Sonntag, April 28, 2019

Journalist, der EKRE kritisierte: Mir gab man die Wahl zwischen Selbstzensur und Kündigung

Kaum habe ich ein Artikel über die Pressefreiheit in Estland geschrieben, da gibt es einen aktuellen Fall. Auto Lobjakas ist meiner Meinung nach der intellektuellste linksliberale Journalist in Estland, mehr von seinen Texten habe ich nur aus dem Grund nicht übersetzt, weil sie viel zu komplex waren.

Dieser Text ist eine Übersetzung einen Artikel aus Postimees.
Ahto Lobjakas
Photo: SCANPIX

Seit gestern wurde bekannt, dass die Estnische Staatsgesellschaft für Rundfunk und Fernsehen (ERR) den Anstellungsvertrag mit dem Moderator der Sendung Olukorrast riigis („Über die Situation im Staat“) auf dem Sender „Radio 2“ Ahto Lobjakas gekündigt hat

Heute hat Ahto Lobjakas bestätigt, dass er gezwungen wurde den Platz des Radiomoderators wegen seiner kritischen Aussagen zu verlassen. Er kommentierte die Situation auf seiner Seite in Facebook.

„Mit wurde nicht gekündigt. Mir gab man die Wahl zwischen Selbstzensur und Kündigung. Ich habe die Sendung „Über die Situation im Staat“ über vier Jahre lang moderiert. In den Jahren, als die Partei der Reform die Macht innehatte, hat man auf mich als den Moderator kein einziges Mal Druck erzeugt, unabhängig davon, wie scharf meine Kritik war. Dasselbe kann ich sagen über die Regierung der Zentrumspartei.

Nach den Wahlen hat sich etwas geändert. Es kamen Signale an, dass die Kritik an die Adresse der erschaffenen Koalition zu scharf wäre und es ist unzulässig auf die Politik einzuwirken. Es wurde die Wortwahl kritisiert, es wurde empfohlen intelligente Euphemismen oder indirekte Aussagen zu machen. Es wurde mir geraten den Druck zu erniedrigen und anstatt über die unwürdige Personen und Ideen zu sprechen, sich auf das Programm der neuen Regierung zu konzentrieren. Es wurde die Wichtigkeit „des Ausgleichs“ betont. Laut dieser Logik kann das letztgenannte nur heissen, dass man Rassisten, Antisemiten und Neonazis nicht nur in EKRE, sondern auch in anderen Parteien suchen sollten, und falls solche dort fehlen, dieses Thema überhaupt nicht zu erwähnen.

Als die Gespräche anfingen, dass man mir riet, dass es für meine geistige Gesundheit nützlich wäre für ein paar Monate eine Pause zu nehmen, damit es bei mir wir bei den Herrn X und Herrn Y kein Burnout gibt,, dann habe ich verstanden, dass das Ende nah ist und es zu verschieben, bedeutet nur, dass man kollektive Qualen aller Beteiligten verlängert.

Als einem ehemaligen Korrespondenten von Radio Liberty Europe ist mir das alles beklemmend bekannt vorgekommen und erinnerte mich an die post-sowjetische und andere halbfreie Gesellschaften. In der staatlichen Journalistik duldet man keine kritische Stimmen. Niemand macht den Druck aus bösem Willen heraus, doch der Druck existiert und sein klarer Subtext besteht darin, dass man oben nervös wird und von denen, die ohne Schutz sich unter ihrer Führung befinden, Mitarbeit und Wegducken erwarten. In jungen Demokratien ist das ein einfacher aber glitschiger Weg, am Anfang steht die Selbstzensur, und am Ende nichts anderes als eine freie Gesellschaft.

Ich kann nicht sagen, warum die Lage in ERR so geworden ist. Doch ich muss eins sagen: wenn ich lange Texte der Ratsvorsitzender und Führung des ERR in den letzten Wochen lese, in ihnen birgt sich der Wunsch die Spannungen in der Gesellschaft zu glätten und der Riss zu kitten. Das ist wunderbar, doch es hat keinerlei Bezug zur freien Journalistik als Wert und Institution, die diese Leute verteidigen sollten. Umgekehrt, in den heutigen Bedingungen diese Texte kann man lesen als den Versuch den Kompromiss zu verteidigen - zu Nutzen der Mächtigen, gegen die Journalistik. Ich glaube, das ist die Erklärung, warum ERR es nicht wagt, seine Leute zu verteidigen. Mein unmittelbarer Vorgesetzter, der Hauptredakteur von „Radio 2“ Kristo Rajasaare, den sich nicht zu Schulden kommen liess, bemerkt in seiner gestrigen Behauptung, dass in den letzten Wochen ich angegriffen wurde. „Radio 2“ war immer auf meiner Seite, doch ERR als Institution, die von der Führung vertreten wird, hat im Falle des Angriffs auf die Journalisten entweder eine neutrale Position eingenommen, oder hat Zugeständnisse den Angreifern gemacht. Das ist nur zu einem kleinen Teil mein Problem als Journalist: in großem Maße ist das ein Problem des Estnischen Allgemeinen Rundfunks und aller seinen Journalisten.

Wie das Schicksal so spielt, hat sich auch in mir selbst seit einigen Monaten gewissen Müdigkeit angesammelt, von der immer aggressiver werdenden politischen Agenda. Vier Jahre ist eine lange Zeit, um so eine Sendung immer auf eine frische Art zu machen, mein Plan war Anfang Juni zu gehen. Doch ich konnte es noch gar nicht kund tun, als man mir die Fortsetzung meiner Arbeit in der Sendung unmöglich gemacht hat.

Ich wünsche Erfolg meinem nachfolgendem Moderator (der für die Geschlechtergerechtigkeit auch weiblich sein könnte).

Ich danke Andrus für seine riesige Geduld, ich weiss, dass zumindest bis er auf seinem Platz bleibt, in der Sendung „Über die Situation im Staat“ man die Situation im Staat besprechen wird, und nicht, ob die Züge pünktlich sind oder nicht.

So wie ich es verstanden habe, wird meine letzte Sendung am 2. Juni gesendet“.

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