Folgende Seite wurde bei dem Internet-Auftritt der US-Botschaft in Estland entdeckt
Vor 72 Jahren wurde der Molotov-Ribbentrop Pakt unterschrieben
23.08.2011
An diesem Tag vor mehr als 70 Jahren haben das nazistische Deutschland und Sowjetunion Schritte unternommen, die Europa und die ganze Welt auf den Pfad des unvermeidlichen Krieges gestellt haben. Durch das Unterschreiben des Nichtangriffsvertrages zwischen Deutschland und Sowjetunion, der auch unter dem unrühmlichen Namen "Molotov-Ribbentrop Pakt" bekannt ist, haben zwei totalitäre Regimes auch geheime zusätzliche Protokolle zu dem Pakt angefügt, die Europa in entsprechende Wirkungssphären aufgeteilt haben. Estland hat niemals die katastrophalen Folgen diesen Schrittes vergessen, und so versammeln sich seit 27 Jahren, auch während der dunklen Zeit der Okkupation im Tallinner Park Hirve eine Gruppe von Leuten, um der Unterzeichnung dieser Dokumente zu gedenken. In diesem Jahr ist es vorgesehen eine öffentliche Versammlung auf dem Platz der Freiheit durchzuführen, um an dieses Ereignis zu gedenken. Estland ist nicht das einzige Land, das den Jahrestag dieser Geschehnisse gedenkt. Im Jahr 2009 hat der Europäische Parlament beschlossen an diesem Europäischen Gedenktag alle Opfer von totalitären und autoritären Regimes zu gedenken. Dieser Tag wird auch "Tag des schwarzen Bandes" genannt.
Ich bin kein Historiker, aber kann mir jemand erklären, warum das Unterzeichnen eines Nichtangriffvertrages "die ganze Welt auf den Pfad des unvermeidlichen Krieges gestellt hat"? Kann mir jemand erklären, was passiert wäre, wenn dieser Vertrag nicht unterschrieben worden wäre? Glaubt wirklich irgendjemand ernsthaft daran, dass Hitler nicht nach Polen einmarschiert worden wäre? Wie soll man sich das vorstellen, wegen Nichtunterzeichnung des Nichtangriffspaktes mit Sowjetunion, marschieren wir zurück aus Österreich und geben böhmische Gebiete an Tschechoslowakei zurück? Vergessen die ganze "Lebensraum im Osten"-Theorie und rüsten wieder ab?
Durch das Unterzeichnen des Nichtangriffspaktes bekam Sowjetunion zweierlei: Zeit und zusätzliches Gelände, so dass die Städte wie Moskau und Leningrad etwas weiter im Landesinneren sich befanden. Niemand kann sagen, was geschehen wäre, wenn die deutschen Armeen ganz Polen und das Baltikum besetzt hätten, dann Kräfte gesammelt und erst dann einen Angriff auf Sowjetunion führten. Vielleicht wäre Moskau gefallen und die Geschichte hätte einen ganz anderen Verlauf genommen.
Freitag, August 26, 2011
Samstag, August 20, 2011
Ein paar Zahlen
Eins muss man dem estnischen Ministerpräsidenten Andrus Ansip lassen, er versprach, dass Estland unter fünf führenden Ländern sein wird. Damals meinte er unter den fünf reichsten Ländern Europas, doch diese Aussage ist schnell zu einem geflügelten Sprichwort geworden, so dass immer wenn eine Statistik veröffentlicht wird, dann wird vor allem geprüft, ob Estland unter den ersten oder unter den letzten fünf Ländern sich befindet. Und es ist sehr häufig der Fall sowohl im positiven, als auch im negativen Sinne. Wirtschaftlich und sozial gesehen ist Estland ein Land der Extreme.
So stieg zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Estland im zweiten Quartal im Vergleich zum zweiten Quartal vorigen Jahres um sehr eindrucksvolle 8,4%, was der größte Wirtschaftswachstum von allen europäischen Ländern bedeutet. Das ist schon der zweite Quartal in Folge, dass die Wirtschaft derart schnell wächst. Wirtschaftswachstum und Inflation gehen immer Hand in Hand, mit einer Inflation von 5,3% hat Estland auch hier seinen Spitzenplatz verteidigt und wird wohl damit schon ein Jahr nach der Einführung des Euros die Maastrichter Stabilitätskriterien verletzen. Doch verletzen gerade andere EU-Länder die Stabilitätskriterien in einer viel massiveren Weise, deswegen glaube ich kaum, dass Estland deswegen Probleme mit der EZB bekommen wird. Wenn man bedenkt, dass in den Zeiten der ausufernden Staatsschulden Estlands Verschuldung bei 6,6% liegt, dann lobt selbst der russische Premierminister Putin Estlands Wirtschaftspolitik.
Auf den ersten Blick positiv entwickelt sich die Arbeitslosenquote. War sie noch letztes Jahr bei katastrophalen 18,6% (unter den ersten fünf), so meldet die estnische Agentur für Arbeit jetzt 7,5% registrierte Arbeitslosigkeit. Die Betonung liegt auf "registrierte" denn das Statistikamt nennt die Zahl von 13,3%, was immer noch der schnellste Rückgang in EU darstellt. Der riesige Unterschied erklärt sich dadurch, dass die Leute, die seit mehr als einem Jahr keine Arbeit haben, nicht in der offiziellen Statistik geführt werden. Und Anteil von diesen Leuten wächst, wobei es schwer vorstellbar ist, wovon diese Leute leben, denn mit einer Sozialhilfe von 67 EUR/Monat (unter den letzten fünf EU-Ländern), ist nicht mal das Essen finanzierbar. Oder vielleicht doch, das Statistikamt hat ausgerechnet, dass die durchschnittliche estnische Familie ganze 2,12 EUR pro Tag fürs Essen ausgibt.
Im Unterschied zu Deutschland gibt es in Estland einen Mindestlohn, den man auch mit anderen Ländern vergleichen kann. Der liegt bei 278 EUR, damit ist Estland auf dem vierten Platz von hinten unter den EU-Ländern, die einen Mindestlohn haben. Zum Vergleich, der Mindestlohn in Luxemburg ist bei 1758 EUR, da liegt noch ein weiter Weg, um unter die ersten fünf zu kommen. Niedrige Gehälter bedeuten niedrige Kaufkraft, sie liegt bei 65% des EU-Durchschnitts, unter den EURO-Ländern ist Estland auf dem letzten Platz. Vor 15 Jahren war die Kaufkraft bei 35%, Luxemburg mit 283% Kaufkraft wird Estland also in voraussichtlich 105 Jahren einholen.
Wenn man diese Zahlen zusammen betrachtet, darf man behaupten, dass Estland ein Schiffchen ist, das auf den Wellen der Weltwirtschaft rumhüpft oder eher ein Wakeboarder, kommt eine Welle des Aufschwungs, fliegt Estland über dem Wellenkamm und legt sehr eindrucksvolle Wachstumszahlen vor. Fällt die Wirtschaft in Wellental, dann sinkt Estland erstmal ins tiefe Wasser. Die Bevölkerung bezahlt diese Extreme mit sehr geringer sozialen Absicherung und Unsicherheit im morgigen Tag. Die Parteien in der heutigen Regierung haben nicht vor diesen Kurs zu ändern und Estland zu einem Wohlfahrtsstaat nach den skandinavischen Vorbildern zu entwickeln.
Nachtrag
Gerade wurde wieder eine Statistik veröffentlicht laut der der durchschnittliche Lohn in Estland bei 857 EUR liegt, das ist ein 4,2% Anstieg gegenüber dem Vorjahresquartal. Doch wie wir gerade gelernt haben, liegt die Inflation gut einen Prozentpunkt höher, so dass für Reallöhne das einen Rückgang um ein Prozentpunkt bedeutet. Schon seit 11 Quartalen sinkt Reallohn. Nicht unbedingt rosige Aussichten eines der fünf reichsten Ländern in Europa zu werden.
So stieg zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Estland im zweiten Quartal im Vergleich zum zweiten Quartal vorigen Jahres um sehr eindrucksvolle 8,4%, was der größte Wirtschaftswachstum von allen europäischen Ländern bedeutet. Das ist schon der zweite Quartal in Folge, dass die Wirtschaft derart schnell wächst. Wirtschaftswachstum und Inflation gehen immer Hand in Hand, mit einer Inflation von 5,3% hat Estland auch hier seinen Spitzenplatz verteidigt und wird wohl damit schon ein Jahr nach der Einführung des Euros die Maastrichter Stabilitätskriterien verletzen. Doch verletzen gerade andere EU-Länder die Stabilitätskriterien in einer viel massiveren Weise, deswegen glaube ich kaum, dass Estland deswegen Probleme mit der EZB bekommen wird. Wenn man bedenkt, dass in den Zeiten der ausufernden Staatsschulden Estlands Verschuldung bei 6,6% liegt, dann lobt selbst der russische Premierminister Putin Estlands Wirtschaftspolitik.
Auf den ersten Blick positiv entwickelt sich die Arbeitslosenquote. War sie noch letztes Jahr bei katastrophalen 18,6% (unter den ersten fünf), so meldet die estnische Agentur für Arbeit jetzt 7,5% registrierte Arbeitslosigkeit. Die Betonung liegt auf "registrierte" denn das Statistikamt nennt die Zahl von 13,3%, was immer noch der schnellste Rückgang in EU darstellt. Der riesige Unterschied erklärt sich dadurch, dass die Leute, die seit mehr als einem Jahr keine Arbeit haben, nicht in der offiziellen Statistik geführt werden. Und Anteil von diesen Leuten wächst, wobei es schwer vorstellbar ist, wovon diese Leute leben, denn mit einer Sozialhilfe von 67 EUR/Monat (unter den letzten fünf EU-Ländern), ist nicht mal das Essen finanzierbar. Oder vielleicht doch, das Statistikamt hat ausgerechnet, dass die durchschnittliche estnische Familie ganze 2,12 EUR pro Tag fürs Essen ausgibt.
Im Unterschied zu Deutschland gibt es in Estland einen Mindestlohn, den man auch mit anderen Ländern vergleichen kann. Der liegt bei 278 EUR, damit ist Estland auf dem vierten Platz von hinten unter den EU-Ländern, die einen Mindestlohn haben. Zum Vergleich, der Mindestlohn in Luxemburg ist bei 1758 EUR, da liegt noch ein weiter Weg, um unter die ersten fünf zu kommen. Niedrige Gehälter bedeuten niedrige Kaufkraft, sie liegt bei 65% des EU-Durchschnitts, unter den EURO-Ländern ist Estland auf dem letzten Platz. Vor 15 Jahren war die Kaufkraft bei 35%, Luxemburg mit 283% Kaufkraft wird Estland also in voraussichtlich 105 Jahren einholen.
Wenn man diese Zahlen zusammen betrachtet, darf man behaupten, dass Estland ein Schiffchen ist, das auf den Wellen der Weltwirtschaft rumhüpft oder eher ein Wakeboarder, kommt eine Welle des Aufschwungs, fliegt Estland über dem Wellenkamm und legt sehr eindrucksvolle Wachstumszahlen vor. Fällt die Wirtschaft in Wellental, dann sinkt Estland erstmal ins tiefe Wasser. Die Bevölkerung bezahlt diese Extreme mit sehr geringer sozialen Absicherung und Unsicherheit im morgigen Tag. Die Parteien in der heutigen Regierung haben nicht vor diesen Kurs zu ändern und Estland zu einem Wohlfahrtsstaat nach den skandinavischen Vorbildern zu entwickeln.
Nachtrag
Gerade wurde wieder eine Statistik veröffentlicht laut der der durchschnittliche Lohn in Estland bei 857 EUR liegt, das ist ein 4,2% Anstieg gegenüber dem Vorjahresquartal. Doch wie wir gerade gelernt haben, liegt die Inflation gut einen Prozentpunkt höher, so dass für Reallöhne das einen Rückgang um ein Prozentpunkt bedeutet. Schon seit 11 Quartalen sinkt Reallohn. Nicht unbedingt rosige Aussichten eines der fünf reichsten Ländern in Europa zu werden.
Donnerstag, August 18, 2011
Der Pyrrhussieg des Historischen Museum Estlands
Gennadij Gramberg schrieb für die Zeitung MK Estonia folgenden Kommentar.
Wenn es einen Streit über komplizierte Momente in der neueren Geschichte gibt, dann sagt man oft um Friedens Willen - überlasst das den Historikern und nicht den Politikern. Ich bin auch dieser Meinung. Doch als die Direktorin des Estnischen Museums für Geschichte Sirje Karis siegesgewiss berichtete, dass die Ausstellung über den "ruhmreichen" Kompatrioten, den Ideologen der national-sozialistischen Bewegung Alfred Rosenberg weiterhin im Museum ausgestellt sein wird, bekam ich Zweifel, ob unsere Historiker verstehen, welchen Geist sie aus der Flasche rauslassen und zu was solche "Objektivität" führen kann.
In der Geschichte des antiken Griechenlands gab es eine Episode als der König von Epirus Pyrrhus einen Sieg gegen die Römer erringen konnte, doch der Preis war so hoch, dass der Sieg einer Niederlage gleichkam. Als ein Pyrrhussieg kann man auch den Entschluss der Museumshistoriker werten, im wichtigsten historischen Museum des Landes den Namen von einem der abstossendsten nazistischen Verbrecher zu verewigen, der für die physische Vernichtung von Millionen unschuldiger Menschen in den okkupierten Ländern Osteuropas verantwortlich war. Das Museum klärt auf, dass der objektiven Wahrheit nach - Alfred Rosenberg in Estland geboren wurde und sogar mit einer Estin verheiratet war, er wurde weltberühmt, deswegen ist die Ausstellung über ihn gerechtfertigt und seine Nazi-Vergangenheit und Schuldigsprechung vor dem Nürnberger Tribunal werden auch erwähnt.
Ein fremder Flecken
Doch diese Erklärung sieht aus wie schreckliche Heuchelei. Der Nazi ist in eine Reihe mit ausserordentlichen Leuten Estlands gestellt worden, die wirklich ihr Land berühmt machten. Das ist der Antarktis-Forscher I.F. Krusenstern, Wissenschaftler K.von Ber, der Sänger G.Ots und andere. In diesem Ruhmesgebilde steht Rosenberg als ein fremder Flecken. Auf diesen Fakt versuchte die Leiterin der jüdischen Gemeinde Estlands Alla Jakobson die Aufmerksamkeit des Kultusministeriums, dem das Museum untersteht, zu lenken, doch das Ministerium schickte einen Brief an das Museum und dort schlug man spöttisch den Gemeindemitgliedern vor, hinzugehen und zu erklären, warum ihnen Rosenberg nicht gefällt. Als ob es den Nürnberger Prozess, wo die Mitbeteiligung des berühmten Kompatrioten zu der Barbarei des faschistischen Regimes und seine führende Rolle bei den Massenmorden und insbesondere beim Holocaust bewiesen wurde, nie gegeben hätte. Wenn die Historiker das nicht wissen, dann haben wir in Estland ernsthafte Probleme mit der Geschichtswissenschaft. Es macht auch traurig, dass nur Einzelne aus der estnischen politischen und intellektuellen Elite die Ausstellung kritisiert haben. Ich nenne den Mitglied des Riikogu (übrigens einen rechten Politiker) Marko Mihkelson und die Journalistin Imbi Paju.
Zarte Saat des Nazifilie
Einer meiner Bekannten war im Museum in der Nähe des Standes über Rosenberg in dem Moment als zwei ältere Deutsche es betrachteten. Da er Deutsch kann, hat er verstanden, dass die Touristen unangenehm erstaunt über den Fakt sind, dass in Estland Nazis verehrt werden und in ihren Aussagen zeigte sich unverdeckte Verwunderung, dass man hier derart wohlgefällig zu den nazistischen Kompatrioten sei. Als ich diese Erzählung hörte, dachte ich um wieviel effektiver die Denazifizierung Westdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg durchgeführt wurde. Bei uns allerdings fängt unter dem Mantel der Desowjetisierung die Saat der Nazifilie (Verehrung des Nazismus) aufzugehen. Die deutsche Okkupation interpretiert man als Befreiung vom sowjetischen Regime (in Viljandi feierte man sogar dieses Ereignis), in der Reihe "Gedächtnis Estlands" ("Eesti mälu"), die von der Zeitung "Eeste Päevaleht" herausgegeben wird, wurde das Buch des Schweden Karl Motander publiziert, der mit unversteckten Begeisterung über die faschistische okkupatorische Administration Estlands spricht. Jetzt hat das Historische Museum zusammen mit dem Gustav Adolph Gymnasium seinen Beitrag geleistet.
Schauen wir dieses Ereignis im Kontext der letzten Geschehnisse in Norwegen an. Es scheint ein ruhiges und glückseliges skandinavisches Land zu sein - und der Akt der Terrors mit blutigem Abschlachten in einem Jugendlager. Der Ausführende dachte, dass er einen Anstoss geben muss, um Europa von Nichtweissen zu reinigen. Jetzt sagen die Analysten, dass rechtsextreme Stimmung in Norwegen nicht plötzlich aufkam, sondern lange reiften. Und die Regierung schaute durch die Finger auf die Verbreitung von diesen Stimmungen. Sogar die russländischen Nazis wussten davon, dass ihre ideologischen Brüder in Norwegen nicht verfolgt werde, deswegen versuchte einer von ihnen dort sogar zu wohnen.
Das gefährliche Spiel der Historiker
Die Historiker aus dem Museum spielen ein gefährliches Spiel. Den nazistischen Verbrecher als berühmten Kompatrioten zeigend und eine schweigsame Unterstützung durch die Regierung bekommend, geben sie ein Signal, dass Nazismus gar nicht so schlecht sei, dass er für Estland nicht fremd sei, das ist gegen das Sowjetische und Russländische gerichtet sei und der Protest der Juden eine Kleinigkeit sei. Man hat sie bestialisch hier getötet, Säuglinge eingeschlossen, na und. Die Historiker interessiert es nicht. Und nicht nur die Historiker. Wie freudig haben die ehemaligen Geiseln - Fahrradtouristen - berichtet, dass sie beweisen konnten, dass sie keine Juden wären. Ihnen kam nicht in den Sinn, dass sie Zeugen desselben Szenarios wurden, als die Nazisten Juden jagten und sie vernichteten, nur wegen ihrer Volkszugehörigkeit. Auf ihren Gesichtern war ein Lächeln der Freude und keine Empörung, dass Nazismus auch heute noch existiert, doch in islamischen Gewändern. Den Pyrrhussieg über den Protest der jüdischen Gemeinde heute feiernd, morgen kann die estnische Gesellschaft mit ihrem Breivik zusammenstossen, der die Idee der arischen Gemeinschaft und nazistischen Idealen verinnerlicht hat. Denn so kann man auch seinen Stand im Historischen Museum Estlands bekommen.
Wenn es einen Streit über komplizierte Momente in der neueren Geschichte gibt, dann sagt man oft um Friedens Willen - überlasst das den Historikern und nicht den Politikern. Ich bin auch dieser Meinung. Doch als die Direktorin des Estnischen Museums für Geschichte Sirje Karis siegesgewiss berichtete, dass die Ausstellung über den "ruhmreichen" Kompatrioten, den Ideologen der national-sozialistischen Bewegung Alfred Rosenberg weiterhin im Museum ausgestellt sein wird, bekam ich Zweifel, ob unsere Historiker verstehen, welchen Geist sie aus der Flasche rauslassen und zu was solche "Objektivität" führen kann.
In der Geschichte des antiken Griechenlands gab es eine Episode als der König von Epirus Pyrrhus einen Sieg gegen die Römer erringen konnte, doch der Preis war so hoch, dass der Sieg einer Niederlage gleichkam. Als ein Pyrrhussieg kann man auch den Entschluss der Museumshistoriker werten, im wichtigsten historischen Museum des Landes den Namen von einem der abstossendsten nazistischen Verbrecher zu verewigen, der für die physische Vernichtung von Millionen unschuldiger Menschen in den okkupierten Ländern Osteuropas verantwortlich war. Das Museum klärt auf, dass der objektiven Wahrheit nach - Alfred Rosenberg in Estland geboren wurde und sogar mit einer Estin verheiratet war, er wurde weltberühmt, deswegen ist die Ausstellung über ihn gerechtfertigt und seine Nazi-Vergangenheit und Schuldigsprechung vor dem Nürnberger Tribunal werden auch erwähnt.
Ein fremder Flecken
Doch diese Erklärung sieht aus wie schreckliche Heuchelei. Der Nazi ist in eine Reihe mit ausserordentlichen Leuten Estlands gestellt worden, die wirklich ihr Land berühmt machten. Das ist der Antarktis-Forscher I.F. Krusenstern, Wissenschaftler K.von Ber, der Sänger G.Ots und andere. In diesem Ruhmesgebilde steht Rosenberg als ein fremder Flecken. Auf diesen Fakt versuchte die Leiterin der jüdischen Gemeinde Estlands Alla Jakobson die Aufmerksamkeit des Kultusministeriums, dem das Museum untersteht, zu lenken, doch das Ministerium schickte einen Brief an das Museum und dort schlug man spöttisch den Gemeindemitgliedern vor, hinzugehen und zu erklären, warum ihnen Rosenberg nicht gefällt. Als ob es den Nürnberger Prozess, wo die Mitbeteiligung des berühmten Kompatrioten zu der Barbarei des faschistischen Regimes und seine führende Rolle bei den Massenmorden und insbesondere beim Holocaust bewiesen wurde, nie gegeben hätte. Wenn die Historiker das nicht wissen, dann haben wir in Estland ernsthafte Probleme mit der Geschichtswissenschaft. Es macht auch traurig, dass nur Einzelne aus der estnischen politischen und intellektuellen Elite die Ausstellung kritisiert haben. Ich nenne den Mitglied des Riikogu (übrigens einen rechten Politiker) Marko Mihkelson und die Journalistin Imbi Paju.
Zarte Saat des Nazifilie
Einer meiner Bekannten war im Museum in der Nähe des Standes über Rosenberg in dem Moment als zwei ältere Deutsche es betrachteten. Da er Deutsch kann, hat er verstanden, dass die Touristen unangenehm erstaunt über den Fakt sind, dass in Estland Nazis verehrt werden und in ihren Aussagen zeigte sich unverdeckte Verwunderung, dass man hier derart wohlgefällig zu den nazistischen Kompatrioten sei. Als ich diese Erzählung hörte, dachte ich um wieviel effektiver die Denazifizierung Westdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg durchgeführt wurde. Bei uns allerdings fängt unter dem Mantel der Desowjetisierung die Saat der Nazifilie (Verehrung des Nazismus) aufzugehen. Die deutsche Okkupation interpretiert man als Befreiung vom sowjetischen Regime (in Viljandi feierte man sogar dieses Ereignis), in der Reihe "Gedächtnis Estlands" ("Eesti mälu"), die von der Zeitung "Eeste Päevaleht" herausgegeben wird, wurde das Buch des Schweden Karl Motander publiziert, der mit unversteckten Begeisterung über die faschistische okkupatorische Administration Estlands spricht. Jetzt hat das Historische Museum zusammen mit dem Gustav Adolph Gymnasium seinen Beitrag geleistet.
Schauen wir dieses Ereignis im Kontext der letzten Geschehnisse in Norwegen an. Es scheint ein ruhiges und glückseliges skandinavisches Land zu sein - und der Akt der Terrors mit blutigem Abschlachten in einem Jugendlager. Der Ausführende dachte, dass er einen Anstoss geben muss, um Europa von Nichtweissen zu reinigen. Jetzt sagen die Analysten, dass rechtsextreme Stimmung in Norwegen nicht plötzlich aufkam, sondern lange reiften. Und die Regierung schaute durch die Finger auf die Verbreitung von diesen Stimmungen. Sogar die russländischen Nazis wussten davon, dass ihre ideologischen Brüder in Norwegen nicht verfolgt werde, deswegen versuchte einer von ihnen dort sogar zu wohnen.
Das gefährliche Spiel der Historiker
Die Historiker aus dem Museum spielen ein gefährliches Spiel. Den nazistischen Verbrecher als berühmten Kompatrioten zeigend und eine schweigsame Unterstützung durch die Regierung bekommend, geben sie ein Signal, dass Nazismus gar nicht so schlecht sei, dass er für Estland nicht fremd sei, das ist gegen das Sowjetische und Russländische gerichtet sei und der Protest der Juden eine Kleinigkeit sei. Man hat sie bestialisch hier getötet, Säuglinge eingeschlossen, na und. Die Historiker interessiert es nicht. Und nicht nur die Historiker. Wie freudig haben die ehemaligen Geiseln - Fahrradtouristen - berichtet, dass sie beweisen konnten, dass sie keine Juden wären. Ihnen kam nicht in den Sinn, dass sie Zeugen desselben Szenarios wurden, als die Nazisten Juden jagten und sie vernichteten, nur wegen ihrer Volkszugehörigkeit. Auf ihren Gesichtern war ein Lächeln der Freude und keine Empörung, dass Nazismus auch heute noch existiert, doch in islamischen Gewändern. Den Pyrrhussieg über den Protest der jüdischen Gemeinde heute feiernd, morgen kann die estnische Gesellschaft mit ihrem Breivik zusammenstossen, der die Idee der arischen Gemeinschaft und nazistischen Idealen verinnerlicht hat. Denn so kann man auch seinen Stand im Historischen Museum Estlands bekommen.
Montag, August 01, 2011
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