Nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt haben, kann man eine ernsthafte Diskussion anfangen, welcher Weg denn der richtige ist, die Einsparungen, oder Investitionen auf Pump. Die Frage ist natürlich nicht nur auf Estland beschränkt, Griechenland, USA sind genauso von der Frage betroffen, selbst Aktienkurse von Firmen beschreiben genau die gleiche Kurve, wie das BIP in Estland.
Vielleicht sind die Aktienkurse sogar ein besserer Indikator, denn in die Aktienkurse sind die Erwartungen über die zukünftige Entwicklung der Firma eingespeist im Gegensatz zum BIP. Nehmen wir doch drei Firmen aus dem Bereich EDA (Electronic Design Automation) als Beispiel (ich arbeite in diesem Bereich, so dass ich am besten über diese Firmen Aussagen treffen kann). Alle drei Firmen sind in USA beheimatet, alle drei haben dieselben Kunden, alle drei stellen dieselben Produkte her.
Schauen wir den Graphen an, der die Aktienkurse dieser drei Firmen in den letzten fünf Jahren gegenüber stellt. Ende 2008 fielen die Aktienkurse aller drei Firmen um bis zu 80%. Interessant was dann passiert ist, Mentor (rot) und Synopsys (gelb) haben den Vorkrisenstand erreicht und teilweise übertroffen, während Cadence (blau) sich vom Tiefstand zwar erholt hat, aber von dem Vorkrisenstand noch weit entfernt ist. Was ist der Unterschied zwischen den drei Firmen?
- Synopsys übernahm 2011 die viertgrößte Firma und sicherte sich Marktanteile - Mentor unternahm mehrere Zukäufe in adjacenten Marktbereichen und diversifizierte seine Produktpalette - Cadence wurde strikter Sparkurs verordnet, um die Profitabilität zu steigern. Keine bedeutende Übernahmen, Konzentration auf Kerngeschäft, kaum Investitionen
Das Ergebnis spricht für sich, während bei Mentor und Synopsys der Raum für Kurse durchaus nach oben vorhanden ist, weil Phantasien über Monopolstellung (Synopsys) oder gute Geschäfte in anderen Bereichen (Mentor) die Preise anheizen, plätschert der Kurs von Cadence vor sich hin.
Doch zurück zu Estland. Hier eine weitere Grafik, die Paul Krugman gepostet hat.
Hier werden die Staatsinvestitionen und die BIP-Veränderungen zueinander in Beziehung gebracht. Auf einmal ist Estland ganz in die Nähe von Griechenland gerückt, die Staatsinvestitionen sind um ähnliche Größenordnung beschnitten worden, und BIP ist ungefähr auf demselben Stand geblieben. Slovenien hat die Staatsausgaben zwar gekürzt, zwischen 2008-2011 ist der BIP sehr ordentlich gewachsen. Slowakien hat die Staatsausgaben erheblich ausgeweitet und ist mit noch höherem BIP-Wachstum belohnt worden. Wieso Estland als Vorbild für west- und osteuropäischen Ländern gelten soll und nicht Slovenien oder Slowakien, erschliesst sich aus vorliegender Graphik zumindest nicht.
Moral der Geschichte, Sparkurs oder Austenität helfen zwar aus dem tiefen Loch der Rezession rauszukommen, doch ohne Investitionen bleiben die Kurse ob Aktien oder BIP flach, weil die es schlicht keinen Grund gibt, warum sie steigen sollen. Mit prognostiziertem Wachstum von 1-2% dieses Jahr wird es eine Weile dauern, bis Andrus Ansip sein Versprechen einlöst und Estland eins der fünf reichsten Ländern Europas wird.
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