Dienstag, Mai 29, 2012

Offener Brief an die Regierung der Estnischen Republik und an das Volk Estlands

Dieser Brief wird in keiner estnisch-sprachigen Zeitung veröffentlicht, ebensowenig wie der Aufruf zu der Demonstration am 30. Mai auf dem Toompea bei der mit 5.000 Teilnehmern gerechnet wird. Der estnische Präsident Toomas Ilves und der estnische Ministerpräsident Andrus Ansip haben sich geweigert die Vertreter des Vereins Russische Schulen Estlands zu empfangen. Die 30.000 gesammelten Unterschriften für den Erhalt der russischen Schule in Estland können ihnen deswegen nicht persönlich überreicht werden.

Geehrte Mitglieder der Regierung der Estnischen Republik und das Volk Estlands, wir wenden uns an Euch, mit der Bitte uns, die Eltern der Schüler zu unterstützen!

Am 7. Mai 2012 haben vier Tallinner Gymnasien ein zweites Mal eine Eingabe über die Bestimmung der russischen Sprache als der Unterrichtssprache an den Gymnasien eingereicht. Die ersten Eingaben, die im März 2011 eingereicht wurden, wurden von der Regierung im Januar 2012 abgelehnt.

Doch die Elternräte der Tallinner Tõnismägi Realschule, des Russischen Gymnasiums Haabersti, der Tallinner Kesklinna Russischen Gymnasiums und des Tallinner Linnamäe Russischen Lyzeums wenden sich erneut an die Regierung im Namen der Schüler und der Eltern.

Der Entschluss die neuen Eingaben einzureichen wurde durch den Wunsch der Eltern diktiert, die sie auf den durchgeführten Versammlungen in den obengenannten Gymnasien geäußert haben.

Der Artikel 37 der Verfassung Estlands gibt den Eltern die Entscheidung darüber wie der Unterricht für ihre Kinder aussehen soll. Die Realisierung dieses Rechts erfolgt durch den Artikel 21 des Gesetzes über die Grundschule und das Gymnasium.

Unser Wunsch ist die Erziehung unserer Kinder zu richtigen Staatsbürgern, die ihr Land lieben und verstehen, dass ihre Meinung wichtig für den Staat ist. Wir wollen, dass unsere Kinder für das Wohl Estlands leben und arbeiten, dass die Bildung, die sie bekommen, ihnen nicht nur die Kenntnisse der estnischen Sprache, sondern auch das Allgemeinwissen auf einem würdigen Level vermitteln würde. Wir finden den Unterricht der Staatssprache wichtig und unverzichtbar, doch nicht zu dem Preis des Unterrichts der anderen Fächer.

Wir glauben, dass die Prinzipien der demokratischen Gemeinschaft auf allen Ebenen der gesellschaftlichen Beziehungen funktionieren sollten. Diesen Glauben geben wir an unsere Kinder weiter. Für uns als Einwohner Estlands ist es wichtig, dass unsere Meinung und Wünsche ohne Verzerrung und Politisierung berücksichtigt werden. Für unsere Kinder und junge Bürger unseres Landes ist es wichtig, dass am Anfang ihres Lebensweges der Staat ihnen zu verstehen gibt, dass ihre Stimme gehört wird, dass er zu Dialog bereit ist. Wir sind uns sicher, dass eine positive Antwort der Regierung auf die Eingabe über die Wahl der russischen Sprache als Hauptunterrichtssprache in Gymnasium einen maßgeblichen Einfluss auf die Herausbildung der respektvollen, patriotischen Beziehung unserer Kinder zu ihrem Staat haben wird.

Die Wahl der russischen Sprache als Unterrichtssprache ist durch den Wunsch begründet den Kindern konkurrenzfähige Bildung und tiefe Fächerkenntnisse in ihrer Muttersprache zu geben. Dabei soll nicht auf den Unterricht von einigen Fächern in estnischen Sprache oder gar der estnischen Sprache selbst verzichtet werden, falls es notwendig ist, soll mehr Zeit darauf aufgewendet werden.

Wir wenden uns an die Regierung der Estnischen Republik mit der Bitte unseren Eingaben über die Bestimmung er russischen Sprache als Hauptunterrichtssprache in Gymnasium zu entsprechen.

Wir rufen alle, denen es nicht gleichgültig ist, auf, am 30. Mai um 17:00 an Toompea zu kommen, um das konstitutionelle Recht auf die Wahl der Unterrichtssprache zu unterstützen.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Russen lesen aus dem Gesetz raus was sie lesen wollen, aber Artikel 21 Punkt 3 ist es worüber es hier geht.

Anonym hat gesagt…

Als Staatsbuerger Russlands bin ich gegen den Erhalt von russischen Schulen in Estland. Merkwuerdig?
So weit ich weiss, die Bildungsqualitaet in diesen Schulen bleibt auf UdSSR Niveau oder eher niedriger.
Darueber hinaus, Schueler lernen Estnisch nur bis zum Niveau ~B1, das fuer die weitere Ausbildung in Estland gar nicht reicht.
Zweitens, die allgemeine Haltung der Lehrerschaft sieht ungefaehr so aus: "Lassen Sie uns noch bis zur Rente hier weiterzuarbeiten und die Kinder koennen ruhig nach dem Schulabschluss auswandern".

Ich habe weder in Estland noch in Deutschland gelebt, hoere gerne die Baltische Stunde http://www.baltische-stunde.de/ und in einer der Sendungen hat eine deutsche Austauschschulerin Interview gegeben, laut diesem sie Estnisch nur nach guten 6 Monaten mehr oder weniger fliessend sprechen konnte. Was fuer ein Problem sei es denn fuer die russischsprachige Minderheit in Estland, Estnisch ordentlich zu erlernen und sich auf estnisch einschulen zu lassen?

Ich verstehe gar nicht, warum sollen diese archaischen russischen Schulen erhalten werden? Die Sowjetunion existiert zeit ueber 20 Jahren nicht, die einzige Amtssprache Estlands ist Estnisch und in dieser Sprache bieten estnischen Schulen Ausbildung auf dem Niveau zwischen Deutschland und Finnland an.

Haette man Russen genauer gehoert, waere Estland nur eine Provinz Russlands. Und als geburtiger Staatsbuerger Russlands bin ich dagegen, Russland hat genug Russifizierung-Politik in Lithauen/Lettland/Estland/Polen/Finnland getrieben, jetzt reicht es - diese Laender sind unabhaengig und Schluss! Es hat genug Bobrikovs gegeben.

kloty hat gesagt…

Hallo Anonymous2,

vielen Dank fuer Deinen ausfuehrlichen Kommentar. Du schreibst ein sehr gutes Deutsch, obwohl Du noch nie in Deutschland gelebt hast. Das ist sehr bemerkenswert.

Nun zu Deinem Kommentar. Jeder hat Recht auf seine eigene Meinung, aber ich werde einige Gegenargumente anbringen muessen.

1. Die Bildungsqualitaet in diesen Schulen bleibt auf UdSSR Niveau oder niedriger.... Die allgemeine Haltung der Lehrerschaft sieht so aus...

Ich glaube es herrscht ein grundsaetzliches Missverstaendnis, was die Umstellung der Unterrichtssprache eigentlich bedeutet. Es bedeutet, dass dieselben Lehrer wie vorher, die laut Gesetz estnisch sprechen koennen, ab September 2011 im Unterricht estnisch sprechen muessen. Warum deswegen die Qualitaet der Bildung sich aendern soll, oder die Einstellung der Lehrer zu ihrem Beruf, ist mir schleierhaft. Die Lehrer werden nicht ausgetauscht, die Schulen werden nicht geschlossen, die russischen Lehrer kurz vor der Rente sprechen mit ihren russischen Schuelern auf estnisch. Werden die Matheleistungen deswegen besser? Ich bezweifle es.

2. Schueler lernen Estnisch nur bis zum Niveau B1

In dem Offenen Brief ist klar geschrieben: Wir finden den Unterricht der Staatssprache wichtig und unverzichtbar, doch nicht zu dem Preis des Unterrichts der anderen Fächer
Es ist durchaus moeglich und begruessenswert die Anzahl der Estnisch-Stunden zu erhoehen, um auf ein hoeheres Niveau zu kommen, aber man muss deswegen nicht Mathe auf estnisch unterrichten.

3. ... archaischen russischen Schulen... Die Sowjetunion existiert seit ueber 20 Jahren nicht...

Die russischen Schulen in Estland sind tatsaechlich archaisch, die erste Schule hat vor ueber 300 Jahren eroeffnet, also noch lange vor estnischen Schulen. Mit Sowjetunion hat es nichts zu tun.

4. die einzige Amtssprache Estlands ist Estnisch

Dass die Muttersprache von einem 1/4 Teil der Bevoelkerung Estlands keine Staatssprache ist, ist fuer ein europaeisches Land recht skandaloes. Und kommen Sie mir bitte nicht mit Tuerken in Deutschland.

5. Russland hat genug Russifizierung-Politik in Lithauen/Lettland/Estland/Polen/Finnland getrieben, jetzt reicht es - diese Laender sind unabhaengig

Deutschland finanziert ein Deutsches Gymnasium in Tallinn. Wuerde Russland ernsthaft Russifizierungspolitik in Estland betreiben, haetten wir diese Diskussion gar nicht, denn dann wuerde Russland private Schulen in Estland finanzieren, auf die Kinder, die auf Russisch lernen wollen, gehen koennten.

Mit freundlichen Gruessen

kloty