Freitag, November 09, 2007

Tallinn-Tbilisi

Eine Meldung macht ihre Runde durch die russische Presse: Der einzige noch funktionierende Fernsehsender Georgiens zeigt einen Dokumentarfilm über die Bronzenen Nächte in Estland mit prügelnden Polizisten, Tränengas, Schlagstöcken. Anschliessend sagen estnische Spezialeinsatzkräfte in die Kameras, dass sie im Einklang mit dem Gesetz handeln. Das soll wohl Parallelen mit den Geschehnissen in Georgien aufzeigen, dass die brutalen Methoden, die gegen die Opposition verwendet wurden, mit europäischen Standards übereinstimmen. Doch selbst die früheren estnischen Freunde gehen auf Distanz zu Saakaschwili, die Parlamentarische Gruppe Estland-Georgien ruft das Land zur nationalen Einheit auf und kann sich nicht verkneifen, Russland aufzufordern sich nicht in innere Angelegenheiten Georgiens einzumischen.

Dabei hatten georgische Eliten enge Beziehungen zu den estnischen, besonders seit Saakaschwili georgischer Präsident ist. Kein Geheimnis ist, das er und der estnische Präsident Toomas Ilves an derselben Uni (Columbia) in USA studiert haben, auch wenn sie sich wegen dem Altersunterschied dort kaum begegnet sein dürften.

Im Jahr 2002, noch zu Zeiten von Schewarnadze, beklagte die Parlamentarische Gruppe, dass es keine estnische Botschaft in Georgien gibt, und lud eine Gruppe georgischer Parlamentarier nach Estland ein. Schewarnadze, ein sehr erfahrener Politiker vorführte mehr oder weniger geschickt einen Drahtseilakt zwischen Russland und USA. Die USA interessierten sich für das Land durch das Ölpipelines vom Kaspischen Meer in die Türkei verlegt werden könnten und zwar unter Umgehung von Russland und Iran und Russland vermutete in Georgien Rückzugsmöglichkeiten der tschetschenischen Kämpfer, ausserdem unterstützt es die Unabhängigkeitsbemühungen von Abchasien und Süd-Ossetien, wo russische "Friedenskräfte" stationiert sind. Georgien träumte schon damals von NATO-Mitgliedschaft und Estland war bereit einen Vermittler zu spielen.

Im Jahr 2004 findet die sogenannte Rosen-Revolution statt, Schewarnadze ist gestürzt und flieht Gerüchten zufolge nach Deutschland (jedenfalls erwartet man ihn dort, denn als Gorbatschows Außenminister hat er die deutsch-deutsche Wiedervereinigung tatkräftig unterstützt und gilt seitdem als guter Freund Deutschlands). Saakaschwili kommt an die Macht und sofort wird von dem ehemaligen Ministerpräsidenten Mart Laar in einem Interview dem Wall Street Journal gegenüber beraten möglichst schnell radikal-liberale Reformen durchzuführen und in die NATO einzutreten. Georgien hört gern die Ratschläge, Mart Laar wird als Berater der georgischen Regierung noch öfters in Tbilisi verweilen. Die Beziehungen zu Russland verschlechtern sich rapide. Russland deklariert georgische Weine, Mineralwasser, Obst und Gemüse als gesundheitsschädlich und schliesst damit den Hauptabsatzmarkt für die georgische Produkte. Zahlreiche georgische Gastarbeiter, die legal oder illegal sich in Russland befinden, werden ausgewiesen. Es häufen sich politische Konflikte, Georgien beschuldigt Russland ihren Luftraum mit Militärflugzeugen zu verletzen und behauptet dass ein Raketenabwurf während eines solchen Überflugs gegeben hat.

Nach dem Eintreten Estlands in NATO und EU verspricht die damalige Außenministerin Kristiina Ojuland, dass Estland Georgien sowohl militärisch als auch politisch bei ihrem Wunsch nach NATO und EU-Mitgliedschaft unterstützen wird. Bei seinem Besuch erwidert Saakaschvili die netten Worte und sagt, dass Estland für Georgien ein Beispiel sei, wie man wirtschaftliche und demokratische Reformen durchführen muss.

Mai 2007: Die Parlamentsvorsitzende Georgiens Nino Burdzhanadze erklärt Estland Unterstützung und protestiert gegen die Einmischung Russlands in innere Angelegenheiten des baltischen Staates und über die Verletzung einer Reihe internationalen Konventionen. Am 8. Mai befindet sich Ilves auf einem Besuch bei Saakaschwili. Bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität von Tbilisi sagte er in seiner Rede, dass unsere Länder mehr als die Okkupation und Repression verbindet: Estland und Georgien sind beide demokratische Staaten.

Oktober 2007: Auf einem NATO-Treffen in Reykjavik begrüßte den Vorschlag der estnischen Delegation Georgien einen Beitrittsfahrplan zu übergeben. Der Verteidigungsminister Jaak Aaviksoo ist auf einem Arbeitsbesuch in Georgien und behauptet, dass für Estland Georgien eines der wichtigsten Partner im Bereich der Verteidigung sei. Mart Laar feiert in seinem Blog Georgien als den besten Ort (nach Estland natürlich) von allen Ländern, um dort Business zu machen.

November 2007: Nach tagelangen schweren Protesten gegen Regierung verhängt Saakaschwili Ausnahmezustand in Georgien und löst gewaltsam Demonstrationen auf. Mehrere hundert Verletzte sind gemeldet, Spiegel-Online spekuliert über aggressiven Gas, der verwendet wurde. Unabhängige Medien dürfen nicht berichten, kritische Fernsehsender werden gestürmt, es läuft ein Dokumentarfilm über die April-Ereignisse in Estland.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Link anfangs hat ein http zu viel.
Und es heisst Jaak nicht Jak, Jak ist ein Tier.

Und jedes mal spielt Russland eine Rolle. Daher muss man einfach in Betracht ziehen, dass der Dirigent in RF sitzt.

Georgien frei von den Russkie-Abschaum!

kloty hat gesagt…

An Anonymous:

Danke fuer die Korrekturen.

Den letzten Satz hättest Du Dir auch verkneifen können.

Ralph Hälbig hat gesagt…

... überzogenen Reaktionen, dazu noch anonym dargestellt, finde ich unmöglich ...

mehr zu Georgien: http://georgien.blogspot.com

Anonym hat gesagt…

"...frei von DEN Russkie-Abschaum!"? Lerne doch erst einmal der Grammatik, bevor Du einem Kommentar abgibst! Im Ernst: Mit so einem offensichtlich negativen Intelligenzquotienten würde ich mich an Deiner Stelle auch hinter "anonymous" verstecken. Zum Inhalt: Hast Du zu viele Rambo-Filme gesehen oder eine NPD-Kaderschule besucht? Wenn Du mal wieder in den Spiegel siehst: Was Du da erblickst, ist ganz bestimmt kein Rasierschaum.

kloty hat gesagt…

Hallo Michael,

so sehr ich mich von dem Beitrag von Anonymous distanziere, dieser Blog ist für alle offen und jemanden dafür zu kritisieren, dass er in einer Fremdsprache Fehler macht, finde ich keine feine Art. Ich lasse solche Kommentare stehen, weil sie am besten illustrieren, wie manche Teile der estnischen Gesellschaft ticken, das ist viel glaubwürdiger als jeder Artikel, den ich darüber schreibe. Das nächste Mal bitte nur zum Inhalt was sagen, nicht zu den grammatikalischen Fehlern.

Danke und Gruss,

kloty