Zwei Gesetze werden gerade heiss in Estland diskutiert, da sie potentiell geeignet sind eine tiefgreifende Veränderung in der Zivilgesellschaft auszulösen. Das erste Gesetz ist die sogenannte Gesetzesvorlage 656 über den Informantenschutz. Wie die Zeitung Äripäev schreibt hat dieses Gesetz eine geradezu umgekehrte Wirkung, denn eigentlich ermöglicht dieses Gesetz, dass Präventivstrafen für Blogger, Demonstranten, Kommentatoren eines Internetartikels fällig werden könnte, wenn sie andere Person beleidigen und ihr Ehrgefühl verletzen. Die Strafe ist Kompensation für erlittenen moralischen Schaden. Äripäev schreibt dazu, dass die Redaktion selbstverständlich davon ausgeht, dass niemand ohne Grund beleidigt werden sollten, doch ist es bereits heute möglich 6-stellige Summen für als moralische Kompensation einzufordern. Doch jetzt kann man das als Präventivstrafe einfordern und diese Sanktion auf alle anwenden, die irgendwo, irgendwas gesagt haben. Die Strafe ist laut Äripäev geeignet die Meinungsfreiheit einzuschränken, denn für einen Blogger könnte es einen Privatbankrott bedeuten, für eine Redaktion die Schliessung.
Grundsätzlich ist dieses Gesetz geeignet zu "Lex Delfi" zu werden und alle Kommentatoren dieses Portals, die bekanntlich kein Blatt vor den Mund nehmen zu empfindlichen Geldstrafen zu verurteilen. Die Ergebnisse werden in ein paar Jahren sichtbar, wenn die Gerichte die ersten Urteile fällen werden, doch will Äripäev diese Ergebnisse gar nicht sehen, sondern ruft jetzt schon die Regierung und die Parlamentarier auf, nicht für dieses Gesetz zu stimmen.
Das zweite Gesetz, das bereits verabschiedet wurde betrifft die Helfer der Polizei ("abipolitseinik"). Diese wurden mit erweiterten Vollmachten ausgestattet, wie das Tragen von Feuerwaffen. Ausserdem wurden die Forderungen, die an einen Anwärter zum Polizeigehilfen gestellt werden, präzisiert. So muss der Anwärter die estnische Sprache auf demselben Niveau beherrschen, wie ein Polizist, also auf der höchsten Stufe, was die meisten russisch-sprachigen Kandidaten von vornherein ausschliesst. Nach zwei 40-stündigen Ausbildungen und einer Schiessausbildung, darf der Polizeihelfer Aufsicht über öffentliche Plätze führen und erhöhte Gefährdung der öffentlichen Ordnung beseitigen.
Stellen wir uns die Wiederholung der Bronzenen Nächte vor, einem nicht wünschenswerten, aber nicht ausgeschlossenem Ereignis. Schlecht ausgebildete, aber bewaffnete estnische Polizeihelfer stehen einer wütenden russisch-sprachigen Menschenmenge gegenüber, die womöglich mit Steinen und Flaschen wirft. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein getroffener Hilfspolizist, aus Notwehr die Waffe zieht und wild um sich zu schiessen anfängt?
Beide Gesetze sind schlecht durchdacht und können zu Einschränkungen der Rede-, Meinungs-, Versammlungsfreiheit führen. Man kann sich nie sicher sein bei einer Demonstration nicht im Nachhinein für den Inhalt des Transparents verklagt und von einem überforderten Hilfspolizisten über den Haufen geschossen zu werden.
Freitag, November 26, 2010
Sonntag, November 14, 2010
Etwas zu viel Patriotismus
im Juli nächsten Jahres wird in Tallinn der XI Sängerfest der Jugend im Rahmen des Programms Tallinn - die europäische Kulturhauptstadt stattfinden.
Doch auch bei solchen eher unverdächtigen Feiern kann es zu einem Skandal kommen. Die Eltern von 6-8 jährigen Kindern haben das Liederbuch ihrer Kinder "Laulud mudilaskooridele" zu Gesicht bekommen und prompt hagelte es Beschwerden. Der Stein des Anstosses was folgendes Lied "Mu suul ei ole sulgejat" was man mit "In meinem Mund gibt es kein Knebel" übersetzen kann.
Die Übersetzung ist ungefähr die folgende:
Damit unsere Sache getan wird,
damit die Verabschiedungen höflich begangen werden,
damit Kriegswägen wegfahren,
damit Kommandeure verschwinden,
damit Spione an der Ecke traurig werden
und Verräter Schluckauf bekommen
In meinem Mund gibt es keinen Knebel
Meine Zunge ist nicht gefangen
Wenn endlich die Sache getan wird,
der Kriegsbeil begraben wird,
wenn die Armee nach Hause wegfährt,
und die "Roten" Urlaub nehmen werden,
dann kann die estnische Zeit beginnen,
Doch vergiss nicht (2x).
In meinem Mund gibt es keinen Knebel ...
Es haben sich auch russische Schulen zum Sängerfest angemeldet, so dass auch russisch-sprachige Eltern gesehen haben, was ihre Kinder singen werden. Man braucht sich also nicht zu wundern, warum viele Eltern ihre Kinder lieber nicht in estnische Schulen schicken, sonst laufen sie der Gefahr von ihren eigenen Kindern als Okkupanten beschimpft zu werden.
Doch auch bei solchen eher unverdächtigen Feiern kann es zu einem Skandal kommen. Die Eltern von 6-8 jährigen Kindern haben das Liederbuch ihrer Kinder "Laulud mudilaskooridele" zu Gesicht bekommen und prompt hagelte es Beschwerden. Der Stein des Anstosses was folgendes Lied "Mu suul ei ole sulgejat" was man mit "In meinem Mund gibt es kein Knebel" übersetzen kann.
Die Übersetzung ist ungefähr die folgende:
Damit unsere Sache getan wird,
damit die Verabschiedungen höflich begangen werden,
damit Kriegswägen wegfahren,
damit Kommandeure verschwinden,
damit Spione an der Ecke traurig werden
und Verräter Schluckauf bekommen
In meinem Mund gibt es keinen Knebel
Meine Zunge ist nicht gefangen
Wenn endlich die Sache getan wird,
der Kriegsbeil begraben wird,
wenn die Armee nach Hause wegfährt,
und die "Roten" Urlaub nehmen werden,
dann kann die estnische Zeit beginnen,
Doch vergiss nicht (2x).
In meinem Mund gibt es keinen Knebel ...
Es haben sich auch russische Schulen zum Sängerfest angemeldet, so dass auch russisch-sprachige Eltern gesehen haben, was ihre Kinder singen werden. Man braucht sich also nicht zu wundern, warum viele Eltern ihre Kinder lieber nicht in estnische Schulen schicken, sonst laufen sie der Gefahr von ihren eigenen Kindern als Okkupanten beschimpft zu werden.
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