Samstag, August 09, 2008

Die Geschichte wiederholt sich

Die Geschichte wiederholt sich einmal als Tragödie einmal als Farce, es fällt mir zwar schwer Tod von mehreren Hundert Zivilisten als Farce zu bezeichnen, doch das was wir zur Zeit in Süd-Ossetien sehen, fand alles schon einmal statt und zwar in Jugoslawien im Jahre 1999. Wenn man in den Wikipedia-Eintrag zum Kosovo Krieg die Wörter NATO durch Russland, Jugoslawien durch Georgien und Kosovo durch Süd-Ossetien ersetzt, könnte der Eintrag genauso in den heutigen Nachrichten erscheinen. Wir haben einen UN-Beschluss, um eine Friedenssicherungsmission, ein quasi-autonomes Territorium, eine reguläre Armee, die angreift, um konstitutionelle Ordnung wiederherzustellen, eine separatistische Freiwilligenarmee, die sich verteidigt, aber keine Chance hat, viele hundert Tote (die meisten von ihnen russländische Staatsbürger), 30 000 Flüchtlinge, Angriffe auf die Soldaten der Friedenssicherungsmission, krude Berichte über ethnische Säuberungen, zerstrittener Sicherheitsrat der UNO und schliesslich Gegenangriff der Grossmacht, die den Separatisten aus welchen Motiven auch immer freundlich gesinnt ist. Wenn es nach dem Kosovo-Krieg Szenario geht, kann man weitere Ereignisse vorhersehen: Besetzung des separatistischen Territoriums durch die Armee der Grossmacht, Zerstörung der Armee und der Wirtschaft des Gegners möglichst aus der Luft, Ausrufung der Unabhängigkeit und Anerkennung der Unabhängigkeit durch die Grossmacht und ihre Verbündete, Absetzung des Präsidenten, Kriegsverbrechertribunal. Was unterschiedlich ist im Vergleich zu Kosovo, ist die halsbrecherische Geschwindigkeit mit der das alles passiert, alle Geschehnisse, die schon passiert sind, geschahen innerhalb von zwei Tagen, alle nachfolgenden Geschehnisse werden nicht lange brauchen. Bis die Weltöffentlichkeit versteht um was es geht und irgendwelche sie Massnahmen ergreifen kann, wird schon alles vorbei sein.

Welche Lehren sollen die einzelnen Parteien aus diesem Konflikt ziehen? Die Russen haben wiedermal demonstriert, wie ausgezeichnet sie den Westen kopieren können, daraus ziehe ich meine Prognose, wie die weiteren Ereignisse ablaufen werden. Jede Kritik an die russische Adresse, wird mit "Das ist doch nicht anders, als was ihr 1999 gemacht habt" beantwortet.

Die Geschwindigkeit mit der die russische Armee auf den Angriff georgischen Verbände reagiert hat, lassen die deutsche KSK, geschweige denn KRK blass aussehen. Das lässt einerseits darauf schliessen, dass die Russen bescheid wussten, dass die georgische Armee demnächst angreifen wird, andererseits zeigt es wie begrenzt die Wirkung von dritten Parteien in so einem Konflikt sein kann. Dasselbe wurde auch schon im Krieg Libanon gegen Israel demonstriert, der nach zwei Wochen schon wieder vorbei war, so dass niemand anders sich in das Konflikt einmischen kann, um die Parteien voneinander zu trennen. Bis die Beschlüsse des Einsatzes durch die Parlamente (deren Mitglieder auch noch im Urlaub sind) durchgewunken wird, ist die Notwendigkeit des Einsatzes entfallen. Es müssen neue Mechanismen gefunden werden, wie man innerhalb weniger Stunden Soldaten von in dem jeweiligen Konflikt unbeteiligten Seiten an jeden heissen Punkt dieses Planeten, der zu explodieren droht, schicken kann, damit sie wenigstens die Zivilbevölkerung schützen können. Ob das überhaupt möglich ist, ist sehr fraglich.

Die USA sollten sich überlegen, ob die Doktrin "Er ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn" von Roosevelt, nicht langsam zum Alteisen des Kalten Krieges gehört. Von welchem Schlag der georgische Präsident Saakaschwili, der in USA studierte und mehrmals den US-Präsidenten Bush traf, ist, hat es schon letztes Jahr bewiesen, als er eine Grossdemonstration gegen ihn blutig niederschlagen liess. Bei den darauffolgenden Wahlen wurden von internationalen Beobachtern zahlreiche Unregelmässigkeiten beanstandet. Bei allen Gelegenheiten versucht er den Eindruck herzustellen, dass alles was er tut, demokratisch, im Namen der Freiheit und von USA und EU abgesegnet ist. Bei der Niederschlagung der Demonstration zeigte der einzige eingeschaltete Kanal des staatlichen Fernsehens Bilder der Niederschlagung der Unruhen in Estland. Bei seiner Fernsehansprache zum Einmarsch nach Südossetien wehte die EU-Fahne im Hintergrund. Seine Begründung, als er sich an die USA wandte, war, Georgien sei ein Leuchtturm der Freiheit und in seiner Zeit in Amerika er gelernt hat, dass Amerika immer ihre Freiheit verteidigt hat und immer freiheitsliebende Länder unterstützt. Bush und Rice haben schon Russland aufgerufen mit ihrer Armee das georgische Territorium zu verlassen (und damit noch mehr Tote unter der Zivilbevölkerung zu riskieren), allerdings erklärte der NATO-Generalsekretär Jan de Hoop, dass NATO keine direkte Rolle im Kaukasus spielen könne, da ein Mandat fehle (siehe oben).

Was für die USA gilt, muss auch für die osteuropäische Länder gelten, die Georgien in der Vergangenheit militärisch und wirtschaftlich unterstützt und beraten haben. Selbst jetzt erklärt der estnische Aussenminister Urmas Päet Unterstützung für Georgien, die Aggression seitens Russland solle sofort aufhören. Ins gleiche Horn stössen Hendrik Ilves und Mart Laar, der offizieller Berater von Saakaschwili ist. Dass sie damit ein jetzt schon offensichtliches Kriegsverbrechen unterstützen, ging ihnen noch nicht auf.

Es ist äusserst bitter, dass ausgerechnet am Tag der Olympiade-Eröffnung ein Krieg solcher Heftigkeit ausbrechen musste und die kalte Logik der Kriegsgeschehnisse ihren Lauf nahm. Viele müssen ihr Weltbild überdenken und die einzig richtige Position einnehmen, die Position der schwachen Opfer der Zivilbevölkerung und die Aggression gegen sie in aller schärfsten Form verurteilen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Kloty,

Was mich amüsiert ist, daß die Esten, Polen etc. jetzt alle nach Georgien fahren und dem georgischen Brudervolk ihre Solidarität aussprechen. Sonst verdammen Sie doch immer die Sowjetunion und beklagen die Leiden, die ihnen von Stalin und Berija zugefügt worden sind.
Aber es ist ja klar, Stalin und Berija waren Russen und Saakaschwuli ist Amerikaner.

PS: Ich empfehle allen, die hier bloggen, auch in die Foren von Spiegel Online, FAZ, Zeit etc. zu gehen und dort zu posten. Da sind einige kalte Krieger, aber auch viele vernünftige Leute unterwegs.

PPS: Und nehmt Saakaschwuli endlich die EU-Flagge weg. Ich verwahre mich gegen den Mißbrauch meiner Flagge. Meinetwegen kann er die haben, die bei uns in Deutschland vor 60 Jahren im Gebrauch war. Die ist momentan herrenlos...

Gruß

Stirlitz