Über die Umwandlung der russischen Gymnasien in estnisch-sprachige habe ich schon öfters geschrieben. Gestern wurde bei der Auseinandersetzung zwischen den russisch-sprachigen Aktivisten und dem estnischen Staat ein neuer Höhepunkt erreicht.
Die Politikerin Yana Toom, Mitglied des estnischen Parlaments für die Partei der Zentristen, fand sich im April 2012 in dem Jahrbuch des estnischen Verfassungsschutzes KAPO wieder, in dem ihr unterstellt wurde, dass sie gegen die Interessen des estnischen Staates arbeiten würde, also quasi eine Staatsfeindin sei. Das Vergehen von Yana Toom sei, dass sie eine der aktivsten Befürworter für den Erhalt der russisch-sprachigen Schulen ist und in ihrer früheren Funktion als Vizebürgermeisterin der Stadt Tallinn für Bildungsfragen, häufig an Schulversammlungen mit diesem Thema aufgetreten ist. Mit solcher Unterstellung wollte sich Frau Toom nicht abfinden, deswegen ging sie vors Gericht, mit der Forderung ihren Namen aus dem Jahrbuch zu streichen. Gestern kam es zum ersten Sitzungstag, dabei kamen recht interessante Fakten und Aussagen heraus.
So antwortete eine der von der KAPO vorgeladenen Zeuginnen, die Abteilungsleiterin für allgemeine Bildung im Bildungsministerium Irene Käosaar auf die Frage einer Reporterin: "Wenn ein Mensch sein Recht zum Erlernen des estnischen Sprache nicht ausüben möchte, dann kann er einen anderen Staat zum Leben und Ausbildung wählen". So was von einem Staatsbeamten öffentlich zu hören ist sogar in Estland ein Novum.
Weitere Zeugen beschuldigten Toom Druck auf die Elternbeiräte und auf die Rektoren auszuüben. Doch erst heute erschienen mehrere Artikel von wo der Druck denn wirklich kommt. So berichtet der Rektor des russischen Gymnasiums in Kesklinna Sergej Teplov, dass er eine Vorladung zum Verfassungsschutz bekommen hat, als die Schule zum zweiten Mal an Bildungsministerium schrieb, mit der Bitte die Ausbildungssprache selbst bestimmen zu dürfen, wie es in der estnischen Verfassung auch vorgesehen ist. Der Beschluss kam vom Elternbeirat, gegen den gerade eine Strafverfolgungsuntersuchung eingeleitet wurde, wegen angeblichen Dokumentenfälschung. Der Rektor musste unterschreiben, dass der Inhalt seiner Unterhaltung mit KAPO nicht an die Öffentlichkeit gelangen darf. Natalja Lapikova, die im Tallinner Rathaus die Abteilung für Bildung leitet, erklärte, dass sie ständig mit der KAPO über die Fragen der Bildung spricht.
Der Vorsitzende der NGO "Russische Schule in Estland" Andrej Lobov schrieb einen Brief an die OSZE mit der Bitte zu helfen die Grundrechte der russisch-sprachigen Minderheit in Estland zu wahren und die Einmischung der KAPO in Fragen der Bildung zu verurteilen. Die nächste Gerichtssitzung ist am 22. Oktober, dann werden Zeugen von Yana Toom aufgerufen.
Hier ist der volle Text des Briefes an OSZE
Dear Council of Europe Commissioner for Human Rights, Mr. Muižnieks, Dear OSCE High Commissioner on National Minorities, Mr. Vollebæk,
We would like to inform you about the continuing attempts from the Estonian Security Police (ESP) to intervene to the life of Russian community of Estonia. In the Summer last year, we were shortly writing to you on this matter taking place in the Town of Tartu, as Tartu Russian Lyceum (TRL) started to seek for the options to exercise their constitutional right to select Russian language of instructions. Article 37 of our Constitution clearly states that the language of instruction in the schools of national minorities selects school itself. Last year the Board of Trustees at TRL following the Law of Basic and Secondary School at the end was able to support the will of parents and selected Russian language of instructions, which was later declined by the City Council. Russian-speaking population in Tartu accounts for approximately 20% of the town population, so it is difficult to exercise our rights being repulsed by the majority with the help of such state instruments as Estonian Security Police.
The situation is repeated now in Tallinn, where Russian-speaking minority is more than 40% of the city population. Estonian Security Police visits the schools, which have selected Russian language of instructions. * http://rus.delfi.ee/daily/estonia/policiya-bezopasnosti-vzyalas-za-direktorov-russkih-shkol.d?id=64984112 * http://rus.postimees.ee/976588/policija-bezopasnosti-vzjalas-za-direktorov-russkih-shkol
This situation contributes to a pressure applied on school administration including school directors. We strongly believe that this is done in order to "change" the course of school administration actions to support the will of parents and Boards of Trustees. The application of pressure from EPS contradicts the Law of Basic and Secondary School followed by the schools selecting Russian language of instructions.
We condemn any actions using force instruments of state apparatus such as ESP to forcibly dictate Russian community in our country to abandon our basic rights to organize and receive education in our mother tongue. We do not accept the dictate, as we would like to participate in decision-making process concerning future generation of Russian community of Estonia.
We request You to support our basic rights and to condemn involvement of ESP or any other insturments of that kind into the questions concerning educational needs of our community.
In conclusion, we would also like to recall You our last year appeal that highlights the situation unfolding in our country. * http://www.venekool.eu/docs/appeal_110325.pdf
Best Regards, Andrei Lobov Chairman of the Board NPO "Russian School of Estonia" web: http://www.venekool.eu tel. +372 58 286 631 tel. +372 602 79 55 (A. L.)
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