"Estland in zehn Jahren Teil der Russischen Föderation"
Utl.: Finnischer Autor schockt Nachbarn mit provokantem Buch über bevorstehenden Untergang des baltischen Landes =
Helsinki (APA) - Übernächste Woche erscheint in Tallinn ein neues Buch über die Hintergründe und Auswirkungen der Ende April 2007 durch die Verlegung eines aus der Sowjetzeit stammenden Kriegerdenkmals ausgelösten Unruhen in Teilen Estlands. Die bevorstehende Veröffentlichung hat in dem baltischen Land bereits für mediales Aufsehen gesorgt, da der finnische Soziologe und Politikwissenschafter Johan Bäckman darin nicht mit provokanten Thesen und Formulierungen spart, die am offiziellen Selbstbild Estlands heftig rütteln. Die APA traf Bäckman in Helsinki.
Bäckman spricht von "Apartheidpolitik" gegenüber der russischsprachigen Minderheit des Landes und von "Russischer Intifada" im Zusammenhang mit den großteils von Jugendlichen begangenen Verwüstungen in Tallinner Stadtzentrum im Zuge des Abbaus des umstrittenen Kriegerdenkmals vor eineinhalb Jahren. Seiner Meinung nach war die erzwungene Verlegung des von der russischen Minderheit als Befreiungssymbol von der Nazi-Herrschaft gesehenen "Bronze-Soldaten" der entscheidende in einer Reihe von Fehlern estnischer Regierungen, die innerhalb von zehn Jahren zum Verschwinden Estlands von der politischen Landkarte führen werden.
Die Entfernung des Denkmals sei ein "die Russen demütigender und beleidigender Akt des Staatsvandalismus" gewesen. "Man könnte sogar von einer Art Terroranschlag auf die Wahrheit sprechen", so Bäckman. Die russischsprachige Jugend habe heute mit Estland endgültig abgeschlossen und identifiziere sich nicht mehr mit ihrem Heimatland. Dies sei einzig und allein Schuld der nationalistischen estnischen Politik. Der bereits einsetzende Zusammenbruch der Wirtschaft werde sein übriges zum Untergang Estlands beitragen.
"Estland existiert schon jetzt nicht mehr", legt Bäckman noch ein Schäuferl nach, "- nicht als demokratischer Staat". Der 37-jährige Universitätsdozent verweist auf das Fehlen eines regelrechten Gewaltmonopols in Estland sowie auf die mangelnde demokratische Legitimität der Regierung durch das weiten Teilen der russischsprachigen Bevölkerung (rund 25 Prozent der 1,3 Millionen Esten) vorenthaltende Staatsbürgerschafts- und Wahlrecht.
Wo wird Estland seiner Prognose nach also in zehn Jahren sein? Bäckman zögert nicht mit der verblüffenden Antwort: "Wahrscheinlich Teil der Russischen Föderation." Die Europäische Union werde das ebenso wenig verhindern können wie die NATO. Beide Bündnisse verlören bereits jetzt jegliche Glaubwürdigkeit, wie sich jüngst angesichts der Krise in Georgien gezeigt habe. Auf die Frage, ob ein Regierungswechsel in Tallinn an dieser düsteren Prognose etwas ändern würde: "Das Regime ist gewachsen und wird bleiben", zieht der Autor ein weiteres Mal eine provozierende Wortwahl heran.
Bäckman sieht in der Vorherrschaft einer kleinen, nationalistisch geprägten Elite, die das Land mit der falschen Politik in den Untergang führt, Parallelen zu den 1930er Jahren, als das Land unter Präsident Konstantin Päts, der nicht umsonst im heutigen Estland eine unantastbare Ikone ist, autoritär regiert wurde. Der finnische Historiker Martti Turtola hatte vor rund fünf Jahren in Estland mit seiner - kritischen - Biografie über Päts in Estland ähnlich heftige Reaktionen ausgelöst, wie jene, mit denen Bäckman durch sein Buch jetzt konfrontiert ist.
Die estnische Presse, sowohl die estnisch- als auch die russischsprachige, schreibe seit rund zwei Wochen über sein vorerst nur auf Finnisch erscheinendes Buch. Er habe mittlerweile sogar Todesdrohungen via E-Mail und Telefon erhalten und bei der Polizei um einen Waffenschein angesucht, sagt Bäckman. Der Autor sieht sich selbst als als akademischen und schriftstellerischen "Experimentierer", dem es in erster Linie darum geht, eine Diskussion über Estland zu entfachen. Das Buch "Pronssisoturi - Viron patsaskiistan tausta ja sisältö" (Der Bronze-Soldat - Hintergrund und Inhalt des estnischen Denkmalstreits) von Johan Bäckman erscheint am 22. September im estnischen Verlag Tarbeinfo. Ausgaben auf Estnisch, Russisch und Englisch sind geplant.
Donnerstag, September 11, 2008
Brisantes Buch wird vorgestellt
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1 Kommentar:
Das "Buch", besser als Roman bezeichnend, halte ich für äusserst hypokratisch und mit diversen kruden Thesen enthaltend, soweit die Einblicke, die ich bereits hatte, preisgeben.
Alles ist darin sicherlich nicht unwahr, aber vor allem die Begründung, dass Estland in zehn Jahren zu Russland gehören wird,bleibt der Autor schuldig.
Vor allem wird der Fakt, dass Estland EU- und NATO-Mitlgied ist, hierbei klein geredet.
Auch das Estland jetzt schon nicht mehr existiere und für fast alle Argumentationsketten die Umlegung des bronzenden Soldaten als Begründung herhalten muss, da bewegt sich der Autor durch sehr dünnen Luft.
Auch aus öknomoischer Sicht ist das alles nicht haltbar.
Vor allem aber, sind weder Estland, noch Russland derzeit an irgendeiner Beziehung einander interessiert.
So bleibt auch die Frage, mit welchem Interesse Russland Estland okkupieren sollte?
Aus ökonomischer Sicht gibt es keinen Grund. Für den Handel mit anderen EU-Staaten wurde nicht nur zuletzt durch Ust-Luuga bereits Lösungen gefunden, die Estland hier schlichtergreifend überflüssig macht.
Aus politischer Sicht auch undenkbar, denn dies würde den NATO-Plan auslösen und in einen Krieg führen, und selbst wenn nicht, wäre Russland dann für die EU kein Ansprechpartner mehr.
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