Montag, Juli 26, 2010

Gegenmeeting in Sinimäe am 31.07.2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

Jedes Jahr am letzten Samstag in Juli wird im Örtchen Vaivara in den Anhöhen von Sinimäe im Nordosten Estlands ein Treffen der Veteranen des SS abgehalten. Sie sind den Kämpfen, die im Juli-August 1944 zwischen den Teilen der 20. Grenadier-Division der Waffen SS und sowjetischen Armee geführt wurden, gewidmet. Ehemalige SS-Mitglieder und ihre Anhänger versammeln sich unter verstärktem Polizeischutz und legen Kränze an den Gedenkstein der 20. Division der Waffen SS, als auch an die Gedenksteine der dänischen, holländischen und norwegischen Legionäre der Waffen SS nieder.

Antifaschistische und zivilgesellschaftliche Organisationen Estlands mit der Unterstützung der Bewegung "Welt ohne Nazismus" werden ein Gegenmeeting abhalten, das den Opfern der SS und Nazismus gewidmet ist. Bei unserem Meeting des Gedenkens, der in der maximal erlaubten Nähe zu der Versammlung der ehemaligen SS-Leute auf Sinimäe durchgeführt wird, wollen wir die Unmöglichkeit der Verehrung der Veteranen der SS, ihre Umdeutung zu den Helden des Befreiungskrieges, was eine Verletzung der Resolution der Generalversammlung der UNO vom 26.03.2010, Nummer 64/147 darstellt, betonen.

Wir laden auf unser Meeting Vertreter der ausländischen antifaschistischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen ein, mit dem Ziel die Fakten der Heroisierung und Verehrung der Veteranen der SS in Estland und der Revidierung der Geschichte des Zweiten Weltkrieges öffentlich zu machen.

Plan der Veranstaltung:
30.07.10 08:00 Bus aus Warschau (Ort und Zeit werden bekanntgegeben)
Mittagessen an der litauischen Grenze
18:00 Abfahrt des Busses aus Riga
Ankunft der Gäste zum Tallinner Flughafen, Mittagessen in Tallinn, Transfer aus Tallinn nach Narva
15:00-23:45 Ankunft der Gäste in Hotel in Narva
Abendessen
31.07.10 07:30-08:30 Frühstück
08:45 Abfahrt zum Meeting des Gedenkens
09:45 Zusammentreffen der Meetingteilnehmer
10:00 Beginn des Meetings
12:00 Presse-Konferenz über die aktuelle Geschehnisse
13:00 Kranzniederlegung zu dem Denkmal der sowjetischen Befreiungsarmee und zu dem Memorial der Opfer des Konzentrationslagers Vaivara
14:00 Abfahrt der Gäste nach Narva
15:00 Mittagessen
17:00 Abfahrt der Busse mit Gästen nach Warschau und Riga
Transfer nach Tallinn und Abendessen in Tallinn
Abendessen an der litauischen Grenze
21:00 Abendessen für die verbliebene Gäste
01.08.10 Frühstück und Transfer in Tallinn, Mittagessen in Tallinn

Während des Meetings werden Plakate mit den Ansichten der Verbrechen der SS-Schergen, Konzentrationslagern gezeigt, Teile der Teilnehmer des Meetings werden in Lagerkluft angezogen sein.
Um 10:00 wird Musik aufgeführt, Werke die Holocaust gewidmet sind und Requiems. Es wird Ansprachen der Meetingteilnehmer geben, es werden Flugblätter und antifaschistische Literatur, unter anderem das Buch "Die Verbrechen der Nazisten und ihrer Helfer in Baltikum (Estland)" verteilt. Es werden Ausschnitte aus den Erinnerungen der ehemaligen Gefangenen der Nazisten und Urteile des Nürnberger Tribunals vorgelesen, es gibt Ansprachen der Veteranen des Zweiten Weltkrieges. Die Ansprachen werden auf Estnisch oder mit Übersetzung in Estnisch geführt. Von den antifaschistischen Organisationen und Gästen des Meetings werden Beobachter zu dem Treffen der Veteranen der Waffen SS zum Monitoring abgeschickt.

Im Auftrag der antifaschistischen Organisationen Estlands und Interimspräsidiums der internationalen Bewegung "Die Welt ohne Nazismus"

Mitglied des Interimrates der Bewegung "Die Welt ohne Nazismus"
Mitglied der Führung des NGOs "Notschnoj Dozor"

Maksim Reva

6 Kommentare:

cjc hat gesagt…

Natürlich hat der israelische Kommentator recht, wenn er von der Trivialisierung der Shoah in den osteuropäischen Ländern spricht. Aber gibt es nicht auch eine Trivialisierung der sowjetischen Besatzung von 1939/1944 - 1990 durch solche Gruppen wie Notschnoj Dozor?

kloty hat gesagt…

Nun, es gibt sicherlich Personen auch in Estland, die den Stalin-Kult wieder aufleben und seine Verbrechen, zur Notwendigkeit zu damaligen Zeit erklären. Dass und wie Notschnoj Dozor zu diesem Thema sich positioniert hat, darüber ist mir nichts bekannt.

Was ich allerdings von mir aus sagen kann, dass es neben der Trivialisierung auch masslose Übertreibung des Schreckens der sowjetischen Besatzung gibt, insbesondere während der Periode in der die Sozialisierung der meisten Mitglieder des jetzigen estnischen Parlaments und Regierung geschah. Weder stand die estnische Kultur, noch die Sprache am Rande der Ausrottung, noch wurden die Esten bei der Vergabe von Posten benachteiligt (Die Biografien der jetzigen Elite sprechen da eine deutliche Sprache). Und wer vom Schrecken des KGB erzählt, der hat noch keine Bekanntschaft mit KAPO gemacht.

cjc hat gesagt…

"masslose Übertreibung des Schreckens "
Wie wollen Sie das denn beurteilen? Und selbst wenn vieles übertrieben ist, macht es die Besetzung erträglicher? Irgendjemand (ich habe den Namen vergessen, Sie hatten ihn mal früher verlinkt)bezweifelt die Zahl der Deportierten und meint, es seien gar nicht so viele gewesen. Schon ein einziger Deportierter ist aber zu viel!
"Weder stand die estnische Kultur, noch die Sprache am Rande der Ausrottung"
Zeit: 1993, als die estnische Polizei noch nicht gesäubert war. Ort: Landstraße vor Tallinn. Ich fuhr mit einem deutschen Auto zu schnell und wurde gestoppt. Die Polizisten sprachen mich auf Russisch an, ich antwortete auf Estnisch (was ich aber gar nicht gut konnte). Die Polizisten versuchten es mit Englisch, ich blieb beim Estnischen. Entnervt gaben die Polizisten auf und ließen mich weiterfahren, ohne mich abkassiert zu haben. Können Sie sich vorstellen, in Bayern auf Polizisten zu treffen, die kein (bayrisches) Deutsch können?
Vielleicht gibt es irgendwann einmal die estnische Sprache nicht mehr, kleine Sprachen haben es bekanntlich schwer, sich zu behaupten. In Skandinavien spricht man schon immer mehr, auch untereinander, nur noch Englisch, vielleicht gibt es das auch bald in Estland. Aber dann ist das eine selbst gewählte Entscheidung und nicht eine von außen, von einer Besatzungsmacht aufgezwungenen Sprachpolitik.

kloty hat gesagt…

Damit wir uns richtig verstehen, ich finde auch, dass jeder Vertriebene einer zu viel ist, wobei ich nicht von Genozid am estnischen Volk sprechen wuerde, wie schon von einigen estnischen Politikern gefordert.

Es werden aber 50 Jahre nach Stalin unter den Tisch gekehrt, in denen es den Okkupierten nicht schlechter und teilweise besser ging, als den Okkupanten. In dieser Zeit wurden die heutigen Parlament- und Regierungsmitglieder zu Professoren, Parteifunktionaeren, Kuenstlern, Literaten, Historikern, Wissenschaftlern, Lehrern, Aerzten, Journalisten. Sie forschten an der estnischen Literatur, unterrichteten in estnischen Schulen, unterhielten sich mit ihren Patienten in estnischen Sprache, hielten Vorlesungen auf Estnisch, schrieben Artikel fuer die estnischen Zeitungen...

cjc hat gesagt…

"in denen es den Okkupierten nicht schlechter und teilweise besser ging, als den Okkupanten." Das ist ja wohl auch eine Selbstverständlichkeit, bedenken Sie bitte: Der Lebensstandard in Estland war in den 20er und 30er Jahren höher als der in Finnland. Das ist der Vergleichsmaßstab! Und wie ging das dann nach dem Kriege weiter? Ab wann zog Finnland an Estland vorbei und ließ es weit hinter sich? Und warum wohl?
"Aerzte...unterhielten sich mit ihren Patienten in estnischer Sprache" Hm, fragen Sie mal estnische Frauen so im Alter über 60 über ihre Erfahrungen beim Gynäkologen. Wie sie da dann auf Russisch Auskunft, die vielleicht nicht so einfach schon in der Muttersprache zu formulieren ist, geben müssen, weil der Arzt eben kein Estnisch kann.
"In dieser Zeit wurden die heutigen Parlament- und Regierungsmitglieder zu Professoren, Parteifunktionaeren, Kuenstlern, Literaten, Historikern, Wissenschaftlern, Lehrern, Aerzten, Journalisten"
Aber das ist doch eine Selbstverständlichkeit, wieso erwähnen Sie das extra? Die Frage ist nur: Konnten wirklich alle Begabten eine qualifizierte Ausbildung erhalten? Konnten alle Künstler sich ihrer künstlerischen Freiheiten erfreuen? Hatten alle Forscher freien Zugang zur Fachliteratur? Usw., die Fragen lassen sich fortsetzen.
Natürlich war Estland nicht Kambodscha, es gab keine killing fields, aber das sollte doch nicht der Vergleichsmaßstab sein. Aber in unsere abgestumpften Welt zieht offensichtlich nur so etwas.
Das, worauf ich hinaus will: Es fehlt m.E. ein Wort von z.B. Notschnoj Dozor an die Esten, daß sie die Besetzung von 1939/44-1990 bedauern. Dann gäbe es auch vielleicht auf estnischer Seite die Einsicht, daß die SS-Runen in Sinimäe nicht mehr so hochgehalten werden müssen.

kloty hat gesagt…

1, 2, 3, 4, soviel zu der kuenstlerischen Freiheit und freier Meinungsaeusserung.

Es gibt noch eine Sache, die ausser acht gelassen wird. Die Vorfahren von Reva, Klenskij und Linter? sind nicht in den 50-60er Jahren nach Estland gekommen, sondern leben hier seit der Zarenzeit. Sie werden sich niemals als Okkupanten betrachten oder bezeichnen.