Mittwoch, April 25, 2012

Ein Leserbrief an die Baltische Rundschau

Gestern suchte ich in Google nach Mihhail Kõlvart und bin sofort auf den Artikel in der Baltische Rundschau gestossen. Da vieles in diesem Artikel nicht der Wahrheit entspricht, habe ich einen Leserbrief geschrieben und abgeschickt. Doch zuerst musste ich mich anmelden, gemäß dem Gebot der Datensparsamkeit im Internet, habe ich natürlich nur die allernotwendigsten Daten angegeben, mit meinem Pseudonym kloty.

Heute bekam ich eine Email von der Redaktion in dem ich hingewiesen wurde, dass anonyme Kommentare und Leserbriefe nicht publiziert werden. Ausserdem wurde mir vorgeworfen, dass ich die Redaktion anonym telefonisch belästigt habe. Ich habe die Redaktion der Baltischen Rundschau niemals telefonisch kontaktiert. Ich habe angeboten, dass mein realer Name unter dem Leserbrief erscheint. In der zweiten Email wurde ich nach meiner Adresse und meiner Telefonnummer gefragt. Also habe ich meine Adresse und meine Telefonnummer angegeben. Die dritte Email ist es Wert zitiert zu werden: "Am Ende des Berichts steht deutlich, dass alle Angaben von Delfi stammen. So denke ich, dass die richtigen Ansprechpartner für Sie der Verfassungsschutz Estlands und die Nachrichtenportal Delfi sind." Ausserdem: "Ich kann auch ehrlich gesagt nicht ganz verstehen, wie Sie sich über Estland eine Meinung bilden können, wenn Sie kein Estnisch sprechen." Überflüssig zu sagen, dass meine Daten mir genommen, mein Leserbrief aber nicht publiziert wurde.

Nun, wenigstens habe ich meinen Blog auf dem ich meine Sicht publizieren kann und auf dem jeder anonym kommentieren kann. Deswegen hier ist mein Leserbrief an die "Baltische Rundschau":

Hallo,

abgesehen davon, dass dieser Artikel ganz dringend auf grammatikalische Fehler geprüft werden sollte, werden hier Behauptungen aufgestellt, die einfach unwahr sind oder niemals bewiesen wurden.

1.Im Bericht steht, dass es durchaus möglich sei, dass Kõlvart in der diplomatischen Vertretung Russlands auf der Tallinner Vene-Straße Weisungen des Kremls in Empfang nimmt.

Es ist sehr vieles "durchaus möglich", Andrus Ansip hat auch mal behauptet, es ist durchaus möglich, dass er ein Ausserirdischer ist. Vielleicht sollte sich eine staatliche Institution wie Verfassungsschutz  nicht mit durchaus möglich, sondern mit gesicherten Kenntnissen beschäftigen?

2. Welche Beweise gibt es, dass Sprachreferendum in Lettland von Russland finanziert wurde? Russische Regierung hat sich meines Wissens nicht zu dem Thema geäußert.

3.Laut Verfassungsschutz fand dieses Modell aber keine breite Zustimmung in der Bevölkerung.

Gab es Wahlen, oder wurde eine Umfrage durchgeführt, die das bestätigt? Dann bitte her mit den Zahlen. Die Umfrage von Firma "Praxis", "Emor" und Soziologen aus Tartu zeigt, dass die Reform gerade unter russisch-sprachigen Jugendlichen unbeliebt ist.

4.Das Informationszentrum für Menschenrechte, das mit Russland zusammenarbeitet, wurde jedoch, quasi auf Befehl von Moskau beauftragt, auch nach dem 1. September 2011 den Unterricht auf Russisch weiter zu betreiben, obwohl es vorgesehen war, dass ab diesem Zeitpunkt nur 60 Prozent des Lehrstoffs in Russisch vermittelt werden soll

Mehrfacher Blödsinn in einem Satz. Wo ist Befehl aus Moskau? Betreibt Informationszentrum für Menschenrechte Unterricht auf Russisch? Es geht um 60% des Lehrstoffs auf Estnisch  und nicht auf Russisch.

5.Im Oktober, November und Dezember 2011 organisierte emsige Bürgermeister mit der Hilfe der Mitglieder von „Noschnoj Pozor“ (Nächtliche Wache) *)  ... , Demonstrationen gegen Estnisch als Unterrichtssprache in den russischen Schulen

Es heisst Dozor. Es stimmt nicht, dass Notchnoj Dozor sich an den Demonstrationen beteiligt hat. Es stimmt nicht, dass generell gegen Estnisch als Unterrichtssprache demonstriert wurde. Estnisch soll durchaus als Sprache unterrichtet werden, aber andere Fächer wie Mathematik sollen weiterhin auf Russisch unterrichtet werden. Demonstriert wurde gegen die Verletzung der Verfassung, die garantiert, dass jede Schule die Möglichkeit hat die Unterrichtssprache selbst zu bestimmen.

6.die Führung an den Veranstaltungen wurde von Personen übernommen, die dem Verfassungsschutz bestens bekannt sind

Die Namen bitte.

7.Nach der Bronzenacht wurde der Führer der Gruppe, Dmitri Linter, wegen Unruhestiftung festgenommen. Er blieb sechs Monate in Haft.

In Untersuchungshaft

8.Drei Jahre später später sprach ein Gericht die Aktivisten Maksim Reva, Mark Sirõki und Dimitri Klenski frei

Das Urteil wurde am 05.01.2009 verkündet, also zwei Jahre später

9.Im Jahr 2010 hat der Oberbürgermeister Edgar Savisaar von Wladimir Jakutin drei Millionen Euro erbeten, ein Drittel davon wollte er in bar bekommen

Kam es jemals zu einer Anklage? Hat nach den Parlamentswahlen das Thema noch jemand weiterverfolgt?

10.Sein Adjutant Kõlvart führt Krieg gegen die estnische Sprache.

Demagogie auf höchster Ebene. Es geht um das von der Verfassung gegebenes Recht der Schulen die Unterrichtssprache selbst zu bestimmen.

Das alles waren nur direkte Fehler in diesem Artikel. Darüber was KaPO aus sich darstellt und was noch alles in dem Jahrbuch geschrieben steht, könnte man noch längere Artikel verfassen, aber ich belasse es erstmal dabei. Aber dieser Artikel zeigt sehr schön das Niveau der estnischen Presse, mit welchen Unwahrheiten gearbeitet wird, um die estnische Bevölkerung in Angst und Schrecken von den Russen, Russland, russischen Sprache und russischen Kultur zu halten.

5 Kommentare:

Schirren hat gesagt…

Lieber Kloty,

das it in der Tat ein seltsamer und unsouveränder Umgang mit Leserbriefen. Was mich aber wundert. Du hast schön öfters in Deinem Blog Aufrufe der Baltischen Rundschau eingestellt, in denen Mitarbeiter gesucht werden. Kanntest Du die gar nicht. Ich habe die Seite schon ab und zu besucht, aber ich kann dort keine klare politische Linie erkennen. Weißt Du, aus welcher Ecke das kommt? Und wenn nein, warum hast Du die dann unterstützt.

kloty hat gesagt…

Hallo Schirren,

das stimmt, ich habe einmal eine Stellenbeschreibung von der Baltischen Rundschau bei mir gepostet, war vielleicht etwas blauäugig. Kam als ein Tipp von einer Leserin. Ich freue mich einfach generell, wenn jemand auf Deutsch etwas über Baltikum schreibt, deswegen habe ich beschlossen da zu helfen, ohne mich genauer zu informieren. Grundsätzlich sind ja die Artikel nicht schlecht, nur fiel dieser komplett aus dem Rahmen.

Anonym hat gesagt…

Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen sie ihren Verfassungsschutz, Arzt oder Apotheker.

Verstehe ich eigentlich richtig, dass die Baltische Rundschau etwas von Delfi uebernommen hat, was diese widerum von den Gschaftlhuber der Kapo vorgelegt bekommen haben?

Sowas nenne ich grenzdebil, die belehrende Arroganz der Rundschau auf Kloty's Leserbrief hat mir dann meine taeglich gesunde Dosis an Lachkrampf serviert.

Knut

kloty hat gesagt…

Hallo Knut,

ja, grenzdebil ist hier das richtige Wort, aber tägliches Lachen ist ja gesund, deswegen freue ich mich, dass dieser Artikel wenigstens zu etwas nützlich ist :-)

wolf hat gesagt…

Über die Regierung Ansip ärgern sich auch Leute die diese mal gewählt haben.Aber das Sprachproblem sollte man mal aus der Sicht eines DurchschnittsEsten betrachten. Eigentlich müsste dann jeder allein darauf kommen.