Donnerstag, März 08, 2012

Estland braucht linke Massenmedien

Der Journalist Inno Tähismaa schreibt in seinem Blog, dass vor dem Hintergrund des internationalen Frauentages und des Streiks man einen Blick auf die Sicht der Massenmedien werfen sollte. Ja, das Bild, das da entsteht, zeigt nicht die wirkliche Bedürfnisse der Gesellschaft. Man könnte zum Beispiel fragen, wer die streikenden Volksmassen vertritt. Die Antwort: niemand.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat die linke Weltsicht die Zeitung Rahna Hääl vertreten. Nach deren Privatisierung, genauer gesagt, ihrem Aufkauf für Pfennige, ging die Redaktionsmannschaft zu Sõnumileht, die von Rein Kaarepere und seinem Kompagnon aus der Zeit des Tartuer Kommerzbank, ehemaligen Bürgermeister von Tartu Tõnu Laak gegründet wurde. Nach dem Tod Kaareperes hat seine Witwe die Zeitung verkauft, sie wurde mit Õhtuleht vereinigt. Õhtuleht befindet sich irgendwo im politischen Zentrum und ist ohne Zweifel von allen grossen Zeitungen, die am weitesten linke.

Links ist auch Kesknädal, wobei wegen ihrem niedrigen journalistischen Niveau sie nicht ernst genommen werden kann, auch gibt es da keine reguläre Redaktion. Die restlichen grossen Zeitungen - Postimees, Päevaleht, Eesti Ekspress und Äripäev sind alle stramm rechts.

Die Intelligenz, die auf der ganzen Welt in ihrer Weltanschauung in der Regel links ist, sollte eigentlich von der Zeitung Sirp vertreten sein, doch belustigt sich deren Hauptredakteur auf Kosten der Streikenden, so dass man diese Zeitung auf keinen Fall als links zählen kann. Und das ist kein Wunder, schliesslich ist Sirp das Sprachrohr der Regierung, deswegen kann sie keine anderen Ansichten, als die der Regierung vertreten.

Um die Spannungen wieder zurückzunehmen, damit die gesellschaftlichen Gruppen gleich vertreten wären, braucht Estland unbedingt eine klassische linke Zeitung, wie in allen entwickelten europäischen Ländern. Diese Zeitung würde einer ausbalancierten Entwicklung der Gesellschaft helfen, würde, wie es modern ist zu sagen, ihre Gesamtheit verbessern und natürlich gäbe es für diese Zeitung auch Nachfrage. Es ist paradox, doch haben die Mutter der modernen estnischen Journalistik Marju Lauristin und der in Journalistik ausgebildeter Präsident, die ihren Ansichten nach Sozialdemokraten sind, also linke, nicht ihr eigenes Sprachrohr organisieren können. Schande! Man sollte sich also nicht wundern, dass in den Massenmedien die Sozialdemokraten schamlos ausgelacht werden.
Zum Schluss unterstreicht Inno Tähismaa, dass er selbst die linken Ansichten nicht teilt, doch sich um ausbalancierte Entwicklung der Gesellschaft sorgt.

"Der Kluge liebt das Lernen, der Dumme das Lehren" - Tschechov-Zitat auf einem Plakat der Streikenden Lehrer

5 Kommentare:

Jens-Olaf hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Jens-Olaf hat gesagt…

Sonumidleht, eine linke Tageszeitung? Ich weiß nicht. In den 90ern habe ich dort sehr kritische Berichte über Nordkorea veröffentlicht. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es dort politische Vorgaben gab. Aber das kann eine persönliche Einschätzung sein.

kloty hat gesagt…

Hallo Jens-Olaf, das hier ist eine übersetzung aus Innos Blog. Die von Dir erwähnte Zeitung kenne ich nicht, deswegen kann ich dazu nichts sagen. Aber ich denke, dass auch linke Zeitungen Nordkorea durchaus kritisieren dürfen :-)

Anonym hat gesagt…

Sõnumileht ist so was von gelb, die schreiben da alles, was sich gut verkauft. Je nach Wind kommt die Richtung.

Jens-Olaf hat gesagt…

Oh backe, ich werde alt. Eesti Sõnumid war meine Zeitung, nicht irgendeine von den "leht". Somit kann ich nichts über deren Redaktion sagen.