Donnerstag, Mai 12, 2016

„Aufstand“ in Harku: Die Polizei log über Einzelheiten, der Minister wusste von nichts

Übersetzung von rus.delfi.ee Artikel

Die Innenrevisionsabteilung der Polizei stellte fest, dass während der Auflösung einen „Aufstands“ im Zentrum für illegale Migranten in Harku, der im November letzten Jahres stattfand, machten die Polizisten Fehler während der Einsatzplanung, schossen auf friedliche Personen und logen im Anschluss über die Geschehnisse, schreibt Eesti Ekspress

Am 11. November letzten Jahres veranstalteten die im Zentrum Harku sich befindende Menschen eine Aktion des Protestes und folgten nicht den Anordnungen. Einige Dutzend Menschen blockierten den Durchgang, die Männer setzten sich im Durchgang auf den Boden, weigerten sich wegzugehen. Für die Wiederherstellung von Ordnung mussten die Polizisten Gewalt anwenden – Spezialmittel und Gummigeschosse, um die Häftlinge zu zwingen in ihre Zellen zurückzukehren.

Laut der Meinung des Innenministers Hanno Pevkur, mussten unmittelbare Entscheidungen gefällt und angewandt werden, die Polizei handelte richtig in der vorhandenen Situation.“Laut meiner Beurteilung, handelte die Polizei während der Geschehnisse am Dienstag richtig, die Situation musste sehr schnell gelöst werden“, sagte Pevkur.

Doch dem ist nicht so. Eesti Ekspress führte eigene Untersuchung durch, was tatsächlich an diesem Tag in Harku geschehen war. Es stellte sich heraus, dass die Polizei systematisch gelogen hat, es wurde eine erfundene Version der Ereignisse den Journalisten vorgestellt, die diese falsche Information weitergegeben haben. Pevkur lobte die Angehörigen der Polizei, nicht wissend, was tatsächlich im Zentrum geschehen war.

Die am meisten ernstzunehmende Widerlegungen der Version der Geschehnisse, wie sie der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, beinhaltet der im Februar diesen Jahres erstellte Dokument „Ergebnis der Kontroluntersuchung im Bezug auf die am 10.11.2015 im Zentrum für Abschiebehaft stattgefundene Ereignisse“. Zusätzlich zu den Dokumenten der Innenrevision, las die Redaktion des Eesti Express die Gerichtsdokumente und sprach mit den sogenannten Teilnehmern des „Aufstands“.

Kein Aufenthaltszentrum, sondern ein richtiges Gefängnis

Der 10. November fing im Zentrum wie üblich an: Aufstehen, Frühstück um neun Uhr morgens, Zeit zur freien Verfügung, Mittagessen, Zeit zur freien Verfügung, Abendessen um sechs Uhr abends. Obwohl das Zentrum nicht als Gefängnis bezeichnet wird, ist es praktisch eins: Wache, Videokameras, hoher Zaun, Stacheldraht, sich automatisch schliessende Türen. Im ersten Stock wohnen Frauen und Kinder, im zweiten Stock – Männer.

Den Bewohnern des Zentrums ist es untersagt zu arbeiten und zu lernen, sie können kein Sport treiben oder einem anderen Zeitvertreib nachgehen, im Zentrum gibt es kein Computer oder Internet. Einer der Häftlinge sagt, dass im Zentrum man nichts tun kann, nur Essen und Schlafen und das Essen ist nicht gut.

Am 10. November hat die Richterin Hurma Kiviloo einen Entscheid unterschrieben, über die Haftverlängerung um zwei Monate für einen der festgenommenen Illegalen, einen 26-jährigen Mann aus Kongo, der 2014 bei der Überquerung des Flusses Piusa verhaftet wurde. Die Mitarbeiter des Zentrums wollten die Unterschrift des Mannes bekommen, doch da der Entscheid auf Estnisch war, hat der Häftling es nicht verstanden und wollte es nicht unterschreiben, was den Konflikt auslöste. Laut der Version der Polizisten, die im Zentrum für Abschiebehaft arbeiten, fing der Kongolese an aggressiv irgendwas zu schreien, was in eine Rangelei ausartete. Der Mann selbst sagte Eesti Express, dass er keinen Widerstand leistete, die Polizisten schlugen ihn auf den Kopf und schleppten in eine Zelle. In jedem Fall wurde der Mann in ein Zimmer mit einer Matratze und Toilette in der Ecke eingesperrt, die an eine Isolationszelle erinnerte.

Andere Bewohner des Zentrums Harku, die das sahen, äusserten Protest und forderten die Befreiung des Kongolesen. Circa 13 der Häftlinge blieben im Speiseraum und weigerten sich zu gehen. Bald befahl man ihnen in die Zellen zurückzukehren, was sie auch taten. Das war der ganze Aufstand, was auch der Bericht feststellt.

Die Innenrevision deckt die Wahrheit auf

Erstens wurde der Presse berichtet, dass es mehrere Dutzend „Aufständischen“ gab, tatsächlich waren es nur dreizehn. Zweitens sieht man auf den Aufzeichnungen der Videoüberwachungskameras, dass drei Minuten nachdem der Leiter des Zentrums Pärtel Preinvalts den Leuten befohlen hat in ihre Zellen zurückzugehen, wurde sein Befehl erfüllt. Laut der offiziellen Version der Polizei, haben die Häftlinge die Befehle nicht befolgt und gingen zwei Stunden lang nicht in ihre Zellen.

Drittens, anstatt in die „randalierenden Menge“ schossen die Polizisten mit Gummigeschossen auf einen ruhig stehenden Mann. Der 18-jähriger Mann aus Mali hörte Stimmen im Durchgang und ging aus der Zelle heraus, um zu sehen, was da los ist. Der reagierende Polizist behauptete, dass der Malier mit Händen fuchtelte und irgendwas schrie, er spürte Gefahr und schoss. Die Kameraaufzeichnung zeigte, dass der Mann schweigend stand und die Hände in den Taschen hatte.

Viertens, passt nicht zusammen mit der Videoaufzeichnung die Aussage, dass die im Durchgang sich befindende Leute mit Hilfe von Schüssen daraus herausgetrieben werden mussten. Tatsächlich kehrten die Häftlinge nach dem Befehl von Preinvalts in ihre Zellen zurück, nach einiger Zeit gingen die Polizeimitarbeiter dorthin herein, feuerten noch sechs Schüsse ab, hielten die Leute fest, zerrten sie aus den Zellen heraus und schmissen sie auf den Boden im Speiseraum.

Was tun? Wer ist schuld?

Die Innenrevision stellte fest, dass ausser falscher Behauptungen auch Fehler bei der Einsatzplanung gemacht wurden. Der Leiter der Operation befand sich zu dieser Zeit in Tallinn und gab Befehle über Sprechfunk und Telefon, ohne eine genaue Übersicht über die Geschehnisse zu haben. Ausserdem hat der Mitarbeiter, der die Ausführung des Befehls von Preinvalts überprüfte, zugeben, dass er sich nicht erinnert, ob er die Information, dass der Befehl ausgeführt wurde, der Durchgang leer ist und die Häftlinge ruhig in ihre Zellen zurückgekehrt sind, weitergegeben hat.

Laut dem Bericht hat niemand von den sich im zweiten Stock befindenden Häftlingen Widerstand geleistet, keiner wollte flüchten und keiner attackierte die Polizeimitarbeiter.

Trotz der gemachten Fehler und offensichtlichen Lügen, wurde kein Polizist zur Verantwortung gezogen. Im Anschluss rät die Innenrevision die Mitarbeiter zu schulen, ihre Fähigkeiten zu verbessern, Informationsweitergabe in Krisensituationen genauer zu machen und das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Ordnung zu überprüfen.

Der Mann aus Kongo, der das Dokument nicht unterschrieben wollte, musste elf Tage in der Isolationshaft verbringen, und dann noch zwei Wochen im Gefängnis in Jõhvi. In der letzten Woche gab es ein Versuch ihn aus Estland zurück nach Kongo zu schicken, doch während des Umstiegs in Paris verpasste er das Flugzeug und die Franzosen schickten ihn zurück nach Estland. Nächste Woche wird es den nächsten Versuch geben den Illegalen nach Kongo abzuschieben.

Der Mann aus Mali, auf den im Durchgang geschossen wurde, bekam auch elf Tage Isolationshaft und wurde für zwei Wochen nach Jõhvi abkommandiert. Er befindet sich nach wie vor im Zentrum für Abschiebehaft in Harku und fragt sich traurig, was für ein Land sei Estland in dem so was möglich ist?

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