Sonntag, Dezember 11, 2016

Das Ende des Honeymoons

Kaum erkläre ich meine Liebe zu der estnischen Präsidentin Kersti Kaljulaid, gleich wird sie auf eine harte Probe gestellt. Zwei Konferenzen fanden diese Woche in Estland statt, eine wurde von der Stiftung „Offenes Russland“ von Mikhail Chodorkowski organisiert. Dabei wurden die besten unabhängigen Journalisten Russlands ausgezeichnet. Allen Chodorkowski-Unterstützern im nahen russischen Ausland kann ich nur folgendes Video ans Herz legen, das einen Tag nach der Entlassung Chodorkowskis aus dem russischen Lager in Berlin aufgezeichnet wurde.

Hier spricht er darüber, dass falls Nordkaukasus sich jemals für unabhängig erklären sollte, er selbst eine Waffe in die Hand nehmen und in den Krieg auf seite Russlands ziehen wird, denn alle Regionen auf der Welt sind durch Kriegshandlungen besetzt worden und Kaukasus ist durch Russland besetzt und eingegliedert. Er verneint die Frage, ob er ein Imperialist wäre, sagt aber, dass er ein Nationalist sei. Sollte Chodorkowski eines Tages eine wichtige Rolle in Russland spielen (das Programm des Offenen Russlands besteht darin für den Tag X zu planen, wenn Putin endlich abtritt), bezweifle ich, dass Beziehungen zwischen Estland stellvertretend für den Westen und Russland sich zu freundschaftlichen entwickeln werden.

Die andere Konferenz zur der Chodorkowski als Ehrengast eingeladen wurde, wurde von dem estnischen Institut für Menschenrechte organisiert und findet schon zum sechsten Mal unter der Ägide des estnischen Präsidenten immer am Tag der Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember statt. Die Konferenz wurde schon häufiger kritisiert, der Leiter der veranstaltenden Organization Nationalist und Russophob Mart Nutt weigert sich anzuerkennen, dass es Menschenrechtsverletzungen auch in Estland gibt, die russischen Menschenrechtler werden erst gar nicht eingeladen oder es werden ihnen Aufpasser zur Seite gestellt, es sei denn man heisst Chodorkowski. Mit einem Wort hat so eine Konferenz mit Menschenrechten ungefähr so viel zu tun, als wenn man den Chefredakteur der Zeitschrift Beef mit der Organization einen Veganer-Kongresses betraut hätte, es geht zweifellos um Nahrung, hat aber sonst nichts mehr miteinander zu tun. Das Thema der Konferenz waren Migration und Propaganda und ich dachte ich sehe nicht recht, als der eingeladene Speaker zum Thema Migration der alte Flüchtlingsexperte Thilo Sarrazin war. Diesmal waren nicht die niedrigen geistigen Fähigkeiten der Migranten sein Kernthema, sondern die Aussage, dass Koran veraltert wäre und der modernen Welt nicht mehr entspricht. Aber die Regierungen ziehen es vor ihre Komfortzone nicht zu verlassen und keine Aufmerksamkeit zu schenken. Als Ergebnis wenden sich die Bürger von ihnen ab und stimmen für Brexit und Trump. Also klassischer AfD-Populismus. Das Kersti Kajlulaid ihren (noch) guten Namen für so eine Konferenz hergibt, halte ich für einen schweren Fehler.

Kersti Kaljulaid hat während ihrer Rede den Beschluss von einem Gesetz mit dem komplizierten Namen „The elaboration of the Law on the Amendment of the Obligation to Leave and the Prohibition on Entry Act was a response, on the one hand, to the deterioration of the international security situation and, above all, the elevated terrorism threat“ erklärt, das auch vom estnischen Parlament verabschiedet wurde. Der Sinn des Gesetzes ist es die sogenannte Magnitski-Liste umzusetzen, also den Leuten, die den Tod von Sergej Magnitski verursacht haben, also hauptsächlich Mitglieder der russischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Geheimdienst, die Einreise nach Estland zu verweigern. Grundsätzlich ist gegen dieses Gesetz nichts einzuwenden, aber warum dieser Gesetz Bekämpfung des Terrorismus im Namen hat, wurde leider nicht gefragt.

Sonntag, Dezember 04, 2016

Warum russische Massenmedien Baltikum verlassen

Dies ist eine Übersetzung des Artikels von Igor Teterin, er ist Herausgeber der russisch-sprachigen Zeitung "Комсомолская Правда - Северная Европа" (Die Wahrheit des Komsomols - Nordeuropa)

Was meinen Sie, womit fängt der Tag eines Verlegers einer russischen Zeitung in den baltischen Ländern an? Mit dem Newsticker? Leider mit dem Studium der Zahlungsforderungen. Hier ein Drohbrief aus der Druckerei. Hier die unbezahlten Rechnungen der Post. Doch das traurigste ist, dass vor ein paar Tagen die Steuerbehörde veranlasst hat unser Konto zu sperren, damit falls Geld darauf eingezahlt wird, es ins estnische Budget kommt, um die Steuerschulden zu begleichen.

Übersicht der Verluste

Dass die russländische Presse im Ausland kein einfaches Leben hat, das wissen alle. Doch dass sie in den baltischen Ländern in besonders schwierigen Verhältnissen existiert, das sollte betont werden. Schon mehrere Jahre führe ich eine Übersicht über die Verluste in der Sphäre der russischen Medien in der baltischen Region.

Wie könnte man die Schliessung solcher legendären Zeitungen wie „Молодежь Эстонии“ (Die Jugend Estlands) vergessen, wo ich meine Journalistenlaufbahn begonnen habe. Ich erinnere mich wie Sergej Dolvatov vorbeigekommen ist, der ein Stockwerk unten gearbeitet hat. Später beschrieb er sehr illustrativ einige von meinen Kollegen in seinem Roman „Kompromiss“, der Regisseur Govoruchin machte sie zu Helden seines Films „Конец прекрасной Епохи“ (Das Ende einer schönen Ära). Es ist bitter sich an das „Ende“ solcher wunderbaren russisch-sprachigen Zeitungen in Lettland wie „Час“ (Stunde) und „Суббота“ (Samstag) zu erinnern. Sie waren wunderbare Berufsschulen. Und die Tageszeitung „Вести Дня“ (Nachrichten des Tages) und die Radiostation Euro FM in Estland? Und die Zeitungen „Телеграф“ (Telegraph) und „Бизнес & Балтия“ (Business & Baltikum) in Lettland? Und „Комсомольская Правда - Литва“ (Pravda des Komsomol - Litauen)? Vor kurzem wurde diese traurige Liste mit zwei estnischen Medien ergänzt: den Zeitungen „Постимеес на русском“ (Postimees auf Russisch) und Wochenzeitung „День за Днем“ (Tag für Tag).

Was wurde zum Grund ihres Verschwindens? Vor allen die wirtschaftliche Realität, die allgemeine Kostspieligkeit der russisch-sprachigen Massenmedia mit beschränkter Anzahl an Lesern, multipliziert mit dem Fehlen der Unterstützung seitens der Wirtschaft und der fröhlichen Gleichgültigkeit der Politik. Dabei sind das Verluste der vergangenen, einigermassen guten Jahre. Viel schwierigere Zeiten sind heutzutage eingetreten.

Findet sich in den Listen wider

Ich weiss nicht, wer von den Polittechnologen als erster die Bezeichnung „Infokrieg“ erfand, doch genau er wurde zum Grund für mächtigen politischen Druck auf die russisch-sprachigen Massenmedien in Baltikum. Der Krieg ist bekanntermassen die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Und deshalb mit den baltischen Ländern als militärischer Vorposten, mit Kriegsgerät und anderen NATO-Truppen, gab der Westen den baltischen Politikern grünes Licht zur Jagd auf die russisch-sprachige Medien. Jagen dürfen sie ohne rechte Beachtung von Grundsätzen der Meinungs- und Pressefreiheit, die vom Westen deklariert werden. Und los gehts. Die baltischen Politiker fingen an über die „bösartige russländische Propaganda“ durch die russisch-sprachigen Massenmedien zu sprechen.

Und es ging los. Die baltischen Politiker sprachen durcheinander über die „bösartige russländische Propaganda“ durch die russisch-sprachige Massenmedien. Sie unterfüttert die lokalen Russen mit falschen Ideen und verfälscht Bewertungen der Geschehnisse in der modernen Welt. Nach den Worten folgten Taten, Strafen und Begrenzung der Sendung von populären russländischen Fernsehkanäle, Weigerung die Rundfunklizensen für unerwünschte Radiostationen zu verlängern, überaufmerksame Kontrollen der Journalisten auf der Grenzen, Verbote ihrer Einreise in die baltische Länder und so weiter.

„Und so weiter“, das ist eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Journalisten seitens der Geheimdienste und ausgefallene Formen des psychischen Drucks. Zum Beispiel ist es zur Tradition geworden in den alljährlichen Berichten der Geheimdienste eine Liste mit russisch-sprachigen Massenmedien und Journalisten abzudrucken, die die lokale Geheimdienste öffentlich zu einer Gefahr für den Staat erklären. Das wird ohne Beweise und ohne die Möglichkeit des Widerspruchs gemacht. Es werden Verhaftungen praktiziert, wir es mit dem bekannten italienischen Journalisten Giulietto Chiesa oder ganz vor kurzem mit dem Gründer der Internetportale Baltija.eu und Baltnews.ee Aleksander Kornilov geschehen ist.

Unfreiwillige Freiwillige

Panische Aufrufe der baltischen Politiker über „propagandistische Aggression“ seitens des Kreml, die auf Untergraben der lokalen Machtstrukturen gerichtet sind, das ist nichts anderes, als die Frucht ihrer ausufernden Phantasien. Ich gebe schon das zehnte Jahr die Zeitung „Комсомольская Правда в Северной Европе“ (Die Wahrheit des Komsomol in Nordeuropa) heraus - das ist eine Regionalausgabe der russländischen „Komsomolka“. Viele Leute denken, dass wir von Moskau unterstützt werden. Denn wir stehen in „verwandtschaftlichen Beziehungen“ mit der größten regelmäßig erscheinenden Zeitung Russlands. Ich möchte diese Legende öffentlich begraben, in Realität basiert unsere „Verwandtschaft“ mit „Komsomolka“ auf einem Franchise-Vertrag. Wir bekommen aus Russland nicht nur keine Finanzierung, wir müssen auch noch Royalty für das Content zahlen, das wir für unsere Leser abdrucken. Mit einem Wort ist das reines Business - keine Politik, keine versteckte aussenpolitische Prioritäten.

Im Medienbusiness gibt es bekanntermassen nur drei Quellen zum Erreichen von finanziellen Selbstständigkeit - Werbung, Investitionen und Zuschüsse. Noch vor ein paar Jahren, wenn auch mit einem kleinen Defizit, konnten wir die Budgetausgaben der Zeitung decken - durch den Verkauf und durch die Werbung.

Wir haben trotz allem eine bedeutende Leserschaft, die in sieben Ländern der Region lebt, mehr als 100.000 Leser der papiernen und elektronischen Versionen von „Komsomolka“. Doch nachdem unter dem Kriegsgeheul der lokalen Politiker das Kriegsbeil des Informationskrieges ausgegraben wurde, änderte sich die Situation schlagartig. Werbungseinnahmen gingen auf Null zurück. Niemand wird Werbung in einer Zeitung schalten, die als „pro-Kreml“ verschrien ist. Und schon gar niemand wird es riskieren in ein russisch-sprachiges Medienprojekt investieren in einem Land, das zu einem militärischen Vorposten der NATO an der Grenze mit Russland wird.

Im Endergebnis sind wir in der Rolle von freiwilligen Freaks gelandet, die immer noch an die russländischen Kompatrioten die Wahrheit über das zeitgenössisches Leben in Russland herantragen. Dabei verstehen wir ausgezeichnet, dass in den Bedingungen des Infokrieges unsere Zukunft nebelig ist und vielleicht heute-morgen kann unsere Zeitung auf der Liste der russisch-sprachigen Zeitungen landen, die den Markt verlassen haben.

Das Gesetz H.R. 5859 und seine Profiteure

Ich bin mir sicher, dass in der derselben, womöglich noch in einer schlimmeren Situation sich viele russisch-sprachigen Medien widerfinden. Die Situation wird dadurch verschlimmert, weil sie von Medienressourcen bedrängt werden, die aus dem Ausland, hauptsächlich aus USA finanziert werden. Das ist wohl die Haupttendenz des Mediamarktes in den baltischen Ländern. Es scheint, dass einer der Ziele des Infokrieges ist es die Unterdrückung und am besten Abschaffung der Informationsquellen des „Gegners“, die adäquat das zeitgenössische Leben in Russland beschreiben. Unterdrücken und dann durch die russisch-sprachigen Massenmedien auszutauschen, die sich in der amerikanischen politischen Einflusssphäre befinden. Es wird ungefähr genauso gemacht, wie in der Ukraine.

Darüber, welch ernste Bedeutung Washington der Umformatierung der russisch-sprachigen Massenmedien der baltischen Länder zuteilt, spricht der Fakt, dass diese Frage eng den amerikanischen Kongress und Senat beschäftigt. Vor einigen Jahren erarbeiteten die Gesetzgeber in Washington das Gesetz H.R.5859, das formell der Unterstützung der Ukraine gewidmet ist, doch das direkt die Länder Baltikums berührt. Präsident der USA Barak Obama unterschrieb dieses Gesetz im Dezember 2014. In diesem Gesetz wird über die Notwendigkeit der Organisation vom russisch-sprachigen Rundfunk in Lettland, Litauen und Estland gesprochen. Mit der Zuteilung von entsprechenden mehreren Millionen Dollar aus dem amerikanischen Budget.

Und was ist daraus geworden? Ein typisches Beispiel. Die Regierung Estlands schlug schon seit gut zwei Jahrzehnten viele unsere Vorschläge aus, mit Budgetmitteln einen russisch-sprachigen Fernsehsender einzurichten. Die Erklärung war einfach - die Russen sollen die estnische Sprache lernen und unsere nationalen Sender schauen, so gibt es mehr Nutzen. Und heute schlagen sie momentan die Hacken zusammen. Mehr noch, der Beschluss über die Gründung einen russisch-sprachigen Senders wurde eine Woche vor der Unterschrift Obamas gefällt, denn mit dem Inhalt wurde man schon vorher vertraut.

Irgendjemand sagt noch, dass die Esten schwerfällig und langsam wären. Hier ist es ganz anders. Wenn es Befehle aus Washington gibt, dann sind sie sehr fix. In jedem Fall wurde der russisch-sprachige Fernsehsender ETV+ in wenigen Monaten gegründet. Heute sendet er erfolgreich im Standart-Digitalformat, in HDTV, über Internet und über mobile Netze. Dabei fanden mehrere Journalisten, die wegen des massiven Abbaus der russisch-sprachigen Massenmedien in Estland sich nicht professionell entwickeln konnten, dort Arbeit.

Alles im Butter ist auch bei den ehemaligen russländischen Journalisten, die ihr Land verlassen und sich im Baltikum niederliessen. Sie fingen an, ihre vorgezeigte oppositionelle Tätigkeit zu monetisieren. Der ehemalige Musikkritiker Artemij Troizkij hat sich erfolgreich zu einem politischen Kommentator umqualifiziert. Ihm wird gerne eine Tribüne bei den lokalen Massenmedien zur Verfügung gestellt, er wird als Speaker auf verschiedene Konferenzen mit anti-russländischem Inhalt eingeladen. Der ehemalige Hauptredakteur des Portals lenta.ru Galina Timtschenko startete in Riga Internet-Projekt Meduza, de redaktionelle Richtung erlaubt es ebenfalls keine finanzielle Probleme zu haben. Es werden sogar wenig bekannte Blogger aus Russland unterstützt, die in diesem Trend unterwegs sind. Warum sollten sie auch ihre „Oppositionalität“ nicht monetisieren, wenn laut dem Gesetz H.R.5859, der für den jetzigen, als auch für den nachfolgenden Präsidenten der USA zwingend auszuführen ist, nur in den nächsten drei Jahren (2016-2018) aus dem amerikanischen Staatshaushalt jährlich 20 Mio. Dollar zur Unterstützung der „Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft, die für die Redefreiheit wirken“ vorgesehen sind.

Wer braucht schon diese Russen?

Manchmal muss ich hören: „Wer braucht sie schon, diese russischen Zeitungen?“. Hier kann ich behaupten: Man braucht sie. Lassen Sie mich direkt sagen, unsere Kompatrioten verlieren sehr viel, wenn in den baltischen Ländern populäre russischen Zeitungen in Nirvana eingehen. Denn sie sind ein Instrument der Kommunikation, zeigen sogar den Status der russisch-sprachigen Diaspora. Mit dem Verlust dieser Instrumente verliert die Diaspora ihre innere Sicherheit bezüglich ihrer Zukunft, der Bedarf nach dem Erhalt der nationalen Identität verschwindet. Wahrscheinlich ist das auch das Hauptziel derjenigen, die heute ein Informationskrieg im russisch-sprachigen Medienraum führen. Es wäre bitter, wenn das Ziel erreicht wird.

Eine Liebeserklärung

In diesem Blog wurden schon viele Gefühle verarbeitet, meistens negative wie Enttäuschung, Gefühl der Ungerechtigkeit, Unverständnis, Wut, manchmal sogar Hass, was mir schon einiges an Kritik eingebracht hat, ich würde nur negativ über Estland berichten. Es wird Zeit für ein komplett neues Gefühl, nämlich die Liebe. Und zwar die Liebe zu Kersti Kaljulaid, der neuen Präsidentin Estlands, die innerhalb weniger Monate im Amt genau das Image von Estland verkörpert, was mir lieb und teuer ist, einer fortschrittlichen Nation, ohne Arroganz, ohne Zeichen der Macht, schlicht aber geschmacksvoll. Es ist das erste Mal, das ich das mache, aber es wird Zeit für ein paar Fashion-Fotos.


Kersti beim Besuch einer Reservistenübung. Kein Zeichen von Bedrohung, Angst, Aggressivität, eher eine lockere Versammlung von Paintballspielern. Verglichen mit den Videos von Rõivas mit startenden Düsenjets oder mit Revolver hantierendem Ilves, eindeutig ein Zeichen der Entspannung. Aber gleichzeitig ein Zeichen, dass der Präsident die Armee ernst nimmt und sich Zeit dafür nimmt, die Übungen zu besuchen.


Vereidigung der neuen Regierung. Keine Insignien der Macht, schlichtes aber würdevolles Kleid, sehr freundliche Atmosphäre. Vergessen die Tage, als Ilves tönte, dass er keine Regierung mit Zentristen, dieser korrupten Russenpartei akzeptieren wird. Ich persönlich erwarte von der Regierung nur eines, Abschaffung der unsicheren E-Wahlen, danach können Neuwahlen stattfinden und erst danach kann eine stabile Regierung zusammengesetzt werden.


Kersti im einzigen estnischen Café Deutschlands, dem Jää-äär in Berlin. Bei ihrem allerersten Besuch, fand sie nicht nur Zeit um 8 Uhr morgens vor wenigen versammelten Journalisten in DGAP zu referieren, sondern auch abends mit estnischen StartUp-Gründern, die in Berlin ihr Glück versuchen, sich zu treffen.


Kersti beim Auftritt in Finnland bei einer StartUp Konferenz, wo sie für die elektronische Staatsbürgerschaft wirbt, eine Aktion, die tatsächlich den digitalen Fortschritt Estland zeigt, nämlich digitale Behördengänge, die von überall weltweit zugänglich und gleichzeitig rechtssicher sind. Und ich will das T-Shirt mit den Löwen haben!

Montag, November 28, 2016

Brief an Trump

Die Geschichte, die ich hier erzähle, kann nur schlecht verifiziert werden, wäre ich offizielle Presse, würde ich wahrscheinlich nicht darüber berichten, aber für einen Blogger gelten meines Erachtens lockerere Regeln.

Es fing damit an, dass Vladislav Palling, ein Aktivist der Partei der Völker Estland, einer neugegründeten Partei, die angetreten ist, die Interessen der Minderheiten in Estland zu vertreten, aber noch nie bei einer Wahl teilgenommen hat, einen offenen Brief geschrieben und es an einige US-amerikanische Medien als auch an Donald Trump geschickt hat.

Dear Donald Trump! Dear the next President of the United States of America!

My name is Vladislav Palling, I'm a citizen of the Republic of Estonia. One of Your associates called it by St. Petersburg's suburb. I and tens of thousands, and perhaps hundreds of thousands of people in Estonia are very happy to see Your victory. It remains to be issued just officially. Please accept our sincere congratulations on Your great success. I am sure that this achievement will benefit not only the United States but all over the world.

For my country of Your victory has a huge importance. For a long time the leadership of my country strongly escalated the situation on the borders of NATO and Russia. It made it trying to please the previous White house administration. It made not only my government, but the establishment of many other border NATO countries. I am sure that Your election to the post of President of the United States will help to keep the peace for many years.

Certainly some of Your statements were perceived in Estonia not very friendly. So, You offered to resettle the residents of Estonia to Africa and Africans in Estonia. The reason, in Your opinion, was the provocative policy of the previous government of the Republic of Estonia (and also Latvia and Lithuania) against the Russian Federation. I believe that Your election to the post of President of the United States of America will stop such attacks from the government of my country. However it will happen if You follow your campaign promises, which I sincerely hope.

Some time ago there was created the project of the Party of the peoples of Estonia in my country. The concept of this party involves the struggle for the separation of Estonia from NATO for the sake of maintaining peace and stability, as well as the good of Estonia. In light of the fact that You repeatedly called NATO "outmoded", the views of the Party of Estonian peoples and Your to some extent are coinciding.

I and my associates are nice to see by the President one of the leading countries of the world, not another professional politician but a man of action, a man who knows how to count money. You have proven in practice that are fundamentally different from Your predecessors. We believe that Your election would usher in a new era in the history of America.

I and lots of other people hope that You will be President for all Americans or, at least, for most of them. Every reasonable person interested in united and strong, but peaceful America. Believe that You will be able to unite the nation and become the true President of peace, not war.

In conclusion, I would like to say that for You in Estonia was going through everyone I know. The woman I love Julia, her kids, mine and her parents, my sister and many other dear people to me.

Sincerely Yours,

Vladislav Palling, the citizen of the Republic of Estonia of the Russian ancestry.

Kurz darauf bekam Vladislav einen Anruf vom Ex-Premierminister Mart Laar, der nach dem Sinn der Aktion fragte und dann die Verschiedenheit ihrer Ansichten über die bessere Zukunft Estlands konstatierte. Auch warnte er Vladislav, dass sein Brief keine Resonanz weder in der estnischen, noch in der amerikanischen Presse finden wird.

Vladislav wurde von New York Times und National Public Radio kontaktiert. Der Redakteur der NYT Edward Bader versprach den Brief abzudrucken, was aber noch nicht geschah, NPR nahm ein einstündiges Interview und verwendete Ausschnitte daraus.

Am 25. November bekam Vladislav eine Email von der Adresse trump@trumporg.com:

Donald Trump trump@trumporg.com сегодня в 19:53
Вам: vladpalling@yandex.ru
Hi Vladislav!
Thank you for your letter. I read it with great pleasure. There were lots of good thoughts and questions in your letter. Unfortunately I don't have enough time but I want to tell you something. I promise that Estonia is safe. I and the President of Russia Putin will take care of it. We all need to think about the refugees from Asia and Africa. This is a really serious problem. I wish all the best to you and your party. Be the good guys.
With the best wishes,
Donald Trump.

Hier fangen Spekulationen an. Sollte diese Antwort echt sein und vom Trump selbst oder seiner engen Umgebung stammen, dann hätten wir hier den Effekt einer Atombombe über Toompea. Trump verspricht zusammen mit President Putin sich um Estland zu kümmern. Jeder Este denkt sofort an den Molotov-Ribbentrop Pakt, als zwei Weltmächte sich um das Estland „kümmerten“. Vielleicht hat Aodhán O'Riordáin aus Irland recht:

Nachdem Vladislav diese Email bekommen hat, fand auf sein Postfach eine Hackerattacke statt, die die Originalmail gelöscht hat. Deswegen, aber auch beim Durchlesen der sehr einfach formulierten Email, gibt es bei mir immer noch Zweifel, ob diese Email wirklich vom Trump oder seinen Helfern stammt.

Donnerstag, November 10, 2016

Estland und Trump

Estland sollte Beziehungen zu Umgebung Trumps aufbauen

Marina Kaljurand, Ex-Aussenminister, Ex-Botschafter, Ex-Präsidentkandidat

Sonntag, Oktober 23, 2016

Herzliche Grüße aus Tallinn, Europa wartet auf Stalin

Herzliche Grüße aus Tallinn!
Europa wartet auf Stalin!

Hier ist mein Bär, hier ist mein Gesöff
Trinkt sich ideal zu Kisiljev*
Nur ein Gedanke lässt mir keine Ruh:
Wie ich Europa vernichten tue?

Wir bomben die kleinen Länder zuerst -
Ein Pflaster für die Wunden UdSSRs!
Russische atomare Arroganz -
Ist für manche hier kein Firlefanz!

Herzliche Grüße aus Tallinn!
Europa wartet auf Stalin!

Am Ufer der baltischen Ruine,
Für die Fans der Ukraine
Bauen wir ein Kommerz-Vergnügungsgulag
und stecken rein den sowjetischen Flag,
Russland ist ein kriegerisches Land,
Wir brauchen keinen Frieden, nur den Kampf!
Das russische Volk tanzt aggressiven Tanz,
Ist für manche hier kein Firlefanz!

Herzliche Grüße aus Tallinn!
Europa wartet auf Stalin!

Stalin komm wieder, kämpfe sie nieder,
Stalin komm wieder, kämpfe nieder!

(Kisiljev ist der Hauptpropagandist Russlands)

Estland sucht den Präsidenten

Nachdem in meiner Top-10 der meistgehasstesten Personen der vorherige Präsident Ilves auf den vordersten Rängen aufzufinden war (und offenbar nicht nur bei mir, denn bei einer Umfrage der russisch-spachigen Version der Zeitung Postimees haben mehr als 90% der Befragten ihm eine glatte 1 gegen, also die schlechteste aller Noten, leider ist die Umfrage nicht mehr online), war man sehr gespannt, wer denn sein Nachfolger/Nachfolgerin wird. Neben dem ehemaligen Europakommissaren Siim Kallas war die aussichtsreichste Kandidatin Marina Kaljurand, ehemalige Botschafterin unter anderem in Russland während der Bronzenen Nächte und jetzige Aussenministerin (die sogar zurücktrat, um für Präsidentenamt kandidieren zu können). Aber nach einigen Wahlgängen in Parlament und in der Wahlversammlung konnte man sich nicht auf einen Kandidaten einigen (man braucht 2/3 der Stimmen), also wurde allen klar, dass man von Null anfangen muss und jemanden präsentieren, der/die kein/e Politiker/in war, um alle zahlreichen Parteien im Parlament zufriedenstellen zu können. Ich persönlich denke, es war eine gute Entscheidung, denn Kaljurand hätte die Politik von Ilves fortgesetzt und Siim Kallas hatte seit den 90ern keine reine Weste, es gibt hartnäckige Gerüchte über eine Finanzaffäre in den 90ern, so dass es als President beschädigt werden konnte.

Innerhalb von sieben Tagen musste also ein/e neue/r Kandidat/in gefunden werden und es ist tatsächlich gelungen, heute wurde Kersti Kaljulaid zur neuen Präsidentin gewählt und zwar mit sehr guten 81 Stimmen. Ich muss gestehen, den Namen Kaljulaid habe ich nie vorher gehört, aber da ging es mir nicht anders, als den meisten russisch-sprachigen Experten. Was wissen wir über die neue Präsidentin, ausser dass sie auf den Photos sehr sympathisch rüberkommt?

Kersti Kaljulaid ist in Tartu geboren, sie ist 46 Jahre alt, Mutter von vier Kindern, wobei zwei Kinder wohl aus einer früheren Beziehung stammen. Über den Beruf ihres Mannes George-Rene Maksimovski sagt Kersti, dass sie selbst nicht so genau weiss, womit er sich beschäftigt, angeblich hatte er Zugang zu Staatsgeheimnissen, arbeitete in einer geheimen Abteilung des Verteidigungsministeriums. Zur Zeit ist er offiziell Hausmann, wobei es auch gerüchtweise heisst, dass manche Positionen so geheim sind, dass selbst das Beschäftigungsverhältnis nicht offengelegt wird.

Kersti studierte Biologie in Tartu nach dem Abschluss, setzte sie noch ein Magister in Business-Administration drauf. In den späten 90ern arbeitete sie bei Hansapank Markets. 1999 wurde sie als Wirtschaftsexpertin Beraterin von dem Premierminister Mart Laar in Wirtschaftsfragen. Genau in dieser Zeit gab es einige Privatisierungsskandale, als die estnische Eisenbahn erst privatisiert, dann für viel Steuergeld vom estnischen Staat zurückgekauft wurde. Im Jahr 2002 arbeitete sie im mittleren Management bei Eesti Energia. Im Jahr 2004 wechselte Kersti nach Brüssel und arbeitete bis zu diesem Jahr bei dem Europäischen Rechnungshof. Gleichzeitig war sie ein Mitglied bei der estnischen Genom-Stiftung und ein Mitglied des Kuratoriums der Tartuer Universität. Von 2001 bis 2004 war sie Mitglied der Partei Isamaaliit (Vaterlandsunion). Ebenfalls arbeitete sie beim Radio als Moderatorin.

Man kann sagen, dass Kersti beim Volk zwar weitgehend unbekannt ist, aber bei den Politikern und Beamten bestens vernetzt ist. Als Person ist sie nicht wirklich angreifbar, eine laute Kritik gibt es an dem Wahlverfahren, denn die teueren und aufwendigen Kampagnen der Kandidaten waren alle für die Katz, stattdessen fand man innerhalb von sieben Tagen eine weitgehend unbekannte Kandidatin für die auf einmal alle Parteien nahezu geschlossen gestimmt haben. Als sonderlich demokratisch wird es nicht empfunden.

Die russisch-sprachige Gemeinde interessiert natürlich brennend, was die neue Präsidentin zu ihr sagen kann. Kersti sagte ein paar russische Worte in die Kamera, entschuldigte sich, dass sie aus der Übung ist, versicherte aber, dass sie zu jeder Gemeinde in Estland in ihrer Sprache versuchen wird zu reden, also auch Finnisch und Englisch. Die Einladung zum Kongress der Minderheitenkammer hat sie erstmal ausgeschlagen, aber zwei Wochen vorher anzufragen, ist auch etwas kurzfristig. Von besonders progressiven Mitgliedern der Gemeinde gab es noch Gemosere wegen ihrer Antrittsrede, in der sie vom ethischen Staat gesprochen hat, aber bisher gab es keine größeren Taten oder Ausrutscher, die darauf hinweisen, wie die Präsidentin mit den Minderheiten umzugehen gedenkt.

Ich persönlich kann die Ernennung von Kersti Kaljulaid nur begrüßen. Sie ist nicht in Parteigezank verwickelt, hat noch Erinnerung an die sowjetischen Zeiten, so dass sie keine so unqualifizierten Aussagen wie Ilves über die Vergangenheit machen wird. Sie hat angekündigt nicht im Kadriorgpalast zu wohnen, sondern bleibt in ihrem Haus, was diskutabel ist, denn es zeigt, dass für sie Präsidentschaft nur ein Amt ist und keine Berufung. Ich finde es gut, dass Kersti nicht die Mutter der Nation spielen möchte. Sie hat gute Kontakte nach Brüssel und hat in den 12 Jahren genügend Zeit gehabt, sich mit dem europäischen Geist vollzusaugen, um zu verstehen, was in Estland geändert werden muss, um noch europäischer zu werden. Deswegen wünsche ich Kersti alles Gute auf diesem Posten.

Sonntag, August 28, 2016

Toomas Hendrik Ilves - die Abrechnung

Ich habe 10 Jahre lang auf diesen Moment gewartet. Mein Blog über Estland wird 10 Jahre alt und die ganze diese Zeit war Toomas Ilves Präsident Estlands, deswegen kulminiert sich all der Hass, der in den 10 Jahren gegen diese Person sich angesammelt hat, in diesem Text. Erwartet keine Objektivität.

Vor vier Jahren schrieb Journalistin Evgenija Garandzha (in der Zwischenzeit Vära) einen Artikel in dem sie den damaligen Premierminister Estlands Andrus Ansip mit Putin verglich, beginnend beim Äusserem, sportlichen Hobbys, Lebenslauf und endend mit Regierungsstil. Es gab tatsächlich einige Übereinstimmungen. Wenn man sich die Frage stellt, mit welcher politischen Gestalt man Ilves vergleichen kann, dann wird die passende Personnage wohl Donald Trump sein, der Präsidentschaftskandidat in USA. Man muss Ilves anerkennen, dass all das worüber die Welt sich beim Trump amüsiert oder erschrickt, führt Ilves schon seit 10 Jahren in Estland durch, hier eilt er der Welt voraus. Und wenn politische Kommentatoren sich die Frage stellen, wie Amerika und die Welt aussehen werden, wenn Trump Präsident sein wird, genügt es sich anzuschauen wie Estland nach Ilves aussieht.

Trump-Kritiker weisen auf das Aussehen, die Persönlichkeit und Manieren Trumps hin, die die Würde des Präsidialamtes beschädigen könnten. In Estland ist es schon längst passiert, bei keinem Präsidenten Estlands wurde die Ehre des höchsten Postens des Staatsoberhauptes so beschmutzt, wie bei Ilves. Angefangen beim ständigen Kaugummikauen bei den feierlichsten Staatsakts, ungepflegtem Äusseren mit schief-sitzenden Fliege besonders während seiner Scheidungsperiode, bis zu Waschen von Schmutzwäsche mit intimsten Einzelheiten im aufmerksamen Blick der Öffentlichkeit, kein Präsident Estlands erlaubte sich solches Gebären. Zu den Manieren kann man auch die Nutzung der sozialen Netzwerke zählen, hier muss man auch die Führung von Ilves anerkennen, jetzt gehört es zum guten (oder schlechtem) Ton für alle Politiker einen Twitter-Account zu haben. Doch hat Ilves sich den Ruf einen Internet-Trolls hart erarbeitet (man erinnert sich an sein Twitter-Duell mit Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman), Trump versucht gerade da aufzuholen. Was den Charakter angeht, sind beide reizbar und leicht beleidigt, ein Fehler einen ausländischen Journalisten beim Nennen des Namens von Ilves führte schon mal zum Abbruch des Interview.

Trump wird kritisiert, dass er mit seinen Ausfällen gegen die nationalen Minderheiten die amerikanische Gesellschaft spalten würde. Willkommen nach Estland. Es gibt wenige Politiker, die von der russisch-sprachigen Bevölkerung mehr gehasst werden als Ilves, nachdem er die russische Sprache als Sprache der Okkupanten bezeichnet hat. Estland gilt als eins der xenophobsten Gesellschaften in Europa, Ilves hatte 10 Jahre, um mit der Gesellschaft in Richtung vom gegenseitigen Verständnis zu arbeiten. Ausser 1-2 Weihnachtsansprachen, in denen er nicht vom estnischen Volk, sondern vom Volk Estlands (kleiner, aber feiner Unterschied) gesprochen hat, tat Ilves nichts für den Zusammenhalt der Gesellschaft). Während seiner Regierungszeit passierten die Unruhen wegen dem Bronzenen Soldaten, genau dann hat er die Chance verpasst ein Vermittler zwischen den beiden Gemeinden zu werden, doch das war niemals sein Plan. Die Versuche des Vereins der Russischen Schulen eine Diskussion zum Thema der Rettung der russischen Schulen zu starten, wurden vollständig ignoriert.

Trump und Ilves denken, sie wären Experten in verschiedenen Gebieten und können es nicht ausstehen, falls man sie des Unrechts oder gar reinster Lüge bezichtigt. Das Äusserste, worauf sich Ilves hinablässt, falls er bei monströser Faktenverdrehung erwischt wird, das ist eine Mitteilung von seiner Kanzlei, dass er „falsch verstanden“ wurde, doch selbst das wurde in der letzten Zeit eingestellt. Ilves denkt er wäre Experte in Bereichen Digitalisierung, Musik, Geschichte, Ethnographie, Russland, Propaganda, farbige Revolutionen, Wirtschaft, NATO, usw. Schauen wir uns das Ganze mal an.

Die Expertise auf dem Gebiet Digitale Technologien beschränkt sich bei Ilves in Twitternutzung und Zukleben der Linse der Webcam. Aufgrund welcher Ausbildung er sich als Spezialist für Internet-Technologien sieht, bleibt mir im Dunkeln. Das Unverständnis des Funktionierens der Internet-Medien sieht man an dem Fakt, dass hauptsächlich beim Interview mit ausländischen Massenmedien erlaubt sich Ilves die Fakten grob zu verdrehen, sei es das Nichtvorhanden von Restaurants zu der Sowjetzeit, Gehalt von estnischen Bergarbeitern in Höhe von einigen Tausend Euro oder ausschliesslich russisch-sprachige medizinische Betreuung während der sowjetischen Periode. In der Vor-Internet-Zeit würde es eventuell funktionieren, doch wird die ausländische Presse auch in Estland gelesen und es gibt genügend Leute mit guten Deutsch- und Englischkenntnissen. Entweder versteht er das nicht, oder es kümmert ihn nicht, die Kanzlei wird schon „falsch verstanden“ rausschicken. Ilves glaubt im Ernst, dass die Korruption verschwindet, sobald es kein Papiergeld mehr geben wird, über die Existenz von Offshores hat ihm wohl niemand erzählt. Und natürlich ist er ein Befürworter von E-Wahlen, hartnäckig wird der Fakt ignoriert, dass mehr als 10 Jahre nach der Einführung der E-Wahlen in Estland kein anderes Land dem Beispiel gefolgt ist.

Im Bereich Musik gab es einige Präzedenzfälle mit musizierenden Präsidenten, Obama kann gut singen, Bill Clinton spielte Saxophon, Putin auf dem Klavier. Das einzige was Ilves zustande bringt ist der Besuch von Punk-Konzerte in Clubs, wo schon mal rechtsextreme Bands auftreten und als DJ in Finnland, wo er Hits aus seiner fernen Jugend auflegt. Die Analyse seiner Playlist ergab, dass Ilves Punk-Rock bevorzugt, doch scheint es, dass die Punk-Rock Texte sich in keinster Weise in seinem Bewusstsein manifestiert hätten, sonst würde seine Politik anders aussehen.

Was die Geschichte angeht ist Ilves einer der größten Befürworter der Gleichsetzung von Kommunismus und National-Sozialismus. Beim Besuch von Yad-Vashem in Israel, zog Ilves eine Parallele zwischen dem Leiden der Juden und der Esten während der beiden Okkupationen, was einen gewissen Protest hervorbrachte. Er wurde selten in direkten Sympathien den rechten Kräften gegenüber bemerkt, doch hat er mindestens sieben Mitglieder der Waffen-SS, die Waldbrüder waren mit Staatsorden ausgezeichnet. Zahlreiche Skandale mit der Nutzung von Nazi-Symbolen in der Werbung führte zu keiner Reaktion seitens des Präsidenten.

Ilves denkt, dass er den Schmerz der finno-ugrischen Völker fühlen kann und ruft auf Konferenzen unmissverständlich die russländischen Finno-Ugren dazu auf, dem Beispiel Estlands zu folgen und den Kampf um die Unabhängigkeit anzufangen. Dadurch gab es einen internationalen Riesenskandal zwischen Russland und Estland, seitdem wird er in Russland nicht mehr als Verhandlungspartner angesehen. Nachdem er eine glatte Lüge über die Tochter des russischen Aussenministers Sergej Lavrov verbreitete (Ilves behauptete sie würde in USA leben und nicht in Russland, was nicht stimmt), gehört er in Russland zu der Gruppe über die Die Ärzte „Immer mitten in die Fresse rein“ gesungen haben. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, als Politiker egal welchen Ranges über die Kinder von anderen Politikern sich ausliessen. In der guten alten Zeit wurde wegen weniger zum Duell eingeladen.

Die größte Obsession vom Ilves ist natürlich Russland, für den Kampf gegen dieses Land nutzt er viel Zeit. Er trifft sich häufig mit den Vertretern der russländischen Opposition, für mich ist es ein Lackmus-Test, wenn nach dem Treffen mit Ilves der Vertreter in höchsten Tönen über Ilves zu singen anfängt und ihn anstatt Putin haben möchte, fällt er im Test durch und wird nicht mehr als ernstzunehmend angesehen. Es gibt wenig, was so zerstörerisch für den russischen Staat und folglich gefährlich für den Rest der Welt wäre, als einen Menschen mit Ideen von Ilves als russländischen Staatsoberhaupt zu haben. In diese Falle tappten die Performance-Künstlerinnen von Pussy Riot und die Journalistin der Deutsche Welle Zhanna Nemtzova. Ein Bündnis aufgrund einen gemeinsamen Feind sagt einiges über den Intelligenzquotienten der betreffenden Person. Ilves liebt es zu erwähnen, dass sein Lieblingsschriftsteller der russische Emigrant Nabokov sei, das könnte eins der Gründe sein, warum er den Gespräch mit den russländischen Emigranten sucht, was auf Gegenseitigkeit berührt. Ilves ist natürlich einer der Befürworter und Initiatoren der Sanktionen gegen Russland, obwohl, wie der Premierminister Rõivas konstatierte, die größte Rolle in der instabilen Wirtschaftslage Estlands Russland spielt und das 25 Jahre nach der Unabhängigkeit, 12 Jahre nach EU-Beitritt und 5 Jahre nach der Euro-Einführung. Doch diese Suppe werden die Nachfolger von Ilves auslöffeln müssen, man wird praktisch von Null anfangen müssen.

In Propaganda-Fragen ist Ilves wirklich ein Spezialist, 11 Jahre Arbeit als Journalist beim Radio Free Europe in München hinterlassen ein gewisses Erbe. Er weiss, wie er Fakten zu seinem Nutzen verzerren kann, er kann bildlich und malerisch reden (erinnern wir uns an seine Rede, wie er mit dem estnischen Wald spricht und er ihm antwortet), er hat alte Connections mit der europäischen und amerikanischen Medien und Politikern, die er für das Voranbringen seiner Politik benutzt. Politik, die wie schon vor 30 Jahren zur Isolation Russlands aufruft, zum Erhöhung der Militärkräfte in der Region, zur Unterstützung der russländischen Opposition, unabhängig von Erfüllbarkeit ihrer Pläne, all das sind Instrumente und Ansichten aus der Zeit des Kalten Kriegs. Genau in dieser Umgebung fühlt er sich am sichersten. Alle Ansichten, die gegen seine Meinung gehen, müssen unterdrückt werden, genau während der Regierungszeit Ilves, hat die estnische Sicherheitspolizei KAPO die Andersdenkende gejagt, die Mehrheit von ihnen musste das Land verlassen oder verstummen. Als das Europäische Gericht für Menschenrechte die Unverhältnismässigkeit der Gewaltanwendung durch die Polizei während der Bronzenen Nächte anprangerte, schwieg Ilves. Auf die estnische Menschenrechtskonferenzen, die unter der Schirmherrschaft des Präsidenten stehen, werden in der Regel keine russländischen, oder russisch-sprachigen Menschenrechtler eingeladen, die über die Menschenrechtslage in Estland referieren wollen. Ilves erklärte öffentlich, dass er keine Regierung vereidigen wird, der die Partei der Zentristen angehört, da ihre Politik zu russland-freundlich sei. Selbst Trump Unterstützer wurden von Ilves zu Russland-Trolls erklärt.

Die Unterstützung der farblichen Revolutionen war immer eine der Hauptrichtungen der Aussenpolitik von Ilves, seine Mission ist die Befreiung der Völker aus dem russischen Joch, unabhängig von den Folgen. Anfangend bei der Unterstützung von Georgien während des russländisch-georgischen Krieges 2008, als Ilves mit den Präsidenten der baltischen Länder und Polands Saakaschwilli zu Hilfe eilte, über die Unterstützung von Georgien und der Ukraine auf dem NATO-Gipfel 2008 in Bucharest, bis zu unbedingten Unterstützung von Maidan und der Ukraine des Präsidenten Poroschenko, Ilves ist immer in der ersten Reihe. Ilves möchte Ukraine NATO-Waffen geben und böse Zungen behaupten, dass Estland nur deswegen im syrischen Konflikt nicht teilnimmt, weil es keine Militärflugzeuge hat. Doch hat Estland unverhältnismäßig viele Soldaten nach Afghanistan entsandt und unverhältnismäßig hohe Verluste erlitten. Neun tote estnische Soldaten liegen Ilves auf dem Gewissen.

In den Wirtschaftsfragen hält sich Ilves für einen totalen Experten. Schon erwähnte Diskussion mit Paul Krugman belustige Internet, doch schauen wir doch mal auf die Zahlen. Das Wirtschaftswachstum in Poland, das kein Euro eingeführt hat, ist dreimal so hoch wie in Estland. In Lettland ist das Wachstum zweimal so hoch, in Litauen eineinhalb mal. Es scheint, dass nur Estland wegen der russländischen Wirtschaft leiden würde. Bei der sozialen Ungleichheit ist Estland auf dem vorletzten Platz in der EU, 21,6% der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, die Durchschnittsrente ist bei 400 EUR, dafür sind die Staatsschulden gering und Estland erfüllt die Forderung der NATO nach 2% Staatshaushaltes für Verteidigung zu investieren.

Und schliesslich die NATO-Expertise. Ich weiss nicht, wie USA auf eine russische Panzermilitärparade reagiert hätten, wenn sie 100 Meter von der eigenen Staatsgrenze stattgefunden hätte, Russland reagierte erstaunlich besonnen. Ilves ist einer der Hauptbefürworter der NATO-Stützpunkte im Baltikum, ich sage voraus, dass es die letzte Verstärkung von 1000 Leuten, bei weitem nicht die letzte sein wird, jetzt werden schon die Angel ausgeworfen, welche Möglichkeiten Estland hätte an die Patriot-Raketen zu kommen, wie sie Polen bald bekommt. Mit welchen Zusatzgeldern Estland den Bau von neuen Kasernen und Übungsgeländern finanzieren will, bleibt ein Geheimnis.

Was haben wir im Ergebnis: Ein klugscheisserischer Besserwisser mit Größenwahn, mit unbedingter Selbstüberzeugung, dass alle seine Meinung wissen wollen und nur sie die richtige ist. Das wäre nicht mal die größte Sorge, in einem Monat läuft sein Mandat aus und mindestens ein Drittel der Bevölkerung Estlands wünscht sich, dass Ilves Estland verlässt, doch genau in seinem Geiste wuchs eine Generation der estnischen Politiker auf, die viel zu selbstüberzeugt sind. Ein leuchtendes Beispiel ist der estnische Premier-Minister Rõivas, der beim Treffen mit der Bundeskanzlerin Merkel aller ernstes vorschlägt die deutsche Industrie und das estnische Internet Know-How zu vereinen, um damit EU zu retten. Klarer Fall von Hybris, geerbt von Ilves.

Das politische Erbe von Ilves ist es schwer zu überschätzen: NATO-Stützpunkte an der Grenze mit Russland, kaputte politische und wirtschaftliche Verbindungen mit dem Nachbarn im Osten, in wirtschaftlichen, sozialen und ethnischen Beziehungen tief gespaltene Bevölkerung Estlands, das Ende des Wirtschaftswachstums wegen falschen wirtschaftlichen Stimuli, politische Ausrichtung auf die USA mit zweifelhaften Nutzen, die Unterdrückung der aussenparlamentarischen Opposition, demographische Probleme wegen der ungenügenden Migration. Es werden Szenarien des Dritten Weltkriegs in Narva durchgespielt, und sollte wirklich (Gott behüte) militärische Konfrontation in Estland stattfinden, dann kann man Ilves als einen der Hauptzündler zählen. Ich sage voraus, dass er zu dieser Zeit Vorlesungen in Prinston oder Yale halten und nach wie vor von der Richtigkeit seiner Politik überzeugt sein wird.

Freitag, August 12, 2016

Worte der Woche

So wie im letzten, so auch in diesem Jahr kommt der größte Einfluss von der russischen Wirtschaft, sie ist bis jetzt nicht in allzu guten Verfassung. Dazu geben politische Entscheidungen Moskaus Grund zur Sorge, die zum Beispiel den Agrarsektor betreffen.

Estnischer Premierminister Taavi Rõivas auf die Frage nach dem Zustand der estnischen Wirtschaft im Jahr 12 der estnischen EU-Mitgliedschaft

Sonntag, Juni 19, 2016

Worte der Woche

Vom Leiden der Ureinwohner der sibirischen Gebiete der Ölvorkommen rotgefärbter Schnee, der uns schon vor 30 Jahren Sorgen bereitet hat, kann im 21. Jahrhundert nicht normal sein. Die russische Regierung muss die Förderung von Öl und Gas reduzieren, denn es gibt keine Möglichkeit mehr das schweigend and gleichgültig zu akzeptieren.

Irgendwessen ökonomischer Profit kann nicht das Verschwinden von Sprache und Kultur überwiegen, denn auf diese Weise wird ein Teil von uns allen vernichtet. Wir selbst werden ärmer, so wie die gesamte Gemeinschaft. Das Forum der Ureinwohner und der Este als sein Teilnehmer bringen auf dem globalen Level einen Beitrag ein, damit es nicht passiert. Deswegen müssen finno-ugrischen Völker, die einen eigenen Staat haben, ihre kleineren Stammesbrüder unterstützen.

Unsere Lyriker träumten von einem estnischen Staat. Wir trafen eine Entscheidung für die Freiheit und Demokratie. Viele finno-ugrische Völker müssen eine solche Entscheidung noch treffen. Wenn ihr den Geschmack der Freiheit schmeckt, dann versteht ihr, dass es eine Frage des Überlebens sei, man kann darauf nicht verzichten.

Präsident der Estnischen Republik Toomas Hendrik Ilves auf dem VII Weltkongress der finno-ugrischen Völker in Lahti, Finnland

Samstag, Juni 11, 2016

Kontrollierte Paranoia: Was geschieht mit den baltischen Ländern im Fall eines Krieges?

Eine Übersetzung von Sputnik Эстония: http://ru.sputnik-news.ee/analytics/20160525/1835149.html#ixzz4BFhYJvqC

Indem Estland starke NATO-Kräfte bei sich stationiert, wird es vom strategischen Standpunkt aus von den russischen Militärs wegen der Nähe zur zweitwichtigsten Stadt Russlands als die größte Gefahr angesehen. Das meint der pensionierte hochrangige Offizier-Analyst des GRU (sowjetischer Auslandsgeheimdienst) des sowjetischen Verteidigungsministeriums Villem Rooda.

Es sollte gleich betont werden, dass keine der Seiten, die sich heutzutage in Europa gegenüber stehen, einen militärischen Konflikt anfangen möchte. Weder die NATO noch Russland führen echte Vorbereitungen zu einem Angriff durch. Aber trotzdem mit den gemeinsamen Handlungen der Allianz und Russlands wurde eine äußerst gespannte Situation erschaffen, denn leider ist es unmöglich selbst gerichtlich zu verbieten sich zum Krieg vorzubereiten, über den Krieg zu reden, sich laut über die Möglichkeit eines Krieges zu äußern und den Gegnern aggressive Absichten zuzuschreiben.

Die Planung von militärischen Abwehr hat keinen Platz für Gefühle, Emotionen und lauteren Absichten. In einer gewissen Hinsicht ist das eine kontrollierte Paranoia und gleichzeitig reine Mathematik, die nur die real existierende Einheiten von Armeetruppen, Militärtechnik, Bewaffnung, der Zeit, die für einen Panzer, Flugzeug oder Rakete zur Zielerreichung notwendig ist, berücksichtigt. Und Hauptgesetz der Planung der Abwehr - das Gleichgewicht, Parität der Kräfte in gegebener Region zu gegebener Zeit. Vergrößerung oder Verkleinerung der Kräfte einer Seite führt zu analogen Handlungen der anderen Seite.

Die baltischen Länder werden am schwersten betroffen sein

Parität der Kräfte ist nicht der beste Ersatz für gutnachbarliche Beziehungen und gegenseitig profitables Zusammenleben, doch wir müssen davon ausgehen, was wir zur Zeit haben. Russland betrachtet die NATO als Bedrohung, Allianz sagt dasselbe über Russland.

Falls ein Militärkonflikt zwischen NATO und Russland entflammt, werden Polen und die baltischen Länder die größten Verluste erleiden, sowohl menschliche als auch materielle. In Norwegen werden nur strategische Objekte zerstört, Finnland und Schweden mit ihrem neutralen Status könnten überhaupt nicht zu Schaden kommen. So war der Abwehrplan Russlands für diese Region in den letzten 10 Jahren und die Geheimdienste der USA können nicht das nicht wissen.

In derselben Zeit wurde aus den Verteidigungsplänen Russlands ein präventiver atomarer Schlag und schnelles Vordringen auf ein fremdes Territorium ausgeschlossen. Schweden kann offensichtlich nur über Finnland angegriffen werden. Finnland selbst verfügt über ein gutes System der territorialen Verteidigung. Norwegen kann wegen der geografischen Lage nicht gegen Russland mit einer grossen Anzahl von Landkräften antreten. Für beide Seiten sind auch Angriffe mit marinen Landeeinheiten schwierig. Mit Zerstörung von Hauptkräften Finnlands wird Russland schnell fertig, doch Probleme und zwar sehr ernsthafte werden bei der Verwaltung der Gebiete auftreten und das bei einem garantierten Partisanenwiderstand. Finnland hat zwar begonnen ihr sehr gut funktionierendes Verteidigungssystem zu vernichten, doch falls es der NATO beitritt, wird wohl Russland seine Abwehrpläne gegenüber Finnland überarbeiten und gegen Finnland werden am wahrscheinlichsten Raketen eingesetzt. In Hinsicht auf Polen und die baltischen Länder gibt es zwei Varianten der Entwicklung der Ereignisse im Falle einen direkten militärischen Konfliktes.

Im Falle der Verletzung des Paritäts der Kräfte

Die größte Gefahr für Russland stellt das dar, was beim Militär in Estland passiert und erst dann in Lettland und Litauen geschieht, denn Russland kann nicht erlauben, dass ihre zweitgrößte Stadt Sankt-Petersburg in einer Situation der realen Bedrohung durch ein Angriff sich befindet. Ich wiederhole, unter „realen Bedrohung durch ein Angriff“ versteht man die Verletzung der Parität der Kräfte in dieser Richtung zum Vorteil von NATO.

Als Gefahr für Palmira des Nordens zählt das Stationieren in den baltischen Ländern von 3-4 Landdivisionen der NATO, als besondere Gefahr - Stationierung von schwer abzuwehrenden taktischen Raketen mit kurzen und mittleren Reichweite mit kurzer Flugdauer, als auch das Auftreten von einem grossen Flugzeugverbund. Eine Entscheidung der NATO eins von den aufgezählten Truppenarten in Estland zu stationieren, wird eine äußerst scharfe Reaktion Moskaus nach sich ziehen.

In diesem Fall gibt es zwei Varianten von Antworten: gleich die baltische Länder zu besetzen, was im Gegensatz zu den von einigen „Experten“ verbreiteten Meinungen, als die ungewollteste und ersthaftes Nachdenken fordernde Variante angesehen wird, denn sie würde kompletten Stopp aller ökonomischen Beziehungen zum Westen und eventuell einen Krieg bedeuten.

Die zweite Variante wird als eher annehmbar angesehen: bei der Stationierung von zusätzlichen NATO-Kräften in baltischen Ländern werden so viele wie möglich Proteste und Lärm in Massenmedien erhoben, es werden Vorwarnungen gemacht, zusätzliche Landstreitkräfte werden eingesetzt, die sowieso schon starke Antiraketenverteidigung Sankt-Peterburgs wird verstärkt, es werden in der Region die Einheiten des letzen Schlags stationiert - taktische atomare Raketen mit kurzen und mittleren Reichweiten.

Diese Variante würde eine Grundlage für Verhandlungen schaffen, würde es erlauben ökonomische Beziehungen zu erhalten und gleichzeitig die Verteidigung St. Petersburgs stärken, denn das Territorium aller baltischen Länder würde in der Reichweite von kleinen, genauen, mobilen Raketen mit kurzer Flugdauer sein. Drei solche Systeme befinden sich schon im Arsenal (mit den modernisierten „Totschka“), ihre Positionen werden nach den zu Ende gehenden Übungen festgelegt. Im Falle des Einsatzes dieser Waffen brauchen keine Landeinheiten in baltische Länder einmarschieren, wer braucht schon eine radioaktive Wüste?

In dieser Hinsicht verhalten sich die NATO und die USA bisher recht vernünftig, trotz des ständigen Drucks seitens Polens, Estlands und Litauens und halten maß. Erhöhung der Kräfte unter Bedingungen, wenn die andere Seite mit demselben antworten kann, erhöht nicht die Sicherheit, umgekehrt es führt zur Verringerung der Sicherheit, gerade dann wenn es bekannt ist, dass die gegnerische Seite keinen Angriff plant, weil der Gegner zur Verteidigung nicht in der Lage ist.

Russland ist eng mit der Weltwirtschaft verbunden, die nur in Friedens- und stabilen Zeiten profitabel für die Teilnehmer funktionieren kann. Ein Krieg oder eine erhöhte Wahrscheinlichkeit vom militärischen Konflikt ist zerstörerisch für den Business. Russland, wie auch USA und EU sind an der Entwicklung der ökonomischen Kontakte und nicht in militärischen Handlungen interessiert. Die auftretende Probleme versucht man in der Regel ohne Raketen und Panzer zu lösen.

Soldaten als politischer Faktor

Die Nachricht über die Stationierung von zusätzlichen 4000 NATO-Soldaten in den vier NATO Mitgliedsländern ist ein klar politischer und nicht militärischer Schritt. Was über die Effektivität des Artikels 5 des NATO-Vertrags ernsthaft zu denken gibt. Denn, was auch immer die Politiker reden würden, gibt es Mitglieder der NATO der ersten und der zweiten Klasse. Ein Angriff auf Estland ist nicht dasselbe wie ein Angriff auf die USA.

Ein tausend NATO-Soldaten hat keine militärische Bedrohung gegen Russland. Doch der Fakt ihrer Anwesenheit hat eine höhere Bedeutung, denn ihr militärischer Potential. Im Falle eines Krieges, falls Russland beschliesst Estland anzugreifen (wir haben zuvor vereinbart sich auf eine kontrollierte Paranoia einzulassen), fängt die NATO langsam an, den fünften Artikel anzuwenden. Es ist eine ganz andere Sache wenn die schon erwähnten 1000 amerikanische oder britische Soldaten attackiert werden. Ein Aufruf zur Anwendung des Artikels fünf wird nicht mehr notwendig sein. Das wird eine direkte Aggression gegen die NATO Hauptkräfte. Deswegen sind 1000 Soldaten der NATO im Baltikum eine sehr effektive Verteidigungsmassnahme.

Manche Moskauer Politiker machen aus Russland mit ihrer machtvollen Kriegsmaschinerie eine propagandistische Witzfigur, indem sie die „grosse Bedrohung“ verkünden, die diese Soldaten darstellen. Russland spürt keine reale Bedrohung, doch ist es nicht immer vorteilhaft in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen. Die Forderungen Estlands, Litauens und Polens über die Stationierung von größeren NATO-Kräften auf ihren Gebieten sind viel gefährlicher, deswegen werden die größeren und vernünftigeren NATO-Mitglieder kaum darauf eingehen. Die Antworten Russlands, um die Parität der Kräfte zu erhalten, würden eine Situation der Verringerung des Levels der Sicherheit erschaffen.

In baltischen Ländern ist es Usus zum Thema der Aussagen von NATO-Leadern zu ironisieren, dass man Russland nicht verärgern sollte. Verärgern - das ist die diplomatische Bezeichnung der Politiker, die das Wort „Bedrohen“ vermeiden wollen. NATO bedroht doch niemanden. Auf propagandistische Ausfälle wird Russland mit denselben Slogans und Aussagen antworten, auf eine reelle Bedrohung wird Russland eine mächtige Antwort geben und das wollen Politiker verhindern.

Schwaches Russland ist gefährlicher als starkes Russland

Man sollte nicht jubeln, dass Russland aufgrund von ökonomischen Sanktionen und niedrigen Ölpreisen das angedachte Programm zu Modernisierung der Bewaffnung nicht durchführen kann. Damit ist nicht zu spassen. Russland mit einer schwachen Wirtschaft ist viel gefährlicher als Russland mit einer starken Wirtschaft. Dieses Land befand sich schon immer in kleinen oder grossen ökonomischen Schwierigkeiten, doch die Entwicklung von Waffen wurde nie gestoppt. In der Zeit der Regierung Putins haben die Russen meisterlich über die Mittel des vorhandenen Verteidigungsbudgets verfügt.

In Falle von Geldmangel verzichtet man auf vieles, aber nicht auf alles. Neue Arten der Bewaffnung und Technik werden nach wie vor erschaffen, doch im Stadium der Endversuche wird ihre Produktion begrenzt oder gestoppt. Doch diese Begrenzungen betrafen nie Truppen der Luftaufklärung, Flugabwehr und atomaren Angriffs. In den Zeiten, in denen die Möglichkeiten der Landstritkräfte Russlands komplett unterlegen im Vergleich zu den Landstreitkräften NATOs waren, wurde der Unterschied mit der Verfügungstellung den Landstreitkräften von speziellen Artelleriebatterien für den atomaren Angriff kompensiert. Das bedeutet, dass schon bei dem primären Kampfglied der Einsatz von atomaren Waffen vorgesehen wurde.

Als die Situation sich verbessert hat, wurden sie zurückgestellt, hin zu einem höheren Level der Armeeführung. In jetzigen Zeit hat Russland die Herstellung von einigen neuen Panzern, gepanzerten Fahrzeugen und anderen Systemen von konventionellen Waffen gestoppt. Doch gleichzeitig wurde die Herstellung von Raketensystemen C-500, Raketensystemen für weitreichende Flugabwehr verdreifacht, auch wird die Herstellung von Flügelraketen „Calibr“, modernisierte Raketen kleinen und mittleren Reichweite und zwei neuen Typen von Atomraketen mit hohen Reichweite erhöht.

Wenn nur eine Rakete durchkommt

Zu den Zeiten von UdSSR verfügte Moskau über reale machtvolle Möglichkeiten fremde Gebiete zu besetzen, heutiges Russland hat solche Kräfte zum Konflikt gegen die NATO nicht zur Verfügung. Doch hat Russland nicht nur taktische Bewaffnung gegen die NATO Armeen, sondern auch zerstörerische strategische und operativ-taktische Möglichkeiten zum atomaren Schlag gegen alle Länder der NATO. Man kann ihnen das Antiraketensystem von NATO-USA gegenüberstellen. Die Implementierung dieses Systems ist zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, doch steht ihr hoher Level ausser Frage. Doch gibt auch das effektivste Antiraketensystem keine Garantie der völligen Sicherheit.

Moderne Antipanzer- und Luftabwehrsysteme können nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch jeden modernen Panzer oder Kampfflugzeug zerstören. Doch trotzdem durchbrechen in der Realität einzelne Panzer und Flugzeuge die Verteidigungslinie und auch nur ein solcher Panzer oder Flugzeug kann grossen Schaden einrichten, eine Rakete „Topol M“, die das Verteidigungssystem durchbrochen hat, kann New York, London oder Paris der Erde gleichmachen. Und es ist kaum anzunehmen, dass die in der radioaktiven Wüste übriggebliebene Amerikaner, Engländer oder Franzosen sich darüber freuen werden, dass dasselbe Schicksal auch Moskau und Petersburg ereilten.

Leider wiederholt sich die Geschichte. Wie zu den Zeiten des Wettrüstens hoffen beide Seiten sich gegenseitig zu überholen und einen einseitigen Vorteil zu bekommen, sie verbrauchen Milliarden für die Ausarbeitung der neuen Waffensysteme und sie machen es viel fleissiger, als die Suche nach gegenseitigem Verständnis und der Möglichkeiten zur Zusammenarbeit. Das Setzen auf Bewaffnung hat noch niemanden vor der Gefahr gerettet. Indem wir neue, verbesserte Systeme des Angriffs und Verteidigung erschaffen, erhöhen wir das Risiko der Katastrophe, anstatt den Level der Sicherheit zu erhöhen.

Die Kontrolle der besetzten Gebiete

Wie sollte ein Staat sich in modernen Bedingungen verteidigen? Kann man sich überhaupt im Falle eines militärischen Konflikts sich vor einer Macht, wie sie Russland verfügt, verteidigen? Am wenigsten kümmert es Russland die regulären Streitkräfte der baltischen Länder und die 4000 Alliierte. Am meisten beunruhigt es Russland die Notwendigkeit die besetzten Gebiete unter Kontrolle zu halten. Je schwerer es zu tun ist, desto höher ist der Level der Zurückhaltung. Zum zweiten berücksichtigt Moskau zu welchen Preis der Sieg zu erreichen sein wird, bis zu welchem Level werden die Kommunikationsmittel zerstört, wie realistisch ist es die verbliebene Bevölkerung mit den notwendigen örtlichen Ressourcen zu versorgen. Wieviele Schwerverletzte wird es geben, usw. Mit anderen Worten welche zerstörerische Kräfte muss man nutzen, um die Verteidigung zu brechen. Estland selbst denkt darüber nicht nach, doch Moskau behandelt diese Fragen sehr ernst. Wenn man die realen Verteidigungsmöglichkeiten und die Notwendigkeit die Gebiete ohne grossen zerstörerischen Kräfte zu nutzen zu besetzen berücksichtigt, dann wird es den Blitz-Aufmarsch von Ivangorod nach Riga, über den die „Experten“ zu spekulieren nicht müde werden, die Besetzung der Gebiete in einigen Stunden oder Tagen, nichts davon wird es geben. Folglich wird hinter dem Pfeil des Durchbruchs ein ausgebranntes Gebiet hinterlassen, dessen Probleme von dem Besatzer gelöst werden müssen.

Die Verteidigungskräfte Estlands sind sehr gut

Russland berücksichtigt die realen Möglichkeiten der estnischen Verteidigungskräfte. General Laaneots sagte, dass Estland mittels der Waffengewalt geschützt sei. Ist es so? Ja, es ist geschützt. Jeder, der Estland angreift, bekommt eine organisierte bewaffnete Antwort. Mit was werden wir uns verteidigen? Hier sollte man sich an die Antwort von General Terras erinnern: „Mit dem, was wir haben“. Reicht das aus? Hier fangen Mutmassungen an. Das hängt von so vielen Faktoren ab, dass diese Antwort nur einen Tag vor dem Angriff gegeben kann und auch dann, wenn die Aufklärung ideal arbeitet.

Es gab viele kritische Bemerkungen hinsichtlich der Bewaffnung und der Ausrüstung, der realen Kampffähigkeit. Wenn man nicht den Level der Transparenz der Deals berücksichtigt, dann kann man mit Bestimmtheit sagen, dass Estland keine unbrauchbare Waffen und Ausrüstung eingekauft hat. Man sollte nicht alles mit dem Waffenkaliber oder Panzerungsdicke messen. Es gibt immer was besseres, als was eingekauft wurde, doch nicht immer ist das beste an technischen Merkmalen ideal.

Ungefähr so sieht es auch mit den estnischen Streitkräften aus. Leichte Panzerung bedeutet nicht leichte Kampffähigkeit. Die Taktik, der Kampfwille und die Vorbereitung machen eine estnische Kompanie, nicht nur vergleichbar mit einem Bataillon, sondern in vielen Fällen besser als eine russische als auch eine alliierte NATO Kampfeinheit. Auf dem Level der Brigade, verlieren sich leider die Vorteile, wegen des Fehlens von operativen Panzereinheiten als auch unzureichenden Feuerunterstützung.

Militärübungen sagen über vieles aus

Wenn man, soweit es für einen Zivilisten möglich ist, die estnische und NATO Militärübungen betrachtet, so ist es unschwer zu verstehen, dass dies Trainings der Einheiten für friendensschaffende Missionen sind. Damit kann man gegen Russland nicht bestehen, das kann man als klaren Merkmal zählen, dass es keinen Absichten gibt, gegen Russland zu ziehen.

Die Militärübungen in Russland sind in Prinzip denen in Estland recht ähnlich, doch sie haben eine wichtige Ergänzung. Bei den grossen Übungen werden immer die strategische, operativ-taktische und taktische atomare Kräfte beteiligt und die Möglichkeit einen atomaren Schlag als Antwort durchzuführen berücksichtig. Man kann eine Besonderheit gut sehen: während die estnischen NATO-Übungen taktischen Übungen-Trainings von Bodeneinheiten sind und die Feuerunterstützung mit schweren Waffen nur auf einem höheren Level ausgearbeitet wird, nehmen in den russischen Übungen den zentralen Platz Feuerunterstützung von verschiedenen Arten von Kräften, operativ-taktische Landungen, als auch operativ-taktische als auch taktische Raketenkräfte ein. Ohne diese Kräfte vertraut Russland nicht seinen Bodenkräften und motorisierten Einheiten.

Die Meinung des Autors kann mit der Meinung der Redaktion nicht übereinstimmen

Sonntag, Mai 22, 2016

Worte der Woche

Die erwartete Ankunft der Alliierten bedeutet, dass zu uns ca. 1000 Leute kommen werden. Man muss für sie Kasernen aufbauen, auf dem Zentralen Schiessübungsplatz muss man Schiesstände und Truppenübungsplätze erstellen. In die Anwesenheit der Alliiertentruppen ist es notwendig jährlich mehrere dutzend Millionen Euro zu investieren. Im Endergebnis können die Einwohner Estlands ruhig schlafen: zusätzlich zu der starken estnischen Armee, wird die Sicherheit unseres Landes in der Luft, am Boden und auf der See auch von Alliierten garantiert.

Estlands Premierminister Taavi Rõivas

PS: Nur zum Verständnis, die estnische Bevölkerung von 1.2 Mio. Menschen wird aufgerufen jährlich mehrere Millionen Euro für fremde Truppen auf estnischem Boden aufzubringen

Donnerstag, Mai 12, 2016

„Aufstand“ in Harku: Die Polizei log über Einzelheiten, der Minister wusste von nichts

Übersetzung von rus.delfi.ee Artikel

Die Innenrevisionsabteilung der Polizei stellte fest, dass während der Auflösung einen „Aufstands“ im Zentrum für illegale Migranten in Harku, der im November letzten Jahres stattfand, machten die Polizisten Fehler während der Einsatzplanung, schossen auf friedliche Personen und logen im Anschluss über die Geschehnisse, schreibt Eesti Ekspress

Am 11. November letzten Jahres veranstalteten die im Zentrum Harku sich befindende Menschen eine Aktion des Protestes und folgten nicht den Anordnungen. Einige Dutzend Menschen blockierten den Durchgang, die Männer setzten sich im Durchgang auf den Boden, weigerten sich wegzugehen. Für die Wiederherstellung von Ordnung mussten die Polizisten Gewalt anwenden – Spezialmittel und Gummigeschosse, um die Häftlinge zu zwingen in ihre Zellen zurückzukehren.

Laut der Meinung des Innenministers Hanno Pevkur, mussten unmittelbare Entscheidungen gefällt und angewandt werden, die Polizei handelte richtig in der vorhandenen Situation.“Laut meiner Beurteilung, handelte die Polizei während der Geschehnisse am Dienstag richtig, die Situation musste sehr schnell gelöst werden“, sagte Pevkur.

Doch dem ist nicht so. Eesti Ekspress führte eigene Untersuchung durch, was tatsächlich an diesem Tag in Harku geschehen war. Es stellte sich heraus, dass die Polizei systematisch gelogen hat, es wurde eine erfundene Version der Ereignisse den Journalisten vorgestellt, die diese falsche Information weitergegeben haben. Pevkur lobte die Angehörigen der Polizei, nicht wissend, was tatsächlich im Zentrum geschehen war.

Die am meisten ernstzunehmende Widerlegungen der Version der Geschehnisse, wie sie der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, beinhaltet der im Februar diesen Jahres erstellte Dokument „Ergebnis der Kontroluntersuchung im Bezug auf die am 10.11.2015 im Zentrum für Abschiebehaft stattgefundene Ereignisse“. Zusätzlich zu den Dokumenten der Innenrevision, las die Redaktion des Eesti Express die Gerichtsdokumente und sprach mit den sogenannten Teilnehmern des „Aufstands“.

Kein Aufenthaltszentrum, sondern ein richtiges Gefängnis

Der 10. November fing im Zentrum wie üblich an: Aufstehen, Frühstück um neun Uhr morgens, Zeit zur freien Verfügung, Mittagessen, Zeit zur freien Verfügung, Abendessen um sechs Uhr abends. Obwohl das Zentrum nicht als Gefängnis bezeichnet wird, ist es praktisch eins: Wache, Videokameras, hoher Zaun, Stacheldraht, sich automatisch schliessende Türen. Im ersten Stock wohnen Frauen und Kinder, im zweiten Stock – Männer.

Den Bewohnern des Zentrums ist es untersagt zu arbeiten und zu lernen, sie können kein Sport treiben oder einem anderen Zeitvertreib nachgehen, im Zentrum gibt es kein Computer oder Internet. Einer der Häftlinge sagt, dass im Zentrum man nichts tun kann, nur Essen und Schlafen und das Essen ist nicht gut.

Am 10. November hat die Richterin Hurma Kiviloo einen Entscheid unterschrieben, über die Haftverlängerung um zwei Monate für einen der festgenommenen Illegalen, einen 26-jährigen Mann aus Kongo, der 2014 bei der Überquerung des Flusses Piusa verhaftet wurde. Die Mitarbeiter des Zentrums wollten die Unterschrift des Mannes bekommen, doch da der Entscheid auf Estnisch war, hat der Häftling es nicht verstanden und wollte es nicht unterschreiben, was den Konflikt auslöste. Laut der Version der Polizisten, die im Zentrum für Abschiebehaft arbeiten, fing der Kongolese an aggressiv irgendwas zu schreien, was in eine Rangelei ausartete. Der Mann selbst sagte Eesti Express, dass er keinen Widerstand leistete, die Polizisten schlugen ihn auf den Kopf und schleppten in eine Zelle. In jedem Fall wurde der Mann in ein Zimmer mit einer Matratze und Toilette in der Ecke eingesperrt, die an eine Isolationszelle erinnerte.

Andere Bewohner des Zentrums Harku, die das sahen, äusserten Protest und forderten die Befreiung des Kongolesen. Circa 13 der Häftlinge blieben im Speiseraum und weigerten sich zu gehen. Bald befahl man ihnen in die Zellen zurückzukehren, was sie auch taten. Das war der ganze Aufstand, was auch der Bericht feststellt.

Die Innenrevision deckt die Wahrheit auf

Erstens wurde der Presse berichtet, dass es mehrere Dutzend „Aufständischen“ gab, tatsächlich waren es nur dreizehn. Zweitens sieht man auf den Aufzeichnungen der Videoüberwachungskameras, dass drei Minuten nachdem der Leiter des Zentrums Pärtel Preinvalts den Leuten befohlen hat in ihre Zellen zurückzugehen, wurde sein Befehl erfüllt. Laut der offiziellen Version der Polizei, haben die Häftlinge die Befehle nicht befolgt und gingen zwei Stunden lang nicht in ihre Zellen.

Drittens, anstatt in die „randalierenden Menge“ schossen die Polizisten mit Gummigeschossen auf einen ruhig stehenden Mann. Der 18-jähriger Mann aus Mali hörte Stimmen im Durchgang und ging aus der Zelle heraus, um zu sehen, was da los ist. Der reagierende Polizist behauptete, dass der Malier mit Händen fuchtelte und irgendwas schrie, er spürte Gefahr und schoss. Die Kameraaufzeichnung zeigte, dass der Mann schweigend stand und die Hände in den Taschen hatte.

Viertens, passt nicht zusammen mit der Videoaufzeichnung die Aussage, dass die im Durchgang sich befindende Leute mit Hilfe von Schüssen daraus herausgetrieben werden mussten. Tatsächlich kehrten die Häftlinge nach dem Befehl von Preinvalts in ihre Zellen zurück, nach einiger Zeit gingen die Polizeimitarbeiter dorthin herein, feuerten noch sechs Schüsse ab, hielten die Leute fest, zerrten sie aus den Zellen heraus und schmissen sie auf den Boden im Speiseraum.

Was tun? Wer ist schuld?

Die Innenrevision stellte fest, dass ausser falscher Behauptungen auch Fehler bei der Einsatzplanung gemacht wurden. Der Leiter der Operation befand sich zu dieser Zeit in Tallinn und gab Befehle über Sprechfunk und Telefon, ohne eine genaue Übersicht über die Geschehnisse zu haben. Ausserdem hat der Mitarbeiter, der die Ausführung des Befehls von Preinvalts überprüfte, zugeben, dass er sich nicht erinnert, ob er die Information, dass der Befehl ausgeführt wurde, der Durchgang leer ist und die Häftlinge ruhig in ihre Zellen zurückgekehrt sind, weitergegeben hat.

Laut dem Bericht hat niemand von den sich im zweiten Stock befindenden Häftlingen Widerstand geleistet, keiner wollte flüchten und keiner attackierte die Polizeimitarbeiter.

Trotz der gemachten Fehler und offensichtlichen Lügen, wurde kein Polizist zur Verantwortung gezogen. Im Anschluss rät die Innenrevision die Mitarbeiter zu schulen, ihre Fähigkeiten zu verbessern, Informationsweitergabe in Krisensituationen genauer zu machen und das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Ordnung zu überprüfen.

Der Mann aus Kongo, der das Dokument nicht unterschrieben wollte, musste elf Tage in der Isolationshaft verbringen, und dann noch zwei Wochen im Gefängnis in Jõhvi. In der letzten Woche gab es ein Versuch ihn aus Estland zurück nach Kongo zu schicken, doch während des Umstiegs in Paris verpasste er das Flugzeug und die Franzosen schickten ihn zurück nach Estland. Nächste Woche wird es den nächsten Versuch geben den Illegalen nach Kongo abzuschieben.

Der Mann aus Mali, auf den im Durchgang geschossen wurde, bekam auch elf Tage Isolationshaft und wurde für zwei Wochen nach Jõhvi abkommandiert. Er befindet sich nach wie vor im Zentrum für Abschiebehaft in Harku und fragt sich traurig, was für ein Land sei Estland in dem so was möglich ist?

Dienstag, Mai 10, 2016

9. Mai In Tallinn


20:00 beim Bronzenen Soldaten


Der erste Marsch des "Unsterblichen Regiments" in Tallinn mit ca. 1000 Teilnehmern

Dienstag, April 26, 2016

Lettische Erdogans

Wie Postimees berichtet, drohen dem Bürgermeister der lettischen Hauptstadt Riga Nils Ušakovs bis zu fünf Jahre Gefängnis weil er folgende Karikatur auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat:


Man muss 185.000.000.000 EUR Wiedergutmachung von Russland fordern

Ruta Pazdere, die die Kommission für die Bewertung des Schadens für Lettland durch die sowjetische Okkupation repräsentiert und für die Kompensationberechnung zuständig ist (ja, solche Berufe gibt es), sagte das dem lettischen Fernsehkanal TV24.

Dabei wollte der Bürgermeister mit der Karikatur deutlich machen, dass die lettische Regierung alle ihre jetzige Probleme auf das Erbe der sowjetischen Okkupation zurückführt.


Nils Ušakovs

Humorlosigkeit bewies der lettische Staat auch in einem anderen Fall. Maksim Koptelov, ein 31-jähriger Filmemacher aus Lettland, wurde zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt, weil er auf der Petitionsplattform Avaaz.org ein Aufruf zur Wiedervereinigung zwischen Russland und Lettland gestartet hat, was ausschliesslich als Scherz gemeint war. Im Winter 2015 wurde Maksim von der lettischen Polizei verhaftet und „des öffentlichen Aufrufes zur Aufhebung der staatlichen Unabhängigkeit des Landes“ beschuldigt. Im Februar wurde das Gerichtsurteil gefällt, momentan befindet sich der Fall in Revision.


Maksim Kopeltov

Freitag, März 25, 2016

Deutsche Antifaschisten abgeschoben – der Skandal bleibt

Mitteilung des Vereinigung der Verfolgtes des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Gedenkmarsch der Veteranen der lettischen Legion der Waffen-SS in Riga:

Nachdem fünf Mitglieder der VVN-BdA mehrere Stunden auf dem Flughafen von Riga festgehalten worden waren, weil sie sich an den Protesten gegen den Ehrenmarsch für die Waffen-SS beteiligen wollten, wurden sie schließlich mit unbekanntem Ziel in einem Gefangenentransportwagen zeitweise unter Blaulicht fortgeschafft. Gegen Abend fanden sie sich an der litauischen Grenze wieder, wo die Polizei einen Fernreisebus anhielt. In diesen hinein verfrachtet, trafen sie 20 Stunden später wieder in Berlin ein.

Währenddessen konnten andere Mitglieder der VVN-BdA trotzdem in Riga unter intensiver Polizeibegleitung gemeinsam mit unseren lettischen Freunden von „Lettland ohne Nazismus“ und dem Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums New York, Dr. Efraim Zuroff, sichtbar in der Nähe des Freiheits-Monumentes demonstrieren. Der Protest fand große Beachtung und stieß auf Interesse bei der Presse.

Die massiven Schikanen im Vorfeld waren ebenso wirkungslos geblieben wie die Einschüchterungsversuche der Immigrationspolizei im Hotel unserer Delegation.

Der Marsch der SS-Veteranen und ihrer Anhänger formierte sich nach dem Besuch eines Gottesdienstes in der St. Peters Kirche, angeführt durch den Pastor. Etwa 1.000 Veteranen und Anhänger – darunter auch sichtbar organisierte Gruppen von Neofaschisten – marschierten zum Freiheits-Monument. Der Marsch sei "gruselig" gewesen, hieß es in einem ersten Kommentar aus Riga.

Der Protest war sichtbar durch Fahnen, Transparente und Schilder mit der Aufschrift „Keine Glorifizierung des Holocaust“ in lettischer und englischer Sprache.

Außerdem wurden Fotos von Massakern an der jüdischen Bevölkerung Lettlands durch das zur lettischen Legion der Waffen-SS gehörende Kommande Viktor Arajs gezeigt. Dazu wurden Hunderte Namen von jüdischen Opfern aus Riga verlesen. Das war jedoch nur so lange möglich bis der Marsch in Hörweite kam, dann mussten die Lautsprecher auf Anweisung der Polizei ausgeschaltet werden.

Während die lettischen Behörden dafür sorgen, dass die Veteranen der Waffen-SS durch keine Erinnerung an ihre Opfer gestört durch Riga paradieren können, werden protestierende Antifaschistinnen und Antifaschisten kriminalisiert und schikaniert und ihre Arbeit in skandalösem Ausmaß behindert.

Auch 2017 werden wir deshalb wieder an der Seite unserer lettischen Freunde in Riga demonstrieren und fordern:
· Schluss mit der Ehrung von NS-Kollaborateuren und Mördern!
· Anerkennen der baltischen Beteiligung am nazistischen Völkermord!
· Freiheit für „Lettland ohne Nazismus“!

Montag, Februar 29, 2016

Noch eine Parade

Neben der Militärparade zum Tag der Unabhängigkeit gab es mehrere andere Paraden, unter anderem von der Jugendorganisation der Konservativen Partei Estlands EKRE „Sinine Äratus“ (Blaues Erwachen). Die Fackelparade mit dem Transparent „Eesti eest“, also „Für Estland“ findet fast schon traditionell am Tag der Unabhängigkeit statt und wird immer populärer, laut dem Autor des Videos, wuchs die Anzahl der Teilnehmer von 200 auf 800. Auch die Organization der Demo wird professioneller, es gibt Ordner, Maskottchen, eine Banane und einen Pinguin, viel mehr Fahnen und Gäste aus dem Ausland. Es war auch russische Sprache zu hören, bei Xenophobie sind manche Russen und manche Esten sich schnell einig.

Samstag, Februar 27, 2016

Ein Scherzle grissa

Am 24.02 feiert Estland den Tag der Unabhängigkeit, dieses Jahr jährt sich dieses Ereignis zum 98. Mal und wie jedes Jahr wird eine Militärparade veranstaltet. Traditionell wird die Parade immer in einer anderen Stadt durchgeführt, letztes Jahr in Narva, als dann die amerikanischen Panzer wenige hundert Meter vor der russischen Grenze aufgefahren sind.

Dieses Jahr war die Militärparade in Tallinn. Der Feuerwehrmann Sergej Menkov war zum Dienst dort, ihm war wohl etwas langweilig, also hat er die Parade gefilmt, sie kommentiert und dann online veröffentlicht.

Der Clip wurde 50.000 Mal angeschaut, Menkov wurde am selben Tag entlassen. Die Begründung war, dass er als Staatsdiener im Dienst den Staat „herabgewürdigt“ hat. Seitdem tobt in sozialen Netzwerken ein Sturm der Entrüstung, denn wenn estnische Staatsdiener herabwürdigende Äußerungen über die Russen äußern, passiert mit ihnen in der Regel gar nichts

Menkov wurde mit estnischem Staatsorden für das Retten von mehreren Menschenleben ausgezeichnet, seine fristlose Kündigung ist komplett überzogene Massnahme, wo ein Disziplinargespräch ausgereicht hätte. Der berühmte estnische Humor gilt auf einmal nicht mehr, wenn er auf Kosten der estnischen Parade geht.

Menkov scheint mit seiner Entlassung gar nicht so unglücklich zu sein, denn er hat keine Lust mehr für 10 EUR am Tag Bereitschaftsdienst zu schieben. Trotzdem hat eine Anwaltskanzlei schon angeboten ihn kostenlos vor einem Arbeitsgericht zu vertreten. Man darf also gespannt sein, wie es ausgeht.

Sonntag, Januar 10, 2016

Die Zivilgesellschaft erwacht

Nachdem aus Estland zuletzt eher keine gute Nachrichten zum Thema Xenophobie kamen (siehe hier und hier), haben einige junge Künstler eine Antwort gegeben.

Für die englischen Untertitel den Knopf rechts klicken.

Estnische Künstler sind bekannt für ihren Gefühl für schwarzen Humor und in diesem Lied kam dieses Können voll zur Geltung. Ironischerweise singt ausgerechnet der dunkelhäutige Dave Benton die Zeile: et neegri koht on Aafrikas, also Der Platz des Negers ist in Afrika.

Um die Bedeutung dieses Liedes zu verstehen, muss man wissen, dass es 1988 ein sehr ähnliches Lied gab mit dem Namen Ei ole üksi ükski maa (Kein Land ist alleine), das als eine Art Hymne für die estnische Unabhängigkeitsbewegung galt. Viele bekannte estnische Künstler haben damals folgendes Video aufgenommen.

Ich muss gestehen, dass ich nicht weiss, wie bekannt die Künstler sind, die das aktuelle Video aufgenommen haben, natürlich kennt man die Gewinner des Eurovision Wettbewerbs Tanel Padar und Dave Benton. Hier sind die Namen der anderen Sänger und Sängerinnen: Sepp Ott, Märt Avandi, Vaiko Eplik, Genka, Eda-Ines Etti, Liisi Koikson, Jarek Kasar, Karl-Erik Taukar, Kaire Vilgats, Rolf Roosalu, Jüri Pootsmann, Lenna Kuurmaa, Lauri Pihlap, Dagmar Oja.

Das Video wurde über 280.000 mal angeklickt, was für ein Land mit 1.2 Mio Einwohnern, die den Text verstehen können schon sehr viel ist. Es wird heiss in sozialen Netzwerken kommentiert mit den üblichen polaren Meinungen. Aber es ist auf jeden Fall sehr gut zu erfahren, dass die estnische Zivilgesellschaft durchaus schöne Stimmen, um ihr Missfallen zu aktuellen Vorkommnissen und politischen Richtung zu äußern.

Zum Schluss noch ein Video von Sepp Ott und Märt Avandi, das sogar über 870.000 Mal angeschaut wurde.