiligen und des Profanen, was in der herrschenden gesellschaftlichen und politischen Situation mehr als gerechtfertigt ist. Denn man muss über zwei verschiedene kulturelle Modelle sprechen, denen unterschiedliche Werte eigen sind und ihre Interpretation. Dies beinhaltet auch das Verständnis dessen, was heilig ist. Auf der Grundlage der durchgeführten Untersuchung kann ich behaupten, dass von der Position vieler unseren Compatrioten ausgehend, war die Relokation des Bronzenen Soldaten von Tõnismägi vor zwei Jahren eine Schändung des Heiligtums, d.h. Profanierung. Dabei muss ich unterstreichen, dass es nicht der Fakt der Relokation selbst war, sondern die Art, wie sie gemacht wurde.
Jetzt kann man auf Tõnismägi sehen, dass die Leute, den Ort zu resakralisieren versuchen, der durch die Regierung profaniert wurde. Sie versammeln sich auf diesem wichtigen Platz und tun die gewohnten Dinge: bringen Blumen, Kerzen, machen zusammen Fotos. Festigen ihre Einigkeit. Zu meiner Position zurückkehrend, erkläre ich den Namen der Exposition "After-War".
Sie zeigt auf die Situation, wenn der Krieg vorbei ist, doch der Konflikt weitergeht. In dem Zustand der Polarisierung der Gesellschaft wird eine eindeutige Wahl der Seite des Konfliktes verlangt. Ich verweigere mich dieser Wahl. Erstens kann ich das dank meiner Herkunft nicht tun: ich wurde in einer zweisprachigen Familie geboren. Zweitens denke ich nicht, dass ich oder jemand anders diese Wahl treffen sollte. Es ist jetzt kein Krieg, so das jeder Gefolgschaft wählen muss. Ich glaube, dass man in der Estnischen Republik leben kann, ohne eine Seite wählen zu müssen.
Poetischer Auftritt
Das was am 9.Mai geschah, war mein poetischer Auftritt: Ich habe das Unsichtbare sichtbar gemacht, habe zur allgemeinen Ansicht das herausgetragen, was im Schatten gewesen war. Habe visualisiert (wiederum, aufgrund meiner langjährigen Beobachtungen) die Bedeutung dieser Leere, die sich auf Tõnismägi nach der Relokation des Monuments gebildet hat, das jahrelang an diesen Platz gehörte.
Zum Objekt der Visualisierung wurde eine goldene Skulptur, die dem Bronzenen Soldaten ähnelt. Die Zeit und den Ort der Aktion habe ich in Übereinstimmung mit meiner Position als Künstlerin gewählt. Die ganze Aktion ist ein Teil meiner künstlerischen Exposition in Venedig, die man nur nach der Eröffnung der Ausstellung bewerten kann. Die goldene Figur, die ich nach Tõnismägi mitgebracht habe, ist eine im Inneren leere Skulptur aus leichtem Material, die mit Goldstaub bedeckt ist. Mein Ziel war, sich neben der Skulptur zu stellen und Gedanken mit Leuten auszutauschen, über die Deutung, die von dieser goldenen Figur vermittelt wird. Und das dazu, um den Leuten die Möglichkeit zu geben, in ihren Worten die Unterschiede der Deutungen auszudrücken: was ist der Unterschied zwischen der goldenen Skulptur und dem sich hier früher befindenden "Monumenten des Befreiers". Meine ganze Tätigkeit habe ich als eine Videodokumentation aus den Meinungen unterschiedlichen Leute über das von mir erschaffenes Kunstwerk geplant. Ausserdem wollte ich wissen, welche Verhaltensmodelle nach der Ankunft der goldenen Figur am 9.Mai angewandt werden- am Tag der Durchführung den von Russen gewohnten Rituale.
Bronzene Nacht in Miniatur
Leider konnte sich die Aktion nicht ruhig entwickeln, denn bald kam die Polizei an. Zur gegebenen Situation haben sie sich feindlich verhalten, die Skulptur wurde angerempelt und umgestossen, technokratisch wurde sie von Tõnismägi entfernt. In einer Miniatur wurde die Situation wiederholt, die im April vor 2 Jahren stattgefunden hat, als der Soldat weggeschafft wurde. Polizei hat mir nicht erklärt, auf welchen rechtlichen Grundlage sie mein Kunstwerk wegschaffen. Ich habe der Polizei vorgeschlagen, dass ich selbst die Skulptur wegfahren könnte, doch wurde mein Vorschlag nicht angenommen. Die Figur wurde weggefahren und ich wurde zur Polizei geführt, um Erklärungen zu geben.
Über die Bedeutung des Bronzenen Soldaten wurden mehrere Meinungen in verschiedenen Sprachen veröffentlicht. Dies hat die Situation nicht verbessert. Als Künstlerin habe ich beschlossen, dass über die Dinge, über die man auf normalen Sprachen nicht unterhalten kann, kann und muss man in der Sprache der Künste sprechen. Diese Sprache ist definitionsgemäß mehrdeutig und gibt mehr Möglichkeiten. Leider wurde mir nicht die Möglichkeit gegeben frei in dieser Sprache zu sprechen, mit Leuten zu reden... Es wurden vorsätzlich Hindernisse erschaffen, aber auch das ist ein Teil der Realität, die ich lerne in die Sprache der Kunst zu übersetzen.
Alle, die interessiert sind mein Projekt kennenzulernen, erwarte ich von Juni bis Oktober in Venedig. Zusätzliche Information über das Projekt und die Aktion am 9.Mai ist auf der Internet-Seite der Autorin
www.kristinanorman.com zu finden.
Hiermit bezeuge ich, dass ich, Kristina Norman, eine Künstlerin bin und nur in poetischen Zielen handle. Ich vertrete nicht Interessen von keiner politischen Organisation und habe mit meiner künstlerischen Tätigkeit kein Gesetz der Estnischen Republik verbrochen.
Das Ziel meiner Tätigkeit ist die Annäherung zwei der größten Gemeinden Estlands, ein Aufruf zum Dialog. Das, was ich als Künstlerin mache, ist vom Glauben inspiriert, dass alle Einwohner Estlands im Einklang mit der Verfassung ihre nationale und kulturelle Identität ausdrücken dürfen. Als Künstlerin benutze ich das Recht zur Selbstentfaltung, die in der demokratischen Ordnung des Staates garantiert ist (Artikel 45 der Verfassung der Estnischen Republik: jeder hat das Recht seine Ideen, Meinungen, Überzeugungen und andere Information in Wörtern, publizistisch, visualisiert oder auf andere Art und Weise frei verbreiten).
Mein Projekt des estnischen Pavillons auf der 53-sten Biennale in Venedig "After-War" ist auf die Kultur der russisch-sprachigen Bevölkerung Estland und verschiedene kulturelle Bräuche orientiert. Auf der Ausstellung ist es geplant eine ganze Umgebung bestehend aus Video, Foto und Objekten herzustellen, die sich auf fünf räumliche Situationen bezieht. Zum Beispiel kann man eine Dokumentation sehen, wie das Verhaltensmodel in der Nähe des Monuments des Bronzenen Soldaten sich durch die Zeit ändert - von der Eröffnung des Monuments im Jahr 1947, bis zum heutigen Tag, wenn das Denkmal eine andere geografische Lage hat. Der Hauptakzent liegt darauf, dass beim Machtwechsel, die Rituale, die früher offiziell bestimmt wurden, durch ein spontanes körperliches Gedächtnis ausgeübt werden, sie wurden zu Ritualen durch Trägheitsmoment. Auch weise ich auf die Mehrdeutigkeit der Figur des Bronzenen Soldaten hin - darauf, dass dieses Monument verschiedene Bedeutung für Gemeinden mit verschiedenem Gedächtnis hat.
Position des Künstlers
Meiner nationalen Herkunft folgend, positioniere ich mich zwischen die beide Gemeinden. Aus diesem Standpunkt heraus handle ich wie eine Künstlerin und untersuche die jüngste Vergangenheit der estnischen Gesellschaft von der Position einen unabhängigen Anthropologen aus. Eine besondere Aufmerksamkeit schenke ich der Problematik des Heiligen und des Profanen, was in der herrschenden gesellschaftlichen und politischen Situation mehr als gerechtfertigt ist. Denn man muss über zwei verschiedene kulturelle Modelle sprechen, denen unterschiedliche Werte eigen sind und ihre Interpretation. Dies beinhaltet auch das Verständnis dessen, was heilig ist. Auf der Grundlage der durchgeführten Untersuchung kann ich behaupten, dass von der Position vieler unseren Compatrioten ausgehend, war die Relokation des Bronzenen Soldaten von Tõnismägi vor zwei Jahren eine Schändung des Heiligtums, d.h. Profanierung. Dabei muss ich unterstreichen, dass es nicht der Fakt der Relokation selbst war, sondern die Art, wie sie gemacht wurde.
Jetzt kann man auf Tõnismägi sehen, dass die Leute, den Ort zu resakralisieren versuchen, der durch die Regierung profaniert wurde. Sie versammeln sich auf diesem wichtigen Platz und tun die gewohnten Dinge: bringen Blumen, Kerzen, machen zusammen Fotos. Festigen ihre Einigkeit. Zu meiner Position zurückkehrend, erkläre ich den Namen der Exposition "After-War".
Sie zeigt auf die Situation, wenn der Krieg vorbei ist, doch der Konflikt weitergeht. In dem Zustand der Polarisierung der Gesellschaft wird eine eindeutige Wahl der Seite des Konfliktes verlangt. Ich verweigere mich dieser Wahl. Erstens kann ich das dank meiner Herkunft nicht tun: ich wurde in einer zweisprachigen Familie geboren. Zweitens denke ich nicht, dass ich oder jemand anders diese Wahl treffen sollte. Es ist jetzt kein Krieg, so das jeder Gefolgschaft wählen muss. Ich glaube, dass man in der Estnischen Republik leben kann, ohne eine Seite wählen zu müssen.
Poetischer Auftritt
Das was am 9.Mai geschah, war mein poetischer Auftritt: Ich habe das Unsichtbare sichtbar gemacht, habe zur allgemeinen Ansicht das herausgetragen, was im Schatten gewesen war. Habe visualisiert (wiederum, aufgrund meiner langjährigen Beobachtungen) die Bedeutung dieser Leere, die sich auf Tõnismägi nach der Relokation des Monuments gebildet hat, das jahrelang an diesen Platz gehörte.
Zum Objekt der Visualisierung wurde eine goldene Skulptur, die dem Bronzenen Soldaten ähnelt. Die Zeit und den Ort der Aktion habe ich in Übereinstimmung mit meiner Position als Künstlerin gewählt. Die ganze Aktion ist ein Teil meiner künstlerischen Exposition in Venedig, die man nur nach der Eröffnung der Ausstellung bewerten kann. Die goldene Figur, die ich nach Tõnismägi mitgebracht habe, ist eine im Inneren leere Skulptur aus leichtem Material, die mit Goldstaub bedeckt ist. Mein Ziel war, sich neben der Skulptur zu stellen und Gedanken mit Leuten auszutauschen, über die Deutung, die von dieser goldenen Figur vermittelt wird. Und das dazu, um den Leuten die Möglichkeit zu geben, in ihren Worten die Unterschiede der Deutungen auszudrücken: was ist der Unterschied zwischen der goldenen Skulptur und dem sich hier früher befindenden "Monumenten des Befreiers". Meine ganze Tätigkeit habe ich als eine Videodokumentation aus den Meinungen unterschiedlichen Leute über das von mir erschaffenes Kunstwerk geplant. Ausserdem wollte ich wissen, welche Verhaltensmodelle nach der Ankunft der goldenen Figur am 9.Mai angewandt werden- am Tag der Durchführung den von Russen gewohnten Rituale.
Bronzene Nacht in Miniatur
Leider konnte sich die Aktion nicht ruhig entwickeln, denn bald kam die Polizei an. Zur gegebenen Situation haben sie sich feindlich verhalten, die Skulptur wurde angerempelt und umgestossen, technokratisch wurde sie von Tõnismägi entfernt. In einer Miniatur wurde die Situation wiederholt, die im April vor 2 Jahren stattgefunden hat, als der Soldat weggeschafft wurde. Polizei hat mir nicht erklärt, auf welchen rechtlichen Grundlage sie mein Kunstwerk wegschaffen. Ich habe der Polizei vorgeschlagen, dass ich selbst die Skulptur wegfahren könnte, doch wurde mein Vorschlag nicht angenommen. Die Figur wurde weggefahren und ich wurde zur Polizei geführt, um Erklärungen zu geben.
Über die Bedeutung des Bronzenen Soldaten wurden mehrere Meinungen in verschiedenen Sprachen veröffentlicht. Dies hat die Situation nicht verbessert. Als Künstlerin habe ich beschlossen, dass über die Dinge, über die man auf normalen Sprachen nicht unterhalten kann, kann und muss man in der Sprache der Künste sprechen. Diese Sprache ist definitionsgemäß mehrdeutig und gibt mehr Möglichkeiten. Leider wurde mir nicht die Möglichkeit gegeben frei in dieser Sprache zu sprechen, mit Leuten zu reden... Es wurden vorsätzlich Hindernisse erschaffen, aber auch das ist ein Teil der Realität, die ich lerne in die Sprache der Kunst zu übersetzen.
Alle, die interessiert sind mein Projekt kennenzulernen, erwarte ich von Juni bis Oktober in Venedig. Zusätzliche Information über das Projekt und die Aktion am 9.Mai ist auf der Internet-Seite der Autorin
www.kristinanorman.com zu finden.
Dienstag, Mai 05, 2009
Rezension des Filmes Aljoscha
am 24.04 fand in Wiesbaden im Rahmen des 9. goEast-Filmfestivals (Festival des osteuropäischen Films) die erste Deutschland-Vorführung des Filmes Aljoscha vom estnischen Regisseur Meelis Muhu. Der Film lief im Wettbewerb, wurde aber nicht prämiert.
Wie der Name schon vermuten lässt, erzählt der Dokumentarfilm die Geschichte des sowjetischen Denkmals des Kriegers-Befreiers im Stadtzentrum von Tallinn, der in der russisch-sprachigen Bevölkerung liebevoll Aljoscha genannt wird. Die Handlung beginnt im Jahr 1944, als die Rote Armee nach Estland einmarschiert. Was offiziell als Befreiung von den faschistischen Unterdrückern propagiert wird, verstehen viele Esten als erneute Okkupation. Jedes Jahr steht der Denkmal des Bronzenen Soldaten im Zentrum der Feier, was durch viele Archivaufnahmen dokumentiert wird. Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1990 werden die Feierlichkeiten zuerst eingestellt, doch im Jahr 2005 organisiert die russisch-sprachige Gemeinde wieder Siegesfeier am Denkmal. Im Jahr 2006 kommt es während der Feier zu Handgreiflichkeiten zwischen den Russen und einigen estnischen Nationalisten, als sie versuchen mit der estnischen Fahne und Protesttransparenten zum Denkmal vorzudringen. Das war der Augenblick, als sich die estnisch-nationale Bewegung formierte, die lautstark die Wegräumung des Denkmals forderte, die dann auch in der Nacht vom 26-27. April durchgeführt wurde. Die Verlegung wurde von Massenunruhen und Krawallen begleitet. Das wiederaufgerichtete Denkmal steht am Soldatenfriedhof und zieht jedes Jahr am 9.Mai Tausende von Menschen an, die den Gefallenen und Veteranen Ehre erweisen wollen.
Der Film Muhus begleitet alle diese Ereignisse im Still einer Dokumentation. Die Kamera gleitet durch die Massen, ist mittendrin im Geschehen, ganz nah an den Hauptakteuren. Es werden kaum Fragen gestellt, die Interviewte erzählen selbst ihre Sichtweise, es gibt keine Kommentare aus dem Off. Der Zuschauer soll möglichst unbeeinflusst seine Meinung bilden können. Unabhängig welche Seite am Ende des Films eingenommen wird, wird eines deutlich: der Konflikt ist lange nicht gelöst, die Fronten bleiben verhärtet und Agressionspotential auf beiden Seiten ist nach wie vor hoch.
Abgesehen von den Archivaufnahmen, wird kaum über die politische Seite des Konflikts berichtet. Mit keinem Wort wird über die Reaktion Russlands berichtet, die Rolle der politischen Elite Estlands beim Schürren des Konflikts bleibt unerwähnt, die Gefangene des D-Terminals kommen nicht zu Wort, keine Statistik über Tote, Verletzte und Festgenomme wird eingeblendet. Nur kurz kann man die Armbinde mit der Aufschrift "Notchnoj Dozor" sehen. Von einer erschöpfenden Dokumentation über das Thema Bronzene Nächte kann man deswegen nicht sprechen, die Konzentration auf das wesentliche und die Methode die Bilder für sich sprechen zu lassen ist zweifellos interessant für jemandem, der sich mit dem Konflikt bislang nicht beschäftigt hat. Jemand, der die jüngste Geschichte Estlands aufmerksam verfolgt, kennt die meisten Aufnahmen schon, wenn auch nicht unbedingt in dieser Zusammenstellung und Intensität. Wenn man bedenkt, dass die singende Revolution weitgehend in Estland weitgehend unblutig verlaufen ist, versteht man, warum die Erinnerung an die Bronzenen Nächte noch lange in Gedächtnis aller Beteiligten bleiben wird, und selbst zwei Jahre nach den Unruhen kaum ein Artikel über die russisch-sprachige Minderheit ohne Erwähnung dieser Geschehnisse auskommt.
Wie der Name schon vermuten lässt, erzählt der Dokumentarfilm die Geschichte des sowjetischen Denkmals des Kriegers-Befreiers im Stadtzentrum von Tallinn, der in der russisch-sprachigen Bevölkerung liebevoll Aljoscha genannt wird. Die Handlung beginnt im Jahr 1944, als die Rote Armee nach Estland einmarschiert. Was offiziell als Befreiung von den faschistischen Unterdrückern propagiert wird, verstehen viele Esten als erneute Okkupation. Jedes Jahr steht der Denkmal des Bronzenen Soldaten im Zentrum der Feier, was durch viele Archivaufnahmen dokumentiert wird. Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1990 werden die Feierlichkeiten zuerst eingestellt, doch im Jahr 2005 organisiert die russisch-sprachige Gemeinde wieder Siegesfeier am Denkmal. Im Jahr 2006 kommt es während der Feier zu Handgreiflichkeiten zwischen den Russen und einigen estnischen Nationalisten, als sie versuchen mit der estnischen Fahne und Protesttransparenten zum Denkmal vorzudringen. Das war der Augenblick, als sich die estnisch-nationale Bewegung formierte, die lautstark die Wegräumung des Denkmals forderte, die dann auch in der Nacht vom 26-27. April durchgeführt wurde. Die Verlegung wurde von Massenunruhen und Krawallen begleitet. Das wiederaufgerichtete Denkmal steht am Soldatenfriedhof und zieht jedes Jahr am 9.Mai Tausende von Menschen an, die den Gefallenen und Veteranen Ehre erweisen wollen.
Der Film Muhus begleitet alle diese Ereignisse im Still einer Dokumentation. Die Kamera gleitet durch die Massen, ist mittendrin im Geschehen, ganz nah an den Hauptakteuren. Es werden kaum Fragen gestellt, die Interviewte erzählen selbst ihre Sichtweise, es gibt keine Kommentare aus dem Off. Der Zuschauer soll möglichst unbeeinflusst seine Meinung bilden können. Unabhängig welche Seite am Ende des Films eingenommen wird, wird eines deutlich: der Konflikt ist lange nicht gelöst, die Fronten bleiben verhärtet und Agressionspotential auf beiden Seiten ist nach wie vor hoch.
Abgesehen von den Archivaufnahmen, wird kaum über die politische Seite des Konflikts berichtet. Mit keinem Wort wird über die Reaktion Russlands berichtet, die Rolle der politischen Elite Estlands beim Schürren des Konflikts bleibt unerwähnt, die Gefangene des D-Terminals kommen nicht zu Wort, keine Statistik über Tote, Verletzte und Festgenomme wird eingeblendet. Nur kurz kann man die Armbinde mit der Aufschrift "Notchnoj Dozor" sehen. Von einer erschöpfenden Dokumentation über das Thema Bronzene Nächte kann man deswegen nicht sprechen, die Konzentration auf das wesentliche und die Methode die Bilder für sich sprechen zu lassen ist zweifellos interessant für jemandem, der sich mit dem Konflikt bislang nicht beschäftigt hat. Jemand, der die jüngste Geschichte Estlands aufmerksam verfolgt, kennt die meisten Aufnahmen schon, wenn auch nicht unbedingt in dieser Zusammenstellung und Intensität. Wenn man bedenkt, dass die singende Revolution weitgehend in Estland weitgehend unblutig verlaufen ist, versteht man, warum die Erinnerung an die Bronzenen Nächte noch lange in Gedächtnis aller Beteiligten bleiben wird, und selbst zwei Jahre nach den Unruhen kaum ein Artikel über die russisch-sprachige Minderheit ohne Erwähnung dieser Geschehnisse auskommt.
Freitag, Mai 01, 2009
Email von Inno und Irja an K. Dornemann
It was awfully nice to meet you too! I don't know if you've following the
news lately but the day before yesterday our house in Rakvere was raided and
searched by Estonian police and The Inspection of Data Protection. They
broke in at 8 o'clock in the morning, told us to get up from bed, did not
allow us to get dressed and ordered us to go to the living room and sit
down. When i asked if i could contact my lawyer, they allowed me to call
him. He said that he could come at 2 o'clock. They refused to wait for him
and started searching.
They looked everywhere: our closet, bed, drawers. When i asked what is this
all about, they said that some people had complained that we had written
about them in our blog. When i asked who these people were, they refused to
tell us. And then they took our computers, cameras, Inno's telephone, all
the disks the could find etc, packed them up and confiscated them. All that
was left to us was my telephone and only because they could not find it - i
managed to hide it.
So this is our news :). We wanted to post all the interviews we did with you
and the other protesters but they took all of them. I think these interviews
were the reason why they raided our house and they wanted to take them
before we managed to post them.
news lately but the day before yesterday our house in Rakvere was raided and
searched by Estonian police and The Inspection of Data Protection. They
broke in at 8 o'clock in the morning, told us to get up from bed, did not
allow us to get dressed and ordered us to go to the living room and sit
down. When i asked if i could contact my lawyer, they allowed me to call
him. He said that he could come at 2 o'clock. They refused to wait for him
and started searching.
They looked everywhere: our closet, bed, drawers. When i asked what is this
all about, they said that some people had complained that we had written
about them in our blog. When i asked who these people were, they refused to
tell us. And then they took our computers, cameras, Inno's telephone, all
the disks the could find etc, packed them up and confiscated them. All that
was left to us was my telephone and only because they could not find it - i
managed to hide it.
So this is our news :). We wanted to post all the interviews we did with you
and the other protesters but they took all of them. I think these interviews
were the reason why they raided our house and they wanted to take them
before we managed to post them.
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