ich hätte nie gedacht, dass ich ein Bericht der estnischen Sicherheitsabteilung der Polizei (KaPo) übersetzen werde, allerdings werden dort ganz gut die Ereignisse zusammengefasst, die Ende November in Estland stattgefunden haben. Das Bericht wurde auf Delfi veröffentlicht.
In Zusammenhang mit der Währungspanik, die in Estland stattgefunden hat, als die Leute die Währungumtauschpunkte leerräumten und krankhaft Kronen getauscht haben, hat die Sicherheitsabteilung der Polizei eine Meldung rausgegeben in der der Ereignisverlauf beschrieben und das Verhalten der Leute bewertet wird.
Die Diskussion um das Thema der möglichen Entwertung der estnischen Krone fing bei den Massenmedien Anfang 2007 an, in Zusammenhang mit der erwarteten Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Einen zusätzlichen Anstoss für die Diskussion war die Panik, die in Februar in Lettland stattfand, die mit dem Verkauf der Nationalwährung zu tun hatte.
In der größten lettischen Zeitung Diena wurde ein Artikel des Wissenschaftlers Morten Hansen publiziert, der über das Thema des Entwertung des Lats nachdachte. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Thema auch diskutiert, aber nicht so gründlich. Vermutlich wurde die Panik vor allem durch das Unwissen und Angst verursacht, das geschickt von Spekulanten ausgenutzt wurde, heisst es in der Mitteilung, die von der Kommissarin der Sicherheitsabteilung der Polizei Irina Mikson rausgegeben wurde.
Vor dem Hintergrund der Panik und Überhitzung der Wirtschaft, hat die Regierung Lettlands ein Programm zur Bekämpfung der Inflation verabschiedet. Nach der sogenannten Februarpanik, haben sich die Bewohner Lettlands ruhiger verhalten und kamen nicht in Versuchung Lats zu tauschen.
Das Thema der Entwertung der Krone wurde in estnischen Massenmedien noch einige Zeit nach den Geschehnissen in Lettland diskutiert, wurde dann begraben. Wiederholt wurde sie im Herbst diesen Jahres diskutiert, aktiv in der zweiten Oktoberhälfte, wegen der Bewertung der Banken, Firmen für Währungsumtausch und internationaler Finanzorganisationen im Zusammenhang mit der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und der Prognose über die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Länder des Baltikums.
Die Eskalation der Geschehnisse fing wahrscheinlich mit der am 9. November 2007 in den Massenmedien veröffentlichten Nachricht an, laut der die ausländische Analysten eine Entwertung der Krone für möglich halten.
Am Abend diesen Tages hat auf dem russisch-sprachigen Business-Portal Arif der Benutzer Dimon einen Eintrag über die in Kürze bevorstehende Entwertung der Krone veröffentlicht. Der Benutzer hat angemerkt, dass es ein "Business-Training" wäre, dessen Ziel Informationen über das Verhalten in einer ähnlichen Situation in Realität zu sammeln sei. Business-Training war nur für die Benutzer des Portals gedacht, die Lösungsvorschläge für die theoretische Situation anbieten sollten.
In der Zeit des Business-Trainings war auf dem Business-Portal keine konkrete Meldung über die reale Entwertung der Krone erschienen. Eine einzige ernsthafte Anmerkung auf diesem Portal gab am 24.11.2007 der Benutzer Craftsman, der behauptete, dass die Entwertung der Krone am 26. November stattfinden wird. Die Quelle der Information gab er nicht an.
Zusätzlich zu dem obenbeschriebenen hat die (estnische Zeitung) Äripäev am 12. November eine Meldung der finnischen Zeitung Kauppalehti veröffentlicht, dass Spekulanten die schwächelnde estnische Krone attackieren würden.
Trotz der mehrmaligen Behauptungen der Regierung und Finanzorganisationen Estlands, haben sich Spekulationen zu dem Thema fortgesetzt, den entscheidenden Stoss zu einem aktiven Kronentausch gaben Meldungen, die am 20-21 November veröffentlicht wurden, dass in der Europäischen Zentralbank die Idee immer populärer wird die baltischen Währungen zu entwerten (vor allem Lettlands). Diese Information bestätigten auch die Experten des sich in London befindenden Citigroup Global Markets.
Am 20. November 2007 fingen die Kommentatoren des russischen Delfi an, Informationen über die mögliche Entwertung der Krone und mit ihr verbundenen Gefahren zu verbreiten. Um die Wahrheit zu sagen, haben diese Meldungen kein grosses Echo im Forum gefunden. Alle mögliche Nachrichten, Entwertung der Krone betreffend, haben auch russisch-sprachige Medien und einzelne russländische Nachrichtenagenturen übergeben.
25.11.2007 um 21.30 erschien die Nachricht um die baldige Entwertung der estnischen Krone auf der Homepage eines Einwohners von Tallinn in dessen Bekanntenkreis sich auch Aktivisten des "Notchnoj Dozor" befinden. Eine Stunde später erschien die Nachricht um die Entwertung der Krone auf dem Portal des "Notchnoj Dozor". Die Aktivisten des "Notchnoj Dozor" haben die Information verbreitet, wohlwissend, dass sie falsch ist - berichtet die Pressemeldung der Sicherheitsabteilung der Polizei.
Einige Einwohner Estlands haben wohl bis heute nicht verstanden, dass sie in einer unabhängigen demokratischen Estnischen Republik wohnen, in der Gesetze gelten, die diese Leute beschützen.
Es gibt Leute, die keinen Unterschied zwischen der Meinungen der unabhängigen Massenmedien iim Zusammenhang mit der Verlangsamung des Wachstums und offiziellen Mitteilungen der staatlichen Einrichtungen, die das Finanzsystem des Staates steuern, sehen. Es gibt einen Unterschied im Gang der Gedanken und Beziehungen, das nicht von der Nationalität abhängt. Jeder muss selbst entscheiden, wem zu vertrauen ist, den Gerüchten oder offiziellen Mitteilungen.
Die Geschehnisse in Estland erinnern in ihrer Struktur an die Panik, die in Lettland in Februar stattgefunden hat, als nach den Artikeln in Massenmedien (Grundsteinlegung), Gerüchte über die Entwertung über SMS verbreitet wurden. Der Unterschied ist nur in den Verbreitungskanälen der Panik.
Die Sicherheitsabteilung der Polizei beobachtet die Geschehnisse in der Gesellschaft, die die innere Sicherheit gefährden könnten, behauptet die KaPo. KaPo hat Kenntnis von Leuten, die an der Verbreitung der Falschinformation über die Entwertung der estnischen Krone teilnahmen. Personen und Organisationen, die die Situation in ihren Interessen ausnutzten, oder auszunutzen versuchten, werden weiterhin in Aufmerksamkeitsfokus der KaPo bleiben. (Übersetzungsende)
Einige Anmerkungen meinerseits. Nachdem sich die Gerüchte um die Entwertung der Krone als unwahr rausgestellt haben, verfassten englischsprachige estnische Blogger hämische Artikel über die dummen Russen, die einem Gerücht aufgesessen sind, und an denen die Besitzer der Währungsstuben jetzt doppelt verdient haben. Nachdem ich mich seit Monaten im russischen Informationsraum befinde, kann ich die Schwierigkeiten nachvollziehen eine offizielle Information von der freien Meinungsäusserung zu unterscheiden. Offizielle Information wird in Behörden-Estnisch verbreitet, es liegt an den Massenmedien, sie zu übersetzen und ununterscheidbar zwischen die freie Meinungsäußerungen zu platzieren.
Eine Rolle spielt auch die Glaubwürdigkeit der Regierung, die sich seit den Bronzenen Nächten auf absoluten Tiefpunkt befindet. Wie zu sowjetischen Zeiten, als Witze der Art kursierten, dass man nur dann die Wahrheit erfährt, wenn man das Gegenteil von den TASS-Meldungen annimmt, werden alle Quellen als wahr erachtet, die kritisch der Regierung gegenüberstehen. Zeitungen wie Vesti Dnja, Den za Dnjem oder Molodjezh Estnonii und russländische Zeitungen berichten hauptsächlich negativ über die Entwicklungen in Estland. Estnische Politik sendet quasi jeden Tag widersprüchliche Signale an die Presse, so dass sich der Leser in einem Status befindet, wie er von Michael Moore Fahrenheit 911 beschrieben wurde. Von allen Seiten bekommt er Alarmsignale und weiss nicht wem er trauen und wie er sich absichern soll. Am selben Tag vergleicht Mart Laar Putin mit Hitler und der estnische Aussenminister wundert sich, warum Russland und Estland keine gute Nachbarn sind. Die EZB sorgt sich über die Inflation in Estland und Andrus Ansip berichtet, dass der starke Euro, Wegbleiben der russischen Touristen und Wegfall des Transits kein Einfluss auf die estnische Wirtschaft haben. Der Wirtschaftsminister fährt nach China, um Werbung für den chinesischen Transit zu machen und gleichzeitig erscheint Mart Laar in einer Falun-Gong-Zeitung, um für die Demokratie in China zu werben. In so einer Stimmung reicht ein kleiner Funke, um Aktionen auszulösen, die zu unüberlegten Handlungen verführen und gewissenlose Meinungsführer und Medienmanipulatoren können dies schamlos auszunutzen.
Samstag, Dezember 29, 2007
Sonntag, Dezember 23, 2007
Frohe Weihnachten!
hiermit wünsche ich allen meinen Lesern, meinen Freunden und Opponenten Frohe Weihnachten und ein frohes neues Jahr 2008.
Das Jahr 2007 war für mich und für diesen Blog ein ganz besonderes Jahr. Als ich vor ca. zwei Jahren damit angefangen habe, meine Gedanken niederzuschreiben, hatte ich keine Ahnung, dass ich ein Jahr später Artikel für Zeitschriften schreiben, Zeugen ausfindig machen und auf Konferenzen auftreten werde. Und das alles, weil ich ein Thema gefunden habe (oder vielleicht hat das Thema mich gefunden), über das ich schreiben kann, weil ich mittelbar selbst davon betroffen bin. Schon im Januar war mir klar, dass es Unruhen geben wird, sobald der Bronzene Soldat auch nur einen Kratzer abbekommt. Die Ergebnisse der Parlamentswahlen haben die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Dann kamen die traurigen Ereignisse im April. Nie werde ich die Nacht vergessen, an dem ich in ICQ mit zittrigen Fingern an alle meine Freunde in Estland die Fragen gestellt habe, ob sie nicht verletzt sind, wie man Tränengasreizungen am besten behandelt und ob jemand ein Gummigeschoss abgekriegt hat. Als die Berichte über Terminal D publik wurden und von deutschen Staatsbürgern erzählt wurde, die dort festgehalten wurden, wußte ich, dass es die Chance war, dass die Wahrheit ans Licht kommt, denn so traurig es auch ist, einem Ausländer wird mehr Glauben geschenkt, als russisch-stämmigen Bewohner. Also habe ich Herr Dornemann ausfindig gemacht, und mit dessen Einverständnis seinen Brief an estnische Behörden auf dem Blog veröffentlicht, das dann von anderen Bloggern (Vielen Dank an Maria) übersetzt und verbreitet wurde. Auch habe ich mich mit Alexej Semjonov und Vadim Poleshtschuk von lichr.ee (und ihren deutschen Praktikantin Silke) in Verbindung gesetzt und versuchte die von ihm zusammengestellte Dokumente an deutsche Dependance von Amnesty International zu schicken. Trotz mehrmaligen Versuche kam von Amnesty nie eine Antwort. Auch blieb der Brief von Herr Dornemann ohne Wirkung, wie er mir enttäuscht schrieb. Dafür meldete sich Lydia von Laika (eine linke Osteuropa-Kulturzeitschift aus Leipzig) und bat mich um einen ausführlichen Hintergrundartikel über den Bronzenen Soldaten, den ich auch geschrieben habe (vielen Dank an Korrekturleser Michael und Vroni). Und es meldete sich Sybille vom Deutsch-Russischen-Forum und fragte mich, ob ich auf einer ehemaligen Young-Leader-Konferenz einen Vortrag über die russisch-estnischen Beziehungen halten möchte, was ich auch gemacht habe. Dann war noch eine Protestaktion in Second Life vor der estnischen Botschaft geplant, die leider nicht stattfinden konnte, wobei auch ohne uns dort zu einem Skandal kam, als ein schwarzhäutiger Avatar (der sich als ein estnischer Journalist entpuppte) der Botschaft verwiesen wurde.
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Kommentatoren bedanken, die diese Seite gefunden haben und es für wichtig genug hielten, ihre Meinung zu den Artikeln zu schreiben, so dass sich häufig interessante Diskussionen entwickelt haben. Ich verspreche diese Seite auch künftig aktuell zu halten (zwei Artikel sind schon in Arbeit) und ich werde auch Konsequenz ziehen und nur Artikel veröffentlichen, die im weitesten Sinne was mit Estland zu tun haben, also keine T-Shirt-Konservierungswettbewerbe mehr.
In diesem Sinne, geniesst die freien Tage und guten Rutsch ins neue ungewisse Jahr 2008.
Das Jahr 2007 war für mich und für diesen Blog ein ganz besonderes Jahr. Als ich vor ca. zwei Jahren damit angefangen habe, meine Gedanken niederzuschreiben, hatte ich keine Ahnung, dass ich ein Jahr später Artikel für Zeitschriften schreiben, Zeugen ausfindig machen und auf Konferenzen auftreten werde. Und das alles, weil ich ein Thema gefunden habe (oder vielleicht hat das Thema mich gefunden), über das ich schreiben kann, weil ich mittelbar selbst davon betroffen bin. Schon im Januar war mir klar, dass es Unruhen geben wird, sobald der Bronzene Soldat auch nur einen Kratzer abbekommt. Die Ergebnisse der Parlamentswahlen haben die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Dann kamen die traurigen Ereignisse im April. Nie werde ich die Nacht vergessen, an dem ich in ICQ mit zittrigen Fingern an alle meine Freunde in Estland die Fragen gestellt habe, ob sie nicht verletzt sind, wie man Tränengasreizungen am besten behandelt und ob jemand ein Gummigeschoss abgekriegt hat. Als die Berichte über Terminal D publik wurden und von deutschen Staatsbürgern erzählt wurde, die dort festgehalten wurden, wußte ich, dass es die Chance war, dass die Wahrheit ans Licht kommt, denn so traurig es auch ist, einem Ausländer wird mehr Glauben geschenkt, als russisch-stämmigen Bewohner. Also habe ich Herr Dornemann ausfindig gemacht, und mit dessen Einverständnis seinen Brief an estnische Behörden auf dem Blog veröffentlicht, das dann von anderen Bloggern (Vielen Dank an Maria) übersetzt und verbreitet wurde. Auch habe ich mich mit Alexej Semjonov und Vadim Poleshtschuk von lichr.ee (und ihren deutschen Praktikantin Silke) in Verbindung gesetzt und versuchte die von ihm zusammengestellte Dokumente an deutsche Dependance von Amnesty International zu schicken. Trotz mehrmaligen Versuche kam von Amnesty nie eine Antwort. Auch blieb der Brief von Herr Dornemann ohne Wirkung, wie er mir enttäuscht schrieb. Dafür meldete sich Lydia von Laika (eine linke Osteuropa-Kulturzeitschift aus Leipzig) und bat mich um einen ausführlichen Hintergrundartikel über den Bronzenen Soldaten, den ich auch geschrieben habe (vielen Dank an Korrekturleser Michael und Vroni). Und es meldete sich Sybille vom Deutsch-Russischen-Forum und fragte mich, ob ich auf einer ehemaligen Young-Leader-Konferenz einen Vortrag über die russisch-estnischen Beziehungen halten möchte, was ich auch gemacht habe. Dann war noch eine Protestaktion in Second Life vor der estnischen Botschaft geplant, die leider nicht stattfinden konnte, wobei auch ohne uns dort zu einem Skandal kam, als ein schwarzhäutiger Avatar (der sich als ein estnischer Journalist entpuppte) der Botschaft verwiesen wurde.
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Kommentatoren bedanken, die diese Seite gefunden haben und es für wichtig genug hielten, ihre Meinung zu den Artikeln zu schreiben, so dass sich häufig interessante Diskussionen entwickelt haben. Ich verspreche diese Seite auch künftig aktuell zu halten (zwei Artikel sind schon in Arbeit) und ich werde auch Konsequenz ziehen und nur Artikel veröffentlichen, die im weitesten Sinne was mit Estland zu tun haben, also keine T-Shirt-Konservierungswettbewerbe mehr.
In diesem Sinne, geniesst die freien Tage und guten Rutsch ins neue ungewisse Jahr 2008.
Mittwoch, November 21, 2007
Wahlkampf in Russland
Dieser Scan wurde mir von einem Freund aus Russland zugesteckt. Sollte das keine Fälschung sein (sicher ist man da nie), zeigt es wieviel von Obrigkeitsdenken in Russland geblieben ist, und dass die Partei Einiges Russland ein würdiger Nachfolger der Kommunistischen Partei geworden ist, vor der alle kuschen müssen. Bis diese Art von Denken aus den Köpfen raus ist, werden noch viele Jahrzehnte vergehen müssen und wer weiss, ob die jungen Generationen von diesem Denken nicht jetzt schon infiziert sind (die Jugendorganisationen alá Naschi zeugen ja davon).
Übersetzung:
An den Direktor der AG Sibirische Kohlenenergie Gesellschaft A.K. Loginov
Ihre Absage der Regionalabteilung der Partei "Einiges Russland" finanzielle Unterstützung für die Durchführung der Wahlkampagne in die Staatsduma der Russischen Föderation zu leisten, bewerte ich als Verweigerung der Unterstützung des Präsidenten W.W. Putin und seines konstruktiven Kurses.
Sehe mich gezwungen die Administration des Präsidenten und des Gouverneurs des Kemerovskaja Oblast darüber zu informieren.
Sekretär des Regionalen
Politischen Rates
der Kemerover Regionalabteilung
der Allrussischen politischen
Partei "Einiges Russland"
G.T. Djudjaev
Sonntag, November 18, 2007
Manchmal freut man sich wenn man Unrecht hatte...
Im letzten Artikel war ich voller Pessimismus über die Voreingenommenheit estnischer Gerichte gegenüber den Aktivisten des Notchnoj Dozor. Zum Glück gibt es seit dem letzten Freitag eine gute Nachricht zu vermelden: Maksim Reva und Dimitrij Linter sind frei! Bei der Gerichtsverhandlung bei der es geklärt wurde, ob es sinnvoll sei die Beschuldigten bis zur Hauptverhandlung festzuhalten, wurde entschieden, dass keine Fluchtgefahr besteht, so dass die beiden nach Hause zu ihren Familien zurückkehren können. Damit wurde das Versprechen eingelöst, das die estnischen Mitglieder des Europaparlaments schon im Juni gegeben haben, dass es keine politischen Gefangenen in Estland gibt.
Doch steht die eigentliche Gerichtsverhandlung im Januar nächsten Jahres noch bevor. Vier Leute werden beschuldigt die Massenunruhen in April organisiert zu haben: Maksim Reva, Dimitrij Linter, Dimitrij Klenskj und Mark Syrik. Sollten sie schuldig gesprochen werden, drohen ihnen jahrelange Gefängnisaufenthalte, ausserdem können sie auf Schadensersatz verklagt werden, der mehrere Millionen Kronen beträgt.
Doch steht die eigentliche Gerichtsverhandlung im Januar nächsten Jahres noch bevor. Vier Leute werden beschuldigt die Massenunruhen in April organisiert zu haben: Maksim Reva, Dimitrij Linter, Dimitrij Klenskj und Mark Syrik. Sollten sie schuldig gesprochen werden, drohen ihnen jahrelange Gefängnisaufenthalte, ausserdem können sie auf Schadensersatz verklagt werden, der mehrere Millionen Kronen beträgt.
Dienstag, November 13, 2007
Protokol einer Lüge
"Je größer die Lüge und je unwahrscheinlicher die Lüge - desto eher wird sie geglaubt" - Joseph Göbbels
"Man muss eine Lüge nur sooft wiederholen, bis man selber daran glaubt"- Joseph Göbbels
Eigentlich mag ich keine Nazi-Vergleiche, aber in diesem Fall ist mir einfach nichts besseres eingefallen, als ich folgendes Video in einer Nachrichtensendung gesehen habe:
Transkript für nicht russisch-sprachige Leser:
Reporterin: Laut Semjonov ist die Diskriminierung aufgrund Zugehörigkeit zu einer Nationalität eine der dringendsten Probleme in Estland. Und nach den Geschehnissen in April gibt es noch eines: Die Verletzung des Grundrechts auf Anrufung des Gerichtes. So sind zum Beispiel hier (in Informationszentrum für Menschenrechte) ca. 60 Eingaben über die Verletzung der Gesetze seitens der Polizei gesammelt worden, doch werden die meisten von ihnen nicht weiter bearbeitet.
Aleksej Semjonov - Leiter von Informationszentrum für Menschenrechte: Die Polizei und die Staatsanwaltschaft haben sich geweigert die Beschwerden unserer Klienten aufzunehmen, in der letzten Zeit sehen wir, dass auch die Gerichte sich weigern unsere Eingaben über die Verweigerung der Staatsanwaltschaft und der Polizei unsere Beschwerden adäquat zu bearbeiten, aufzunehmen. Die Rede ist also über eine ernsthafte Verletzung der Menschenrechte, nämlich den Zugang zu Gerichten zu ermöglichen. Früher hatten wir so was nicht, es ist eine recht neue Entwicklung in Estland.
Urve Palo - Minister für Bevölkerungsentwicklung: Es ist mir sehr schwer über die Menschenrechtsverletzungen im Frühling zu urteilen, da keine konkreten Fälle vorgestellt wurden. Dies ist die Sache der Polizei und es wurde kein konkreter Fall vorgestellt. Ich würde nicht sagen, dass im Frühling die Menschenrechte verletzt wurden.
Eine Leserin hat vor kurzem gefragt, wie das Gerichtsverfahren gegen die Mitglieder des Notchnoj Dozor ausgehen wird. Ich denke, man braucht sich da keine Illusionen zu machen.
"Man muss eine Lüge nur sooft wiederholen, bis man selber daran glaubt"- Joseph Göbbels
Eigentlich mag ich keine Nazi-Vergleiche, aber in diesem Fall ist mir einfach nichts besseres eingefallen, als ich folgendes Video in einer Nachrichtensendung gesehen habe:
Transkript für nicht russisch-sprachige Leser:
Reporterin: Laut Semjonov ist die Diskriminierung aufgrund Zugehörigkeit zu einer Nationalität eine der dringendsten Probleme in Estland. Und nach den Geschehnissen in April gibt es noch eines: Die Verletzung des Grundrechts auf Anrufung des Gerichtes. So sind zum Beispiel hier (in Informationszentrum für Menschenrechte) ca. 60 Eingaben über die Verletzung der Gesetze seitens der Polizei gesammelt worden, doch werden die meisten von ihnen nicht weiter bearbeitet.
Aleksej Semjonov - Leiter von Informationszentrum für Menschenrechte: Die Polizei und die Staatsanwaltschaft haben sich geweigert die Beschwerden unserer Klienten aufzunehmen, in der letzten Zeit sehen wir, dass auch die Gerichte sich weigern unsere Eingaben über die Verweigerung der Staatsanwaltschaft und der Polizei unsere Beschwerden adäquat zu bearbeiten, aufzunehmen. Die Rede ist also über eine ernsthafte Verletzung der Menschenrechte, nämlich den Zugang zu Gerichten zu ermöglichen. Früher hatten wir so was nicht, es ist eine recht neue Entwicklung in Estland.
Urve Palo - Minister für Bevölkerungsentwicklung: Es ist mir sehr schwer über die Menschenrechtsverletzungen im Frühling zu urteilen, da keine konkreten Fälle vorgestellt wurden. Dies ist die Sache der Polizei und es wurde kein konkreter Fall vorgestellt. Ich würde nicht sagen, dass im Frühling die Menschenrechte verletzt wurden.
Eine Leserin hat vor kurzem gefragt, wie das Gerichtsverfahren gegen die Mitglieder des Notchnoj Dozor ausgehen wird. Ich denke, man braucht sich da keine Illusionen zu machen.
Sonntag, November 11, 2007
Eine Umfrage
im Mai 2007 wurde von dem Levada-Zentrum, einem Umfrage-Institut in Russland eine Umfrage durchgeführt in der die Befragten die Russland-freundliche und feindliche Länder benennen mussten. Die Umfrage wird seit 2005 durchgeführt und jedes Mal gibt es teilweise recht grosse Verschiebungen:
Top 9 der feindlichen Länder 2005
1. Lettland (49%)
2. Litauen (42%)
3. Georgien (38%)
4. Estland (32%)
5. USA (25%)
6. Afghanistan (12%)
7. Irak (10%)
8. Iran (6%)
9. Ukraine (5%)
Top 9 der feindlichen Länder 2006
1. Lettland (46%)
2. Georgien (44%)
3. Litauen (42%)
4. USA (37%)
5. Ukraine (27%)
6. Afghanistan (12%)
7. Irak (9%)
8/9. Polen/Iran (jeweils 7%)
Top 10 der feindlichen Länder 2007
1. Estland (60%)
2. Georgien (46%)
3. Lettland (36%)
4. USA (35%)
5. Litauen (32%)
6. Ukraine (23%)
7. Polen (20%)
8. Afghanistan (12%)
9. Irak (8%)
10. Iran (7%)
Top 10 der freundlichen Länder 2006
1. Weissrussland (47%)
2. Kasachstan (33%)
3. Deutschland (22%)
4. China (24%)
5. Indien (15%)
6. Armenien (14%)
7/8. Bulgarien/Ukraine (jeweils 10%)
9. Frankreich (8%)
10. Italien (7%)
Top 10 der freundlichsten Länder 2007
1. Kasachstan (39%)
2. Weissrussland (38%)
3. Deutschland (24%)
4. China (19%)
5. Armenien (15%)
6. Indien (14%)
7. Ukraine (11%)
8/9. Bulgarien/Frankreich (jeweils 9%)
10/11. Italien/Turkmenistan (8%)
Diese Zahlen kann man verschieden interpretieren, hinter jeder Veränderung steckt ein bestimmtes politisches Ereignis (damit erklären sich die 60% für Estland im Mai diesen Jahres), was mich etwas verwundert, warum Großbritannien nicht auf der Liste der feindlichen Ländern steht, nach allen Skandalen mit Berezovski und Litvenenko. Aber veröffentlicht habe ich diese Liste aus einem anderen Grund. Wie man sieht befinden sich auf der Feindesliste 4 EU-Länder, auf der Freundesliste 3 EU-Länder. Wie kann da von einer gemeinsamen EU-Politik Russland gegenüber gesprochen werden? Ein guter Artikel dazu zu dem deutsch-russischen Gipfel in Samara dieses Jahr findet sich hier
Top 9 der feindlichen Länder 2005
1. Lettland (49%)
2. Litauen (42%)
3. Georgien (38%)
4. Estland (32%)
5. USA (25%)
6. Afghanistan (12%)
7. Irak (10%)
8. Iran (6%)
9. Ukraine (5%)
Top 9 der feindlichen Länder 2006
1. Lettland (46%)
2. Georgien (44%)
3. Litauen (42%)
4. USA (37%)
5. Ukraine (27%)
6. Afghanistan (12%)
7. Irak (9%)
8/9. Polen/Iran (jeweils 7%)
Top 10 der feindlichen Länder 2007
1. Estland (60%)
2. Georgien (46%)
3. Lettland (36%)
4. USA (35%)
5. Litauen (32%)
6. Ukraine (23%)
7. Polen (20%)
8. Afghanistan (12%)
9. Irak (8%)
10. Iran (7%)
Top 10 der freundlichen Länder 2006
1. Weissrussland (47%)
2. Kasachstan (33%)
3. Deutschland (22%)
4. China (24%)
5. Indien (15%)
6. Armenien (14%)
7/8. Bulgarien/Ukraine (jeweils 10%)
9. Frankreich (8%)
10. Italien (7%)
Top 10 der freundlichsten Länder 2007
1. Kasachstan (39%)
2. Weissrussland (38%)
3. Deutschland (24%)
4. China (19%)
5. Armenien (15%)
6. Indien (14%)
7. Ukraine (11%)
8/9. Bulgarien/Frankreich (jeweils 9%)
10/11. Italien/Turkmenistan (8%)
Diese Zahlen kann man verschieden interpretieren, hinter jeder Veränderung steckt ein bestimmtes politisches Ereignis (damit erklären sich die 60% für Estland im Mai diesen Jahres), was mich etwas verwundert, warum Großbritannien nicht auf der Liste der feindlichen Ländern steht, nach allen Skandalen mit Berezovski und Litvenenko. Aber veröffentlicht habe ich diese Liste aus einem anderen Grund. Wie man sieht befinden sich auf der Feindesliste 4 EU-Länder, auf der Freundesliste 3 EU-Länder. Wie kann da von einer gemeinsamen EU-Politik Russland gegenüber gesprochen werden? Ein guter Artikel dazu zu dem deutsch-russischen Gipfel in Samara dieses Jahr findet sich hier
Freitag, November 09, 2007
Tallinn-Tbilisi
Eine Meldung macht ihre Runde durch die russische Presse: Der einzige noch funktionierende Fernsehsender Georgiens zeigt einen Dokumentarfilm über die Bronzenen Nächte in Estland mit prügelnden Polizisten, Tränengas, Schlagstöcken. Anschliessend sagen estnische Spezialeinsatzkräfte in die Kameras, dass sie im Einklang mit dem Gesetz handeln. Das soll wohl Parallelen mit den Geschehnissen in Georgien aufzeigen, dass die brutalen Methoden, die gegen die Opposition verwendet wurden, mit europäischen Standards übereinstimmen. Doch selbst die früheren estnischen Freunde gehen auf Distanz zu Saakaschwili, die Parlamentarische Gruppe Estland-Georgien ruft das Land zur nationalen Einheit auf und kann sich nicht verkneifen, Russland aufzufordern sich nicht in innere Angelegenheiten Georgiens einzumischen.
Dabei hatten georgische Eliten enge Beziehungen zu den estnischen, besonders seit Saakaschwili georgischer Präsident ist. Kein Geheimnis ist, das er und der estnische Präsident Toomas Ilves an derselben Uni (Columbia) in USA studiert haben, auch wenn sie sich wegen dem Altersunterschied dort kaum begegnet sein dürften.
Im Jahr 2002, noch zu Zeiten von Schewarnadze, beklagte die Parlamentarische Gruppe, dass es keine estnische Botschaft in Georgien gibt, und lud eine Gruppe georgischer Parlamentarier nach Estland ein. Schewarnadze, ein sehr erfahrener Politiker vorführte mehr oder weniger geschickt einen Drahtseilakt zwischen Russland und USA. Die USA interessierten sich für das Land durch das Ölpipelines vom Kaspischen Meer in die Türkei verlegt werden könnten und zwar unter Umgehung von Russland und Iran und Russland vermutete in Georgien Rückzugsmöglichkeiten der tschetschenischen Kämpfer, ausserdem unterstützt es die Unabhängigkeitsbemühungen von Abchasien und Süd-Ossetien, wo russische "Friedenskräfte" stationiert sind. Georgien träumte schon damals von NATO-Mitgliedschaft und Estland war bereit einen Vermittler zu spielen.
Im Jahr 2004 findet die sogenannte Rosen-Revolution statt, Schewarnadze ist gestürzt und flieht Gerüchten zufolge nach Deutschland (jedenfalls erwartet man ihn dort, denn als Gorbatschows Außenminister hat er die deutsch-deutsche Wiedervereinigung tatkräftig unterstützt und gilt seitdem als guter Freund Deutschlands). Saakaschwili kommt an die Macht und sofort wird von dem ehemaligen Ministerpräsidenten Mart Laar in einem Interview dem Wall Street Journal gegenüber beraten möglichst schnell radikal-liberale Reformen durchzuführen und in die NATO einzutreten. Georgien hört gern die Ratschläge, Mart Laar wird als Berater der georgischen Regierung noch öfters in Tbilisi verweilen. Die Beziehungen zu Russland verschlechtern sich rapide. Russland deklariert georgische Weine, Mineralwasser, Obst und Gemüse als gesundheitsschädlich und schliesst damit den Hauptabsatzmarkt für die georgische Produkte. Zahlreiche georgische Gastarbeiter, die legal oder illegal sich in Russland befinden, werden ausgewiesen. Es häufen sich politische Konflikte, Georgien beschuldigt Russland ihren Luftraum mit Militärflugzeugen zu verletzen und behauptet dass ein Raketenabwurf während eines solchen Überflugs gegeben hat.
Nach dem Eintreten Estlands in NATO und EU verspricht die damalige Außenministerin Kristiina Ojuland, dass Estland Georgien sowohl militärisch als auch politisch bei ihrem Wunsch nach NATO und EU-Mitgliedschaft unterstützen wird. Bei seinem Besuch erwidert Saakaschvili die netten Worte und sagt, dass Estland für Georgien ein Beispiel sei, wie man wirtschaftliche und demokratische Reformen durchführen muss.
Mai 2007: Die Parlamentsvorsitzende Georgiens Nino Burdzhanadze erklärt Estland Unterstützung und protestiert gegen die Einmischung Russlands in innere Angelegenheiten des baltischen Staates und über die Verletzung einer Reihe internationalen Konventionen. Am 8. Mai befindet sich Ilves auf einem Besuch bei Saakaschwili. Bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität von Tbilisi sagte er in seiner Rede, dass unsere Länder mehr als die Okkupation und Repression verbindet: Estland und Georgien sind beide demokratische Staaten.
Oktober 2007: Auf einem NATO-Treffen in Reykjavik begrüßte den Vorschlag der estnischen Delegation Georgien einen Beitrittsfahrplan zu übergeben. Der Verteidigungsminister Jaak Aaviksoo ist auf einem Arbeitsbesuch in Georgien und behauptet, dass für Estland Georgien eines der wichtigsten Partner im Bereich der Verteidigung sei. Mart Laar feiert in seinem Blog Georgien als den besten Ort (nach Estland natürlich) von allen Ländern, um dort Business zu machen.
November 2007: Nach tagelangen schweren Protesten gegen Regierung verhängt Saakaschwili Ausnahmezustand in Georgien und löst gewaltsam Demonstrationen auf. Mehrere hundert Verletzte sind gemeldet, Spiegel-Online spekuliert über aggressiven Gas, der verwendet wurde. Unabhängige Medien dürfen nicht berichten, kritische Fernsehsender werden gestürmt, es läuft ein Dokumentarfilm über die April-Ereignisse in Estland.
Dabei hatten georgische Eliten enge Beziehungen zu den estnischen, besonders seit Saakaschwili georgischer Präsident ist. Kein Geheimnis ist, das er und der estnische Präsident Toomas Ilves an derselben Uni (Columbia) in USA studiert haben, auch wenn sie sich wegen dem Altersunterschied dort kaum begegnet sein dürften.
Im Jahr 2002, noch zu Zeiten von Schewarnadze, beklagte die Parlamentarische Gruppe, dass es keine estnische Botschaft in Georgien gibt, und lud eine Gruppe georgischer Parlamentarier nach Estland ein. Schewarnadze, ein sehr erfahrener Politiker vorführte mehr oder weniger geschickt einen Drahtseilakt zwischen Russland und USA. Die USA interessierten sich für das Land durch das Ölpipelines vom Kaspischen Meer in die Türkei verlegt werden könnten und zwar unter Umgehung von Russland und Iran und Russland vermutete in Georgien Rückzugsmöglichkeiten der tschetschenischen Kämpfer, ausserdem unterstützt es die Unabhängigkeitsbemühungen von Abchasien und Süd-Ossetien, wo russische "Friedenskräfte" stationiert sind. Georgien träumte schon damals von NATO-Mitgliedschaft und Estland war bereit einen Vermittler zu spielen.
Im Jahr 2004 findet die sogenannte Rosen-Revolution statt, Schewarnadze ist gestürzt und flieht Gerüchten zufolge nach Deutschland (jedenfalls erwartet man ihn dort, denn als Gorbatschows Außenminister hat er die deutsch-deutsche Wiedervereinigung tatkräftig unterstützt und gilt seitdem als guter Freund Deutschlands). Saakaschwili kommt an die Macht und sofort wird von dem ehemaligen Ministerpräsidenten Mart Laar in einem Interview dem Wall Street Journal gegenüber beraten möglichst schnell radikal-liberale Reformen durchzuführen und in die NATO einzutreten. Georgien hört gern die Ratschläge, Mart Laar wird als Berater der georgischen Regierung noch öfters in Tbilisi verweilen. Die Beziehungen zu Russland verschlechtern sich rapide. Russland deklariert georgische Weine, Mineralwasser, Obst und Gemüse als gesundheitsschädlich und schliesst damit den Hauptabsatzmarkt für die georgische Produkte. Zahlreiche georgische Gastarbeiter, die legal oder illegal sich in Russland befinden, werden ausgewiesen. Es häufen sich politische Konflikte, Georgien beschuldigt Russland ihren Luftraum mit Militärflugzeugen zu verletzen und behauptet dass ein Raketenabwurf während eines solchen Überflugs gegeben hat.
Nach dem Eintreten Estlands in NATO und EU verspricht die damalige Außenministerin Kristiina Ojuland, dass Estland Georgien sowohl militärisch als auch politisch bei ihrem Wunsch nach NATO und EU-Mitgliedschaft unterstützen wird. Bei seinem Besuch erwidert Saakaschvili die netten Worte und sagt, dass Estland für Georgien ein Beispiel sei, wie man wirtschaftliche und demokratische Reformen durchführen muss.
Mai 2007: Die Parlamentsvorsitzende Georgiens Nino Burdzhanadze erklärt Estland Unterstützung und protestiert gegen die Einmischung Russlands in innere Angelegenheiten des baltischen Staates und über die Verletzung einer Reihe internationalen Konventionen. Am 8. Mai befindet sich Ilves auf einem Besuch bei Saakaschwili. Bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität von Tbilisi sagte er in seiner Rede, dass unsere Länder mehr als die Okkupation und Repression verbindet: Estland und Georgien sind beide demokratische Staaten.
Oktober 2007: Auf einem NATO-Treffen in Reykjavik begrüßte den Vorschlag der estnischen Delegation Georgien einen Beitrittsfahrplan zu übergeben. Der Verteidigungsminister Jaak Aaviksoo ist auf einem Arbeitsbesuch in Georgien und behauptet, dass für Estland Georgien eines der wichtigsten Partner im Bereich der Verteidigung sei. Mart Laar feiert in seinem Blog Georgien als den besten Ort (nach Estland natürlich) von allen Ländern, um dort Business zu machen.
November 2007: Nach tagelangen schweren Protesten gegen Regierung verhängt Saakaschwili Ausnahmezustand in Georgien und löst gewaltsam Demonstrationen auf. Mehrere hundert Verletzte sind gemeldet, Spiegel-Online spekuliert über aggressiven Gas, der verwendet wurde. Unabhängige Medien dürfen nicht berichten, kritische Fernsehsender werden gestürmt, es läuft ein Dokumentarfilm über die April-Ereignisse in Estland.
Mittwoch, November 07, 2007
Ein Vortrag für die Clubkonferenz der (ehemaligen) Young Leader
Letzte Woche habe ich ein Vortrag über die russisch-estnischen Beziehungen vor gemischtem russisch-deutschen Publikum gehalten. Um zu erklären, was das für Leute waren, die sich für solche Themen interessieren, muss ich ein bisschen ausholen. Es gibt ein Deutsch-Russisches-Forum in Berlin, eine NGO, die einen Austausch zwischen Deutschland und Russland auf allen möglichen Ebenen fördert, angefangen mit Nachwuchsjournalisten aus Russland, die für einige Wochen nach Deutschland kommen, um hier ein Praktikum bei deutschen Zeitungsredaktionen zu absolvieren, bis hin zu Petersburger Dialog, eine Initiative, die noch von Putin und Schröder ausgegangen ist, um Eliten der Länder zusammenzubringen. Der letzte Dialog war vor kurzem in Wiesbaden und man hatte nicht den Eindruck, als ob Putin und Merkel sich viel zu sagen hätten, aber das ist eine andere Geschichte. Eine der Massnahmen, die DRF organisiert, sind die sogenannten Young Leader Seminare, die Unternehmen, die das DRF sponsern, dürfen Young Leader nominieren, also junge, engagierte und vielversprechende Mitarbeiter, die Russisch sprechen, oder aus Russland kommen und diese Young Leader treffen sich dann regelmäßig in Deutschland oder in Russland, lernen aneinander kennen, es entsteht wiedermal ein Netzwerk. Und die Clubkonferenz ist der Ausdruck dieses Netzwerks, denn die ehemaligen Young Leader treffen sich immer noch einmal in Halbjahr in Russland und einmal in Halbjahr in Deutschland, unabhängig von Forum, tauschen sich aus und organisieren Vorträge, die grob was mit Thema Russland zu tun haben sollten. Warum ausgerechnet mir die Ehre zufiel einen Vortrag bei dieser Veranstaltung halten zu dürfen, bleibt mein kleines Geheimnis, aber über die Reaktion auf den Vortrag war ich doch etwas überrascht.
Erwartet habe ich eigentlich, dass sich vor allen die anwesenden Russen aufregen, denn ein Ziel des Vortrages war es zu zeigen, dass beide Seiten in Unrecht sind und die russischen Version der historischen Wahrheit auch nicht unbedingt mehr der Wirklichkeit entspricht, als die estnische. Doch aufgeregt haben sich vor allem die Deutschen, wobei die meisten der Meinung waren, dass es nicht sein kann dass in einem EU-Staat so was geschieht. Geschockt waren die meisten, als ich die Prozentzahlen der Staatenlosen in Estland auf Nachfrage hin genannt habe und die Aufschrift "Alien" auf ihren grauen Pässen. Es scheint wohl eine deutsche Grundüberzeugung zu sein, dass wenn ein Land in der EU ist, dort paradiesische Zustände für alle Minderheiten herrschen müssen (das war meiner Meinung nach die beste Szene in Film "Auf der anderen Seite" von Fatih Akin, als Hanna Schygulla die türkische Anarchistin zu überzeugen versucht, dass sobald Türkei in der EU ist, alle ihre politischen Forderungen erfüllt werden). Einige der Zuhörer haben zwar nicht verstanden, warum die Verlegung eines Denkmals solch heftige Reaktionen ausgelöst hat, kritisiert wurde Russland aber von niemandem. Wobei ich natürlich einwenden muss, dass das Publikum nicht unbedingt repräsentativ war, sondern doch recht russland-affin.
Auf jeden Fall war das eine interessante Erfahrung vor mir unbekannten Leuten einen Vortrag über ein mir nahegehendes Thema zu halten und einen guten Feedback zu erhalten.
Erwartet habe ich eigentlich, dass sich vor allen die anwesenden Russen aufregen, denn ein Ziel des Vortrages war es zu zeigen, dass beide Seiten in Unrecht sind und die russischen Version der historischen Wahrheit auch nicht unbedingt mehr der Wirklichkeit entspricht, als die estnische. Doch aufgeregt haben sich vor allem die Deutschen, wobei die meisten der Meinung waren, dass es nicht sein kann dass in einem EU-Staat so was geschieht. Geschockt waren die meisten, als ich die Prozentzahlen der Staatenlosen in Estland auf Nachfrage hin genannt habe und die Aufschrift "Alien" auf ihren grauen Pässen. Es scheint wohl eine deutsche Grundüberzeugung zu sein, dass wenn ein Land in der EU ist, dort paradiesische Zustände für alle Minderheiten herrschen müssen (das war meiner Meinung nach die beste Szene in Film "Auf der anderen Seite" von Fatih Akin, als Hanna Schygulla die türkische Anarchistin zu überzeugen versucht, dass sobald Türkei in der EU ist, alle ihre politischen Forderungen erfüllt werden). Einige der Zuhörer haben zwar nicht verstanden, warum die Verlegung eines Denkmals solch heftige Reaktionen ausgelöst hat, kritisiert wurde Russland aber von niemandem. Wobei ich natürlich einwenden muss, dass das Publikum nicht unbedingt repräsentativ war, sondern doch recht russland-affin.
Auf jeden Fall war das eine interessante Erfahrung vor mir unbekannten Leuten einen Vortrag über ein mir nahegehendes Thema zu halten und einen guten Feedback zu erhalten.
Dienstag, Oktober 30, 2007
Ответ от г-жи Жданок
Отвечая Вам сегодня, действую согласно известной пословице "лучше поздно, чем никогда".
Однако заранее прошу простить за краткость ответа. Думаю, Вы понимаете, насколько сложно мне выкраивать время для переписки с адресатами. И при желании найдете более подробное изложение моих взглядов в громадном количестве опубликованных разными изданиями статей и интервью.
Итак, Европейский русский альянс задуман и создан как объединение политически и социально активных людей, живущих в странах ЕС. Европейский русский альянс - организация, не зависящая ни от каких структур, ни европейских, ни российских. Но, конечно же, доказывать, что ты - не "рука Москвы", так же бесполезно, как доказывать, что ты не верблюд. Однако косвенных доказательств достаточно. Хотя бы тот факт, что многие российские политики и политологи комментировали в 2004-м и продолжают комментировать создание ЕРА с возмущением: мол, такое объединение возможно только под эгидой России (Косачев, Колеров, Полоскова и др.). А также то, что, кроме Путина и Лужкова, приветствия на Форум прислали Поттеринг, Солана, Ферреро-Вальднер и др. И еще то, что партнерами проведения Форума, кроме мэрии Москвы и Московского Патриархата, стал созданный в США институт Восток-Запад.
Далее. Не надо путать "французское с нижегородским". Европейский русский Форум - это проект, который имеет другой статус и другой круг участников, чем Европейский русский альянс. Европейский русский альянс -зарегистрированная в Страсбурге международная неправительственная организация, имеющая свой Устав и действующая в его рамках (см.сайт www.eursa.org). Форум - это собрание, но мы хотим сделать его регулярным.
Европейский русский альянс - только инициатор Форума. Почему Европейский русский альянс вышел с такой инициативой? Ответ на этот вопрос дает наш Устав. Посмотрите в раздел о целях Альянса. Поддержка и продвижение русского языка, культуры и образования в своих странах; политическое и гражданское участие, и т.д. Они в Уставе формулируются более развернуто и имеют конкретный объект: русскоязычное население ЕС и ЕЭП. Судя по Вашему письму, они не вызывают у Вас возражений. Но какими методами Альянс, согласно Уставу, хочет добиться этих целей? Цитирую: для достижения своих целей Альянс сотрудничает с институтами гражданского общества, политическими партиями и государственными структурами стран ЕС, ЕЭП и Российской Федерации, наднациональными институтами и международными организациями; Альянс ведет регулярный диалог с Православной Церковью и иными традиционными религиозными сообществами. Форум - это как раз и есть попытка наладить такое сотрудничество и диалог.
Можно принадлежать к русскоязычному населению ЕС, но не ставить перед собой те цели, ради которых создавался Альянс. Это другая история, и тут все ясно. Но можно принадлежать к русскоязычному населению ЕС, ставить перед собой перечисленные выше цели и считать, что достигнуть их можно другими методами. Уверена, что эти люди неправы, но флаг им в руки. Однако мы, члены Альянса, сформулировав для себя эти цели, заявили, что для их достижения сотрудничаем со структурами ЕС и Российской Федерации. Ну а партнеры для сотрудничества таковы, какие они есть. С их политиками, политологами, партиями, правительствами, комиссарами, мэрами, бизнесменами. Но и тут есть простор для выбора, и мы постарались пригласить на Форум тех, кому действительно не безразличны наши проблемы.
Всего хорошего,
Татьяна Жданок
Однако заранее прошу простить за краткость ответа. Думаю, Вы понимаете, насколько сложно мне выкраивать время для переписки с адресатами. И при желании найдете более подробное изложение моих взглядов в громадном количестве опубликованных разными изданиями статей и интервью.
Итак, Европейский русский альянс задуман и создан как объединение политически и социально активных людей, живущих в странах ЕС. Европейский русский альянс - организация, не зависящая ни от каких структур, ни европейских, ни российских. Но, конечно же, доказывать, что ты - не "рука Москвы", так же бесполезно, как доказывать, что ты не верблюд. Однако косвенных доказательств достаточно. Хотя бы тот факт, что многие российские политики и политологи комментировали в 2004-м и продолжают комментировать создание ЕРА с возмущением: мол, такое объединение возможно только под эгидой России (Косачев, Колеров, Полоскова и др.). А также то, что, кроме Путина и Лужкова, приветствия на Форум прислали Поттеринг, Солана, Ферреро-Вальднер и др. И еще то, что партнерами проведения Форума, кроме мэрии Москвы и Московского Патриархата, стал созданный в США институт Восток-Запад.
Далее. Не надо путать "французское с нижегородским". Европейский русский Форум - это проект, который имеет другой статус и другой круг участников, чем Европейский русский альянс. Европейский русский альянс -зарегистрированная в Страсбурге международная неправительственная организация, имеющая свой Устав и действующая в его рамках (см.сайт www.eursa.org). Форум - это собрание, но мы хотим сделать его регулярным.
Европейский русский альянс - только инициатор Форума. Почему Европейский русский альянс вышел с такой инициативой? Ответ на этот вопрос дает наш Устав. Посмотрите в раздел о целях Альянса. Поддержка и продвижение русского языка, культуры и образования в своих странах; политическое и гражданское участие, и т.д. Они в Уставе формулируются более развернуто и имеют конкретный объект: русскоязычное население ЕС и ЕЭП. Судя по Вашему письму, они не вызывают у Вас возражений. Но какими методами Альянс, согласно Уставу, хочет добиться этих целей? Цитирую: для достижения своих целей Альянс сотрудничает с институтами гражданского общества, политическими партиями и государственными структурами стран ЕС, ЕЭП и Российской Федерации, наднациональными институтами и международными организациями; Альянс ведет регулярный диалог с Православной Церковью и иными традиционными религиозными сообществами. Форум - это как раз и есть попытка наладить такое сотрудничество и диалог.
Можно принадлежать к русскоязычному населению ЕС, но не ставить перед собой те цели, ради которых создавался Альянс. Это другая история, и тут все ясно. Но можно принадлежать к русскоязычному населению ЕС, ставить перед собой перечисленные выше цели и считать, что достигнуть их можно другими методами. Уверена, что эти люди неправы, но флаг им в руки. Однако мы, члены Альянса, сформулировав для себя эти цели, заявили, что для их достижения сотрудничаем со структурами ЕС и Российской Федерации. Ну а партнеры для сотрудничества таковы, какие они есть. С их политиками, политологами, партиями, правительствами, комиссарами, мэрами, бизнесменами. Но и тут есть простор для выбора, и мы постарались пригласить на Форум тех, кому действительно не безразличны наши проблемы.
Всего хорошего,
Татьяна Жданок
Sonntag, Oktober 14, 2007
Письмо члену Европарламента г-же Жданок
Уважаемая госпожа Жданок,
я родился в Эстонии, живу сейчас в Мюнхене, в Германии и имею (кроме прочих) русские корни. С большим интересом преследую я Вашу деятельность в Европейском Парламенте и очень глубоко оцениваю Ваши успехи в защите прав русско-язычного населения в Прибалтике. С большим вниманием я слежу за Вашей работой в Европейском Русском Альянсе. Я вполне согласен с идеей, что представление интересов жителей ЕС имеющих российское гражданство, русскую национальность или по крайней мере русские корни абсолютно недостаточно, если учесть их количество в ЕС. Поэтому я привестствую каждую попытку усилить видимость русского населения Европы в Европарламенте. Новейшея история в Эстонии показала, что дискуссия с властями со стороны русско-язычного населения только тогда ведёт к относительной реакции, если она идёт не снизу а сверху, то есть с европейских учереждений. Как Вы сами знаете, политическое влияние русско-язычного населения в Эстонии очень слабо. В принципе тоже самое можно сказать и о Германии, где правда так называемые Vertriebenenorganisationen то есть организации изгнаных в последствии Второй мировой войны имеют довольно большое влияние на немецкую политику, но их интересы иногда различаются от интересов российских граждан (приблизительно 500.000 человек) живущих в Германии.
Недавно ЕРА организовал первый русский европейский форум, на котором участвовали русские общины ЕС. Но что меня лично удивило это массивное участие представителей России на этом форуме, вплоть до мэра Москвы г. Лужкого и приветстевнных телеграмм от г. Путина и других членов российского правительства. Мне казалось, что ЕРА должен представлять интересы русских в Европе а не интересы России в Европе. По моему мнению тесная связь с Россией может обернуться серёзными последствиями для альянса:
1. Решение поддерживать тесные связи с Россией может расколоть русские общины в Европе. Не все будут согласны, что от их имени и за их счёт российская политика профилируется и получает голос в Европе. Русские приехали в ЕС по многим причинам, одной из этих причин это несогласие с сегодняшней российской политикой. Как правило эти люди политически интересованы и активны что означает, что они не будут поддерживать альянс, хотя именно их сотрудничество было-бы очень важно.
2. Противники России в ЕС могут очень просто дискредитировать ЕРА как "рука Москвы". Это уже происходит в эстонской прессе: Postimees, где член Европарламента от Эстонии г. Тунне Келам отмечает: «Это официальное мероприятие России, только в мягкой форме. Форум является частью российской пропаганды, с помощью которой Москва пытается отвлечь внимание от проблем в отношениях между ЕС и Россией, использовать в своих интересах депутатов Европарламента»
3. Как Вы знаете отношения ЕС-Россия в данный момент не самые лучшие. Это означает что если Россия будет пытаться достичь своих целей с помощью альянса, то Европарламент не будет воспринимать альянс как представительство русских в Европе, а как представительство России в Европе и соответственно с ним общаться.
4. Цели и интересы России и цели и интересы русских в Европе очень различны. В то время когда Россия организует программы для возвращения соотечественников на родину, отклик среди европейских русских очень слаб. Подавляющее большинство русских в ЕС хочет там остаться и налаживать свою жизнь именно в нынешней стране проживания а не в России. С моей точки зрения именно налаживание проживание и интеграция без потери национальности это должна быть основной задачей альянса.
Мне хотелось-бы узнать Ваше мнение о вышеописанных пунктах и я буду очень благодарен за Ваш ответ.
С уважением
я родился в Эстонии, живу сейчас в Мюнхене, в Германии и имею (кроме прочих) русские корни. С большим интересом преследую я Вашу деятельность в Европейском Парламенте и очень глубоко оцениваю Ваши успехи в защите прав русско-язычного населения в Прибалтике. С большим вниманием я слежу за Вашей работой в Европейском Русском Альянсе. Я вполне согласен с идеей, что представление интересов жителей ЕС имеющих российское гражданство, русскую национальность или по крайней мере русские корни абсолютно недостаточно, если учесть их количество в ЕС. Поэтому я привестствую каждую попытку усилить видимость русского населения Европы в Европарламенте. Новейшея история в Эстонии показала, что дискуссия с властями со стороны русско-язычного населения только тогда ведёт к относительной реакции, если она идёт не снизу а сверху, то есть с европейских учереждений. Как Вы сами знаете, политическое влияние русско-язычного населения в Эстонии очень слабо. В принципе тоже самое можно сказать и о Германии, где правда так называемые Vertriebenenorganisationen то есть организации изгнаных в последствии Второй мировой войны имеют довольно большое влияние на немецкую политику, но их интересы иногда различаются от интересов российских граждан (приблизительно 500.000 человек) живущих в Германии.
Недавно ЕРА организовал первый русский европейский форум, на котором участвовали русские общины ЕС. Но что меня лично удивило это массивное участие представителей России на этом форуме, вплоть до мэра Москвы г. Лужкого и приветстевнных телеграмм от г. Путина и других членов российского правительства. Мне казалось, что ЕРА должен представлять интересы русских в Европе а не интересы России в Европе. По моему мнению тесная связь с Россией может обернуться серёзными последствиями для альянса:
1. Решение поддерживать тесные связи с Россией может расколоть русские общины в Европе. Не все будут согласны, что от их имени и за их счёт российская политика профилируется и получает голос в Европе. Русские приехали в ЕС по многим причинам, одной из этих причин это несогласие с сегодняшней российской политикой. Как правило эти люди политически интересованы и активны что означает, что они не будут поддерживать альянс, хотя именно их сотрудничество было-бы очень важно.
2. Противники России в ЕС могут очень просто дискредитировать ЕРА как "рука Москвы". Это уже происходит в эстонской прессе: Postimees, где член Европарламента от Эстонии г. Тунне Келам отмечает: «Это официальное мероприятие России, только в мягкой форме. Форум является частью российской пропаганды, с помощью которой Москва пытается отвлечь внимание от проблем в отношениях между ЕС и Россией, использовать в своих интересах депутатов Европарламента»
3. Как Вы знаете отношения ЕС-Россия в данный момент не самые лучшие. Это означает что если Россия будет пытаться достичь своих целей с помощью альянса, то Европарламент не будет воспринимать альянс как представительство русских в Европе, а как представительство России в Европе и соответственно с ним общаться.
4. Цели и интересы России и цели и интересы русских в Европе очень различны. В то время когда Россия организует программы для возвращения соотечественников на родину, отклик среди европейских русских очень слаб. Подавляющее большинство русских в ЕС хочет там остаться и налаживать свою жизнь именно в нынешней стране проживания а не в России. С моей точки зрения именно налаживание проживание и интеграция без потери национальности это должна быть основной задачей альянса.
Мне хотелось-бы узнать Ваше мнение о вышеописанных пунктах и я буду очень благодарен за Ваш ответ.
С уважением
Montag, Oktober 08, 2007
Estland im Herbst
Politische Kultur in Estland
In den letzten Wochen kamen gleich drei hohe Vertreter von verschiedenen internationalen Organisationen nach Estland, um mit eigenen Augen zu sehen, ob die Minderheitsrechte dort verletzt werden. Die Art des Umgangs mit allen dreien sagt vieles über die politische Kultur in Estland aus.
Als erster kam der Präsident der Parlamentarischen Versammung des Europarates René van der Linden, der gefordert hat allen Nichtesten Wahlrecht einzuräumen. Was er nicht erwähnte, war dass das Kommunalwahlrecht für Ausländer durchaus zur Verfügung steht, was eine Welle der Empörung unter den estnischen Politikern auslöste. Der Reformist Igor Grjazin forderte van der Linden vors Gericht wegen Verleumdung zu stellen, Kristiina Ojuland forderte van der Linden zum Rücktritt auf und Marko Mihkelson beschuldigte van der Linden private wirtschaftliche Interessen in Moskau zu haben. Das brachte den Fass endgültig zum Überlaufen, van der Linden verlangte Beweise und eine Entschuldigung, beides blieb Herr Mihkelson bisher schuldig.
Als zweites kam der Sonderbeauftragte der UNESCO für Menschenrechte, Doudou Dien nach Tallinn und forderte die Gleichstellung der russischen Sprache mit der estnischen als Staatssprache. Dien kommt aus Senegal, was unter anderem von Jürgen Ligi (der frühere Verteidigungsminister) mit rassistischen Sprüchen quittiert wurde. Da sind die estnischen Politiker nicht allein, denn nach dem Besuch von Dien in der Schweiz und seiner Kritik an den Behandlung von Ausländern dort, hat die rechte SVP ganz ähnliche Geschütze aufgefahren.
Der letzte Besuch kam schliesslich vom Kommissaren des Europarates für Menschenrechte Thomas Hammaberg. Er forderte eine vereinfachte Prozedur für die Staatsbürgerschaft, dass die geborenen Kinder automatisch estnische Staatsbürger werden und nicht nur wenn die Eltern dies gesondert beantragen müssen. Ausserdem kam auch die Frage nach dem Status der russischen Sprache hoch. Die Antwort kam vom estnischen Präsidenten selbst. In einem Interview der Zeitung Valgamaalane sagte er, dass man keine Beachtung der feindlichen Propaganda schenken sollte und die Vertreter der Organisationen lieber Deutschland Ratschläge geben sollten, denn dort leben 4 Mio Türken und Türkisch ist keine Staatssprache.
Dazu muss man wissen, dass in Osteuropa und Russland Deutschland als Musterbeispiel für verfehlte Integrationspolitik gilt, wo Millionen von Ausländern sich nicht integrieren wollen und die deutsche Städte zu türkischen Metropolen mutiert sind. Was Herr Ilves vergisst, ist, dass in Deutschland Türken höchstens 5% der Bevölkerung darstellen, in Estland ist die russischsprachige Bevölkerung mind. 25%, also 5 Mal mehr. Warum denn nicht andere Beispiele anschauen, wie Finnland, wo 10% der Schweden ihre Staatssprache haben, oder wieviele Prozent der Schweizer sprechen eigentlich Rätoromanisch? Und wie ist es in Südafrika, ein Land das Herr Ilves schon mal als Beispiel angeführt hat, um die veränderte Machtverhältnisse in Estland zu demonstrieren? Die Südafrikanische Republik hat 10 Staatssprachen, darunter Englisch und Afrikaans. Wenn ich eine Bitte äussern dürfte, kann Herr Ilves sich bitte vorher informieren über was er spricht, bevor er in Interviews solche Unwissenheit zum Besten gibt? Oder versucht er das Volk gezielt für blöd zu verkaufen?
Eine Bombe ganz anderen Art ist letzte Woche in der russisch-sprachigen Gemeinde hochgegangen. Es wurde bekannt, dass Dimitry Klenskij zusammen mit Mark Sirik, Maksim Reva und Dmitrij Linter (die beiden letztgenannten sind seit April in U-Haft) der Organisation der Aprilunruhen beschuldigt wird und alle vier demnächst vor Gericht kommen werden. Im Fall der Verurteilung drohen ihnen bis zu 5 Jahre Haft. Dimitrij Klenskij, ein ehemaliger Journalist, ist heute die sichtbarste Figur von Notchnoj Dozor und der lautstärkste ausserparlamentarische Kritiker der estnischen Regierung. Trotzdem hat er nur wenige Unterstützer, eine politische Gefahr stellt er nicht dar, der Mehrheit der Bevölkerung gilt er als Spinner. Doch offenbar reicht eine lautstarke Kritik, ein paar Kundgebungen für die inhaftierten Notchnoj Dozor Mitglieder und Versuche Demonstrationen anzumelden, um in Estland hinter Gitter zu kommen. Ich betone, dass ich die Ansichten von Klenskij nicht teile, bin aber der Meinung, dass eine Demokratie solche Angriffe aushalten können muss, ohne den Kritiker gleich mundtot machen zu müssen. Auch das gehört zur politischen Kultur.
Jüdisches Museum Berlin
Letzte Woche war ich in Berlin im Jüdischen Museum. Neben sehr beeindruckenden Architektur des Museums und vielen Einfällen sich mit dem schwierigen Thema der Geschichte der Juden in Europa zu beschäftigen, hat mich der Stand über die Judenemanzipation im 19. Jahrhundert in Preussen zum Nachdenken gebracht. Rechtlich wurden die Juden zwar den Deutschen gleichgestellt, allerdings um eine Stelle als Professor oder als Beamter zu bekommen, mussten sie sich taufen lassen. Diejenigen, die sich der jüdischen Religion nicht verpflichtet fühlten hatten kein moralisches Problem sich taufen zu lassen, denn gläubig wurden sie nach der Taufe ebenso wenig. Doch alle getauften Juden fühlten sich anschliessend nicht den Christen gleichgestellt, sondern eher als "getaufter Jude" immer noch als Mensch zweiter Klasse, der am Namen, an der Aussprache trotzdem erkannt und nicht wirklich akzeptiert wurde. Der bekannteste "getaufte Jude" war Heinrich Heine, der das Leben in Deutschland nicht mehr ausgehalten hat und nach Frankreich auswanderte. Wer hier Parallelen sieht, kann sie behalten.
Letzte Woche fand in Estland eine Präsentation der soziologischen Befragung unter dem Titel "Zwischennationale Beziehungen und Perspektiven der Integration in Estland". Es wurden 675 Esten und 332 Vertreter der anderen Nationalitäten befragt. Die Ergebnisse stimmen einen sehr pessimistisch:
- 52% der Esten und 69% der Russen finden bisherige Integration erfolglos
- 88% der Esten geben dafür die Schuld den Russen, während 25% der Russen damit einverstanden sind
- 88% der Russen meint, dass die Esten selbst nicht am Integrationsprozess beteiligt sind und 93% findet, dass der estnischen Sprache zu hoher Stellenwert eingeräumt wird. Nur 30% der Esten sind damit einverstanden
- 81% der Esten finden, dass die Russen die estnische Geschichte nicht verstehen. 41% der Russen sind damit einverstanden
- 73% der Russen sagen, dass die Esten nicht verstehen, wie wichtig der Sieg für die Russen war, 35% der Esten behaupten dass auch
- 75% der Nichtesten stimmten zu, dass unter der Integration eher Assimilierung verstanden wird, sie sich als Leute zweiter Klasse vorkommen, weniger Rechte haben und von der Regierung nicht ernstgenommen werden. 20% der Esten sind damit einverstanden
- Nur 4% der Russen identifiziert sich mit Russland, wobei 20% der Befragten russische Staatsbürger waren
- 69'% der Esten beanspruchten für sich gute bis sehr gute Kenntnisse der russischen Sprache. 51% der Nichtesten behaupteten das von sich bzgl. der estnischen Sprache. Bei der letzten Befragung im Jahr 2000 waren das 7% mehr bei Esten und 7% weniger bei Nichtersten.
- 89% der Esten unterstützt den Übergang von russischen Schulen auf die Ausbildung auf Estnisch. 31% der Russen haben dieselbe Meinung.
- 92% der Russen schauen jeden Tag russische Sender.
Im Anschluss an die Präsentation wurden folgende Schlüsse gezogen:
- Zum ersten Mal wurde anerkannt, dass für eine erfolgreiche Integration weder die estnische Staatsbürgerschaft noch die Kenntnis der estnischen Sprache als Erfolgsfaktoren gelten können. Beides sind keine Voraussetzungen für die Loyalität dem Staat gegenüber
- Russen sollen und haben das Recht Informationen in ihrer Muttersprache zu bekommen und es ist nichts Gefährliches daran.
- Das Integrationsprozess muss man auch auf die Esten und die Machthabenden richten.
In den letzten Wochen kamen gleich drei hohe Vertreter von verschiedenen internationalen Organisationen nach Estland, um mit eigenen Augen zu sehen, ob die Minderheitsrechte dort verletzt werden. Die Art des Umgangs mit allen dreien sagt vieles über die politische Kultur in Estland aus.
Als erster kam der Präsident der Parlamentarischen Versammung des Europarates René van der Linden, der gefordert hat allen Nichtesten Wahlrecht einzuräumen. Was er nicht erwähnte, war dass das Kommunalwahlrecht für Ausländer durchaus zur Verfügung steht, was eine Welle der Empörung unter den estnischen Politikern auslöste. Der Reformist Igor Grjazin forderte van der Linden vors Gericht wegen Verleumdung zu stellen, Kristiina Ojuland forderte van der Linden zum Rücktritt auf und Marko Mihkelson beschuldigte van der Linden private wirtschaftliche Interessen in Moskau zu haben. Das brachte den Fass endgültig zum Überlaufen, van der Linden verlangte Beweise und eine Entschuldigung, beides blieb Herr Mihkelson bisher schuldig.
Als zweites kam der Sonderbeauftragte der UNESCO für Menschenrechte, Doudou Dien nach Tallinn und forderte die Gleichstellung der russischen Sprache mit der estnischen als Staatssprache. Dien kommt aus Senegal, was unter anderem von Jürgen Ligi (der frühere Verteidigungsminister) mit rassistischen Sprüchen quittiert wurde. Da sind die estnischen Politiker nicht allein, denn nach dem Besuch von Dien in der Schweiz und seiner Kritik an den Behandlung von Ausländern dort, hat die rechte SVP ganz ähnliche Geschütze aufgefahren.
Der letzte Besuch kam schliesslich vom Kommissaren des Europarates für Menschenrechte Thomas Hammaberg. Er forderte eine vereinfachte Prozedur für die Staatsbürgerschaft, dass die geborenen Kinder automatisch estnische Staatsbürger werden und nicht nur wenn die Eltern dies gesondert beantragen müssen. Ausserdem kam auch die Frage nach dem Status der russischen Sprache hoch. Die Antwort kam vom estnischen Präsidenten selbst. In einem Interview der Zeitung Valgamaalane sagte er, dass man keine Beachtung der feindlichen Propaganda schenken sollte und die Vertreter der Organisationen lieber Deutschland Ratschläge geben sollten, denn dort leben 4 Mio Türken und Türkisch ist keine Staatssprache.
Dazu muss man wissen, dass in Osteuropa und Russland Deutschland als Musterbeispiel für verfehlte Integrationspolitik gilt, wo Millionen von Ausländern sich nicht integrieren wollen und die deutsche Städte zu türkischen Metropolen mutiert sind. Was Herr Ilves vergisst, ist, dass in Deutschland Türken höchstens 5% der Bevölkerung darstellen, in Estland ist die russischsprachige Bevölkerung mind. 25%, also 5 Mal mehr. Warum denn nicht andere Beispiele anschauen, wie Finnland, wo 10% der Schweden ihre Staatssprache haben, oder wieviele Prozent der Schweizer sprechen eigentlich Rätoromanisch? Und wie ist es in Südafrika, ein Land das Herr Ilves schon mal als Beispiel angeführt hat, um die veränderte Machtverhältnisse in Estland zu demonstrieren? Die Südafrikanische Republik hat 10 Staatssprachen, darunter Englisch und Afrikaans. Wenn ich eine Bitte äussern dürfte, kann Herr Ilves sich bitte vorher informieren über was er spricht, bevor er in Interviews solche Unwissenheit zum Besten gibt? Oder versucht er das Volk gezielt für blöd zu verkaufen?
Eine Bombe ganz anderen Art ist letzte Woche in der russisch-sprachigen Gemeinde hochgegangen. Es wurde bekannt, dass Dimitry Klenskij zusammen mit Mark Sirik, Maksim Reva und Dmitrij Linter (die beiden letztgenannten sind seit April in U-Haft) der Organisation der Aprilunruhen beschuldigt wird und alle vier demnächst vor Gericht kommen werden. Im Fall der Verurteilung drohen ihnen bis zu 5 Jahre Haft. Dimitrij Klenskij, ein ehemaliger Journalist, ist heute die sichtbarste Figur von Notchnoj Dozor und der lautstärkste ausserparlamentarische Kritiker der estnischen Regierung. Trotzdem hat er nur wenige Unterstützer, eine politische Gefahr stellt er nicht dar, der Mehrheit der Bevölkerung gilt er als Spinner. Doch offenbar reicht eine lautstarke Kritik, ein paar Kundgebungen für die inhaftierten Notchnoj Dozor Mitglieder und Versuche Demonstrationen anzumelden, um in Estland hinter Gitter zu kommen. Ich betone, dass ich die Ansichten von Klenskij nicht teile, bin aber der Meinung, dass eine Demokratie solche Angriffe aushalten können muss, ohne den Kritiker gleich mundtot machen zu müssen. Auch das gehört zur politischen Kultur.
Jüdisches Museum Berlin
Letzte Woche war ich in Berlin im Jüdischen Museum. Neben sehr beeindruckenden Architektur des Museums und vielen Einfällen sich mit dem schwierigen Thema der Geschichte der Juden in Europa zu beschäftigen, hat mich der Stand über die Judenemanzipation im 19. Jahrhundert in Preussen zum Nachdenken gebracht. Rechtlich wurden die Juden zwar den Deutschen gleichgestellt, allerdings um eine Stelle als Professor oder als Beamter zu bekommen, mussten sie sich taufen lassen. Diejenigen, die sich der jüdischen Religion nicht verpflichtet fühlten hatten kein moralisches Problem sich taufen zu lassen, denn gläubig wurden sie nach der Taufe ebenso wenig. Doch alle getauften Juden fühlten sich anschliessend nicht den Christen gleichgestellt, sondern eher als "getaufter Jude" immer noch als Mensch zweiter Klasse, der am Namen, an der Aussprache trotzdem erkannt und nicht wirklich akzeptiert wurde. Der bekannteste "getaufte Jude" war Heinrich Heine, der das Leben in Deutschland nicht mehr ausgehalten hat und nach Frankreich auswanderte. Wer hier Parallelen sieht, kann sie behalten.
Letzte Woche fand in Estland eine Präsentation der soziologischen Befragung unter dem Titel "Zwischennationale Beziehungen und Perspektiven der Integration in Estland". Es wurden 675 Esten und 332 Vertreter der anderen Nationalitäten befragt. Die Ergebnisse stimmen einen sehr pessimistisch:
- 52% der Esten und 69% der Russen finden bisherige Integration erfolglos
- 88% der Esten geben dafür die Schuld den Russen, während 25% der Russen damit einverstanden sind
- 88% der Russen meint, dass die Esten selbst nicht am Integrationsprozess beteiligt sind und 93% findet, dass der estnischen Sprache zu hoher Stellenwert eingeräumt wird. Nur 30% der Esten sind damit einverstanden
- 81% der Esten finden, dass die Russen die estnische Geschichte nicht verstehen. 41% der Russen sind damit einverstanden
- 73% der Russen sagen, dass die Esten nicht verstehen, wie wichtig der Sieg für die Russen war, 35% der Esten behaupten dass auch
- 75% der Nichtesten stimmten zu, dass unter der Integration eher Assimilierung verstanden wird, sie sich als Leute zweiter Klasse vorkommen, weniger Rechte haben und von der Regierung nicht ernstgenommen werden. 20% der Esten sind damit einverstanden
- Nur 4% der Russen identifiziert sich mit Russland, wobei 20% der Befragten russische Staatsbürger waren
- 69'% der Esten beanspruchten für sich gute bis sehr gute Kenntnisse der russischen Sprache. 51% der Nichtesten behaupteten das von sich bzgl. der estnischen Sprache. Bei der letzten Befragung im Jahr 2000 waren das 7% mehr bei Esten und 7% weniger bei Nichtersten.
- 89% der Esten unterstützt den Übergang von russischen Schulen auf die Ausbildung auf Estnisch. 31% der Russen haben dieselbe Meinung.
- 92% der Russen schauen jeden Tag russische Sender.
Im Anschluss an die Präsentation wurden folgende Schlüsse gezogen:
- Zum ersten Mal wurde anerkannt, dass für eine erfolgreiche Integration weder die estnische Staatsbürgerschaft noch die Kenntnis der estnischen Sprache als Erfolgsfaktoren gelten können. Beides sind keine Voraussetzungen für die Loyalität dem Staat gegenüber
- Russen sollen und haben das Recht Informationen in ihrer Muttersprache zu bekommen und es ist nichts Gefährliches daran.
- Das Integrationsprozess muss man auch auf die Esten und die Machthabenden richten.
Samstag, September 22, 2007
Stell Dir vor es ist Krieg und keiner merkt's
Im Mai direkt nach den Bronzenen Nächten wurden die Befürchtungen gross, dass Russland wirtschaftliche Sanktionen gegen Estland verhängen könnte. Offiziell kann sich Russland zwar diesen Schritt nicht erlauben, in Rücksicht auf die EU und mit der Aussicht auf die Aufnahme in WTO, doch wurde erwartet, dass inoffiziell entsprechende Verordnungen erlassen werden. Estnische Politiker haben vorsorglich vorgerechnet, dass die Wirtschaftsleistung des Transitverkehrs ca. 3-4% des Brutto-Inland-Produktes Estlands beträgt und Russland ein eher unwichtiger Handelspartner ist. Unmittelbar schien es keine Auswirkungen zu geben, zwar haben einige russische Handelsketten lautstark verkündet estnische Waren aus dem Sortiment zu nehmen, aber der Transit schien nicht abgenommen zu haben. Doch erst jetzt fängt man die vollen Auswirkungen der Wirtschaftskrieges (und ich nenne es bewusst Wirtschaftskrieg) zu spüren.
- Zuerst ein Beispiel aus meinem Bekanntenkreis. Er hat versucht in einem russischen Versandhandel als Privatperson elektronische Bauteile zu bestellen, was jahrelang ohne Probleme möglich war. Jetzt hat die russische Post sich geweigert Postsendungen nach Estland zuzustellen.
- Die Lastwagenschlangen an der russisch-estnischen Grenze dauern 9 Tage. Eine Lastwagenladung von Estland nach Moskau überzufahren kostete früher 20000 Kronen, jetzt kostet solch eine Überfahrt 40000 Kronen.
- Russischer Zoll soll eine Liste bekommen haben, auf der 29 estnische Transportfirmen verzeichnet sind (King Cargo OÜ, Tarmo Trans OÜ, Autobaas OÜ, Transiitveod AS, Veles Avto OÜ, Logolos OÜ, Raku Transpordi OÜ, Viva Trans OÜ, Murin OÜ, Allante Transport AS, Massiner OÜ, Mortimer Grupp OÜ, Astep OÜ, Hermor OÜ, Levekol AS, Triolena OÜ, Solidago AS, Oma Auto OÜ, Krotona OÜ, MNC Transport OÜ, Vjana OÜ, Veovägi OÜ, Ortal OÜ, Paniver OÜ, Ritolan OÜ, Legerotti OÜ, Ferry Ins OÜ, Pärnu Auto ETM OÜ, Järwa Trans OÜ), wobei die Liste dauernd erweitert wird. Die Lastwägen dieser Firmen werden an der Grenze besonders gründlich überprüft. Die Überprüfung dauert 2-3 Tage und kostet dem Fahrer 16000 Rubel. Wenn die Überprüfung in Ordnung war, darf der Lastwagen bis zum Zollamt des Zielortes nur in Begleitung eines Spezialkonvois fahren. Solche Konvois werden nicht jeden Tag zusammengestellt, was wieder zur Verzögerung führt. Beim Zollamt des Zielortes wird der Lastwagen erneut geprüft. Und erst nachdem die Ware versteuert und verzollt wurde, kann sie an den Empfänger geschickt werden.
- Druck wird auch von der Seite der Steuerinspektion gemacht. Es gibt Berichte, dass russische Businesspartner sich zurückziehen, wenn sie erfahren, dass sie mit einer estnischen Firma zu tun haben. Als Konsequenz wird versucht die Firma in einem anderen Land z.B. in Finnland oder in Litauen zu registrieren, was Zeit und Geld kostet.
- Unter den am meisten Betroffenen ist die estnische Eisenbahn, deren Hauptgeschäft bis jetzt Transit auf der Ost-West Achse gewesen ist. Im Vergleich zum Anfang des Jahres hat die (erneut verstaatlichte) Eisenbahn bis zu 40% weniger Waren transportieren können. Als Konsequenz werden voraussichtlich 200 Mitarbeiter entlassen.
Alle diese Beispiele schädigen estnische Wirtschaft viel mehr als der Cyberkrieg, der von der Parlamentsspeakerin Ene Ergma mit einer atomaren Explosion verglichen wurde und den der Verteidigungsminister schon als einen bewaffneten Angriff auf einen NATO-Staat definierte. Doch in diesen Fällen bleibt die estnische Regierung merkwürdig still, kein Kommentar, keine Bitten um Unterstützung, keine lauten Aussagen, nichts. Warum ist das so? Vielleicht weil man wider jeder wirtschaftlichen Vernunft alles versucht, so wenig Kontakte mit Russland wie möglich zu haben? Weil viele der Beschäftigten in Transit selbst Russen sind und so am meisten von den Entlassungen betroffen werden? Vielleicht lag der Sinn des lauten Gebärens während der Cyberattacken ganz wo anders, nämlich in der Einrichtung eines NATO-Kompetenzzentres für Internet-Attacken in Estland? Natürlich liegt die Hauptverantwortung für die Blockade bei Russland, wo Politik ihre nationalistische Karte ausspielt und damit bei der Bevölkerung auf volle Zustimmung stößt, doch scheint in diesem Fall die estnische Regierung mitzuspielen, obwohl ein lautstarker Protest und Druck auf EU und andere Wirtschaftsverbünde hier mehr als angemessen wäre.
Der Fall Nord Stream
Eine neue Front hat sich gerade erst eröffnet. Am 20. September hat die estnische Regierung dem Konsortium Nord Stream offiziell die Erlaubnis verweigert, Gewässer in der estnischen ausschliesslichen Wirtschaftszone zu erkunden, weil bei der Erkundung Hinweise auf den Umfang der Bodenschätze am Meeresboden und ihre Nutzung geben könnte. Wie es aussieht wurde die Hoffnung noch nicht begraben Öl im Finnischen Meerbusen zu finden. Um zu verstehen, warum eine solche hanebüchene Begründung notwendig wurde, muss man die Definition der "Ausschliesslichen Wirtschaftszone" begreifen. Der Unterschied zu den Hoheitsgewässern, die lediglich 12 Seemeilen betragen, und in denen alle Gesetze des Staates gelten, ist, dass in der 200 Seemeilen umfassenden Wirtschaftszone der Staat zwar ein Vorrecht auf die wirtschaftliche Nutzung hat, also Fischerei, Nutzung der Bodenschätze, aber kaum ein Recht hat, Verlegung von Kabeln oder Röhren zu verbieten, es sei denn, seine Wirtschaftsinteressen werden dadurch beeinträchtigt. Deswegen wurde es notwendig eine Erklärung zu finden, wie die Erforschung des Meeresbodens für Gaspipeline unmittelbar auf die estnische Wirtschaft Einfluss haben könnte. Mit dieser Entscheidung, die übrigens der Empfehlung des Aussenministeriums widerspricht, stösst Estland vor den Kopf nicht nur der Nord Stream AG mit dem Vorstandsvorsitzenden Gerhard Schröder und der Muttergesellschaft Gazprom, sondern auch allen EU-Ländern, die an die Gaspipeline angebunden werden wollen (zur Zeit sind es Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Großbritannien und Frankreich, ausserdem gibt es Planungen Lettland einzubinden). Estland verspielt jede Chance sich an den Planungen zu beteiligen, bei der Durchführung des Projektes sich einzubringen (was finanziell durchaus lukrativ ist) und beim Betrieb der Pipeline einen Servicehafen zu bekommen, was durchaus in Gespräch war. Aber das passt zu allem obenbeschriebenen sehr genau. Der Wunsch möglichst keine Wirtschaftsbeziehungen mit Russland zu haben ist größer, als jede Chance die Ökonomie des Landes zu stärken.
Auszüge aus dem Interview mit dem estnischen Akademiker Michael Bronstein, der von 1991-1995 als Wirtschaftsberater in der estnischen Botschaft in Moskau gearbeitet hat und dessen Spezialgebiet Logistik und Transit sind. Das Interview erschien bevor die Entscheidung der estnischen Regierung über die Anfrage von Nord Stream bekannt wurde:
- Wie beurteilen sie den Zustand des estnischen Transits im Vergleich zum letzten Jahr?
- Vor einem Jahr waren wir das am weitesten entwickelte Transitland unter den baltischen Ländern. Der durch Estland gehende Transitverkehr hat sich am dynamischsten entwickelt. Das hatte Vorteile sowohl für Russland, als auch für Estland. Russland hatte Vorteile, weil als ich in der estnischen Botschaft in Moskau gearbeitet habe und der Premier-Minister Tiit Vähi war, haben wir mir Russland ein Abkommen geschlossen, in dem wir einen zollfreien Transit angeboten haben.
- Wie beurteilen Sie die Aussagen einiger unsere politisch Aktiven, dass der Anteil der Transits an unserem Bruttoinlandsprodukt nicht bedeutsam ist?
- seinerzeit hat auch Andrus Ansip behauptet, dass nach der Beurteilung der Experten der Anteil 3-4 Prozent beträgt. Vor kurzem erschien ein Artikel in Postimees von dem Experten Raivo Vare, wo er über komplett andere Zahlen spricht. Tõnis Palts schreibt, dass er 5-10 Prozent beträgt, aber auch er untertreibt. Transit ist nicht nur Warenfluss, aber auch das was man bei euch in Ida-Virumaa erzeugt und exportiert auf der Basis der russischen Rohstoffe. Transit sind auch die Geldflüsse und logistische Systeme. Wenn man alles in Betracht zieht was uns mit Russland verbindet, dann wirkt unser östlicher Nachbar auf 25-30% unseres BIPs aus. Das wir jetzt ca. die Hälfte des Transits verloren haben, hat sich gleich auf einer rasanten Verlangsamung des Wachstums unseres BIPs gezeigt. Transit ist eine Balance der Wirtschaft, der besonders wichtig ist im Umfeld der bei uns anfangenden wirtschaftlichen Depression.
- Kann man diese Sanktionen seitens Russland, als staatlich verordnete wahrnehmen?
- Offiziell hat Russland keine Sanktionen erlassen, aber durch bestimmte Kanäle wurden entsprechende Verordnungen erlassen, dass die russischen Transfers und Kapital Estland verlassen sollten, da es ein unfreundlicher Staat ist. Umfragen zeigen, dass 60 Prozent der Russen Estland als ein feindliches Staat ansehen.
- Das ist hauptsächlich ein Ergebnis der Propaganda...
- Natürlich ist das ein Ergebnis der Propaganda. In Russland sind Wahlen vor der Tür, öfters dominiert Politik über Business - wie in Russland, so auch bei uns. Aber wir geben ständig Gründe für Russland für die Durchführung dieser Schritte.
- Also ihrer Meinung nach in schlechten estnisch-russischen Beziehungen immer ist hauptsächlich Estland schuld?
- Beide Seiten sind schuld. Wie bei uns so auch in Russland gibt es Politiker, die Karriere durch Entfachung zwischennationaler und zwischenstaatlicher Konflikte bauen. Aber es sollten wirtschaftliche Interessen dominieren. Wir mussten unsere politische Unabhängigkeit wiedererlangen, mussten der EU beitreten, aber es bedeutet nicht, dass wir unseren östlichen Markt verlieren sollten. Lettland, zum Beispiel war zuerst viel kritischer Russland gegenüber eingestellt als Estland und sie haben auch Probleme bekommen. Doch hat Lettland ihre feindliche Rhetorik Russland gegenüber aufgegeben und fängt gerade an die Sahne des Transits abzuschöpfen. Und nicht nur den russischen, sondern auch den chinesischen.
- Und was sollten wir tun?
- Zuerst unsere geopolitische Lage begreifen. Nach der Expertenbewertung eine richtige Nutzung der Brückenfunktion zwischen Ost und West erhöht unser Ressourcenpotential um 30 Prozent. Wenn wir uns in europäische Sackgasse verwandeln, verlieren wir 30 Prozent. Wenn ich die letzten Aussagen von Andrus Ansip lese, sehe ich, dass sie viel ausgewogener geworden sind, als die früheren. Zum Beispiel auch diejenigen, die die Verlegung der Gaspipeline durch das Wirtschaftsgewässer Estlands angeht (wie gesagt, das Interview wurde vor der Entscheidung geführt. Anm. des Übersetzers).
- Waren Sie Teil der Gruppe der estnischen Akademiker, die das Projekt der Gaspipeline kategorisch verneint haben und der Meinung sind, dass Estland es nicht erlauben sollte die Pipeline in ihrem Wirtschaftsgewässer durchzulegen?
- Nein, auf keinen Fall. Übrigens ist es nicht Entscheidung der Akademie der Wissenschaften. Die Rede ist von einer kleinen Gruppe von Akademikern, die von von mir geschätztem Akademiker Endel Lippmaa geleitet werden, und über die ernsthafte Risiken, die die Umwelt betreffen, sprechen. Gleichzeitig bieten alle drei baltischen Länder an, die Pipeline quer durch ihr Territorium zu verlegen - wäre das ohne Risiko? Russland hat abgelehnt, weil es traurige Erfahrungen mit Weissrussland und Ukraine hat.
Ein Nachtrag zum Artikel über Energieversorgung Estlands. Ich habe diesen interessanten Artikel gefunden (bei Interesse kann ich ihn übersetzen). Vielleicht sollte sich Estland genauer mit dieser Möglichkeit auseinandersetzen, Kohle auf Spitzbergen abzubauen?
- Zuerst ein Beispiel aus meinem Bekanntenkreis. Er hat versucht in einem russischen Versandhandel als Privatperson elektronische Bauteile zu bestellen, was jahrelang ohne Probleme möglich war. Jetzt hat die russische Post sich geweigert Postsendungen nach Estland zuzustellen.
- Die Lastwagenschlangen an der russisch-estnischen Grenze dauern 9 Tage. Eine Lastwagenladung von Estland nach Moskau überzufahren kostete früher 20000 Kronen, jetzt kostet solch eine Überfahrt 40000 Kronen.
- Russischer Zoll soll eine Liste bekommen haben, auf der 29 estnische Transportfirmen verzeichnet sind (King Cargo OÜ, Tarmo Trans OÜ, Autobaas OÜ, Transiitveod AS, Veles Avto OÜ, Logolos OÜ, Raku Transpordi OÜ, Viva Trans OÜ, Murin OÜ, Allante Transport AS, Massiner OÜ, Mortimer Grupp OÜ, Astep OÜ, Hermor OÜ, Levekol AS, Triolena OÜ, Solidago AS, Oma Auto OÜ, Krotona OÜ, MNC Transport OÜ, Vjana OÜ, Veovägi OÜ, Ortal OÜ, Paniver OÜ, Ritolan OÜ, Legerotti OÜ, Ferry Ins OÜ, Pärnu Auto ETM OÜ, Järwa Trans OÜ), wobei die Liste dauernd erweitert wird. Die Lastwägen dieser Firmen werden an der Grenze besonders gründlich überprüft. Die Überprüfung dauert 2-3 Tage und kostet dem Fahrer 16000 Rubel. Wenn die Überprüfung in Ordnung war, darf der Lastwagen bis zum Zollamt des Zielortes nur in Begleitung eines Spezialkonvois fahren. Solche Konvois werden nicht jeden Tag zusammengestellt, was wieder zur Verzögerung führt. Beim Zollamt des Zielortes wird der Lastwagen erneut geprüft. Und erst nachdem die Ware versteuert und verzollt wurde, kann sie an den Empfänger geschickt werden.
- Druck wird auch von der Seite der Steuerinspektion gemacht. Es gibt Berichte, dass russische Businesspartner sich zurückziehen, wenn sie erfahren, dass sie mit einer estnischen Firma zu tun haben. Als Konsequenz wird versucht die Firma in einem anderen Land z.B. in Finnland oder in Litauen zu registrieren, was Zeit und Geld kostet.
- Unter den am meisten Betroffenen ist die estnische Eisenbahn, deren Hauptgeschäft bis jetzt Transit auf der Ost-West Achse gewesen ist. Im Vergleich zum Anfang des Jahres hat die (erneut verstaatlichte) Eisenbahn bis zu 40% weniger Waren transportieren können. Als Konsequenz werden voraussichtlich 200 Mitarbeiter entlassen.
Alle diese Beispiele schädigen estnische Wirtschaft viel mehr als der Cyberkrieg, der von der Parlamentsspeakerin Ene Ergma mit einer atomaren Explosion verglichen wurde und den der Verteidigungsminister schon als einen bewaffneten Angriff auf einen NATO-Staat definierte. Doch in diesen Fällen bleibt die estnische Regierung merkwürdig still, kein Kommentar, keine Bitten um Unterstützung, keine lauten Aussagen, nichts. Warum ist das so? Vielleicht weil man wider jeder wirtschaftlichen Vernunft alles versucht, so wenig Kontakte mit Russland wie möglich zu haben? Weil viele der Beschäftigten in Transit selbst Russen sind und so am meisten von den Entlassungen betroffen werden? Vielleicht lag der Sinn des lauten Gebärens während der Cyberattacken ganz wo anders, nämlich in der Einrichtung eines NATO-Kompetenzzentres für Internet-Attacken in Estland? Natürlich liegt die Hauptverantwortung für die Blockade bei Russland, wo Politik ihre nationalistische Karte ausspielt und damit bei der Bevölkerung auf volle Zustimmung stößt, doch scheint in diesem Fall die estnische Regierung mitzuspielen, obwohl ein lautstarker Protest und Druck auf EU und andere Wirtschaftsverbünde hier mehr als angemessen wäre.
Der Fall Nord Stream
Eine neue Front hat sich gerade erst eröffnet. Am 20. September hat die estnische Regierung dem Konsortium Nord Stream offiziell die Erlaubnis verweigert, Gewässer in der estnischen ausschliesslichen Wirtschaftszone zu erkunden, weil bei der Erkundung Hinweise auf den Umfang der Bodenschätze am Meeresboden und ihre Nutzung geben könnte. Wie es aussieht wurde die Hoffnung noch nicht begraben Öl im Finnischen Meerbusen zu finden. Um zu verstehen, warum eine solche hanebüchene Begründung notwendig wurde, muss man die Definition der "Ausschliesslichen Wirtschaftszone" begreifen. Der Unterschied zu den Hoheitsgewässern, die lediglich 12 Seemeilen betragen, und in denen alle Gesetze des Staates gelten, ist, dass in der 200 Seemeilen umfassenden Wirtschaftszone der Staat zwar ein Vorrecht auf die wirtschaftliche Nutzung hat, also Fischerei, Nutzung der Bodenschätze, aber kaum ein Recht hat, Verlegung von Kabeln oder Röhren zu verbieten, es sei denn, seine Wirtschaftsinteressen werden dadurch beeinträchtigt. Deswegen wurde es notwendig eine Erklärung zu finden, wie die Erforschung des Meeresbodens für Gaspipeline unmittelbar auf die estnische Wirtschaft Einfluss haben könnte. Mit dieser Entscheidung, die übrigens der Empfehlung des Aussenministeriums widerspricht, stösst Estland vor den Kopf nicht nur der Nord Stream AG mit dem Vorstandsvorsitzenden Gerhard Schröder und der Muttergesellschaft Gazprom, sondern auch allen EU-Ländern, die an die Gaspipeline angebunden werden wollen (zur Zeit sind es Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Großbritannien und Frankreich, ausserdem gibt es Planungen Lettland einzubinden). Estland verspielt jede Chance sich an den Planungen zu beteiligen, bei der Durchführung des Projektes sich einzubringen (was finanziell durchaus lukrativ ist) und beim Betrieb der Pipeline einen Servicehafen zu bekommen, was durchaus in Gespräch war. Aber das passt zu allem obenbeschriebenen sehr genau. Der Wunsch möglichst keine Wirtschaftsbeziehungen mit Russland zu haben ist größer, als jede Chance die Ökonomie des Landes zu stärken.
Auszüge aus dem Interview mit dem estnischen Akademiker Michael Bronstein, der von 1991-1995 als Wirtschaftsberater in der estnischen Botschaft in Moskau gearbeitet hat und dessen Spezialgebiet Logistik und Transit sind. Das Interview erschien bevor die Entscheidung der estnischen Regierung über die Anfrage von Nord Stream bekannt wurde:
- Wie beurteilen sie den Zustand des estnischen Transits im Vergleich zum letzten Jahr?
- Vor einem Jahr waren wir das am weitesten entwickelte Transitland unter den baltischen Ländern. Der durch Estland gehende Transitverkehr hat sich am dynamischsten entwickelt. Das hatte Vorteile sowohl für Russland, als auch für Estland. Russland hatte Vorteile, weil als ich in der estnischen Botschaft in Moskau gearbeitet habe und der Premier-Minister Tiit Vähi war, haben wir mir Russland ein Abkommen geschlossen, in dem wir einen zollfreien Transit angeboten haben.
- Wie beurteilen Sie die Aussagen einiger unsere politisch Aktiven, dass der Anteil der Transits an unserem Bruttoinlandsprodukt nicht bedeutsam ist?
- seinerzeit hat auch Andrus Ansip behauptet, dass nach der Beurteilung der Experten der Anteil 3-4 Prozent beträgt. Vor kurzem erschien ein Artikel in Postimees von dem Experten Raivo Vare, wo er über komplett andere Zahlen spricht. Tõnis Palts schreibt, dass er 5-10 Prozent beträgt, aber auch er untertreibt. Transit ist nicht nur Warenfluss, aber auch das was man bei euch in Ida-Virumaa erzeugt und exportiert auf der Basis der russischen Rohstoffe. Transit sind auch die Geldflüsse und logistische Systeme. Wenn man alles in Betracht zieht was uns mit Russland verbindet, dann wirkt unser östlicher Nachbar auf 25-30% unseres BIPs aus. Das wir jetzt ca. die Hälfte des Transits verloren haben, hat sich gleich auf einer rasanten Verlangsamung des Wachstums unseres BIPs gezeigt. Transit ist eine Balance der Wirtschaft, der besonders wichtig ist im Umfeld der bei uns anfangenden wirtschaftlichen Depression.
- Kann man diese Sanktionen seitens Russland, als staatlich verordnete wahrnehmen?
- Offiziell hat Russland keine Sanktionen erlassen, aber durch bestimmte Kanäle wurden entsprechende Verordnungen erlassen, dass die russischen Transfers und Kapital Estland verlassen sollten, da es ein unfreundlicher Staat ist. Umfragen zeigen, dass 60 Prozent der Russen Estland als ein feindliches Staat ansehen.
- Das ist hauptsächlich ein Ergebnis der Propaganda...
- Natürlich ist das ein Ergebnis der Propaganda. In Russland sind Wahlen vor der Tür, öfters dominiert Politik über Business - wie in Russland, so auch bei uns. Aber wir geben ständig Gründe für Russland für die Durchführung dieser Schritte.
- Also ihrer Meinung nach in schlechten estnisch-russischen Beziehungen immer ist hauptsächlich Estland schuld?
- Beide Seiten sind schuld. Wie bei uns so auch in Russland gibt es Politiker, die Karriere durch Entfachung zwischennationaler und zwischenstaatlicher Konflikte bauen. Aber es sollten wirtschaftliche Interessen dominieren. Wir mussten unsere politische Unabhängigkeit wiedererlangen, mussten der EU beitreten, aber es bedeutet nicht, dass wir unseren östlichen Markt verlieren sollten. Lettland, zum Beispiel war zuerst viel kritischer Russland gegenüber eingestellt als Estland und sie haben auch Probleme bekommen. Doch hat Lettland ihre feindliche Rhetorik Russland gegenüber aufgegeben und fängt gerade an die Sahne des Transits abzuschöpfen. Und nicht nur den russischen, sondern auch den chinesischen.
- Und was sollten wir tun?
- Zuerst unsere geopolitische Lage begreifen. Nach der Expertenbewertung eine richtige Nutzung der Brückenfunktion zwischen Ost und West erhöht unser Ressourcenpotential um 30 Prozent. Wenn wir uns in europäische Sackgasse verwandeln, verlieren wir 30 Prozent. Wenn ich die letzten Aussagen von Andrus Ansip lese, sehe ich, dass sie viel ausgewogener geworden sind, als die früheren. Zum Beispiel auch diejenigen, die die Verlegung der Gaspipeline durch das Wirtschaftsgewässer Estlands angeht (wie gesagt, das Interview wurde vor der Entscheidung geführt. Anm. des Übersetzers).
- Waren Sie Teil der Gruppe der estnischen Akademiker, die das Projekt der Gaspipeline kategorisch verneint haben und der Meinung sind, dass Estland es nicht erlauben sollte die Pipeline in ihrem Wirtschaftsgewässer durchzulegen?
- Nein, auf keinen Fall. Übrigens ist es nicht Entscheidung der Akademie der Wissenschaften. Die Rede ist von einer kleinen Gruppe von Akademikern, die von von mir geschätztem Akademiker Endel Lippmaa geleitet werden, und über die ernsthafte Risiken, die die Umwelt betreffen, sprechen. Gleichzeitig bieten alle drei baltischen Länder an, die Pipeline quer durch ihr Territorium zu verlegen - wäre das ohne Risiko? Russland hat abgelehnt, weil es traurige Erfahrungen mit Weissrussland und Ukraine hat.
Ein Nachtrag zum Artikel über Energieversorgung Estlands. Ich habe diesen interessanten Artikel gefunden (bei Interesse kann ich ihn übersetzen). Vielleicht sollte sich Estland genauer mit dieser Möglichkeit auseinandersetzen, Kohle auf Spitzbergen abzubauen?
Samstag, September 08, 2007
Was folgt auf Terminal D?
Vor kurzem habe ich einen Brief von Herrn Dornemann bekommen, den ich hiermit veröffentliche. Zur Erinnerung, Klaus Dornemann wurde zusammen mit seinem Sohn Lukas und ca. 800 anderen Leuten in der Nacht vom 27-28.April im berühmt-berüchtigtem Terminal D des Tallinner Hafens eingesperrt und von der estnischen Polizei schwer misshandelt. Seine Erlebnisse hat er in diesem Brief niedergeschrieben. Eine Zeitlang haben sich verschiedene Medien auf die Geschichte gestürzt, allerdings war die Aufmerksamkeit von kurzer Dauer. Von offiziellen Seite gab es kein Wort an Entschuldigung. Aber liest selbst:
Nun sind ein paar Monate ins Land gegangen, seit den demokratischen Entgleisungen estnischer Prägung und niemand redet mehr darüber; in der Welt nicht und hier in Estland im Besonderen nicht. Man scheint verständlicher Weise froh zu sein, daß sich nichts mehr rührt; obwohl sich viele Möchtegern-Retter der Menschlichkeit bei mir gemeldet haben, waren es doch allesamt nur Warme-Luft-Macher oder Laberköppe, wie z.B. ein Herr Kolb oder auch ein seltsamer „Reporter“……… von der Sachsenzeitung und viele mehr, wer immer sie auch sein wollen.
Natürlich habe ich das meiner Welterfahrung zufolge so geahnt, denn die estnischen Verantwortlichen sind oftmals nicht nur unerfahren im Weltgetriebe, sondern auch der Aufgabe zur Führung eines Staates nicht gewachsen (Andrus Ansip).Viele Anfeindungen mußte ich von fast ausschließlich estnischen Bevölkerungsteilen hier hinnehmen, bis hin zu Drohungen gegen meine Person.
Sicherlich haben mir all jene, die ich damals anläßlich der Probleme des „Russendenkmals“ angeschrieben habe auch geantwortet, doch nun betrachtet, war das allesamt nur Gewäsch. Der einzige, der Bedauern zu dem Vorfall ausgesprochen hat, war Exelenz Julius Bobinger, der deutsche Botschafter.
Benehmen ist eben „Glücksache“ und Demokratie ist bestimmt keine estnische Leidenschaft, nichteinmal ansatzweise. Bedauerlich wie es ist.
In akzeptablem Zeitabstand erhielt ich seinerzeit die oben erwähnten Antworten, natürlich auf estnisch und ich konnte mir mühsam eine ungefähre Übersetzung zusammenklauben. Das war wohl so gewollt. Keine qualitative Aussage war dabei. Wie man bei uns sagt, nur „Larifari“, das gibt`s bestimmt nicht im estnischen Sprachgebrauch.
Was aber ist sonst daraus geworden? Wenn man mal die Grundrechte in der estnischen Verfassung betrachtet, hat man staatlicherseits so ziemlich alles anders gemacht, als es dort so schön geschrieben steht.
Zuallererst stellt der § 9 der estnischen Verfassung fest, daß auch sich hier im Lande aufhaltende, ausländische Bürger in den Rechten, Freiheiten und Pflichten, denen der estnischen Bürgern gleichgestellt sind und garantiert jedem (§13) den Schutz des Staates vor Willkür.
Nun trafen aber alle starken Verfassungsaussagen (§ 18) auf meine am 27. April gemachten, bösen Erfahrungen nicht zu, denn exakt Folter kann man das grundlose Fesseln und die grausige Behandlung durch unvermittelte, ebenso wie die grundlosen Tritte und Schläge mit Gummiknüppeln, völlig ziellos, werten. Also auch gegen Kopf und Geschlechtsteile. Auch die verwehrte Möglichkeit von Trinkwasseraufnahme über mehr als elf Stunden ist ein Foltermerkmal! Daß die Festnahme, der Transport und das Gefangenhalten völlig unwürdig waren, werden alle dorthin (Terminal D) verbrachten sehr wohl bestätigen, wenn sie denn nicht Angst vor erneuter staatsgewaltlicher Willkür hätten. Das wurde mir viele Male so gesagt und ist auch Grund dafür, daß außer mir wohl niemand sich zu Protokoll meldete.
Auch nach eingehender Prüfung der aufgezählten Gründe 1 - 6 des § 2o trifft für mich und meinen Sohn Lucas im Besonderen, aber auch nicht für den größeren Teil der mit uns gefangenen, zu!
Von dem § 21, der ja recht wesentliches aussagt, hatten die Staatsgewaltler (meistens Polizisten) ohnehin keine Ahnung und wenn denn, ignorierten sie allesamt eine Information über ihre Handlungsweise, und das schon garnicht in einer für uns „verständlichen“ Sprache, zu geben.
Wie ich anfangs schon schrieb, scheint alles sich im Sande verlaufen zu haben; neben einer Entschädigung wie im § 25 ausdrücklich zugesichert, für meine zerrissene Bekleidung als Folge der Schläge und Tritte und des zu Boden stürzens, wäre eine Entschuldigung durch eine kompetente Persönlichkeit ( vielleicht sogar in einer für mich verstänlichen Sprache) das Mindeste. Über die körperlichen, massiven Mißhandlungen wurde mir von einem „Polizeiverwaltungsexperten“ anläßlich einer Anhörung lapidar erklärt, ich könne ja zu Gericht gehen und Schadenersatz von den Schlägern einklagen, nur Namen derer dürfen nicht herausgegeben werden.
Das ist besonders im heutigen Estland leichter gesagt als getan, zumal die Polizisten ohne Ausnahme keine Namenschilder trugen, warum auch immer, viele waren vermummt und alle antworteten nicht auf Fragen. – Übrigens werden ermittelte Namen nicht weitergegeben. Nun sage mir bitte jemand, gegen wen ich klagen soll?
Außerdem ist der Dienstherr, für mich als Außenstehenden, ersteinmal der Ansprechpartner und der sollte seinen verfassungsgemäßen Vorgaben gerecht werden.
So hat der Bürger Estlands zwar großzügige Rechte, nur wie er daran kommen kann, können ihm die allmächtigen Behörden aus purem Unvermögen nicht sagen. So ist denn die vielversprechende Aktion für die Demokratie ausgegangen wie das Hornberger Schießen, nur eben auf estnisch.
Mehr und mehr zeigt die Erfahrung, daß die estnischen Behörden ausgesprochen oberflächlich sind und durchsetzbare, demokratische Rechte stoßen auf Unwillen, zumindest aber sind sie lästig.
Demokratie ist in Estland eben noch nicht angekommen, da mögen einzelne, Gutwillige nichts daran ändern.
Nachdem ich weiter mit Herr Dornemann korresprondiert habe, bekam ich folgende E-Mail von ihm:
Lieber Herr Klotz,
nun ist es ja lieb von Ihnen, auch estnische Menschen zu interessieren, doch leider wird es nichts brimgen, weil kein Interesse vorhanden ist. Ich lebe jetzt fast sechs Jahre hier und ich weiß wovon ich rede. Das Gegenteil ist der Fall; also hat sich auch noch niemand bei mir gemeldet, ich erwarte das auch nicht.
Das Büro Semjonov (Anm. des Bloggers: Informationszentrum für Menschenrechte www.lichr.ee) für ist nicht gerade eine einflußreiche Institution hier in Estland, dazu schmoren sie zuviel in kleinkarierten Problemen, anstatt selbst agressiv in die Öffentlichkeit zu gehen. Das Büro ist nirgendwo bekannt und schon garnicht gefürchtet. Herr Semjonov ist mir mehrere Male begegnet, er hat noch nichteinmal auf meinen Gruß geantwortet.
Meinen Brief dürfen Sie gerne veröffentlichen, werde ich doch nun selbst eine neue Kampagne für die Menschlichkeit starten, ist doch, wie schon gesagt, das demokratische Verständnis bei der Bevölkerung hier nicht mehr entwickelt als in Uganda und noch längst nicht in Estland angekommen.
Zu meinen Aktivitäten werde ich Sie natürlich auf dem Laufenden halten.
Zu lichr.ee kann ich noch sagen, dass sie von der estnischen Regierung verklagt wurden, weil sie angeblich Unterstützung von der EU und dem russischen Auswärtigen Amt beziehen und es wohl Unkorrektheiten bei der Deklaration der Unterstützung aufgetreten wären, aber es ist auch nicht der erste Angriff der Regierung gegen die einzige Stelle, die ihre Hilfe den Opfern der Bronzenen Nacht angeboten hat. So wurde im Bericht der KAPO (estnische Geheimpolizei) erwähnt, dass die Hälfte der Mitarbeiter des Büros Mitglieder in der russlandfreundlichen (aber nicht verbotenen) Konstitutionellen Partei wären. Sofort wurde vom Büro richtiggestellt, dass nur ein freier Mitarbeiter Mitglied in der Konstitutionellen Partei ist, aber wo die Lüge in die Welt gesetzt wurde, wird man sie auch nicht wieder los.
Nun sind ein paar Monate ins Land gegangen, seit den demokratischen Entgleisungen estnischer Prägung und niemand redet mehr darüber; in der Welt nicht und hier in Estland im Besonderen nicht. Man scheint verständlicher Weise froh zu sein, daß sich nichts mehr rührt; obwohl sich viele Möchtegern-Retter der Menschlichkeit bei mir gemeldet haben, waren es doch allesamt nur Warme-Luft-Macher oder Laberköppe, wie z.B. ein Herr Kolb oder auch ein seltsamer „Reporter“……… von der Sachsenzeitung und viele mehr, wer immer sie auch sein wollen.
Natürlich habe ich das meiner Welterfahrung zufolge so geahnt, denn die estnischen Verantwortlichen sind oftmals nicht nur unerfahren im Weltgetriebe, sondern auch der Aufgabe zur Führung eines Staates nicht gewachsen (Andrus Ansip).Viele Anfeindungen mußte ich von fast ausschließlich estnischen Bevölkerungsteilen hier hinnehmen, bis hin zu Drohungen gegen meine Person.
Sicherlich haben mir all jene, die ich damals anläßlich der Probleme des „Russendenkmals“ angeschrieben habe auch geantwortet, doch nun betrachtet, war das allesamt nur Gewäsch. Der einzige, der Bedauern zu dem Vorfall ausgesprochen hat, war Exelenz Julius Bobinger, der deutsche Botschafter.
Benehmen ist eben „Glücksache“ und Demokratie ist bestimmt keine estnische Leidenschaft, nichteinmal ansatzweise. Bedauerlich wie es ist.
In akzeptablem Zeitabstand erhielt ich seinerzeit die oben erwähnten Antworten, natürlich auf estnisch und ich konnte mir mühsam eine ungefähre Übersetzung zusammenklauben. Das war wohl so gewollt. Keine qualitative Aussage war dabei. Wie man bei uns sagt, nur „Larifari“, das gibt`s bestimmt nicht im estnischen Sprachgebrauch.
Was aber ist sonst daraus geworden? Wenn man mal die Grundrechte in der estnischen Verfassung betrachtet, hat man staatlicherseits so ziemlich alles anders gemacht, als es dort so schön geschrieben steht.
Zuallererst stellt der § 9 der estnischen Verfassung fest, daß auch sich hier im Lande aufhaltende, ausländische Bürger in den Rechten, Freiheiten und Pflichten, denen der estnischen Bürgern gleichgestellt sind und garantiert jedem (§13) den Schutz des Staates vor Willkür.
Nun trafen aber alle starken Verfassungsaussagen (§ 18) auf meine am 27. April gemachten, bösen Erfahrungen nicht zu, denn exakt Folter kann man das grundlose Fesseln und die grausige Behandlung durch unvermittelte, ebenso wie die grundlosen Tritte und Schläge mit Gummiknüppeln, völlig ziellos, werten. Also auch gegen Kopf und Geschlechtsteile. Auch die verwehrte Möglichkeit von Trinkwasseraufnahme über mehr als elf Stunden ist ein Foltermerkmal! Daß die Festnahme, der Transport und das Gefangenhalten völlig unwürdig waren, werden alle dorthin (Terminal D) verbrachten sehr wohl bestätigen, wenn sie denn nicht Angst vor erneuter staatsgewaltlicher Willkür hätten. Das wurde mir viele Male so gesagt und ist auch Grund dafür, daß außer mir wohl niemand sich zu Protokoll meldete.
Auch nach eingehender Prüfung der aufgezählten Gründe 1 - 6 des § 2o trifft für mich und meinen Sohn Lucas im Besonderen, aber auch nicht für den größeren Teil der mit uns gefangenen, zu!
Von dem § 21, der ja recht wesentliches aussagt, hatten die Staatsgewaltler (meistens Polizisten) ohnehin keine Ahnung und wenn denn, ignorierten sie allesamt eine Information über ihre Handlungsweise, und das schon garnicht in einer für uns „verständlichen“ Sprache, zu geben.
Wie ich anfangs schon schrieb, scheint alles sich im Sande verlaufen zu haben; neben einer Entschädigung wie im § 25 ausdrücklich zugesichert, für meine zerrissene Bekleidung als Folge der Schläge und Tritte und des zu Boden stürzens, wäre eine Entschuldigung durch eine kompetente Persönlichkeit ( vielleicht sogar in einer für mich verstänlichen Sprache) das Mindeste. Über die körperlichen, massiven Mißhandlungen wurde mir von einem „Polizeiverwaltungsexperten“ anläßlich einer Anhörung lapidar erklärt, ich könne ja zu Gericht gehen und Schadenersatz von den Schlägern einklagen, nur Namen derer dürfen nicht herausgegeben werden.
Das ist besonders im heutigen Estland leichter gesagt als getan, zumal die Polizisten ohne Ausnahme keine Namenschilder trugen, warum auch immer, viele waren vermummt und alle antworteten nicht auf Fragen. – Übrigens werden ermittelte Namen nicht weitergegeben. Nun sage mir bitte jemand, gegen wen ich klagen soll?
Außerdem ist der Dienstherr, für mich als Außenstehenden, ersteinmal der Ansprechpartner und der sollte seinen verfassungsgemäßen Vorgaben gerecht werden.
So hat der Bürger Estlands zwar großzügige Rechte, nur wie er daran kommen kann, können ihm die allmächtigen Behörden aus purem Unvermögen nicht sagen. So ist denn die vielversprechende Aktion für die Demokratie ausgegangen wie das Hornberger Schießen, nur eben auf estnisch.
Mehr und mehr zeigt die Erfahrung, daß die estnischen Behörden ausgesprochen oberflächlich sind und durchsetzbare, demokratische Rechte stoßen auf Unwillen, zumindest aber sind sie lästig.
Demokratie ist in Estland eben noch nicht angekommen, da mögen einzelne, Gutwillige nichts daran ändern.
Nachdem ich weiter mit Herr Dornemann korresprondiert habe, bekam ich folgende E-Mail von ihm:
Lieber Herr Klotz,
nun ist es ja lieb von Ihnen, auch estnische Menschen zu interessieren, doch leider wird es nichts brimgen, weil kein Interesse vorhanden ist. Ich lebe jetzt fast sechs Jahre hier und ich weiß wovon ich rede. Das Gegenteil ist der Fall; also hat sich auch noch niemand bei mir gemeldet, ich erwarte das auch nicht.
Das Büro Semjonov (Anm. des Bloggers: Informationszentrum für Menschenrechte www.lichr.ee) für ist nicht gerade eine einflußreiche Institution hier in Estland, dazu schmoren sie zuviel in kleinkarierten Problemen, anstatt selbst agressiv in die Öffentlichkeit zu gehen. Das Büro ist nirgendwo bekannt und schon garnicht gefürchtet. Herr Semjonov ist mir mehrere Male begegnet, er hat noch nichteinmal auf meinen Gruß geantwortet.
Meinen Brief dürfen Sie gerne veröffentlichen, werde ich doch nun selbst eine neue Kampagne für die Menschlichkeit starten, ist doch, wie schon gesagt, das demokratische Verständnis bei der Bevölkerung hier nicht mehr entwickelt als in Uganda und noch längst nicht in Estland angekommen.
Zu meinen Aktivitäten werde ich Sie natürlich auf dem Laufenden halten.
Zu lichr.ee kann ich noch sagen, dass sie von der estnischen Regierung verklagt wurden, weil sie angeblich Unterstützung von der EU und dem russischen Auswärtigen Amt beziehen und es wohl Unkorrektheiten bei der Deklaration der Unterstützung aufgetreten wären, aber es ist auch nicht der erste Angriff der Regierung gegen die einzige Stelle, die ihre Hilfe den Opfern der Bronzenen Nacht angeboten hat. So wurde im Bericht der KAPO (estnische Geheimpolizei) erwähnt, dass die Hälfte der Mitarbeiter des Büros Mitglieder in der russlandfreundlichen (aber nicht verbotenen) Konstitutionellen Partei wären. Sofort wurde vom Büro richtiggestellt, dass nur ein freier Mitarbeiter Mitglied in der Konstitutionellen Partei ist, aber wo die Lüge in die Welt gesetzt wurde, wird man sie auch nicht wieder los.
Sonntag, September 02, 2007
Eine Woche Estland
Endlich habe ich es geschafft für eine Woche nach Estland zu gehen und mit eigenen Augen zu sehen, worüber ich die ganze Zeit so schreibe. Vieles ist beim Alten geblieben (das letzte Mal war ich dort vor 2 Jahren), einiges hat sich in Tallinn äußerlich geändert (ein paar neue Wolkenkratzer und Shoppingzentren, gähn), aber wie es so schön heisst, es sind die inneren Werte die zählen, viele Gespräche mit verschiedenen Leuten, ich versuche mal zusammenzufassen:
1. Die zwei am heissesten diskutierten Themen ist absoluter Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen, wie Restaurants, Discos und Cafés und Verbot von Alkoholverkauf in den Läden ab 20.00. Bis jetzt wird das Rauchverbot streng durchgezogen (selbst Zigarren- und Wasserpfeifenbars haben komplett leergefegte Nichtraucherräume und proppenvolle Raucherzimmerchen), alle gehen zum Rauchen raus, auch wenn es regnet. Einige Cafés blicken es noch nicht ganz, dass vor den Eingang grosse Aschenbecher gehören und dass man nicht unbedingt das Café schon verlassen und seine Sachen vergessen hat, vielleicht ist man nur zum Rauchen rausgegangen. Natürlich passieren die interessanten Geschichten draussen, von denen die armen Nichtraucher nichts mitkriegen. Ausserdem ist bald Winter, man darf gespannt sein, wie viele Raucher sich lieber eins draussen abfrieren, als aufzugeben. Interessanterweise darf in Kasinos gequalmt werden (wie dick war der Geldkoffer?), so dass man durchaus in Kasino geht, um dort eins zu trinken und gemütlich zu rauchen. Das man ganz schnell beim Spielen ist, ist eine andere Geschichte.
Was Alkoholverkauf angeht, natürlich kursieren schon Geheimtipps, in welchem kleinen Lädchen in Lasnamäe das Verbot umgangen wird, Autobesitzer können immer noch sich ausserhalb von Tallinn eindecken und wenn es gar nichts mehr geht, verkaufen die Bars und die Restaurants durchaus ein Fläschchen oder zwei, wenn auch zum 2-3-fachen Preisen. Also scheint dieser Verbot nur Touristen zu betreffen, die sich nicht mehr auf Hotelzimmern und auf der Strasse, sondern nur in Bars abschiessen dürfen.
2. Das progressivste Café in ganz Tallinn ist wohl Café Moskwa. Wer "in" sein möchte öffnet sein schickes neues Apple IBook und zeigt stolz, was er in den letzten 24 Stunden an Websites designed hat. Die Bedienung versteht grundsätzlich nur Estnisch oder Englisch (ein Trend, der in der nächsten Zukunft sich wohl noch verstärken wird, die junge Generation kann schlicht und einfach kein Russisch mehr), AMEX und Maestro werden nicht akzeptiert, wo die Toiletten sind wissen nur Insider (kein Schild), ausserdem sind sie nicht durch Türen nach Männlein und Weiblein getrennt.
3. Eine sehr interessante Neueröffnung ist der KUMU, das estnische Kunstmuseum. Ich war positiv überrascht über die frische Art Kunst dem Publikum näherzubringen. Das Gebäude hat verdient mehrere Architekturpreise gewonnen. Zwei Ausstellungsstücke sind mir besonders in Erinnerung geblieben: eine Halle voll mit unterschiedlichen Büsten von bekannten und unbekannten Persönlichkeiten und jede von ihnen scheint ihre Geschichte erzählen zu wollen, so dass ein Stimmengewirr entsteht, der dem Raum eine sehr spannende eigene Atmosphäre verleiht. Und eine Videoinstallation über die Beschwerdechöre dieser Welt.
4. Ausstellung einer etwas anderen Art war das Okkupationsmuseum. Sehr akkurat wurden dort Fakten gesammelt und dargestellt, die über die Geschichte Estlands im 20. Jahrhundert erzählen. Mit zwei Fakten war ich nicht einverstanden, nämlich die Behauptung, dass die Rote Armee bei der ersten Besetzung Estlands 1939 eine freiheitliche und demokratische Regierung beseitigt hat. Seit wann ist eine Diktatur unter "Präsident" Pärts demokratisch? Die zweite Behauptung war, dass unter der deutschen Besatzung die estnische Bevölkerung weit weniger zu leiden hatte, als unter sowjetischen. Für die estnische Bevölkerung mag das gegolten haben, aber definitiv nicht für die jüdische oder die russische Bevölkerung dieser Zeit. Meiner Meinung nach ist die Bezeichnung "Okkupationsmuseum" viel zu populistisch und reisserisch für diese Ausstellung. Oder was haben der erste sowjetische Fernseher, viele alte Radios, ein verrosteter Autowrack von einer Invalidka mit "Okkupation" zu tun? Ein Kommentar meines Freundes, der mir genau erklären konnte, wie KGB Telefongespräche abgehört und aufgezeichnet hat: "KAPO (die estnische Geheimpolizei) macht es heutzutage genauso". Mit einem Wort für westlichen Touristen und Nostalgiker ganz nett.
5. Ein Wunsch an die estnische Regierung, anstatt Steuern zu senken, repariert erstmal die öffentliche Infrastruktur, vor allem die Strassen. Es bringt nichts Immobilienpreise wie in München zu haben, ohne die Häuser bequem erreichen zu können. Momentan kann man die Strassen in drei Klassen unterteilen:
- neugebauten Strassen, verlegt durch ehemalige Fabrik- oder Kasernengelände, gut ausgebaut, gut asphaltiert, gute Abkürzungen, ständig vollgestopft (Moskauer Verhältnisse)
- normale alte Strassen (verlegt zu Sowjetzeit) Flickenteppich, bei ein bisschen Regen eine einzige Wasserfläche, als nichts ahnender Fussgänger wird man von Kopf bis Fuss vollgespritzt, wenn man an so einer Strasse entlanggeht
- Zufahrtsstrassen zu einzelnen Wohnblocks, es wird nichts geflickt, eigentlich bräuchte man ein Geländewagen, um über die Löcher zu fahren, vor den schlimmsten Löchern (also denen, die über der Kanalisation verlaufen und das Auto reinfallen könnte), steht immerhin ein Warnschild.
6. Noch ein Wunsch an die estnische Regierung, denkt weniger wie Engländer, sondern mehr wie Skandinavier. Im Unterschied zu Estland wissen die Engländer, wie man die Immobilienpreise hochhält und dadurch die Wirtschaft weiter rundläuft, immer wenn die Preise zu fallen drohen, werden viele Ausländer ins Land gelassen (Inder, Pakistaner, Hongkong-Chinesen, Polen), die als billige Arbeitskräfte auch Wohnraum brauchen. Die Immobilienpreise in Estland scheinen ihren Peak erreicht zu haben und fangen an abzurutschen. Es herrscht Überangebot an Wohnraum und es werden wohl keine Ausländer angeworben, die ihn bewohnen könnten. So werden die Esten doppelt bestraft, nicht nur, dass sie viel zu viel für ihre eigene Wohnung bezahlt haben, noch kommt die Wirtschaft in stocken, weil billige Arbeitskräfte fehlen. Alle schimpfen, dass sie zu wenig verdienen, die Lebenshaltungskosten steigen (das habe ich auch bemerkt), aber die Produktion immer gleich bleibt, weil Impulse fehlen, wie man sie steigern könnte. Um an billige Arbeitskräfte bei gleichbleibenden Angebot zu kommen, werden die Arbeitgeber erfinderisch, so wird die neue Nähfabrik gleich in Lasnamäe gebaut mit dem Kalkül, dass die ärmere russische Bevölkerung dort zu niedrigeren Löhnen arbeiten könnte. Bewerbungsposter für McDonalds werden auf Estnisch gar nicht mehr aufgehängt, nur noch auf Russisch. Überhaupt scheint der kostensensitive Dienstleistungssektor für Absatz von Standartdienstleistungen oder Discountverkauf fest in russischen Hand zu sein.
7. Parallelgesellschaft. Nirgends ist dieser Terminus wahrer als in Estland. Alle meine Freunde mit denen ich gesprochen habe, sprechen zwar gutes Estnisch, aber nur dort wo sie es unbedingt müssen (auf der Arbeit, im Laden). Privat wird ausschliesslich Russisch gesprochen, man ist unter sich. Alle sind der Meinung, dass die Bronzenen Nächte ein einschneidendes Erlebnis für sie waren (O-Ton: Jetzt haben wir gesehen, wie sehr sie uns hassen). Alle hassen Ansip, allerdings sind auch alle der Meinung, dass Russland ihnen ein wahres Bärendienst erwiesen hat und was "Naschi" (aka Putinjugend) vor der estnischen Botschaft angerichtet haben, absolut peinlich und unnötig war. Alle möchten nur ihre Ruhe haben und keinesfalls eine Wiederholung der Ereignisse. Alle sind auch recht skeptisch was rein russische Parteien oder politische Strömungen betrifft. Wie unter solchen Umständen eine Friede-Freude-Eierkuchen-Integrationspolitik durchgeführt werden kann, ist mir schleierhaft.
Subjektiv hört man mehr Russisch auf den Strassen, es kursieren Statistiken, dass Tallinn inzwischen bis zu 60% russisch-sprachig geworden ist, also Verhältnisse wie in Lettland, wo in grossen Städten die russisch-sprachige Minderheit überwiegt. Vielleicht sind sie auch nur sichtbarer geworden, sei es der Busfahrer, der russisches Radiokanal laut laufen lässt oder die Horde russisch-sprachiger Jugendlicher, die auf Russisch laut losproletet.
8. Was den Bronzenen Soldaten selbst angeht, der neue Platz an sich ist meiner Meinung nach gar nicht schlecht. Es ist recht abgelegen, allerdings ist der Militärfriedhof wo hunderte Angehörige der sowjetischen (und anderen) Armeen ihre letzte Ruhe gefunden haben ein sehr passender Platz für diese Art von Monumenten. Alle, die ich gefragt habe, bestätigten mir auch, dass die Verlegung an sich für sie noch kein Affront war, nur die Art der Verlegung und die Verunglimpfungen davor absolut untragbar gewesen sind. Interessant ist es, ob am nächsten 8/9 Mai die estnische Regierung wieder einen Kranz zu Füßen des Soldaten legen wird, oder ob es ein einmaliger Akt gewesen war.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass es sehr schön war alte Freunde wiederzusehen (hoffe sehr, dass wir uns noch oft wiedersehen werden), für Tallinn selbst hatte ich weniger Nostalgie übrig, als ich mir vorgestellt habe. Nur das Meer war so schön wie immer. Ich werde weiterhin über Estland schreiben, allerdings sieht es momentan nicht so aus, als ob in der nächsten Zeit, sich was sehr Weltbewegendes ereignen würde.
1. Die zwei am heissesten diskutierten Themen ist absoluter Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen, wie Restaurants, Discos und Cafés und Verbot von Alkoholverkauf in den Läden ab 20.00. Bis jetzt wird das Rauchverbot streng durchgezogen (selbst Zigarren- und Wasserpfeifenbars haben komplett leergefegte Nichtraucherräume und proppenvolle Raucherzimmerchen), alle gehen zum Rauchen raus, auch wenn es regnet. Einige Cafés blicken es noch nicht ganz, dass vor den Eingang grosse Aschenbecher gehören und dass man nicht unbedingt das Café schon verlassen und seine Sachen vergessen hat, vielleicht ist man nur zum Rauchen rausgegangen. Natürlich passieren die interessanten Geschichten draussen, von denen die armen Nichtraucher nichts mitkriegen. Ausserdem ist bald Winter, man darf gespannt sein, wie viele Raucher sich lieber eins draussen abfrieren, als aufzugeben. Interessanterweise darf in Kasinos gequalmt werden (wie dick war der Geldkoffer?), so dass man durchaus in Kasino geht, um dort eins zu trinken und gemütlich zu rauchen. Das man ganz schnell beim Spielen ist, ist eine andere Geschichte.
Was Alkoholverkauf angeht, natürlich kursieren schon Geheimtipps, in welchem kleinen Lädchen in Lasnamäe das Verbot umgangen wird, Autobesitzer können immer noch sich ausserhalb von Tallinn eindecken und wenn es gar nichts mehr geht, verkaufen die Bars und die Restaurants durchaus ein Fläschchen oder zwei, wenn auch zum 2-3-fachen Preisen. Also scheint dieser Verbot nur Touristen zu betreffen, die sich nicht mehr auf Hotelzimmern und auf der Strasse, sondern nur in Bars abschiessen dürfen.
2. Das progressivste Café in ganz Tallinn ist wohl Café Moskwa. Wer "in" sein möchte öffnet sein schickes neues Apple IBook und zeigt stolz, was er in den letzten 24 Stunden an Websites designed hat. Die Bedienung versteht grundsätzlich nur Estnisch oder Englisch (ein Trend, der in der nächsten Zukunft sich wohl noch verstärken wird, die junge Generation kann schlicht und einfach kein Russisch mehr), AMEX und Maestro werden nicht akzeptiert, wo die Toiletten sind wissen nur Insider (kein Schild), ausserdem sind sie nicht durch Türen nach Männlein und Weiblein getrennt.
3. Eine sehr interessante Neueröffnung ist der KUMU, das estnische Kunstmuseum. Ich war positiv überrascht über die frische Art Kunst dem Publikum näherzubringen. Das Gebäude hat verdient mehrere Architekturpreise gewonnen. Zwei Ausstellungsstücke sind mir besonders in Erinnerung geblieben: eine Halle voll mit unterschiedlichen Büsten von bekannten und unbekannten Persönlichkeiten und jede von ihnen scheint ihre Geschichte erzählen zu wollen, so dass ein Stimmengewirr entsteht, der dem Raum eine sehr spannende eigene Atmosphäre verleiht. Und eine Videoinstallation über die Beschwerdechöre dieser Welt.
4. Ausstellung einer etwas anderen Art war das Okkupationsmuseum. Sehr akkurat wurden dort Fakten gesammelt und dargestellt, die über die Geschichte Estlands im 20. Jahrhundert erzählen. Mit zwei Fakten war ich nicht einverstanden, nämlich die Behauptung, dass die Rote Armee bei der ersten Besetzung Estlands 1939 eine freiheitliche und demokratische Regierung beseitigt hat. Seit wann ist eine Diktatur unter "Präsident" Pärts demokratisch? Die zweite Behauptung war, dass unter der deutschen Besatzung die estnische Bevölkerung weit weniger zu leiden hatte, als unter sowjetischen. Für die estnische Bevölkerung mag das gegolten haben, aber definitiv nicht für die jüdische oder die russische Bevölkerung dieser Zeit. Meiner Meinung nach ist die Bezeichnung "Okkupationsmuseum" viel zu populistisch und reisserisch für diese Ausstellung. Oder was haben der erste sowjetische Fernseher, viele alte Radios, ein verrosteter Autowrack von einer Invalidka mit "Okkupation" zu tun? Ein Kommentar meines Freundes, der mir genau erklären konnte, wie KGB Telefongespräche abgehört und aufgezeichnet hat: "KAPO (die estnische Geheimpolizei) macht es heutzutage genauso". Mit einem Wort für westlichen Touristen und Nostalgiker ganz nett.
5. Ein Wunsch an die estnische Regierung, anstatt Steuern zu senken, repariert erstmal die öffentliche Infrastruktur, vor allem die Strassen. Es bringt nichts Immobilienpreise wie in München zu haben, ohne die Häuser bequem erreichen zu können. Momentan kann man die Strassen in drei Klassen unterteilen:
- neugebauten Strassen, verlegt durch ehemalige Fabrik- oder Kasernengelände, gut ausgebaut, gut asphaltiert, gute Abkürzungen, ständig vollgestopft (Moskauer Verhältnisse)
- normale alte Strassen (verlegt zu Sowjetzeit) Flickenteppich, bei ein bisschen Regen eine einzige Wasserfläche, als nichts ahnender Fussgänger wird man von Kopf bis Fuss vollgespritzt, wenn man an so einer Strasse entlanggeht
- Zufahrtsstrassen zu einzelnen Wohnblocks, es wird nichts geflickt, eigentlich bräuchte man ein Geländewagen, um über die Löcher zu fahren, vor den schlimmsten Löchern (also denen, die über der Kanalisation verlaufen und das Auto reinfallen könnte), steht immerhin ein Warnschild.
6. Noch ein Wunsch an die estnische Regierung, denkt weniger wie Engländer, sondern mehr wie Skandinavier. Im Unterschied zu Estland wissen die Engländer, wie man die Immobilienpreise hochhält und dadurch die Wirtschaft weiter rundläuft, immer wenn die Preise zu fallen drohen, werden viele Ausländer ins Land gelassen (Inder, Pakistaner, Hongkong-Chinesen, Polen), die als billige Arbeitskräfte auch Wohnraum brauchen. Die Immobilienpreise in Estland scheinen ihren Peak erreicht zu haben und fangen an abzurutschen. Es herrscht Überangebot an Wohnraum und es werden wohl keine Ausländer angeworben, die ihn bewohnen könnten. So werden die Esten doppelt bestraft, nicht nur, dass sie viel zu viel für ihre eigene Wohnung bezahlt haben, noch kommt die Wirtschaft in stocken, weil billige Arbeitskräfte fehlen. Alle schimpfen, dass sie zu wenig verdienen, die Lebenshaltungskosten steigen (das habe ich auch bemerkt), aber die Produktion immer gleich bleibt, weil Impulse fehlen, wie man sie steigern könnte. Um an billige Arbeitskräfte bei gleichbleibenden Angebot zu kommen, werden die Arbeitgeber erfinderisch, so wird die neue Nähfabrik gleich in Lasnamäe gebaut mit dem Kalkül, dass die ärmere russische Bevölkerung dort zu niedrigeren Löhnen arbeiten könnte. Bewerbungsposter für McDonalds werden auf Estnisch gar nicht mehr aufgehängt, nur noch auf Russisch. Überhaupt scheint der kostensensitive Dienstleistungssektor für Absatz von Standartdienstleistungen oder Discountverkauf fest in russischen Hand zu sein.
7. Parallelgesellschaft. Nirgends ist dieser Terminus wahrer als in Estland. Alle meine Freunde mit denen ich gesprochen habe, sprechen zwar gutes Estnisch, aber nur dort wo sie es unbedingt müssen (auf der Arbeit, im Laden). Privat wird ausschliesslich Russisch gesprochen, man ist unter sich. Alle sind der Meinung, dass die Bronzenen Nächte ein einschneidendes Erlebnis für sie waren (O-Ton: Jetzt haben wir gesehen, wie sehr sie uns hassen). Alle hassen Ansip, allerdings sind auch alle der Meinung, dass Russland ihnen ein wahres Bärendienst erwiesen hat und was "Naschi" (aka Putinjugend) vor der estnischen Botschaft angerichtet haben, absolut peinlich und unnötig war. Alle möchten nur ihre Ruhe haben und keinesfalls eine Wiederholung der Ereignisse. Alle sind auch recht skeptisch was rein russische Parteien oder politische Strömungen betrifft. Wie unter solchen Umständen eine Friede-Freude-Eierkuchen-Integrationspolitik durchgeführt werden kann, ist mir schleierhaft.
Subjektiv hört man mehr Russisch auf den Strassen, es kursieren Statistiken, dass Tallinn inzwischen bis zu 60% russisch-sprachig geworden ist, also Verhältnisse wie in Lettland, wo in grossen Städten die russisch-sprachige Minderheit überwiegt. Vielleicht sind sie auch nur sichtbarer geworden, sei es der Busfahrer, der russisches Radiokanal laut laufen lässt oder die Horde russisch-sprachiger Jugendlicher, die auf Russisch laut losproletet.
8. Was den Bronzenen Soldaten selbst angeht, der neue Platz an sich ist meiner Meinung nach gar nicht schlecht. Es ist recht abgelegen, allerdings ist der Militärfriedhof wo hunderte Angehörige der sowjetischen (und anderen) Armeen ihre letzte Ruhe gefunden haben ein sehr passender Platz für diese Art von Monumenten. Alle, die ich gefragt habe, bestätigten mir auch, dass die Verlegung an sich für sie noch kein Affront war, nur die Art der Verlegung und die Verunglimpfungen davor absolut untragbar gewesen sind. Interessant ist es, ob am nächsten 8/9 Mai die estnische Regierung wieder einen Kranz zu Füßen des Soldaten legen wird, oder ob es ein einmaliger Akt gewesen war.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass es sehr schön war alte Freunde wiederzusehen (hoffe sehr, dass wir uns noch oft wiedersehen werden), für Tallinn selbst hatte ich weniger Nostalgie übrig, als ich mir vorgestellt habe. Nur das Meer war so schön wie immer. Ich werde weiterhin über Estland schreiben, allerdings sieht es momentan nicht so aus, als ob in der nächsten Zeit, sich was sehr Weltbewegendes ereignen würde.
Sonntag, August 12, 2007
Save the T-Shirt
und jetzt mal was komplett anderes. Seit einigen Wochen habe ich eine Idee, die ich hiermit mal vorstellen möchte. Es geht um T-Shirts. Nicht um irgendwelche T-Shirts, sondern um die, die eine Geschichte erzählen. Jede/r hat doch bestimmt einen T-Shirt, mit dem schöne Erinnerungen verbunden sind. Manchmal hatte man ein zufällig ein T-Shirt an und dann passierte etwas Aussergewöhnliches, etwas woran man gerne zurückdenkt, eine geile Party, ein schöner Kuss, vielleicht auch etwas Trauriges, auf jeden Fall etwas was in Erinnerung geblieben ist. Und da gibt es T-Shirts, die wegen ihrem Logo eine grosse Rolle spielen: das Abi-Shirt, das Bundeswehr-Ausscheider-Shirt, das vollgekritzelte Junggesellenshirt, das T-Shirt mit dem Uni-Logo, T-Shirt seiner Lieblingsband usw. und so fort. Was machen wir mit diesen T-Shirts? Manche liegen einfach im Schrank rum, verstauben und nehmen Platz weg, manche zieht man an, wäscht sie, bis sie komplett zerwaschen sind, aber früher oder später enden sie alle als Putzlumpen oder in der Altkleidersammlung. Aber kann man so was überhaupt wegwerfen? Schliesslich sammeln die Leute doch alles: Briefmarken, Euro-Münzen verschiedener Länder, Pins, Sticker, Streichholzschachtel, Baseballkappen... Nur an das T-Shirt denkt leider keiner. Ich habe im Google es mit "tshirt collection", "tshort archive" "tshirt sammlung" versucht, nichts. Ich denke an diesem Zustand muss sich was ändern. Nur wie kann man ein T-Shirt konservieren und es manchmal wehmütig anschauen? Hier sind Ideen gefragt! Deswegen rufe ich ein Wettbewerb aus: Wer es schafft eine praktikable Lösung in Kommentare zu schreiben, wie man ein T-Shirt über Jahre (Jahrzehnte) formschön und verschleissfrei aufbewahren kann, bekommt von mir die leckerste Süssigkeit, die ich kenne, Kalev-Schokofläschchen mit Vana Tallinn-Likör drin. Davon drei Stück in schöner Verpackung. Das Ende des Wettbewerbs ist 30. September. Und wer weiss, falls die Idee wirklich einfach und praktikabel ist: www.save-the-tshirt.com und www.tshirt-for-eternity.com sind noch frei. Vielleicht ist es die Idee auf die die Welt gewartet hat.
Nachfolgend noch ein paar meiner Lieblingsshirts und kurze Geschichten warum ich sie auf jeden Fall erhalten möchte:
1. Das IKM T-Shirt
Sommer 1996. Habe mich freiwillig gemeldet während der Sommerferien ein Internationales Mathecamp in Donaueschingen zu besuchen. Habe dort absolut geniale (im Sinne von Genie) Leute kennen gelernt, die gleichzeitig Blindschachspielen, die 100ste Stelle von Pi auswendig lernen und Klavierspielen konnten. Das einzige was mir von dieser Freizeit geblieben ist: ein Buch voll mit unverständlichen Formeln, ein paar Fotos und dieses T-Shirt mit Unterschriften.
2. Das japanische T-Shirt.
Gekauft auf einem OpenAir Festival in Köln im Jahr 2000, gleich nach dem besten Konzert von Atari Teenage Riot. Die Standart-Frage, wenn ich dieses T-Shirt anhabe: "Was steht denn drauf?" Die Standart-Antwort: "Die Waschanleitung", wobei 100%-ig sicher bin ich mir auch nicht. Auf einem meiner Lieblingsphotos von irgendeiner guten WG-Feier habe ich dieses T-Shirt an, allein deswegen möchte ich es nicht wegwerfen, obwohl es schon sehr verwaschen aussieht
3. Das Norwegerfete T-Shirt
Die bis heute nicht übertroffene Party (kann nicht mehr übertroffen werden) im Schneckenhof an der Uni Mannheim. Bevor ich die Augen wieder aufschlug, war mein kurzes Gebet: "Bitte lass mich in meinem Bett aufwachen und lass mich alleine in meinem Bett aufwachen". Beide Wünsche wurden erfüllt (bei manch anderem nicht). Das T-Shirt konnte man eigentlich danach nicht mehr anziehen, habe es mir trotzdem aufbewahrt.
4. Das Be T-Shirt
Eine der letzten Erinnerungen an believe.de. So wie meine erste Firma Erinnerung ist, so ist auch unser Hauptlieferant Be Inc und ihr Hauptprodukt BeOS Computergeschichte. Aber das T-Shirt gibt es immer noch, es ist aber schon sehr verwaschen. Rettung dringend erforderlich.
5. Das Bären-im-Wald T-Shirt
Hat mir meine Freundin aus Moskau mitgebracht, aus der Tretjakowskaja Galleria. Die Begründung ist etwas zu privat um sie hier näher zu erläutern. Rettung auch hier dringend erforderlich, das Bild ist sehr verwaschen.
6. Das Uni Mannheim T-Shirt
Mein Uni T-Shirt. So was darf man genauso wenig wegwerfen, wie das Abi-Shirt von dem ich keine Ahnung habe, wo es sich befindet. Schlimm genug.
7. Rage Against the Machine T-Shirt
Ewig lange gesucht, weil ich keinen Che Guevara auf dem T-Shirt haben wollte. Meine absolute Lieblingsband Ende 90er, Anfang 2000er Jahre bis zu ihrer Auflösung. Wegen ihnen habe ich angefangen mich für Politik zu interessieren.
8. Aeroflot T-Shirt
Keine bestimmte Erinnerung aber ein Ausgeh T-Shirt für Kalinka und andere russisch-angehauchten Aktivitäten. Gekauft übrigens in München, war hier eine zeitlang modern.
Nachfolgend noch ein paar meiner Lieblingsshirts und kurze Geschichten warum ich sie auf jeden Fall erhalten möchte:
1. Das IKM T-Shirt
Sommer 1996. Habe mich freiwillig gemeldet während der Sommerferien ein Internationales Mathecamp in Donaueschingen zu besuchen. Habe dort absolut geniale (im Sinne von Genie) Leute kennen gelernt, die gleichzeitig Blindschachspielen, die 100ste Stelle von Pi auswendig lernen und Klavierspielen konnten. Das einzige was mir von dieser Freizeit geblieben ist: ein Buch voll mit unverständlichen Formeln, ein paar Fotos und dieses T-Shirt mit Unterschriften.
2. Das japanische T-Shirt.
Gekauft auf einem OpenAir Festival in Köln im Jahr 2000, gleich nach dem besten Konzert von Atari Teenage Riot. Die Standart-Frage, wenn ich dieses T-Shirt anhabe: "Was steht denn drauf?" Die Standart-Antwort: "Die Waschanleitung", wobei 100%-ig sicher bin ich mir auch nicht. Auf einem meiner Lieblingsphotos von irgendeiner guten WG-Feier habe ich dieses T-Shirt an, allein deswegen möchte ich es nicht wegwerfen, obwohl es schon sehr verwaschen aussieht
3. Das Norwegerfete T-Shirt
Die bis heute nicht übertroffene Party (kann nicht mehr übertroffen werden) im Schneckenhof an der Uni Mannheim. Bevor ich die Augen wieder aufschlug, war mein kurzes Gebet: "Bitte lass mich in meinem Bett aufwachen und lass mich alleine in meinem Bett aufwachen". Beide Wünsche wurden erfüllt (bei manch anderem nicht). Das T-Shirt konnte man eigentlich danach nicht mehr anziehen, habe es mir trotzdem aufbewahrt.
4. Das Be T-Shirt
Eine der letzten Erinnerungen an believe.de. So wie meine erste Firma Erinnerung ist, so ist auch unser Hauptlieferant Be Inc und ihr Hauptprodukt BeOS Computergeschichte. Aber das T-Shirt gibt es immer noch, es ist aber schon sehr verwaschen. Rettung dringend erforderlich.
5. Das Bären-im-Wald T-Shirt
Hat mir meine Freundin aus Moskau mitgebracht, aus der Tretjakowskaja Galleria. Die Begründung ist etwas zu privat um sie hier näher zu erläutern. Rettung auch hier dringend erforderlich, das Bild ist sehr verwaschen.
6. Das Uni Mannheim T-Shirt
Mein Uni T-Shirt. So was darf man genauso wenig wegwerfen, wie das Abi-Shirt von dem ich keine Ahnung habe, wo es sich befindet. Schlimm genug.
7. Rage Against the Machine T-Shirt
Ewig lange gesucht, weil ich keinen Che Guevara auf dem T-Shirt haben wollte. Meine absolute Lieblingsband Ende 90er, Anfang 2000er Jahre bis zu ihrer Auflösung. Wegen ihnen habe ich angefangen mich für Politik zu interessieren.
8. Aeroflot T-Shirt
Keine bestimmte Erinnerung aber ein Ausgeh T-Shirt für Kalinka und andere russisch-angehauchten Aktivitäten. Gekauft übrigens in München, war hier eine zeitlang modern.
Samstag, August 11, 2007
Energetische Zukunft Estlands
Im heutigen Artikel geht es um die Zukunft. Und zwar um die Frage, wie die künftige Versorgung Estlands mit Energie aussehen wird. Fragen wie diese können nicht kurzfristig gelöst werden und heute geht schon eine lebhafte Diskussion woraus der Strom hergestellt wird, den man 2010-2015 in Estland aus der Steckdose beziehen kann. Natürlich hat diese Frage neben der wirtschaftlichen und technologischen auch eine politische Komponente, wenn es schon nicht gelingt unabhängig die gesamte Energie selbst produzieren zu können, dann müssen die Lieferanten verlässlich sein und die Preise und Liefermengen einigermassen vorhersagbar.
Die heutige Situation sieht folgendermassen aus: Kohtla-Järve hat ein Kraftwerk, das Ölschiefer (der einzige fossile Energieträger in Estland abgesehen von Holz und Torf) zur Energieerzeugung verbrennt. Dieses Kraftwerk ist übrigens das größte der Welt, das mit Ölschiefer arbeitet. Ölschieferverbrennung ist nicht gerade die sauberste Art Energie zu erzeugen, es hat hohen Schwefelgehalt, das wenn es nicht gefiltert wird zum saueren Regen beiträgt, ausserdem fallen viele Gesteinsreste an, die mit Erdöl kontaminiert sind und deswegen schwer zu entsorgen sind (in Kohtla-Järve hat man eine Tugend aus der Not gemacht und die Gesteinshalden für Snowboarder freigeben). Estland hat sich der EU gegenüber verpflichtet bis zum 31. Dezember 2015 Ausstoss von Schwefeldioxid einzustellen. Andere Kraftwerke arbeiten mit Erdöl und Steinkohle, die aus Russland importiert wird. Ausserdem ist Estland an aus den 70er Jahren stammenden Netz angeschlossen, das Russland, die baltischen Länder, Kaliningrad, Ukraine und Weissrussland miteinander verbindet. Einer der wichtigsten Energieerzeuger in diesem Netz ist der Atommeiler in Ingalina, Litauen. Dieser Meiler, der baugleich mit dem Reaktor in Tschernobyl ist, wird aber auch auf der Druck der EU bis zum Jahr 2009 abgeschaltet.
Somit stehen Estland und die anderen baltischen Länder von einem grossen Problem: Produktion von eigenem Strom, der zumindest auf Verbrennung von eigenen fossilen Energieträgern basiert, ist nicht möglich. Versorgung aus Russland ist politisch unerwünscht und kann instabil werden. Der größte Atommeiler geht demnächst vom Netz. Was tun?
Die alternativen Energiequellen ist momentan ein heiss diskutiertes Thema in EU, also schauen wir zuerst an, welche alternativen Energiequellen Estland anzapfen könnte:
- Solarenergie: Die Ausbeute der Solarzellen ist noch zu gering und die Zellen zu teuer, um daraus wirtschaftlich sinnvoll Strom produzieren zu können. Ausserdem liegt Estland viel zu weit in Norden und hat eine zu geringe Anzahl von Sonnentagen, so dass der Nutzungspotenzial noch niedriger wird
- Hydroenergie: Estland hat sehr viel Wasser, das aber kaum nutzbar für die Erzeugung von Energie sich eignet. Die Flüsse sind viel zu klein und wasserarm, mit zu geringem Gefälle um Wasserkraftwerke darauf bauen zu können. Gezeitenkraftwerke sind nicht möglich, da die Ostsee keine Gezeiten hat, Wellenkraftwerke sind auch nicht realisierbar
- Geothermalenergie: Habe keine Informationen, ob in Estland schon Probebohrungen stattgefunden haben, um diese Art von Energie nutzbar machen zu können.
- Windenergie: Estland befindet sich am Meer, wo die Winde recht stabil sind. In der Tat ist die Windenergie momentan die, die von allen anderen alternativen Energien am meisten genutzt wird (im Gebiet um Paldiski und Ostsaaremaa). Allerdings sind es keine Windparks, die weit im Meer stehen, sondern vereinzelte Masten, die Proteste der Bevölkerung wegen Schattenwurf und Lärm hervorrufen (die Diskussionen dieser Art kennt man auch in Deutschland zu genüge). Zur industriellen Nutzung der Windenergie muss allerdings auch das Netz umgebaut werden mit Zwischenspeichern, die die Spitzenlasten abfangen, Transformatoren und Akkumulatoren, was alles recht teuer ist. Allerdings räume ich der Windenergie in Estland recht grosse Zukunft ein.
- Bioenergie: Darunter verstehe ich sowohl die Erzeugung von Ethanol und Biodiesel aus Raps und anderen Pflanzen, als auch Erzeugung von Biogas aus biologischen Abfällen. Aus meiner Sicht ist das die größte Chance für Estland, denn viele Agrarflächen liegen momentan brach, weil sich der Anbau von anderen Kulturpflanzen nicht rentiert. Mit der entsprechenden Förderungen ist es durchaus möglich dies zu ändern, denn Flächen für Anbau von Pflanzen, aus denen Biodiesel gemacht wird, kann man nie genug haben. Was passieren kann, wenn der Anbau energiereichen Pflanzen gefördert wird, kann man in Mexiko sehen, wo die Bauern aus Mais lieber Ethanol für Autos erzeugen, als ihn zur Essenherstellung verkaufen, was bereits zu Protesten unter den Armen geführt hat.
Doch ist es kaum möglich sämtlichen Energiebedarf nur durch Windenergie und Biodiesel zu decken, deswegen muss Estland sich nach anderen Möglichkeiten umschauen, wie der Energiebedarf gedeckt werden kann. Es werden komplett fantastische Ideen vorgeschlagen, wie die Errichtung eines Atomkraftwerks unter Wasser (russisch hier, estnisch hier), oder aber auch die Errichtung eines Atomkraftwerks in Litauen, quasi als Ersatz von Ingalina. Die Errichtung eines gemeinsamen Kraftwerks wird auf höchster Ebene diskutiert, aber es gibt auch schon Streit über die Beteiligung der einzelnen Länder. Ursprünglich (Ende 2006) sollte jedes baltische Land zu einem Drittel beteiligt werden. Doch dann erklärte Polen (das ähnliche Probleme mit eigener Energieversorgung hat), dass es beteiligt werden möchte. Anstatt die Beteiligung auf 25% für jeden zu senken, verabschiedete der litauische Sejm ein Gesetz nach dem die Mindestbeteiligung Litauens 34% betragen muss, so dass alle anderen Partner je 22% bekommen werden. Ende Juli beanspruchte Polen 1000-1200 Megawatt der erzeugten Energie für sich. Nach den heutigen Plänen sollte das Kraftwerk 3200 Megawatt erzeugen, so dass für Estland und Lettland nur noch ein Drittel übrig bleiben würde. Und als krönender Abschluss überlegt Lettland laut, ob es nicht ein eigenes Kraftwerk bauen sollte, dass mit Gas befeuert wird, von der Leistung mindestens dem projektiertem AKW ebenbürtig ist, ungefähr ein Drittel kostet (die AKW-Kosten werden auf 3 Mrd. EUR geschätzt) und schneller gebaut werden kann als die veranschlagten 6 Jahren Bauzeit des Reaktors in Ingalina. Die grosse Frage ist natürlich woher der Gas kommen soll. Die Antwort: aus der Nordeuropäischen Gaspipeline, die eine Verzweigung nach Lettland bekommen soll, um auch die grossen unterirdischen Gaslagerstätten in Litauen als Zwischenspeicher nutzen zu können. Während estnischer Premierminister bis heute sich weigert den Vorsitzenden der Gesellschaft Nordstream, die für der Bau der Pipeline zuständig ist, Gerhard Schröder zu empfangen, überlegen die Letten schon wie sie sich ein Stück vom Kuchen sichern können. Und auch in Estland gibt es laute Diskussionen über die Beteiligung an dem grossen und riskantem Projekt AKW. Die Grünen im Parlament haben eine ausserordentliche Sitzung einberufen, um zu klären, ob der Premierminister überhaupt befugt ist, ohne Einverständnis des Parlaments Verträge über die Nutzung der ausländischen Atomenergie zu unterschreiben. Ausserdem verlangen sie eine Energiekommission einzusetzen, die sich den Problemen der Energieversorgung Estlands widmen soll.
Man darf also noch sehr gespannt sein, was für Strom aus einer estnischen Steckdose im Jahr 2013 fliessen wird.
Die heutige Situation sieht folgendermassen aus: Kohtla-Järve hat ein Kraftwerk, das Ölschiefer (der einzige fossile Energieträger in Estland abgesehen von Holz und Torf) zur Energieerzeugung verbrennt. Dieses Kraftwerk ist übrigens das größte der Welt, das mit Ölschiefer arbeitet. Ölschieferverbrennung ist nicht gerade die sauberste Art Energie zu erzeugen, es hat hohen Schwefelgehalt, das wenn es nicht gefiltert wird zum saueren Regen beiträgt, ausserdem fallen viele Gesteinsreste an, die mit Erdöl kontaminiert sind und deswegen schwer zu entsorgen sind (in Kohtla-Järve hat man eine Tugend aus der Not gemacht und die Gesteinshalden für Snowboarder freigeben). Estland hat sich der EU gegenüber verpflichtet bis zum 31. Dezember 2015 Ausstoss von Schwefeldioxid einzustellen. Andere Kraftwerke arbeiten mit Erdöl und Steinkohle, die aus Russland importiert wird. Ausserdem ist Estland an aus den 70er Jahren stammenden Netz angeschlossen, das Russland, die baltischen Länder, Kaliningrad, Ukraine und Weissrussland miteinander verbindet. Einer der wichtigsten Energieerzeuger in diesem Netz ist der Atommeiler in Ingalina, Litauen. Dieser Meiler, der baugleich mit dem Reaktor in Tschernobyl ist, wird aber auch auf der Druck der EU bis zum Jahr 2009 abgeschaltet.
Somit stehen Estland und die anderen baltischen Länder von einem grossen Problem: Produktion von eigenem Strom, der zumindest auf Verbrennung von eigenen fossilen Energieträgern basiert, ist nicht möglich. Versorgung aus Russland ist politisch unerwünscht und kann instabil werden. Der größte Atommeiler geht demnächst vom Netz. Was tun?
Die alternativen Energiequellen ist momentan ein heiss diskutiertes Thema in EU, also schauen wir zuerst an, welche alternativen Energiequellen Estland anzapfen könnte:
- Solarenergie: Die Ausbeute der Solarzellen ist noch zu gering und die Zellen zu teuer, um daraus wirtschaftlich sinnvoll Strom produzieren zu können. Ausserdem liegt Estland viel zu weit in Norden und hat eine zu geringe Anzahl von Sonnentagen, so dass der Nutzungspotenzial noch niedriger wird
- Hydroenergie: Estland hat sehr viel Wasser, das aber kaum nutzbar für die Erzeugung von Energie sich eignet. Die Flüsse sind viel zu klein und wasserarm, mit zu geringem Gefälle um Wasserkraftwerke darauf bauen zu können. Gezeitenkraftwerke sind nicht möglich, da die Ostsee keine Gezeiten hat, Wellenkraftwerke sind auch nicht realisierbar
- Geothermalenergie: Habe keine Informationen, ob in Estland schon Probebohrungen stattgefunden haben, um diese Art von Energie nutzbar machen zu können.
- Windenergie: Estland befindet sich am Meer, wo die Winde recht stabil sind. In der Tat ist die Windenergie momentan die, die von allen anderen alternativen Energien am meisten genutzt wird (im Gebiet um Paldiski und Ostsaaremaa). Allerdings sind es keine Windparks, die weit im Meer stehen, sondern vereinzelte Masten, die Proteste der Bevölkerung wegen Schattenwurf und Lärm hervorrufen (die Diskussionen dieser Art kennt man auch in Deutschland zu genüge). Zur industriellen Nutzung der Windenergie muss allerdings auch das Netz umgebaut werden mit Zwischenspeichern, die die Spitzenlasten abfangen, Transformatoren und Akkumulatoren, was alles recht teuer ist. Allerdings räume ich der Windenergie in Estland recht grosse Zukunft ein.
- Bioenergie: Darunter verstehe ich sowohl die Erzeugung von Ethanol und Biodiesel aus Raps und anderen Pflanzen, als auch Erzeugung von Biogas aus biologischen Abfällen. Aus meiner Sicht ist das die größte Chance für Estland, denn viele Agrarflächen liegen momentan brach, weil sich der Anbau von anderen Kulturpflanzen nicht rentiert. Mit der entsprechenden Förderungen ist es durchaus möglich dies zu ändern, denn Flächen für Anbau von Pflanzen, aus denen Biodiesel gemacht wird, kann man nie genug haben. Was passieren kann, wenn der Anbau energiereichen Pflanzen gefördert wird, kann man in Mexiko sehen, wo die Bauern aus Mais lieber Ethanol für Autos erzeugen, als ihn zur Essenherstellung verkaufen, was bereits zu Protesten unter den Armen geführt hat.
Doch ist es kaum möglich sämtlichen Energiebedarf nur durch Windenergie und Biodiesel zu decken, deswegen muss Estland sich nach anderen Möglichkeiten umschauen, wie der Energiebedarf gedeckt werden kann. Es werden komplett fantastische Ideen vorgeschlagen, wie die Errichtung eines Atomkraftwerks unter Wasser (russisch hier, estnisch hier), oder aber auch die Errichtung eines Atomkraftwerks in Litauen, quasi als Ersatz von Ingalina. Die Errichtung eines gemeinsamen Kraftwerks wird auf höchster Ebene diskutiert, aber es gibt auch schon Streit über die Beteiligung der einzelnen Länder. Ursprünglich (Ende 2006) sollte jedes baltische Land zu einem Drittel beteiligt werden. Doch dann erklärte Polen (das ähnliche Probleme mit eigener Energieversorgung hat), dass es beteiligt werden möchte. Anstatt die Beteiligung auf 25% für jeden zu senken, verabschiedete der litauische Sejm ein Gesetz nach dem die Mindestbeteiligung Litauens 34% betragen muss, so dass alle anderen Partner je 22% bekommen werden. Ende Juli beanspruchte Polen 1000-1200 Megawatt der erzeugten Energie für sich. Nach den heutigen Plänen sollte das Kraftwerk 3200 Megawatt erzeugen, so dass für Estland und Lettland nur noch ein Drittel übrig bleiben würde. Und als krönender Abschluss überlegt Lettland laut, ob es nicht ein eigenes Kraftwerk bauen sollte, dass mit Gas befeuert wird, von der Leistung mindestens dem projektiertem AKW ebenbürtig ist, ungefähr ein Drittel kostet (die AKW-Kosten werden auf 3 Mrd. EUR geschätzt) und schneller gebaut werden kann als die veranschlagten 6 Jahren Bauzeit des Reaktors in Ingalina. Die grosse Frage ist natürlich woher der Gas kommen soll. Die Antwort: aus der Nordeuropäischen Gaspipeline, die eine Verzweigung nach Lettland bekommen soll, um auch die grossen unterirdischen Gaslagerstätten in Litauen als Zwischenspeicher nutzen zu können. Während estnischer Premierminister bis heute sich weigert den Vorsitzenden der Gesellschaft Nordstream, die für der Bau der Pipeline zuständig ist, Gerhard Schröder zu empfangen, überlegen die Letten schon wie sie sich ein Stück vom Kuchen sichern können. Und auch in Estland gibt es laute Diskussionen über die Beteiligung an dem grossen und riskantem Projekt AKW. Die Grünen im Parlament haben eine ausserordentliche Sitzung einberufen, um zu klären, ob der Premierminister überhaupt befugt ist, ohne Einverständnis des Parlaments Verträge über die Nutzung der ausländischen Atomenergie zu unterschreiben. Ausserdem verlangen sie eine Energiekommission einzusetzen, die sich den Problemen der Energieversorgung Estlands widmen soll.
Man darf also noch sehr gespannt sein, was für Strom aus einer estnischen Steckdose im Jahr 2013 fliessen wird.
Sonntag, Juli 15, 2007
EU, Estland und Russland
Im heutigen Betrag beschreibe ich das Verhältnis zwischen der EU, Estland und estnischen Beziehungen zu Russland und eigener russisch-sprachigen Minderheit. Zweifellos war der Betritt Estlands zur EU eine der wichtigsten Geschehnisse in estnischen Geschichte überhaupt, Estland hat ihren Platz in Europa eingenommen, vielleicht vergleichbar wie vor mehreren hundert Jahren Tallinn (damals Reval) einen festen Platz im Hansa-Bund einnahm. Wirtschaftlich hat Estland zweifellos gewonnen. Der unvergleichbare ökonomischer Boom der letzten Jahre (um die 10% Wirtschaftswachstum per annum) ist auch damit zu begründen, dass Estland zuerst Beitrittskandidat und dann Vollmitglied der EU geworden ist, also zur gemeinsamen europäischen Wirtschaftszone gehört und damit erstens Investitionen anlockt und zweitens für Vertrauen der Bürger gesorgt hat, die für einen sehr hohen Konsum sorgen. Zwar sorgen die Auswüchse der europäischen Bürokratie auch in Estland zuweilen für Unverständnis (Strafzahlungen wegen Zuckerbeständen, Lieferungen von Tonnen an Nudeln), doch kaum jemand wird bezweifeln, dass die Mitgliedschaft Estlands in EU von eindeutigem Vorteil für das Land ist. Die Integration geht auch weiter. Nächstes Jahr wird Estland voraussichtlich zum Mitglied des Schengen-Abkommens, die Grenzen werden noch durchlässiger, der Euro wurde zwar (voraussichtlich) auf 2011 verschoben, aber es ist die Frage, ob in momentaner wirtschaftlichen Situation Euro Estland von Nutzen ist, denn die relativ hohe Inflation der Krone sorgt zum Beispiel dafür, dass die überschuldeten Haushalte eher die Kredite zurückzahlen können.
Doch wie sieht die politische Seite der Mitgliedschaft Estlands aus, besonders in Hinsicht auf den Konflikt mit Russland und den Spannungen mit der russisch-sprachigen Minderheit aus? Es ist interessant zu beobachten, dass die politischen Auseinandersetzungen mit der russisch-sprachigen Minderheit nicht im Land selbst, sondern eher gleich auf der europäischen Ebene ausgetragen wird. Vielleicht ist es damit zu begründen, dass es keine wirkliche Vertretung des kritischen Teils der russisch-sprachigen Minderheit in der estnischen Politik gibt? Abgeordnete des estnischen Parlaments, die als "Vertreter" der russisch-sprachigen Minderheit gerne in Diskussionen erwähnt werden wie Tatjana Muravjova oder Igor Grjasin oder Michael Lotman sind keinesfalls als kritisch einzustufen. Die Zentralisten-Partei wird erreicht zwar in Tallinn und Ida-Virumaa hohe Zustimmung, allerdings ist ihre Kritik eher als Teil der Taktik des Parteikampfes gegen die Reformistenpartei anzusehen, denn grundlegende Änderungen, wie vereinfachte Staatsbürgerschaft, Anerkennung der russischen Sprache als zweite Staatssprache, Erhaltung der russischen Schulen und Kultur fordern sie auch nicht. Nicht umsonst klagten estnische Politiker nach der Bronzenen Nacht, dass es auf der russisch-sprachigen Seite niemanden gibt, mit dem sie sich zusammensetzen könnten, sämtliche Führungsfiguren der Minderheit sind systematisch entmachtet worden.
Deswegen findet die Auseinandersetzung eher im Europäischen Parlament statt. Dort sitzt Tatjana Ždanok als Mitglied der Grünen Fraktion für Lettland in Europaparlament, die die einzige Vertreterin der russischen Minderheit in Europa ist. Ihren Angaben zufolge sind es über 6 Mio Menschen, also ca. 7-Mal mehr als 800.000 ethnischen Esten, die jedoch zahlreicher in Europaparlament vertreten sind. Tatjana Ždanok ist es z.B. zu verdanken, dass das Problem der Reisefreiheit für die Staatenlose Aufmerksamkeit im Europaparlament gefunden hat mit dem Ergebnis, dass ab Februar auch Staatenlose kein Visum mehr für die Reisen in EU-Länder mehr brauchen. Nach den Ereignissen der Bronzenen Nacht ist es ihre Stimme, die die Missstände bei der Aufarbeitung der Geschehnisse anklagt. Doch eins nach dem anderen.
Am 24.05 hat das Europäische Parlament mit 460 "Für"-Stimmen gegen 31-"Gegen"-Stimmen und 38 Enthaltungen eine Resolution verabschiedet, die die Estnische Regierung unterstützt und Russland verurteilt und aufruft die Wiener Konvention über die Diplomatische Vertretungen in allen Punkten zu beachten. Dies war die Reaktion auf die Blockade der estnischen Botschaft in Moskau von der Regierung nahestehenden Jugendorganisationen "Naschi" und anderen. Ausserdem verurteilt die Resolution eine "eindeutig feindliche Rhetorik" der russischen Führung und den Versuch ökonomischen Druck als außenpolitisches Mittel auf Estland auszuüben. Europaparlament ruft ferner die Regierung Russlands auf einen "offenen und vorurteilsfreien Dialog" mit den Mittel- und Osteuropäischen Ländern zu führen, die auch die Themen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen des totalitären Kommunismus betreffen. Zum Schluss wird der Aufruf des estnischen Präsidenten Toomas Ilves begrüßt den innerestnischen Dialog zu aktivieren, um die Teilung zwischen den Gemeinden zu überwinden und neue Integrationsmöglichkeiten für die russisch-sprachigen Bewohner Estlands zu schaffen. Zu dem Vorgehen der Sicherheitskräfte wurde nur erklärt, dass der Justizkanzler Estlands keine Rechtsvergehen der Sicherheitskräfte festgestellt hat.
Um dieses Dokument zu bewerten sollte man sich die Liste deren ansehen, wer diese Resolution aufgesetzt hat. Von 26 Autoren ist die absolute Mehrheit aus den baltischen Ländern und Polen, also den Ländern, die die Haltung estnischen Regierung in diesem Punkt unterstützen. Ausserdem unterscheidet das Dokument nicht zwischen zwei verschiedenen Punkten, die Geschehnisse innerhalb Estlands und die Reaktion Russlands. Bei der Beurteilung der Reaktion Russlands hat EU kein Spielraum, sämtliche Aggressionen fremden Staates gegenüber einem Mitglied sind als Angriff auf die gesamte EU zu bewerten und entsprechend zu verurteilen. Hans-Gerd Pöttering, der Präsident des Europaparlaments sagte dazu folgendes: "EU basiert auf Werten. Verteidigung dieser Werte ist unsere gemeinsame Aufgabe. Dort, wo auf ein Land der EU Druck ausgeübt wird, müssen wir alle auftreten, damit mit uns gerechnet wird. Estland kann auf unsere Solidarität zählen." Ob diese Solidarität unendlich gilt, ist eine andere Frage. Insbesondere Polen wurde schon oft daran erinnert, dass in ihrem Konflikt mit Russland wegen der Fleischlieferungen die EU zwar auf ihrer Seite steht, wegen dem Verhalten der polnischen Regierung während des jüngsten Gipfels kann sich das auch ändern. Der Vorschlag von litauischen Politikers die Verhältnisse mit Russland nicht als strategisch zu betrachten, obwohl Russland einer der wichtigsten Handelspartners mit der EU ist, löst ein lautes Stöhnen bei den westeuropäischen EU-Politikern aus und selbst der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier drückt inzwischen Bedauern aus, dass während dem deutschen EU-Vorsitz kein Partnerschaftvertrag mit Russland erneuert werden konnte und zwar wegen dem Fleisch-Streites mit Polen und Bronzenen Nacht in Estland. "Als Europäer müssen wir ein grosses Interesse haben den Partnerschaftsvertrag mit Russland zu beschliessen" sagte Steinmeier. "Nur dann kann EU eine Stimme gegenüber Russland haben".
Wenn die Position EUs zum Verhältnis zwischen Estland und Russland bislang offiziell eindeutig ist, ist sie es zu den Geschehnissen während der Bronzenen Nacht in Estland selbst keinesfalls. Dafür sorgt die bereits früher erwähnte Tatjana Ždanok. Am 26. Juni, Tag des Gedenkens der Folteropfer, veranstaltete sie eine Pressekonferenz mit den Opfern der Polizeigewalt während der Unruhen und sie erzählten ihre Erlebnisse den Journalisten und Parlamentariern. Im Vorfeld der Veranstaltung kam es zu einer Aktion der Parlamentariern aus Estland (insbesondere Katrin Saks), die folgendes Flugblatt ausgeteilt haben. Besonders frech ist die letzte Behauptung, dass die "Organisatoren" der Ausschreitungen Dimitri Linter und Maksim Reva in Freiheit sind, das ist definitiv nicht wahr. Ausserdem wurden die Plakate, die über die Veranstaltung informiert haben, runtergerissen. Katrin Saks gab auch eine Interviews den estnischen Massenmedien in den sie behauptet hat, dass nur wenige Leute an der Veranstaltung teilgenommen genommen, Kommunisten aus Irland, Vertreter der Basken, sowie Spione, die sich als Diplomaten ausgegeben haben. Dazu muss man auch wissen, dass die Frau früher als Ministerin für Bevölkerungsentwicklung für die Integration der Minderheiten zuständig war.
Zum Schluss noch ein Kommentar zum Interview von Toomas Hendrik Ilves, den er "Spiegel" gab. Darin erklärt er eigentlich recht deutlich, wie die osteuropäischen Politiker ticken und was sie erreichen wollen. Einige Zitate:
Ilves: Yes, in fact we do want to rewrite history. We want to rewrite Soviet history books. We want to fill in the gaps. Soviet history books contain just a single line about the Gulags, stating only that the camps were abolished. This means that the deportation of 30,000 Estonians to the Soviet Union on a single day in 1941 is being deliberately suppressed.
Das erinnert doch sehr an die polnische Regierung, die die Kriegstoten des 2. Weltkrieges als Argument gebracht hat, um mehr Einfluss bei der Verteilung der Stimmen zu bekommen. Was will man dadurch erreichen? Entschädigungszahlungen?
Ilves: If you tell me that the Nazis were worse, then I would say to you that you are comparing the culinary habits of cannibals. I will not say who was worse. When it comes to the number of people murdered, I believe that the communists killed more people. Some say the Nazis were worse because the ideology behind their murders was worse. But for Estonians, our people were not murdered by communists or Nazis, but by Germans and Russians. The question of which ideology the murderers had is irrelevant to us.
Die Esten blenden bis heute aus, dass es auch Esten waren, die Esten, Weissrussen, Russen, Deutsche, Juden getötet haben. Die gesamte Nation sieht sich als unschuldiges Opfer der Ideologien. Es ist ja nicht so, dass die Esten niemals Anhänger einer Ideologie waren.
SPIEGEL: But there is an ongoing dispute over why Russian is not an official language in Estonia.
Ilves: Why should it be?
SPIEGEL: Because at least a quarter of the population are Russians.
Ilves: They're welcome to speak Russian. But in light of the experiences we had during the occupation -- when Russian was the official language and there were no doctors or civil servants who spoke Estonian -- not a single Estonian would vote for a government that plans to change this.
Das ist eine glatte Lüge. Es gab sowohl estnische Ärzte, estnische Beamte, estnische Schulen, estnische Kindergärten, estnische Vorlesungen an der Uni, estnische Singwettbewerbe...
SPIEGEL: But many Russians in Estonia feel like second-class citizens because, without a passport, they don't even have the right to vote in parliamentary elections.
Ilves: They have more rights than non-citizens in most other countries. First of all, because they can vote in local elections. And secondly, because -- if they truly want to vote -- it's very easy to become an Estonian citizen. We have much more liberal citizenship laws than Germany, Finland, Sweden and Denmark -- not to mention Switzerland and Austria.
Auch das ist schlichtweg falsch. Am 27.06 hat die Europäische Kommission Estland benachrichtigt, dass die Direktive 2000/43/Ce gegen die Diskriminierung wegen Rassen- oder Geschlechtzugehörigkeit ratifiziert werden muss. Momentan verletzt die Gesetzgebung Estlands diese Direktive und die Direktive über den Schutz der nationalen Minderheiten. Die Umsetzung dieser Direktive würde nach Worten des Mitglieds des estnischen Parlaments Vladimir Welmans Erleichterungen beim Gesetz der Staatsangehörigkeit mit sich bringen, gegen die sich die estnischen Politiker sperren. Unter anderem könnte es bedeuten, dass die 200000 bisher staatenlose Bewohner Estlands plötzlich Anrecht auf die estnische Staatsangehörigkeit hätten, was die jetzige politische Elite unter allen Umständen verhindern möchte.
Ilves: People respect Germany because it is a reputable country that behaves in a normal and democratic way. It's a rich country. Russia, on the other hand, they respect out of fear.
Und genau aus diesem Grund ist Russland mit zum größten Handelspartner der EU aufgestiegen. Vielleicht spielt Angst wirklich eine Rolle, Angst nicht dabei zu sein, bei der Nutzung der Rohstoffe aus Russland, bei der Befriedigung des grossen Konsumhungers der immer reicher werdenden Teilen der Bevölkerung, bei der Vergabe der Industrieaufträge.
SPIEGEL: Are you under the impression that the new EU countries with their unique historical experiences are not taken seriously in Western Europe?
Ilves: Yes. One cannot simply extinguish people's memories in these countries. A common trait among the new EU countries is their pro-American stance, which results from their fear of Russia. It generates great resentment when people who don't know Russia try to tell people who have experienced Russia at first hand what Russia and the Russians are like.
Noch deutlicher geht es nicht. Die osteuropäischen Länder vertreten die Interessen der USA und nicht die Interessen der EU. Anstatt Kontakt zu Russland zu haben und Vermittlerrolle zu übernehmen, sieht es so aus, als wenn sie selbst Vermittler brauchen.
Aber vielleicht gibt es eine gute Erklärung dafür, warum Estland es nötig hat, sich zum Gegenspieler Russlands aufzuspielen. Ohne diesen Konflikt, der meiner Meinung nach noch bei weitem nicht ausgestanden ist, droht Estland sich in eine kleine, schnell aussterbende europäische Provinz zu verwandeln, die nur von dem Ruhm lebt "Skype" programmiert zu haben. Doch durch den Konflikt mit Russland ist Estland ein Vorposten der Westens gegen den Osten, folglich die Aufmerksamkeit und Geld der EU und der NATO sind garantiert. Wie schon der ehmalige estnische Botschafter in Russland Mart Helme schon 2003 sagte: "Unseren Platz in Europa haben wir schon 1242 festgelegt als die Führer des estnischen Volkes mit ihren Kriegern einen Grossteil des deutschen Heeres stellten bei der Eisschlacht gegen den Aleksander Nevski." Dem ist nur wenig hinzuzufügen.
Doch wie sieht die politische Seite der Mitgliedschaft Estlands aus, besonders in Hinsicht auf den Konflikt mit Russland und den Spannungen mit der russisch-sprachigen Minderheit aus? Es ist interessant zu beobachten, dass die politischen Auseinandersetzungen mit der russisch-sprachigen Minderheit nicht im Land selbst, sondern eher gleich auf der europäischen Ebene ausgetragen wird. Vielleicht ist es damit zu begründen, dass es keine wirkliche Vertretung des kritischen Teils der russisch-sprachigen Minderheit in der estnischen Politik gibt? Abgeordnete des estnischen Parlaments, die als "Vertreter" der russisch-sprachigen Minderheit gerne in Diskussionen erwähnt werden wie Tatjana Muravjova oder Igor Grjasin oder Michael Lotman sind keinesfalls als kritisch einzustufen. Die Zentralisten-Partei wird erreicht zwar in Tallinn und Ida-Virumaa hohe Zustimmung, allerdings ist ihre Kritik eher als Teil der Taktik des Parteikampfes gegen die Reformistenpartei anzusehen, denn grundlegende Änderungen, wie vereinfachte Staatsbürgerschaft, Anerkennung der russischen Sprache als zweite Staatssprache, Erhaltung der russischen Schulen und Kultur fordern sie auch nicht. Nicht umsonst klagten estnische Politiker nach der Bronzenen Nacht, dass es auf der russisch-sprachigen Seite niemanden gibt, mit dem sie sich zusammensetzen könnten, sämtliche Führungsfiguren der Minderheit sind systematisch entmachtet worden.
Deswegen findet die Auseinandersetzung eher im Europäischen Parlament statt. Dort sitzt Tatjana Ždanok als Mitglied der Grünen Fraktion für Lettland in Europaparlament, die die einzige Vertreterin der russischen Minderheit in Europa ist. Ihren Angaben zufolge sind es über 6 Mio Menschen, also ca. 7-Mal mehr als 800.000 ethnischen Esten, die jedoch zahlreicher in Europaparlament vertreten sind. Tatjana Ždanok ist es z.B. zu verdanken, dass das Problem der Reisefreiheit für die Staatenlose Aufmerksamkeit im Europaparlament gefunden hat mit dem Ergebnis, dass ab Februar auch Staatenlose kein Visum mehr für die Reisen in EU-Länder mehr brauchen. Nach den Ereignissen der Bronzenen Nacht ist es ihre Stimme, die die Missstände bei der Aufarbeitung der Geschehnisse anklagt. Doch eins nach dem anderen.
Am 24.05 hat das Europäische Parlament mit 460 "Für"-Stimmen gegen 31-"Gegen"-Stimmen und 38 Enthaltungen eine Resolution verabschiedet, die die Estnische Regierung unterstützt und Russland verurteilt und aufruft die Wiener Konvention über die Diplomatische Vertretungen in allen Punkten zu beachten. Dies war die Reaktion auf die Blockade der estnischen Botschaft in Moskau von der Regierung nahestehenden Jugendorganisationen "Naschi" und anderen. Ausserdem verurteilt die Resolution eine "eindeutig feindliche Rhetorik" der russischen Führung und den Versuch ökonomischen Druck als außenpolitisches Mittel auf Estland auszuüben. Europaparlament ruft ferner die Regierung Russlands auf einen "offenen und vorurteilsfreien Dialog" mit den Mittel- und Osteuropäischen Ländern zu führen, die auch die Themen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen des totalitären Kommunismus betreffen. Zum Schluss wird der Aufruf des estnischen Präsidenten Toomas Ilves begrüßt den innerestnischen Dialog zu aktivieren, um die Teilung zwischen den Gemeinden zu überwinden und neue Integrationsmöglichkeiten für die russisch-sprachigen Bewohner Estlands zu schaffen. Zu dem Vorgehen der Sicherheitskräfte wurde nur erklärt, dass der Justizkanzler Estlands keine Rechtsvergehen der Sicherheitskräfte festgestellt hat.
Um dieses Dokument zu bewerten sollte man sich die Liste deren ansehen, wer diese Resolution aufgesetzt hat. Von 26 Autoren ist die absolute Mehrheit aus den baltischen Ländern und Polen, also den Ländern, die die Haltung estnischen Regierung in diesem Punkt unterstützen. Ausserdem unterscheidet das Dokument nicht zwischen zwei verschiedenen Punkten, die Geschehnisse innerhalb Estlands und die Reaktion Russlands. Bei der Beurteilung der Reaktion Russlands hat EU kein Spielraum, sämtliche Aggressionen fremden Staates gegenüber einem Mitglied sind als Angriff auf die gesamte EU zu bewerten und entsprechend zu verurteilen. Hans-Gerd Pöttering, der Präsident des Europaparlaments sagte dazu folgendes: "EU basiert auf Werten. Verteidigung dieser Werte ist unsere gemeinsame Aufgabe. Dort, wo auf ein Land der EU Druck ausgeübt wird, müssen wir alle auftreten, damit mit uns gerechnet wird. Estland kann auf unsere Solidarität zählen." Ob diese Solidarität unendlich gilt, ist eine andere Frage. Insbesondere Polen wurde schon oft daran erinnert, dass in ihrem Konflikt mit Russland wegen der Fleischlieferungen die EU zwar auf ihrer Seite steht, wegen dem Verhalten der polnischen Regierung während des jüngsten Gipfels kann sich das auch ändern. Der Vorschlag von litauischen Politikers die Verhältnisse mit Russland nicht als strategisch zu betrachten, obwohl Russland einer der wichtigsten Handelspartners mit der EU ist, löst ein lautes Stöhnen bei den westeuropäischen EU-Politikern aus und selbst der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier drückt inzwischen Bedauern aus, dass während dem deutschen EU-Vorsitz kein Partnerschaftvertrag mit Russland erneuert werden konnte und zwar wegen dem Fleisch-Streites mit Polen und Bronzenen Nacht in Estland. "Als Europäer müssen wir ein grosses Interesse haben den Partnerschaftsvertrag mit Russland zu beschliessen" sagte Steinmeier. "Nur dann kann EU eine Stimme gegenüber Russland haben".
Wenn die Position EUs zum Verhältnis zwischen Estland und Russland bislang offiziell eindeutig ist, ist sie es zu den Geschehnissen während der Bronzenen Nacht in Estland selbst keinesfalls. Dafür sorgt die bereits früher erwähnte Tatjana Ždanok. Am 26. Juni, Tag des Gedenkens der Folteropfer, veranstaltete sie eine Pressekonferenz mit den Opfern der Polizeigewalt während der Unruhen und sie erzählten ihre Erlebnisse den Journalisten und Parlamentariern. Im Vorfeld der Veranstaltung kam es zu einer Aktion der Parlamentariern aus Estland (insbesondere Katrin Saks), die folgendes Flugblatt ausgeteilt haben. Besonders frech ist die letzte Behauptung, dass die "Organisatoren" der Ausschreitungen Dimitri Linter und Maksim Reva in Freiheit sind, das ist definitiv nicht wahr. Ausserdem wurden die Plakate, die über die Veranstaltung informiert haben, runtergerissen. Katrin Saks gab auch eine Interviews den estnischen Massenmedien in den sie behauptet hat, dass nur wenige Leute an der Veranstaltung teilgenommen genommen, Kommunisten aus Irland, Vertreter der Basken, sowie Spione, die sich als Diplomaten ausgegeben haben. Dazu muss man auch wissen, dass die Frau früher als Ministerin für Bevölkerungsentwicklung für die Integration der Minderheiten zuständig war.
Zum Schluss noch ein Kommentar zum Interview von Toomas Hendrik Ilves, den er "Spiegel" gab. Darin erklärt er eigentlich recht deutlich, wie die osteuropäischen Politiker ticken und was sie erreichen wollen. Einige Zitate:
Ilves: Yes, in fact we do want to rewrite history. We want to rewrite Soviet history books. We want to fill in the gaps. Soviet history books contain just a single line about the Gulags, stating only that the camps were abolished. This means that the deportation of 30,000 Estonians to the Soviet Union on a single day in 1941 is being deliberately suppressed.
Das erinnert doch sehr an die polnische Regierung, die die Kriegstoten des 2. Weltkrieges als Argument gebracht hat, um mehr Einfluss bei der Verteilung der Stimmen zu bekommen. Was will man dadurch erreichen? Entschädigungszahlungen?
Ilves: If you tell me that the Nazis were worse, then I would say to you that you are comparing the culinary habits of cannibals. I will not say who was worse. When it comes to the number of people murdered, I believe that the communists killed more people. Some say the Nazis were worse because the ideology behind their murders was worse. But for Estonians, our people were not murdered by communists or Nazis, but by Germans and Russians. The question of which ideology the murderers had is irrelevant to us.
Die Esten blenden bis heute aus, dass es auch Esten waren, die Esten, Weissrussen, Russen, Deutsche, Juden getötet haben. Die gesamte Nation sieht sich als unschuldiges Opfer der Ideologien. Es ist ja nicht so, dass die Esten niemals Anhänger einer Ideologie waren.
SPIEGEL: But there is an ongoing dispute over why Russian is not an official language in Estonia.
Ilves: Why should it be?
SPIEGEL: Because at least a quarter of the population are Russians.
Ilves: They're welcome to speak Russian. But in light of the experiences we had during the occupation -- when Russian was the official language and there were no doctors or civil servants who spoke Estonian -- not a single Estonian would vote for a government that plans to change this.
Das ist eine glatte Lüge. Es gab sowohl estnische Ärzte, estnische Beamte, estnische Schulen, estnische Kindergärten, estnische Vorlesungen an der Uni, estnische Singwettbewerbe...
SPIEGEL: But many Russians in Estonia feel like second-class citizens because, without a passport, they don't even have the right to vote in parliamentary elections.
Ilves: They have more rights than non-citizens in most other countries. First of all, because they can vote in local elections. And secondly, because -- if they truly want to vote -- it's very easy to become an Estonian citizen. We have much more liberal citizenship laws than Germany, Finland, Sweden and Denmark -- not to mention Switzerland and Austria.
Auch das ist schlichtweg falsch. Am 27.06 hat die Europäische Kommission Estland benachrichtigt, dass die Direktive 2000/43/Ce gegen die Diskriminierung wegen Rassen- oder Geschlechtzugehörigkeit ratifiziert werden muss. Momentan verletzt die Gesetzgebung Estlands diese Direktive und die Direktive über den Schutz der nationalen Minderheiten. Die Umsetzung dieser Direktive würde nach Worten des Mitglieds des estnischen Parlaments Vladimir Welmans Erleichterungen beim Gesetz der Staatsangehörigkeit mit sich bringen, gegen die sich die estnischen Politiker sperren. Unter anderem könnte es bedeuten, dass die 200000 bisher staatenlose Bewohner Estlands plötzlich Anrecht auf die estnische Staatsangehörigkeit hätten, was die jetzige politische Elite unter allen Umständen verhindern möchte.
Ilves: People respect Germany because it is a reputable country that behaves in a normal and democratic way. It's a rich country. Russia, on the other hand, they respect out of fear.
Und genau aus diesem Grund ist Russland mit zum größten Handelspartner der EU aufgestiegen. Vielleicht spielt Angst wirklich eine Rolle, Angst nicht dabei zu sein, bei der Nutzung der Rohstoffe aus Russland, bei der Befriedigung des grossen Konsumhungers der immer reicher werdenden Teilen der Bevölkerung, bei der Vergabe der Industrieaufträge.
SPIEGEL: Are you under the impression that the new EU countries with their unique historical experiences are not taken seriously in Western Europe?
Ilves: Yes. One cannot simply extinguish people's memories in these countries. A common trait among the new EU countries is their pro-American stance, which results from their fear of Russia. It generates great resentment when people who don't know Russia try to tell people who have experienced Russia at first hand what Russia and the Russians are like.
Noch deutlicher geht es nicht. Die osteuropäischen Länder vertreten die Interessen der USA und nicht die Interessen der EU. Anstatt Kontakt zu Russland zu haben und Vermittlerrolle zu übernehmen, sieht es so aus, als wenn sie selbst Vermittler brauchen.
Aber vielleicht gibt es eine gute Erklärung dafür, warum Estland es nötig hat, sich zum Gegenspieler Russlands aufzuspielen. Ohne diesen Konflikt, der meiner Meinung nach noch bei weitem nicht ausgestanden ist, droht Estland sich in eine kleine, schnell aussterbende europäische Provinz zu verwandeln, die nur von dem Ruhm lebt "Skype" programmiert zu haben. Doch durch den Konflikt mit Russland ist Estland ein Vorposten der Westens gegen den Osten, folglich die Aufmerksamkeit und Geld der EU und der NATO sind garantiert. Wie schon der ehmalige estnische Botschafter in Russland Mart Helme schon 2003 sagte: "Unseren Platz in Europa haben wir schon 1242 festgelegt als die Führer des estnischen Volkes mit ihren Kriegern einen Grossteil des deutschen Heeres stellten bei der Eisschlacht gegen den Aleksander Nevski." Dem ist nur wenig hinzuzufügen.
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